Die bagatellisierte Diskriminierung

Es gibt eigentlich keinen Grund, weswegen man sich für seine Nicht-Impfung rechtfertigen müsste. Es doch zu verlangen, ist verletzend, übergriffig und egozentrisch. Neulich bei einem meiner Quartalstermine beim Facharzt. »Sind Sie geimpft, Herr De Lapuente?«, wollte der Mediziner von mir wissen. Ich verneinte. »Warum nicht?«, bohrte er nach. »Ich möchte das Thema nicht vertiefen, vielen Dank.« Neuer Versuch: »Warum nicht?« Ich wiederholte stur: »Ich möchte das Thema nicht vertiefen, vielen Dank.« Er klimperte auf der Tastatur, stierte in den Bildschirm. »Beim letzten Mal sagte Sie, Sie würden zunächst die Priorisierung abwarten, damit Sie mit Ihrer Lebensgefährtin zusammen geimpft werden können.« Das schien er abzulesen, er hat sich offenbar sehr genaue Notizen gemacht. Eine solche Genauigkeit gemachter Aussagen kommt eher bei der Polizei als im Gesundheitswesen vor. Ich blieb bei meiner Aussage: »Ich möchte das Thema nicht vertiefen, vielen Dank.« Dieses sture Wiederholen habe ich von manchem Sportfunktionär gelernt, der auf jede Frage gleich mit »Kein Kommentar!« retourniert. Er gab es auf. Aber zurück blieb ein komisches Gefühl, eine Anklage im Raum, Bedrängung irgendwie. Das war übergriffig. Ein Mediziner kann mir eine Impfung anraten, argumentativ und sachlich – wenn ich das will. Aber mich löchern, meine Motive hinterfragen: Das geht zu weit. Weiterlesen in der Schwurbelpresse

Der deutsche Vernichtungskrieg gegen die Ukraine

Der Plan war einfach. So einfach, dass er aufgehen musste. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Man destabilisiert die europäische Sicherheitsordnung immer weiter, indem man russische Sicherheitsinteressen übergeht. Man lädt die Ukraine zum NATO-Beitritt ein, befördert dort einen Putsch und bringt eine Marionettenregierung an die Macht. Die Marionettenregierung ändert die Verfassung. Die Ukraine gab 2014 ihre Neutralität auf und schrieb sich die Aufnahme in die NATO als Staatsziel in den Verfassungstext. Man übergeht internationale Verträge und Vereinbarungen, ignoriert russische Einwände, sabotiert das Völkerrecht, fördert einen kruden Nationalismus sowie Rassismus und drängt Russland so in einen Krieg mit dem Nachbarland. Schon vor Ausbruch des Krieges unterstützt man die Ukraine vollumfänglich mit westlichen Waffen und Geld, nach Ausbruch noch viel mehr. Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges, nämlich genau einen Tag nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, überzieht man Russland mit Sanktionen, um die russische Wirtschaft zu zerstören. Man zeigt damit, dass alles fein säuberlich geplant war und ausgearbeitet in der Schublade lag. Man wollte den Krieg.

Mittels Ukraine Russland in die Knie zwingen

Mit dem Gleichklang von wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen sollte Russland in die Knie gezwungen werden, um dem Land anschließend aus einer Position der europäischen und deutschen Stärke die weiteren Bedingungen diktieren zu können. Russland sollte gefleddert werden. Um die Ukraine ging es nie und geht es auch weiterhin nicht. Man nimmt dort mit, was man mitnehmen kann, aber das eigentliche Ziel westlicher Aggression war immer schon Russland und ist es auch dieses Mal wieder.Um Demokratie, um Freiheit, um die Souveränität eines Staates ging es nie. Der Westen als imperialistisches System kennt keine souveränen Staaten. Wer das glaubt, hat fundamentale Zusammenhänge nicht verstanden. Der grausame Plan ging gründlich schief. Die Sanktionen funktionieren nicht. Die russische Wirtschaft wächst. Auch militärisch ging das Abenteuer in die Hose. Die Ukraine verliert, dem Westen geht die Munition und das Geld aus. Er hat viel versprochen und kann nicht liefern. Er hat die Ukraine mit falschen Versprechungen in eine tödliche Falle gelockt. Die NATO steht nackt da. In einem regional eng begrenzten Konflikt kann sie nicht in einer Weise unterstützen, dass die unterstützte Partei die Oberhand gewinnt. Doch aufgeben und das Ziel überdenken? Niemals! Die Ukraine wird so nach und nach zerstört.

Es gibt keinen Plan B

Die EU, die NATO, der gesamte Westen waren sich so sicher, dass ihr Plan aufgehen würde, dass sie auf die Ausarbeitung eines Plan B verzichtet haben. Sie verfügen über kein Ausstiegsszenario, haben keine Idee, was nun zu tun ist, da sich sowohl die Sanktionen als auch all die Waffenlieferungen als weitgehend wirkungslos erweisen und Russland auf dem Schlachtfeld weiter voranschreitet. Die Lösung für das Dilemma lautet: wir machen einfach so weiter. Die Ukraine braucht mehr Waffen, sie braucht Luftverteidigung, sie braucht Patriot-Systeme. Die Ukraine muss umfassender mobilisieren, mehr Soldaten ins Feld schicken. Der Durchlauf muss beschleunigt werden, das Sterben muss an Geschwindigkeit zulegen. Aus lauter Fantasielosigkeit, aus reiner Zerstörungswut und Lust am Bösen, wird die Ukraine durch westliches und deutsches Beharren, den eingeschlagen Weg weiter zu gehen, völlig vernichtet. Wer jemals geglaubt hat, es ginge um die Ukraine, um ihre Freiheit als souveräner Staat und um Demokratie, wird jetzt endgültig eines Besseren belehrt. Für den Wunsch, Russland Schaden zuzufügen, sind westliche Politiker bereit, die völlige Zerstörung und den tausendfachen Tod von ukrainischen Soldaten in Kauf zu nehmen. Wichtig sei es jetzt, meinte der britische Außenminister David Cameron, die Ukrainer im Kampf zu halten. Wozu? Die Vizepräsidenten des deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, will Patriot-Systeme schicken. “Luftabwehr rettet Leben” schreibt sie in einem Tweet. Deutsche Waffen sind Akte reiner Nächstenliebe, macht man den Deutschen seit einiger Zeit wieder weis. Der Zynismus der westlichen Ukraine-Politik wird so noch deutlicher sichtbar. Der Vernichtungswille westlicher und deutscher Politik wird mit Händen greifbar. Ein “gerechter Frieden” soll in der Ukraine werden, sagt Bundeskanzler Scholz. Die Ukraine soll aus einer Position der Stärke die Bedingungen aushandeln.

