Kürzlich, beim Sommerinterview mit Alice Weidel (AfD) wurden bei mir Erinnerungen wach. An eine Demonstration in Berlin, bei der ich dabei war. Die Parallelen sind erstaunlich, aber noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass Politik und Medien die Menschen immer offensichtlicher für dumm verkaufen.

Blicken wir kurz zurück auf das Jahr 2020 und lesen die Schilderungen auf der Wikipedia hinsichtlich der Frage, was damals passierte:

„Sturm auf den Reichstag bezeichnet einen Vorfall in Berlin am 29. August 2020. Während einer Demonstration unter Beteiligung von Verschwörungsideologen, Reichsbürgern und Rechtsextremen unternahmen etwa 400 Personen den Versuch, das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen. Absperrungen wurden überwunden, jedoch endete der Versuch aufgrund der Standhaftigkeit der anwesenden Sicherheitskräfte. Später traf Verstärkung ein und konnte die Demonstranten vom Gebäude entfernen.“

Man könnte diese Beschreibung als unvollständig bezeichnen, sie eine Lüge zu nennen, trifft es aber deutlich besser. Denn es handelte sich um eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen und die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen. Was am Reichstag passierte, hatte mit der Demonstration faktisch nichts zu tun.

Aber der Reihe nach.

Reichstagsgedöns

Auf der Demo am 29. August 2020 war ich mit zwei Freunden und einer Freundin. Wir waren gerade auf dem Weg zur Abschlusskundgebung, als uns am Rande des Zuges ein paar Leute ansprachen und sagten, wir sollten ihnen folgen, das eigentliche Ereignis würde vor dem Reichstag stattfinden. Da wir neugierig waren, gingen wir mit.

Doch der Reichstag war breitflächig abgesperrt, es war kein Durchkommen, zumindest theoretisch nicht. Mit meinem Presseausweis kamen wir dann aber doch durch die Absperrung, die Beamten mussten zwar überredet werden, ließen sich schlussendlich aber erweichen. Was wir dann sahen, war beeindruckend.

Direkt vor dem Reichstag stand eine recht große Bühne, von der aus Redner harsche Kritik an der Bundesregierung übten. Das war die Art von Leuten, von denen man annehmen kann, dass sie die Letzten waren, die direkt vor dem Reichstag eine Bühne aufbauen und dort feurige Reden hätten halten dürfen. Aber so war es, die Bühne war da, professionelle Technik und vermutlich 100 Leute, die gespannt zuhörten und zwischendurch enthusiastisch applaudierten.

Nicht weit entfernt auf der grünen Wiese stand eine Gruppe von Polizisten, die aber nicht aktiv wurden, im Gegenteil, sie schienen sich eher darum zu kümmern, dass alles ordnungsgemäß ablief. Niemand konnte uns die Frage beantworten, warum diese Leute dort eine Bühne aufbauen und gepfefferte Reden halten konnten. Die Ordner wirkten desinteressiert und gelangweilt, die Polizeibeamten meinten, sie dürften sich nicht dazu äußern.

„Aber ist das hier nicht eine Bannmeile?“, wollte ich von einem Beamten wissen. Ja, antwortete dieser, irgendwie schon, aber es sei nun mal so, wie es sei. Ebenso unbeantwortet blieb die Frage, wie diese Leute inklusive ihrer Bühne und haufenweise Technik durch die Absperrungen gekommen waren, der ganze Bereich war ja quasi hermetisch abgeriegelt. Bei den Beamten wieder nur Achselzucken und Äußerungen wie „Ist halt so“ oder „Meine Schicht hat gerade erst angefangen, die waren schon alle hier.“

Wir zogen dann weiter, Richtung Kundgebung.

Bannmeile, Bannmeile

Und jetzt also dieses Sommerinterview mit Alice Weidel. Und wieder war aus der Bannmeile (denn genau das war es, von wo aus das sogenannte „Zentrum für politische Schönheit“ seine Gesänge anstimmte) reichlich Alarm zu vernehmen. Es ist wohl so, dass es inoffizielle Ausnahmen für Leute gibt, die für die „gute Sache“ stehen, sie dürfen auch in Bereiche vordringen, die für andere unzugänglich bleiben.

