Wir haben doch nur uns

Vor einigen Tagen stieß ich auf das Buch »Eisenkinder« von Sabine Rennefanz. Darin geht es um die »verlorene Generation«, zu der sie sich als Wendekind zählt. An einer Stelle schreibt sie, dass die DDR »ein kleines Land ohne große Ressourcen [gewesen sei], das unbedingt in der Welt anerkannt werden wollte. Als wichtigster Rohstoff galten die Menschen, es war wichtig, Talente früh zu entdecken.« Auf die Herkunft sei es übrigens nicht angekommen. Als ich das las, dachte ich an Herrn Teubner, der Mann für die Arbeitssicherheit in meinem früheren Lehrbetrieb. Er sprach ganz ähnlich. Wir jungen Leute sollten die Arbeitssicherheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, sie garantiere unsere Gesundheit. »Wissen Sie, Sie haben nichts zu verkaufen als Ihre Arbeitskraft und Ihr Know-How«, belehrte er uns. Anders gesagt: Wir waren der Rohstoff. Weiterlesen beim Neuen Deutschland

Zermürbt statt informiert

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Mit dem 25. Mai 2018 hat sich unser aller (Arbeits-)Leben verändert. Der Datenschutz, schon vorher ein wichtiges Thema bei Geschäften jeglicher Art, wurde nochmals verschärft. Das heißt, eigentlich änderte sich in Deutschland nur relativ wenig, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) orientierte sich ja am deutschen Datenschutzgesetz. Ein Hype ist seinerzeit trotzdem entstanden. Plötzlich war von der absoluten Datenschutzrechtssicherheit die Rede. Das hat bis überallhin ausgestrahlt. Theater schreiben mir nun etliche Jahre nach dem letzten Theaterbesuch, fragen an, ob sie die Kundendaten in der Datenbank belassen dürfen. Selbstverständlich hat auch im gesundheitssystemischen Komplex der Datenschutz nochmals zugelegt – wobei er dort vorher schon ein großes Thema war. Weiterlesen beim Neuen Deutschland

Appell an die soziale Menschlichkeit

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Nach unseren Texten „Teert und federt die Jugendlichen, die Termine beim Jobcenter versäumen!“ (der vielleicht auch „Wann verbietet der Neoliberalismus die Pubertät?!“ hätte heißen können) und „Edel sei der Mensch, verdammt nochmal!“ erreichte uns ein kleiner Gastbeitrag, der zum Thema „Sanktionen“ passt. Wir stellen ihn hier zusätzlich zur Diskussion. von He-Ka-Te Um vorwärts zu kommen, ist ein Blick auf Vergangenes unumgänglich. Auch die Debatte um die Hartz IV Gesetzgebung zeigt das, aber nicht nur die.

Die Zumutung

Müßige Diskussionen um die Zumutbarkeit von Arbeit heben die Trägheit, was längst nötige Veränderungen anbelangt, auf die nächste Stufe des politischen Stillstandes. Gern bemüht man das Toilettenputzen oder auch das Entsorgen von Müll, um klarzustellen: „alles ist zumutbar“. Der Ansatz dieser kläglichen Argumentation müsste meiner Meinung nach aber wo anders beginnen. Und zwar nicht im klassischen Feudalismus, wo das Hofpersonal dem Kaiser den Hintern abwischt. Ist es wirklich nötig, Menschen in Beschäftigungsverhältnisse zu stecken, die jede einzelne Person selbst erledigen kann und vielleicht auch sollte? Beim Beispiel des Toilettengangs bleibend: kann nicht jeder Einzelne nach seinem Geschäft Spuren des selbigen beseitigen? Ist Das zumutbar? Ja, es ist. Die Zukunft der Arbeit sollte dahingehend Gehör finden, dass die Menschen „klassische“ Beschäftigung wählen, wenn sie diese wünschen und jene, die einer anderen nachgehen möchten das auch können und dafür eben auch Anerkennung bekommen. Ein gutes Beispiel dafür sind die so noch genannten „ehrenamtlichen“ Tätigkeiten, die unbezahlt und oft genug unbezahlbar sind. Die Menschen wählen aus eigenen Stücken ihr Einsatzgebiet – oft genug gerade, weil es ihnen Spaß bereitet, dieses oder jenes zu tun. Spaß am Einsatz – oft genug unentgeltlich. Geben wir ihnen etwas dafür; nicht nur warme Worte und einen Händedruck. Anerkennen wir es als Arbeit. Und wenn wir schon einmal dabei sind, hören wir auf, Freundschaftsdienste gedanklich mit einem Auge der Schwarzarbeit zu bezichtigen. Oder Tauschgeschäfte unter Menschen als rückwärtsgerichtet zu betrachten, nur weil damit auf „dem Markt“ keine Kasse gemacht werden kann. Anerkennen wir beides als solidarische Sozialleistung – als Arbeit.