Der Tod ist weiterhin ein Meister aus Deutschland

Die Alternative dazu ist nicht verhandeln und kämpfen bis zum letzten Mann, bis der letzte ukrainische Soldat sein Blut vergossen hat. Das ist das Schicksal, das die Bundesregierung und ebenso weite Teile der CDU-Opposition der Ukraine bestimmt haben. Deutschland hinterlässt erneut verbrannte Erde. Dieses Mal nicht aus Feindschaft, sondern aus Freundschaft. Deutschland unterstützt die Ukraine bis zu ihrer vollständigen Vernichtung – aus mitfühlender Güte versteht sich. Verhandeln will man weiterhin nicht. Deutsche Politik bleibt sich treu und setzt auf Zerstörung, wenn sie ihre Ziele nicht durchsetzen kann. Wenn die Ukrainer keinen Sieg über Russland erringen können, dann sollen sie im Krieg umkommen, ist die Devise, nach der deutsche und westliche Politik handelt. Sicher, es ist nicht Deutschland allein. Aber Deutschland tut sich mit besonderem Eifer hervor. Dass Deutschland dieses grausame Spiel des westlichen Imperialismus erneut mitspielt, ist angesichts der deutschen Geschichte ein besonders erschütterndes Zeugnis des Unwillen zum Lernen aus der eigenen Geschichte. Der Tod ist weiterhin ein Meister aus Deutschland.

Erwiderung: Mit dieser Sozialdemokratie gibt es keinen Wechsel

Wahrscheinlich hätte ich eine andere Headline gewählt, wenn Roberto J. De Lapuente nicht für seinen Text den Titel „Ohne die Sozialdemokratie gibt es keine Wechsel“ favorisiert hätte. So was wie „Und tschüss, SPD“ oder „Der langsame Tod der Sozialdemokratie“. Aber gut, das nur am Rande.

Spence Jahn (MdB) bittet die Bevölkerung um Entschuldigung

162
Er sitzt zwar nicht in der ersten Reihe im Bundestag, aber Spence Jahn hat das letzte Jahr über mitbekommen, was alles schiefgelaufen ist. Nun hat er ein Video gemacht, in dem er die Menschen um Entschuldigung bittet. Es sind längst nicht alle Gründe genannt, die eine Entschuldigung rechtfertigen würden. Aber Spence Jahn hat zumindest einen Anfang gemacht. Immerhin, eine Geste …
Audioversion:

Die gesellschaftliche Krise: Der Ausweg könnte ein dunkler sein

Der Druck wächst weiter. Derzeit vornehmlich auf Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen. Doch letztlich stellt sich eine grundsätzlichere Frage: Wie kommen wir aus dieser Krise der Demokratie überhaupt wieder heraus? Die mögliche Antwort sollte uns alle beunruhigen. Fast alles, was derzeit als Argument für massive Grundrechtseinschränkungen angeführt wird, ist verfassungswidrig. Stellt man Juristen die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit und/oder der Verhältnismäßigkeit der Corona-Politik, erhält man in den meisten Fällen eine unzweideutige Antwort: Das geht so nicht.

Wo kein Richter …

Beispielhaft können die seinerzeit verhängten Ausgangssperren angeführt werden. Sie waren in den Augen vieler (wahrscheinlich sogar der meisten) Juristen klar verfassungswidrig. Doch man kann auch das Recht der körperlichen Unversehrtheit nennen, oder die massiven Einschränkungen des Versammlungsrechts und vieles mehr. Inzwischen sind wir an dem Punkt, an dem es reicht, wenn eine neue „Welle“ auf uns zukommen könnte, um die massiven Grundrechtseinschränkungen weiterhin aufrecht zu erhalten. Die Gerichte haben sich allerdings weitgehend aus dem Problem der Verfassungsmäßigkeit herausgezogen. Der Bundestag ist faktisch bedeutungslos geworden, die Landesregierungen sind voll auf Linie. Und dass Merkel mit den Richtern, vor denen sie sich gegen eine Klage der AfD rechtfertigen muss, lecker essen geht, ist schon in Ordnung, schließlich sei der christliche Obermufti ein Parteifreund. Befangenheit ergebe sich daraus natürlich nicht, höchstens ein dezentes Völlegefühl, weil das Essen etwas zu reichhaltig war. Kurzum: Welche Instanz soll die Verfassungsmäßigkeit der seit anderthalb Jahren praktizierten Corona-Politik überprüfen und in die Schranken weisen?

Alternativlose Auswahl

Machen wir uns nichts vor: besagte Instanz fehlt inzwischen völlig. Aber nicht nur auf dem Gebiet der Juristerei, sondern auch auf der politischen Ebene. Wir haben de facto keine funktionierende Opposition mehr. Nur die AfD – die dafür handfeste Gründe hat – und zu Teilen die FDP äußern sich kritisch. Wendet man dagegen den Kopf in Richtung Linkspartei, Grüne oder gar der Covidioten-SPD, kann einem nur schlecht werden. Die voneinander abweichenden Meinungen innerhalb der im Bundestag vertretenen Politiker-Kaste sind erstens gering und zweitens hauptsächlich daran erkennbar, dass sie sich gegenseitig in der Radikalität der Verfassungsfeindlichkeit übertreffen. Kaum äußert ein Helge Braun aus dem Kanzleramt, dass er sich gern angemessen zur Farbe seines Nachnamens äußert und Einschränkungen für Ungeimpfte ankündigt, kommt ein speigrüner Kretschmann um die Ecke und macht die Sache mit einer möglichen Impfpflicht rund. Gegenstimmen? Fehlanzeige. Und den wenigen, die es gibt, fehlt jede Einflussmöglichkeit.