Mit anderen Worten: Sowohl beim sogenannten „Sturm auf den Reichstag“ als auch beim ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel wurde die Bannmeile als Bannmeile verbannt und stattdessen als Möglichkeit der politischen Statements verwendet. Vermutlich gewinnt im ewigen Kampf „Brandmauer gegen Bannmeile“ die Brandmauer, anders ist der Auftritt der singenden Trillerpfeifen mit viel politischem Sendungsbewusstsein nicht zu erklären.

In beiden Fällen stellt sich die Frage: Wie konnten diese Leute dorthin kommen? Warum konnten sie sowohl 2020 als auch 2025 nicht nur Präsenz zeigen, sondern auch noch kofferweise technisches Gerät anschleppen, um besser gehört zu werden?

Die Antwort möge sich jeder selbst geben.

Mikrofongedöns

Ich weiß nicht, was da beim ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel los war, was ich aber weiß, ist Folgendes: Das hätte so nicht passieren dürfen. Da ich selbst auf den Gebieten Audio und Videoproduktion unterwegs bin, weiß ich noch etwas, eine kleine Kleinigkeit: Die technischen Pannen (oder als was man dieses Desaster auch immer bezeichnen möchte) können vorkommen. Aber nicht bei einem Sender wie der ARD.

Stellen wir uns zur Untermauerung meiner Behauptung folgendes Szenario vor: Irgendein deutscher Fußball-Club schafft es weit in der UEFA-Champions League, richtig weit. Der Einzug ins Finale steht an, das Stadion ist rappelvoll, 60.000 Fans haben sich eingefunden, um ihren Club anzufeuern. Der Lärmpegel ist so hoch, dass man den Krach noch in Kanada hören kann (oder sagen wir: am anderen Ende der Stadt, wir wollen ja nicht übertreiben). Mit an Bord ist natürlich ein Moderator, einer von der ARD, nehmen wir mal an. Er hat einen Co-Moderator, irgendeinen Fußballer, der mit seiner Kompetenz prahlen und fußballerische Weisheiten von sich geben kann. Unten, am Spielfeldrand, stehen auch noch Leute, sagen wir mal Mertesacker und Kramer, die beiden sind recht lustig. Alle reden über das Spiel, analysieren und geben Tipps ab. Mertesacker und Kramer zanken sich ein bisschen, das können sie ja gut, das Herz der Fußball-Fans lacht, die Kehlen der 60.000 Fans sind hopfengetränkt, gut geölt und laut, verdammt laut.

Keiner der Beteiligten wird rumschreien müssen, niemand hat ein Echo auf dem Ohr oder versteht sein eigenes Wort nicht. Wie das sein kann? Ganz einfach: Der Fernsehsender verfügt über eine Technik, die ihresgleichen sucht, Störgeräusche werden einfach ausgeblendet. Kleine Alternativ-Medien – selbst die, die wirklich gut ausgestattet sind – würden vermutlich Morde begehen (bildlich gesprochen, bildlich gesprochen!), um die technischen Möglichkeiten zu haben, über die die ARD und das ZDF verfügen.

Für dumm verkauft

Das ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel zeigt einmal mehr: Die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurden für dumm verkauft. Das ist nun wirklich nichts Neues, hat gewissermaßen Tradition. Aus der Tagesschau ist eine Propagandaschleuder der Regierungspolitik geworden, Polit-Magazine berichten heute das genaue Gegenteil dessen, was sie noch vor ein paar Jahren gezeigt haben (wie peinlich dieses Gebaren für die eigene Glaubwürdigkeit ist, merken sie nicht mal mehr oder es interessiert sie schlicht nicht) und als krönendes schwarz-rot-grünes Sahnehäufchen wird der dritte Weltkrieg heutzutage bei Lanz, Illner und Maischberger vorbereitet.

Übrigens: Für Leser, die mir nun Verschwörungstheorien unterstellen und behaupten, ich könne überhaupt nicht beurteilen, was für technische Herausforderungen so ein Sommerinterview mit sich bringt, sei gesagt: Warum sind die Lackaffen von der ARD mit Alice Weidel nicht einfach ins Studio umgezogen?

Und sagt jetzt nicht: „Weil die Weidel das nicht wollte.“ Wäre wohl das erste Mal, dass die ARD etwas tut oder nicht tut, weil ein AfD-Mitglied den Wunsch äußert.