Faschistoide Züge

Und wieder der grünstichige Kretschmann: „Impfen ist Bürgerpflicht.“ So einfach ist das. Und die Stimmen mehren sich, dass er damit totalitäre, sogar faschistoide Züge an den Tag legt. Nur die wirklich Verblendeten leugnen das und verweisen auf das Fehlen von Konzentrationslagern. Denn derartige Lager sind sowieso nicht mehr zeitgemäß. Heute wird der Druck über die gesellschaftliche Teilhabe bzw. deren Eliminierung ausgeübt. Es liegt zudem ein Irrtum vor, wenn man faschistoide Züge in der Politik mit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gleichsetzt, denn der Begriff
wird häufig verwendet, um besonders autoritäres oder autoritätsgläubiges Verhalten zu beschreiben.
Bei Licht betrachtet erleben wir nichts anderes als genau das. Es braucht in der Tat nicht mehr viel, um die Grenze zum Faschismus zu überschreiten, aber die faschistoide Politik von heute ist bereits so ausgeprägt, dass es auch ohne diese Grenzüberschreitung ein Alarmsignal sein muss. Wer erst auf etwas Vergleichbares wie Konzentrationslager warten will, bis er den Ernst der Lage anerkennt, wird womöglich bald morgens die Augen aufmachen und sich wundern, wohin diese Menschen da draußen in den Polizeibussen gebracht werden. Natürlich ist es (inoffiziell) verboten, derlei Vergleiche zu bemühen. Doch wenn man sich die Summe der politischen Handlungen und deren Kompromisslosigkeit und Radikalität ansieht, wird man kaum leugnen können, dass hier schon mehr als eine Tendenz erkennbar wird. Eine Tendenz zu faschistoiden Zügen. Einen brüllenden Mann mit Schnauzbart braucht es dafür nicht, im Gegenteil, seine Art würde kaum einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Heute sehen die autoritären Gesichter lächelnd in Kameras und werden von PR-Profis beraten. Man geht halt mit der Zeit.

Wohin wird die Reise gehen?

Da vermutlich (hoffentlich) die wenigsten Menschen an einem faschistoiden System interessiert sind, werden sich viele von ihnen von der etablierten Politik abwenden. Vermutlich wird man das zumindest in Zügen bereits bei der kommenden Bundestagswahl sehen können. Doch was man als vermeintlich progressiv denkender Mensch als ein gutes Signal deuten könnte, dürfte in eine andere Richtung deuten. Denn die progressive, die linke Idee, die einen neuen Weg aufzeigen könnte, ist schließlich nicht (mehr) vorhanden. Wer wird so naiv sein und als Alternative zur derzeitigen Bundesregierung etwa die Linkspartei wählen? Gerade die hat sich ja in der Krise als rückgratlos und opportunistisch erwiesen. War bisher der Unterschied zwischen SPD und Unionsparteien nicht mehr auszumachen, ohne ein Mikroskop zu bemühen, reihen sich in die Kette der gleichförmigen Parteien nun auch noch Grüne und Linke ein. Wenn wir ehrlich sind, war das vor Corona auch nicht viel anders. Aber damals konnte man sich zumindest noch Themen aussuchen, von denen man sagen konnte, dass sie den eigenen Vorstellungen am nächsten kommen. Doch die politische Themenvielfalt hat gemeinsam mit der Grippe Reißaus genommen und scheint bis auf Weiteres nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Vielleicht erleben wir eine neue Vielfalt an Themen, wenn die gesamte Menschheit durchgeimpft ist, aber sicher sein kann man sich da nicht. Stattdessen werden wir vermutlich einen Wandel in eine andere – auf den ersten Blick widersprüchliche – Richtung erleben. In die Richtung nach rechts. Das mag überraschen, denn wenn wir davon ausgehen, dass die derzeit erlebte faschistoide Politik die Bürger von den etablierten Parteien entfernt, sie vertreibt, kann eigentlich eine rechte Alternative nicht logisch erscheinen. Schließlich ist zum Beispiel mehr oder weniger allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass hierzulande die AfD eine rechte oder rechtsoffene oder rechtsradikale Partei ist. Welche Titulierung gerade verwendet wird, hängt von der Sichtweise des jeweiligen Betrachters ab. Aber die AfD ist nun einmal auch die einzige Partei im Land, die sich offen gegen die Corona-Politik ausspricht. Man könnte sagen, dass das Risiko dieser Haltung der Partei fast egal sein kann, denn ist der Ruf erst ruiniert … wir kennen das. Und da inzwischen ja auch politisch und medial die Durchimpfung dahingehend stattgefunden hat, dass jeder kritische Geist ein „Querdenker“ ist (was früher einmal eine Auszeichnung war, jetzt aber ein Begriff ist, von dem man sich tunlichst distanzieren sollte), ein „Antisemit“, „Reichsbürger“ oder eben „Rechtsradikaler“, braucht man sich als Maßnahmenkritiker gar nicht mehr zu verstecken. Durch die Injektion der breiten Masse finden sich immer mehr „Schwurbler“ zusammen, die ohne die agitatorische Einflussnahme womöglich nie etwas voneinander gehört hätten. Doch die kritische Masse wächst. Mit jeder neuen Verordnung, Gesetzesänderung und mit jedem Verbot oder jeder als Gebot verpackten Anweisung steigt die Kritik in den Köpfen vieler Menschen. Das wird mittelfristig zu einem erheblichen Verlust von Wählerstimmen in den etablierten Parteien führen. Und – in Anbetracht der fehlenden Alternative – zu wachsenden Zahlen der Stimmen für rechte Parteien (das gilt im Übrigen nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere Länder).

Die vergeudete Chance der Linken

Wenn die Corona-Krise eines gezeigt hat, dann ist es die Tatsache, dass auch in dieser Krise die soziale Ungerechtigkeit eines der größten Probleme der Menschen ist. Die, denen es schon vorher schlecht ging, wurden in der Krise eine weitere Etage tiefer durchgereicht. Die sozialen Spannungen werden weiter zunehmen, denn es ist längst klar geworden, dass die Corona-Politik die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Wie schon seit Helmut Kohl und später Gerhard Schröder ist die soziale Frage etwas, das die Gesellschaft spaltet, Armut schafft, Unsicherheit, Depressionen, Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch erzeugt und in den Köpfen der Menschen die mit Abstand erste Rolle spielt. Wenn am 20. eines Monats der Kühlschrank leer ist, interessieren philosophische Fragen ebenso wenig wie die nach der politisch korrekten Haltung. Die SPD hat hier – auch wegen der Agenda 2010 – schon früh den Pfad verlassen, auf dem sie ihre Klientel hätte erreichen können. Das rächt sich seit dem Beginn der Kanzlerschaft durch Merkel, aber die SPD weigert sich beharrlich, diese simple Tatsache zu erkennen und entsprechend zu handeln. Die Linke, die für eine gewisse Weile noch die soziale Frage in den Vordergrund gerückt hatte, ist mittlerweile mit sich selbst und der eigenen Machtgeilheit so sehr beschäftigt, dass einfach keine Zeit mehr für die Menschen bleibt, die sie ursprünglich einmal vertreten hat. Die Grünen sind eine „SUV-Partei mit Zweitwagen-Cabrio“ geworden, und die FDP steht vorrangig für Unternehmen und Konzerne. Was also bleibt am Ende übrig? Nicht wählen, kleine Parteien wählen. Oder eben die AfD.

Die gefährliche Chance der AfD

Am Erfolg der AfD – der sich vermutlich künftig weiter wird ausbauen lassen – tragen SPD, Grüne, FDP und Linke ebenso Mitschuld wie die Unionsparteien. Sie alle lassen die Menschen nicht nur allein zurück und reduzieren sich auf „Gute-dies-oder-starke-das-Gesetze“, die kaum Verbesserungen erzeugen. Seit Corona üben sie sich auch noch daran, Menschen kollektiv und pauschal zu verurteilen. Das war bereits bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik so, und auch nach der jüngsten Flutkatastrophe zeigte sich, dass es einmal mehr die Opfer waren, denen ein Teil oder sogar Großteil der Schuld aufgeladen wurde. Wenn ein Friedrich Merz (CDU) von einer fehlenden Sensibilität für Risiken der Bürger spricht, dann ist klar, was er meint: Kümmert Euch um Euren Scheiß gefälligst allein, wir haben damit nichts zu tun.
Katastrophenschutz ist keine Einbahnstraße. Es kommt nicht allein auf die Behörden, sondern auch auf die Bürgerinnen und Bürger an. In weiten Teilen der Bevölkerung gibt es zu wenig Risikobewusstsein, das muss sich ändern. Nur wenn wir verdrängen, dass Katastrophen passieren können, werden wir von ihnen überrascht.
Gleiches gilt für die Corona-Politik. Fast über den gesamten Zeitraum der Krise wurde die Verantwortung für schlechte Inzidenzwerte (und was noch alles schlecht lief) der Bevölkerung übertragen. Die eigene Politik dagegen wurde als fehlerlos, umsichtig, verhältnismäßig und angemessen dargestellt. In Anbetracht der Kollateralschäden, die die des Virus mittlerweile deutlich übersteigen, eine an Arroganz, Herablassung und Ignoranz kaum zu fassende Überzeugung. In der Summe lässt sich festhalten, dass die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung immer bedrohlicher wird. Als Gegenmaßnahme setzt die Politik auf die künstliche Erzeugung von Feindbildern einerseits und auf noch mehr Konfrontationspolitik mit der Bevölkerung andererseits. Aus diesen Zutaten werden Wähler rechter und rechtsradikaler Parteien zubereitet. Wobei sich noch zeigen wird, ob die AfD das Ende der Entwicklung sein wird oder womöglich sogar politische Kräfte an Bedeutung gewinnen, die weit extremer aufgestellt sind als die AfD. Solange die Politik an den Bedürfnissen, Ängsten und Sorgen der Menschen vorbei agiert, wird sich diese Entwicklung nicht aufhalten lassen. Und alle, die diese Tendenz nicht aktiv und mit den Menschen wirklich zugewandter Politik stoppen, tragen eine erhebliche Verantwortung dafür. Daran wird auch das am Morgen mit viel Aufwand aufgebaute Feindbild nichts ändern. Weil die, die diesen Aufbau betreiben, längst selbst zu Teilen Feindbilder geworden sind. Und dafür haben sie alles getan, was nötig ist. Tendenz auch hier: zunehmend.

Es folgt eine AfD-Wahlkampfwerbung mit Jan Böhmermann

Wer für den Aufwind der AfD verantwortlich ist? Zum Beispiel Jan Böhmermann. Wer erzeugt Klimaleugner? Beispielsweise Luisa Neubauer. Die Moralisten verstehen nicht, dass sie das Problem sind. Dieser Jan Böhmermann ist außer Rand und Band. Neulich unterstellte er Sandra Maischberger via Twitter, sie würde Nazis in ihre Sendung einladen, damit sie mal eingeladen würde, wenn die Nazis die Schalthebel der Macht bedienen. Mit Nazis meinte er natürlich, wie könnte es anders sein, Parteipersonal der Alternative für Deutschland (AfD). Unterhalb so eines Nazivergleichs macht es einer wie Böhmermann gar nicht mehr. Seit Jahren fällt dieser Mann, von dem behauptet wird, er sei ein Humorist, durch Debattenbeiträge dieser Art auf. Bei Twitter blockiert er emsig. So fiel mir neulich in meiner Rolle als Redakteur eines anderen, mittlerweile ganz gut bekannten Magazins auf, dass er uns auch dort kaltgestellt hat – und dass, obgleich wir nie etwas miteinander zu tun hatten. Wird da prophylaktisch ausgemerzt? Damit Herr Böhmermann keine konfrontativen Meinungen ertragen muss? Sein Sendungsbewusstsein erreicht auf diese Weise nur noch Anhänger seiner Kleinstkunst. Weiterlesen in der Schwurbelpresse

Der körperlose Mensch

Mein Bauch gehört mir: Das war noch eine Ansage zur körperlichen Autonomie. Sie wurde verstanden, akzeptiert und gefeiert. Wir stehen vor einem Wandel. Mir geht es ein bisschen wie Hubert Aiwanger, dem bayerischen Koalitionspartner von Markus Söder: Auch mich hat das Impfangebot bislang nicht überzeugt. Als es mit den Impfungen losging, wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich als Impfdrängler zu betätigen. Ich wollte zuwarten, mal gucken was so passiert und mich dann frühestens im Herbst entscheiden, mit was und ob ich mich impfen lasse oder eben nicht. Beide Optionen hielt ich mir offen. Die Zeit rinnt nun tatsächlich, bald ist Herbst und ich bin noch immer unentschlossen. Oder sagen wir es so: Ich hätte gerne mehr Zeit. Aber geht es nach Herrn Braun aus dem Kanzleramt und anderen, die mir nichts dir nichts klarmachen, dass das Grundgesetz eine Impfpflicht ohne viel Federlesens hergibt, so kriege ich diese Zeit aber nicht. Ich muss mich nicht mal mehr entscheiden: Das tut der Staat für mich. Er verfügt über meinen Körper. Mein Arm gehört mir dann eben nicht. Und wenn es nur der Arm wäre! Mir gehört mein Immunsystem nicht, mein Kopf nicht, einfach alles nicht. Alles an mir gehört (wieder mal) dem Staat. Weiterlesen in der Schwurbelpresse

Leben für den Augenblick

Meine Eltern waren Mittelstand. Und das als Arbeiter. Ein Teil davon als Arbeiter mit Migrationshintergrund wohlgemerkt. Mein Vater war Metaller, gelernter Schweißer. Er arbeitete eigentlich immer, wechselte die Unternehmen, fand immer einen Job, war mal Fräser, mal Dreher, verdiente immer Geld. Meine Mutter sicherte sich eine Heimarbeit, stückwerkte kleine Lichtschalter zusammen. Wir waren nicht reich, aber es mangelte uns tatsächlich an wenigem. Und wenn ich das hier so schreibe, meine ich das nicht etwa armutsromantisch, weil wir uns etwa Nutella leisteten und es für einen kleinen Schatz hielten oder so. Nein, mein Vater kaufte sich zum Beispiel oft ein neues gebrauchtes Gefährt, wir fuhren regelmäßig in den Urlaub und Tickets für Kino oder ein Heimspiel der Sechziger oder Bayern, waren immer ohne Schwierigkeiten finanzierbar. Ich war nicht immer Mittelstand. Und jetzt, da ich es faktisch wohl wäre, bin ich es nicht so, wie es war, als meine Eltern in meinen Kindertagen im Mittelstand verweilten. Mir geht es nicht so schlecht. Man wird auch bescheidener. Aber was ich bis heute nicht geschafft habe, das sind die Rücklagen, von denen man überall liest, wenn es mal wieder um Anlagen geht. Die Anlagenberater tun nämlich noch immer so, als würden Menschen aus dem Mittelstand genug Geld zurücklegen können, wie es vielleicht vor dreißig Jahren noch war. Dabei ist es doch so, dass mehr oder weniger nur das Geld reinkommt, das man auch zum Bestreiten des Lebens benötigt. Wenn da was übrigbleibt, dann weniger in der Höhe, um von Geldanlagen sprechen zu können. Geld anlegen, sich Gedanken machen, wohin mit dem, was man zunächst nicht verkonsumieren musste, das sind doch so Verhaltensstrukturen unserer Eltern. Wir sind im Großen und Ganzen von dieser Sorge befreit. Wir leben für den Augenblick. Wie Hedonisten. Nur ohne den Anspruch, daran Freude zu verspüren. Das ist der negative Hedonismus unserer Zeit. Wir leben für jenen Augenblick, in dem wir Monat für Monat alles verbrauchen, um unsere Rechnungen zu bezahlen, uns das Überleben zu sichern. Und morgen kann alles schon wieder vorbei sein, die Arbeitslosigkeit einziehen und dann reicht uns das Geld nicht mal, um am Ende bei plus/minus Null rauszukommen. Wer dann doch ein bisschen was zur Seite geschafft hat, der verliert es spätestens jetzt. Darüber musste ich nachdenken, als der »Stern« kürzlich mal vom »Ende des Mittelstandes« schrieb und dass es den Jungen schlechter gehen wird als den Eltern. Wieso wird? Wir sind doch schon mittendrin. Oder außen vor. Wie man es sehen will. Wir rutschen ab und man hat uns in die Lage versetzt, unser gesamtes Geld auszugeben und möglichst wenig zurückzulegen. Wenn man in Magazinen Anlageberatungen publiziert, dann meinen die nicht uns damit. Das sind Anklänge an eine verlorene Gesellschaft. Wir leben doch auf Pump. Der Mittelstand von heute, die arbeitenden Frauen und Männer, das sind keine Leute, die noch was übrig haben. Die kommen heute schon nicht mehr richtig mit. War Mittelstand früher mal eine gute gesellschaftliche Stellung zwischen den Reichen und denen, die wenig hatten, in der man auch mal ein bisschen was sparen konnte und so immer was in der Hinterhand hatte, so ist der heutige Mittelstand nicht durch Sicherheit dieser Art gekennzeichnet, sondern durch den Umstand, wenigstens halbwegs seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das ist eine priviligierte Stellung, denn unterhalb dieses mittleren Segments leben Menschen in einem Szenario, das sie Monat für Monat für Monat tiefer in die Miesen treibt. Das Leben im aktuellen Mittelstand beschert einem keine nachhaltige finanzielle Sicherheit, sondern nur die Möglichkeit, gerade so hinzukommen. Das ist der Grund, warum die private Rentenvorsorge grandios gescheitert ist. Nicht weil die Leute, die angesprochen werden sollten von solchen Finanzprodukten, im klassischen Sinne arm sind. Sondern weil sie nicht mehr genug übrig haben, um sich extra Vertragsabschlüsse zu leisten. Sie sehen nicht ein, warum sie ihr knapp bemessenes Etat überziehen sollen, um jetzt sukzessive über den Verhältnisse zu leben, damit sie später mal ein auch noch steuerpflichtiges Rentenzubrot kriegen. Wer weiß denn, ob wir so alt werden? Die Lebenserwartung ist für Menschen, die die finanziellen Mittel nicht haben, um sich gesundheitlich was zu gönnen, ganz sicher kein Wachstumsmarkt. Im Gegenteil, in den Vereinigten Staaten sinkt die Lebenserwartung des Mittelstandes bereits. Bei uns dürfte das nicht so viel anders aussehen. Im Jahr der Kanzlerinnenwiederwahl werden wir aber davon wenig hören. Man sollte den Augenblick echt genießen. Wer weiß, wieviele man noch hat.

Es ächzt im Gebälk der alternativen Medien

157
Corona zieht auch an den alternativen Medien nicht spurlos vorbei. Dabei ist die allgemeine Faktenlage das größte Problem. Die ist zwar diffus, aber diese Tatsache gerät schnell in den Hintergrund, wenn man hinter Corona so etwas wie die „Neue Weltordnung“ vermutet. Es war unter anderem Alexander Unzicker (hier im Podcast mit mir), der auf „heise.de“ vom Versagen der alternativen Medien sprach. Auch Florian Kirner, der einer der Mitbegründer des „rubikon“ war, rechnete mit der kategorischen Grundhaltung des Magazins ab, so lässt sich sein Text auf der „Freiheitsliebe“ jedenfalls deuten. In der letzten Episode von „ExoMagazin TV“ fanden Dirk Pohlmann, Mathias Bröckers und Robert Fleischer gleichfalls kritische bis mahnende Worte in Richtung der alternativen Medien. Wo also ist das Problem der alternativen Medien, oder: einigen von ihnen?

Alles Fake, oder was?

Was Kirner, Unzicker und das ExoMagazin kritisieren, ist – so kommt es bei mir jedenfalls an – die Sorglosigkeit, mit der ein gefährliches Virus in die Schublade „Männerschnupfen“ eingeordnet wird. Die Herausforderung einer solchen Meinung bzw. Behauptung ist die Faktenlage, denn die ist bekanntlich alles andere als eindeutig. Seriös wäre es in einem solchen Fall, sich mit Festlegungen zurückzuhalten. Die These des „Männerschnupfens“ ist nicht mehr als eine Vermutung. Das wäre gar nicht so wild, wenn die Vermutung denn auch als solche bezeichnet würde. Doch die kritisierten alternativen Medien nehmen für sich weit mehr in Anspruch. Sie wollen die Wahrheit kennen, wollen in Besitz von Wissen sein, das belegen soll, dass Corona nichts weiter als ein harmloses Virus ist, das dazu genutzt wird, Freiheitsrechte zu beschneiden, Überwachungen anzuordnen und den Raubtierkapitalismus weiter auszubauen. Und an diesem Punkt liegen sie meiner Ansicht nach richtig. Aber losgelöst vom Virus. Dass der Staat und vor allem die Wirtschaft der Global Player alles tun, um aus Corona den größtmöglichen Gewinn zu ziehen, ist unbestritten, zumindest was mich angeht. Jede Krise, die der Neoliberalismus hervorbringt – oder die sich in ihm entwickelt – wurde vom Kapital immer schon genutzt, um für sich Vorteile zu generieren. Das ist im Falle von Corona nicht anders und das eigentliche Prinzip des Kapitalismus. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Corona harmlos ist, dass Panikmache betrieben wird wegen einer Krankheit, die im Grunde nichts anrichten kann. Sicher, Panikmache wird von Seiten der Politik aus massiv betrieben. Und ganz sicher werden im Hintergrund Dinge geplant und bereits umgesetzt, die die Stimmung von Angst und Panik für sich nutzen. Aber Corona ist Corona, und Corona ist gefährlich, wenngleich wir auch heute noch nicht wissen, wie gefährlich genau.

Das Gegenteil von gefährlich …

… ist ungefährlich. Und die Steigerung dessen ist die Vermutung eines Fakes. Gehen wir also eine Stufe weiter und schauen exemplarisch auf den Fall Bodo Schickentanz. Schickentanz betreibt den YouTube-Kanal „Mainz Free TV“, außerdem ist er auf Facebook sehr aktiv. Ich selbst hatte mit ihm vor einiger Zeit zwei Podcasts, im zweiten ging es um den Brand der Notre Dame. Auf YouTube und Facebook wird Schickentanz nicht müde, lautstark und sprachlich aggressiv darauf hinzuweisen, dass das Coronavirus nichts weiter als eine einfache Grippe sei. Schickentanz spricht von der
gigantischsten Fake-Kampagne in der Geschichte der Menschheit
und geht davon aus, aus
wirklich nichts ein gigantisches Schreckgespenst zu machen
Seiner Ankündigung, für diese Behauptung Beweise zu liefern, folgte bisher nichts Substanzielles. Aber das ist nicht der Punkt. Ähnlich wie es Unzicker und Kirner kritisiert haben, hat auch Schickentanz sich darauf versteift, das Virus als nicht existent zu bezeichnen, mit all den Auswirkungen wie etwa Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die ich oben kurz angedeutet habe. Diese Auswirkungen stelle ich auch im Zusammenhang mit Schickentanz nicht in Frage. Was ich kritisiere, ist die Radikalität und die Weigerung, zumindest hin und wieder einen anderen Standpunkt zuzulassen. Davon ist Schickentanz weit entfernt, und er entfernt sich jeden Tag ein bisschen weiter davon. Die Tatsache, dass er abweichende Meinungen als die Äußerungen von „Hirntoten“ abtut (immer mit dem Hinweis, das sei zynisch oder satirisch gemeint), macht die Sache nicht leichter. Aber selbst das wäre in Ordnung, würde sich diese Haltung, für die Schickentanz stellvertretend steht, nicht in den alternativen Medien immer breiter machen.

Anspruch und Wirklichkeit

Der Anspruch alternativer Medien war es eigentlich, dem Mainstream auf die Finger zu schauen, einseitige und propagandistische Berichterstattung aufzudecken und kritisch zu kommentieren. Der Anspruch alternativer Medien war es eigentlich, den Worten der Politik genau zu folgen und sie auf Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit hin zu überprüfen. Der Anspruch alternativer Medien war es eigentlich, anders als der Mainstream, keine vorgefertigte Meinung zu haben, sondern sich aufgrund der Fakten ein Bild zu machen und dies zu kommunizieren. Nun aber, in der Corona-Krise, scheinen diese Ansprüche nicht mehr zu gelten. Florian Kirner schrieb sehr treffend:
Und so schreiben alle über alles. Sicher, das ist allgemein ein Zug der Öffentlichkeit in Zeiten des Internets. Man ist ja schon als durchschnittlicher Facebook-User nahezu gezwungen, sich zu der jeweiligen Sau zu positionieren, die aktuell durchs mediale Dorf getrieben wird. Und so hat man dann auf das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo zu reagieren und Charlie zu sein, hat eine Haltung zur Wirkung des CO2 in der Atmosphäre zu haben – derzeit muss man eben Fachkenntnisse in Sachen Virologie simulieren.
Tatsächlich ist das Schreiben über alles etwas, das man nicht verhindern kann, und das sollte auch gar nicht passieren. Natürlich hat jeder das Recht, seine Meinung zu X oder Y kundzutun. Problematisch wird es aber, wenn die Meinung als vermeintlicher Fakt daherkommt. Wer mit breiter Brust behauptet, Corona sei ein Fake, tut das, was er beim Mainstream kritisiert. Erinnern wir uns an den Mainstream und die Ukraine. Oder den Syrienkrieg. Oder das Skripal-Attentat. Damals wie heute werden uns „Fakten“ präsentiert, die meist nicht gesichert, oft sogar aus der Luft gegriffen sind oder auf fragwürdigen Quellen beruhen (man denke an die „Syrische Stelle für Menschenrechte“ – mit Sitz in Großbritannien). Deutsche Medien beziehen sich auf eine „Stelle“ in London, die angebliche Fakten über die Lage in Syrien im Angebot hat, die ja offenbar zuvor von irgendwo her (aus Syrien vielleicht?) nach London gebracht wurden, um von dort in den deutschen Blätterwald zu gelangen. Würden sich die ach so seriösen „Faktenchecker“ einmal allein mit dieser Sachlage beschäftigen, hätten sie eine Menge zu tun. Die alternativen Medien wollen besser sein als das Beschriebene. Sie wollen eben nicht auf Hörensagen reagieren, sondern sich zunächst ein umfassendes Bild machen, bevor sie in die Tasten hauen oder das Mikro anwerfen. Davon haben sich in Zeiten von Corona aber einige dieser alternativen Medien verabschiedet. Und so haben wir haufenweise „Experten“ oder Schreiber, die sich auf sie berufen, allerdings, ohne zuvor andere Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Das ist eine Vorgehensweise, die alternative Medien eigentlich dem Mainstream unterstellen, und zwar mit Recht. Ein Grund mehr, sich dieser Praxis nicht selbst anzunehmen.

Wodarg oder Drosten?

Für den Mainstream ist Drosten das Maß aller Dinge, was er sagt, ist Gesetz (auch wenn inzwischen längst nicht mehr alle Journalisten diese Ansicht teilen). Für zahlreiche alternative Medien ist Wodarg der, der die Wahrheit verkündet. Es scheint dazwischen – hüben wie drüben – mehr nicht zu geben. Ist man für Drosten, muss man gegen Wodarg sein und umgekehrt. Ohne Zweifel ist es unfassbar, was man Wodarg angetan hat, wie Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten beschrieben hat. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass unliebsame Meinungen aus der Öffentlichkeit so weit wie möglich verdrängt werden sollen, koste es, was es wolle. Doch die Unterdrückung unerwünschter Meinungen ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die fachliche. Und diesbezüglich kann zumindest ich mir keine abschließende Meinung bilden, zumindest noch nicht. In den letzten Wochen habe ich beiden Experten gelauscht, und beide Ansätze wirkten auf mich durchaus überzeugend. Dann kamen nach und nach Zweifel bei mir auf, mal in Richtung Drosten, mal in Richtung Wodarg (und diversen anderen Experten, die sich inzwischen zu Wort gemeldet haben). Zu einem abschließenden Ergebnis bin ich bislang nicht gekommen, wie auch?! Mir fehlt schlicht das Fachwissen, ich bin weder Epidemiologe noch Virologe oder etwas Vergleichbares. Nun bedeutet das natürlich nicht, dass man sich nicht trotzdem eine Meinung bilden kann, natürlich kann man das, man sollte es sogar, schon um die Denkleistung des eigenen Gehirns in Bewegung zu halten. Aber es ist dann eben eine Meinung. Und als solche sollte sie auch kommuniziert werden.

Die Wahrheit als Waffe

Es gibt einen Unterschied zwischen dem Aufdecken einer Lüge und dem Verkünden der Wahrheit. Ersteres ist einfacher, zumindest wenn man entsprechende Spuren hat, denen man folgen kann. Doch einige alternative Medien geben sich mit dem Aufdecken von Lügen in der Corona-Krise nicht mehr zufrieden, sie wollen mehr. Sie wollen sagen, was ist, sozusagen, wollen die Wahrheit kundtun und so die Lüge entlarven. Doch bei einer weltweiten Pandemie mit unzähligen Toten ist die Wahrheit nicht so leicht zu finden. Man kann eigentlich nur diskutieren, vermuten, über Szenarien nachdenken, Rollenverteilungen analysieren. Was hat beispielsweise Bill Gates letztlich vom Coronavirus? Stehen die Einschränkungen von Menschenrechten im Moment an erster Stelle, der unsere Aufmerksamkeit gelten sollte? Was hat die Politik von der Pandemie? Warum ist man bereit, den Preis einer weltweiten Rezession zu zahlen? Sterben die Menschen wirklich an Corona, oder nur mit Corona? Man kann, man sollte, man muss diese Fragen stellen. Aber bitte mit entsprechender Vorsicht. Vorsicht im Sinne von: Was auch immer wir vermuten (und vermuten dürfen, denn so bleibt das kritische Denken erhalten), es sind zunächst keine gesicherten Fakten. Dazu ist die weltweite Lage zu unübersichtlich. Aber derzeit scheint gerade das das Problem einige alternativer Medien zu sein: Unübersichtlichkeit. Das geht nicht, denn man will ja schließlich Antworten auf alles haben oder finden. Da steht Unübersichtlichkeit definitiv im Weg. Aber da müssen wir durch.

Gar nichts im grünen Bereich

Ob die Regierungsbeteiligung der Grünen nun wirklich der große Wurf der Demokratie ist, darf freundlich bezweifelt werden. Was man so aus dem Dunstkreis der Grünen vernimmt, klingt befremdlich bis größenwahnsinnig. Die Selbstgerechten, die jetzt das Land regieren, sind keine Demokraten. Hach, die Grünen sich ja auch nicht mehr das, was sie mal waren: Solche Sprüche hört man oft. Und eigentlich ist diese Einschätzung immer falsch. Was waren die Grünen denn? Waren sie je eine Alternative? Bärtige Männer und Frauen im Strickpullover, die gegen Krieg und Atomkraft waren? Diese progressive Ära dauerte keine zehn Jahre, war quasi die parteiliche Gründerzeit. In der fand sich die Partei, es gab allerlei Strömungen, sogar einige, die wir eher ins konservative Milieu einordnen würden. Die Leute um Gruhl zum Beispiel. Baden Württembergs Kretschmann war ja auch nie Radikalökologe. Bei ihm galt: Kommunismus oder Katholizismus – Hauptsache autoritär. Nein, die Grünen waren nur durch Zufall, nur durch die Orientierungslosigkeit in ihren ersten Parteijahren eine eher linke und liberale Partei. Dass die Bürgerskinder das so durchziehen würden, das war schwer vorstellbar. Von der Legende der linken Partei zehren die Grünen noch heute. Und Nostalgiker blicken schmachtend zurück, an jene Jahre, in denen man von Schmuddelkindern sprach, als man die Grünen meinte. Aber so ist das eben, wenn Parteien sich neu aufstellen, sie suchen sich selbst. Man betrachte nur was aus der Anti-Euro-Partei geworden ist – oder aus der Anti-Hartz-IV-Partei: Letztere erkennt man eigentlich kaum noch – egal, um die Linken geht es mir heute gar nicht. Dass da heute bei den Grünen sonderbare Kreaturen ihr Unwesen treiben: Darüber kann man sich nur wundern, wenn man die Parteilegende verinnerlicht hat. Natürlich sind Spießer am Werk. Die gab es dort von Anfang an. Es dauerte nur, bis sie sich durchsetzen konnten. Von da ab war die Partei so eine Art Feelgood-FDP oder Kuschel-CDU.
Demokratie: Wir haben gar nicht das Personal dazu
Aber nicht mal das trifft mehr zu. Die Grünen machen heute einem nicht mehr viel vor, sie lassen immer wieder recht gut erkennen, aus welchem gutsituierten Milieu sie kommen und was für eine verkorkste Beziehung sie zur Demokratie und zum ordinären Bürger haben, der nicht immer so spurt, wie es das grüne Sendungsbewusstsein gerne hätte. Nehmen wir nur diese Grüne namens Sandra Detzer, ihres Zeichens neue Mitgliedin in Deutschen Bundestag. Für die Welt schrieb sie einen kleinen Aufsatz. Schon die Überschrift macht kenntlich, wie Demokratie für Menschen aus dieser Partei zu funktionieren scheint: »Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht mehr verhandeln.« Man tausche mal »wir Grünen« gegen den Namen dieser einen Partei aus, die vor 1933 erfolgreich plante, auf legalen Wege an die Macht zu kommen – und das lasse man mal auf sich wirken. Nein, das ist kein Vergleich – diesmal nicht. Worauf ich hinauswill: So ein Satz hätte auch in Zeiten niedergeschrieben werden können, in der die Demokratie an ihr Ende geriet. Offiziell und im Geschichtsunterricht genau so gelehrt – wenn aber einer wie ich das für die heutige Zeit behauptet, heißt es, er würde übertreiben und eigentlich sei alles ja nicht so dramatisch. Denn wäre das keine Demokratie mehr, dürfte ich das hier nicht mal thematisieren. Richtig wäre aber anzuerkennen, dass diktatorische Strukturen heute anders errichtet werden als damals. Wie soll das mit der Demokratie überhaupt noch mal was werden? Mehr und mehr hat man den Eindruck, dass wir gar nicht das Personal dazu haben. Weder in der Politik noch im normalen Alltagsleben. Jetzt wo es darauf ankäme, demokratische Standards einzuhalten, gerade jetzt in so einer Situation, wo sich Exekutivkräfte im Sinne der Notlage berufen fühlen, die Kontrolle über ihr Vorgehen abzuschütteln, braucht es demokratisches Bewusstsein. Und was haben wir mit in die Bundesregierung gewählt? Eine Partei, die sich seit Jahren dadurch auffällig macht, demokratische Strukturen als Barrieren zu sehen, die dem richtigen Fortlauf der Geschichte nur im Weg stehen. Während Jan Böhmermann sich darüber beklagt, dass die Grünen sich in dieser Ampelkoalition verbogen haben und nicht alles durchgesetzt haben, was sie ankündigten, steckt eigentlich noch immer zu viel Demokratieskeptisches in dem, was die Grünen in dieser Koalition ausmachen wird. An Böhmermann erkennt man übrigens recht gut, wie die grüne Klientel tickt: Obgleich Kompromisse ein ganz normales demokratisches Prinzip darstellen, beklagt er sich über genau diese Kompromissbereitschaft. Er hält es da mit Detzer: Sie sollten lieber nicht mehr verhandeln.
Die Selbstgerechten: Despoten
Es sind genau jene selbstgerechten Kreise, die jetzt in der Regierungsverantwortung stehen, selbstgerechte Protagonisten, die sich als progressiv, liberal und ja auch links labeln lassen, während sie aber von diese Attributen nur sehr wenig durchschimmern lassen. Noch nicht mal Regierung, stellen sie schon eine Novellierung des Seuchenschutzgesetzes vor, in der Arbeitslosigkeit bei Zuwiderhandlung etabliert wurde. Die Grünen und die Sozialdemokraten schicken Menschen in Arbeitslosigkeit und finden nichts dabei. Geht so Aufbruch? Stattdessen legen sie Gewichtung darauf, dass künftig jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht aussuchen darf. Prioritäten müsste man haben. Diese Selbstgerechten sind in ihrer ganzen Anlage keine Demokraten. Manchmal blitzt das auch durch, wenn sie ihren Unmut über die Prozesse kundtun, finden, dass falsche Sichtweisen zu große Betonung finden oder Parteien im Parlament sitzen, die sie für fehl am Platz halten. Dass Menschen andere Perspektiven haben, daher Entwicklungen anders wahrnehmen und insofern auch anderen politischen Protagonisten ihre Stimme geben: Für die Selbstgerechten ist das unbegreiflich. Daher reiten sie auf ihrer Deutungshoheit herum, sie wollen nicht nur ihre Sichtweisen näherbringen, sondern sie Andersdenkenden anerziehen. Und darüber ist nicht zu debattieren: Es muss einfach nur gemacht werden. Weil es richtig ist. Und wer daran zweifelt, der liegt falsch und muss weg, soll nichts mehr sagen dürfen, dem muss man die Foren entziehen, die Kanäle sperren – Miesepeter dulden sie nicht. In der Haltung der Selbstgerechten steckt etwas Despotisches. Sie lassen nichts gelten, was andere umtreibt. Kämpfen nicht demokratisch um Sichtweisen und versuchen etwa zu überzeugen. Sie überrumpeln, sie wähnen sich im Gefühl, für all das zu stehen, was man als richtig und jetzt als moralisch geboten betrachten sollte. Zweifel haben wie gesagt keinen Platz. Wer zweifelt, der frevelt. Mit dem tritt man nicht in den Dialog, man nennt ihn einen Rechten und versucht ihn mundtot zu machen. Die Sozis sind in ihrer Aufmachung ja den Grünen ganz ähnlich. Aber keine Partei hat diese Kultur der Selbstgerechtigkeit so dermaßen kultiviert, wie jene. Sie sind immer Opfer, immer Getriebene, nie schuld, immer werden sie falsch verstanden. Das ist der einzige Dialog, den sie führen mit der Gesellschaft. Ein weinerliches Zwiegespräch, in dem das vermeintliche Opfer glaubt, sich alles leisten zu dürfen, weil es jetzt eben auch mal dran ist. Es sind jämmerliche Nero-Gestalten, die ihre Tränen sammeln, um ihre despotischen Züge zu verdecken.