Die Wertschätzung

Die Ethik. Was ist sie, was umfasst sie und wie gehen heutige Gesellschaften damit um? Sittliches Verhalten setzt ein Moralkonstrukt voraus, welches im Laufe der Jahrtausende eine ständige Anpassung erfährt. War es zum Beispiel im Rokoko noch Gang und Gäbe Frauen an die Brüste zu fassen, so ist dies heute – aus moralischer Sicht – verwerflich, oder mindestens anstößig. War es in der Antike noch normal, innerfamiliär Vermählungen anzustreben, so gilt es heute als inzestuös. Gut so. Irgendwo muss es Grenzen geben. Moral und somit Ethik unterliegt stetiger Entwicklung. Mit unseren heutigen Werten verhält es sich ähnlich. Sie sind zum Teil abgeleitet aus moralischen Kodexes. Der, meiner Meinung nach, umfänglichste Kodex ist für „Christen“ schriftlich festgehalten im Neuen Testament (welches das Alte erneuert) – für Buddhisten sind es, beispielsweise, die Sieben goldenen Regeln. „Du sollst nicht töten“, „.. habe Mitgefühl, aber leide nicht mit“ sind aus beiden „Anleitungen“ nur zwei Beispiele von vielen. Die und ähnliche Darreichungen erzählen uns von Werten – moralischen und sozialen Werten. Sie werden als das höchste Gut angesehen, und doch handeln und leben sehr viele Menschen noch immer so, als gäbe es sie überhaupt nicht. Wir predigen Toleranz und schließen die Intoleranten aus. Wie weit ist es dann mit der so hochgelobten Toleranz? Wir wünschen uns mehr Achtung und Aufmerksamkeit, bekommen aber nur schwerlichst ein „guten Tag“ gegenüber einem Fremden beim Spazierengehen, oder an der nächsten Kasse im Supermarkt, über unsere Lippen. Wir fordern Hilfe, verweigern anderen allerdings unseren Sitzplatz im Bus oder Wartezimmer. Beispiele dessen gibt es unzählige. Kleinigkeiten, will man meinen – doch bleiben sie meist ungeachtet. Wenn wir heute von Werten sprechen, meinen wir jene, die uns als Einzelperson zuträglich sind. Nicht aber jene die anderen ebenfalls zuträglich sind. Wir rechnen auf – für uns, nicht oder selten und immer weniger für die Anderen. Solidarisch und sozial, so wie auch Toleranz meint und bedeutet aber genau dies: Mit und für Andere. Werte, die wichtiger sind als alles Geld der Welt. Die Werte sind des Menschen Kapital.  [InfoBox]

Mächtig ausgebeutet

Der Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel sollte eigentlich die Macht der Arbeitnehmer mehren. Das ist jedoch in unserem Jobwunderland nie geschehen. Dies wird besonders bei den Paketboten deutlich. Beim Spiegel macht man sich Sorgen um die Konjunktur. Die fetten Jahre seien vorbei. Aber Entwarnung, liebe Arbeitnehmer: Für euch geht das Jobwunder weiter. Besser noch: »…         die Arbeitnehmer werden mächtiger denn je.« Wenn das mal nicht gute Aussichten sind. Mehr Zukunft wagen, möchte man da freudig ausrufen. Wenn sich dann der Freudenausbruch etwas legt, man wieder mit kühlem Kopf bei der Sache ist, stellt sich ja dann doch eine Frage: Für wen waren die Jahre fett? Und muss Arbeitskräftemangel zwangsläufig mit Machtzuwachs für Arbeitende einhergehen? Es ist ja schon befremdlich, dass das Wochenmagazin vom Jobwunder schwafelt. Die Kennzahlen lassen nur den Schluss zu, dass der Wahlspruch »Hauptsache Arbeit«, den man im Zuge der Umsetzung der Agenda 2010 häufig hörte, zur bitteren Realität wurde. Anders gesagt: Quantität schlug Qualität. Der Niedriglohnsektor ist nach wie vor beispiellos in Europa. 7,2 Millionen Menschen haben einen Minijob – 4,8 Millionen Menschen sind reine Minijobber ohne eine andere, eine absichernde Beschäftigung zu haben. Langzeitarbeitslose sind in der Regel immer noch genau das: Langzeitarbeitslos. Weiterlesen beim Neuen Deutschland

Umweltschutz, Tierwohl, Krankenversicherung: Wir sind die Netten!

Kürzlich habe ich ein Video mit dem Titel „Spendensammler undercover – Schuften und Schleimen für WWF & Co“ gesehen. Der YouTube-Kanal heißt „STRG_F“, und in seinem Auftrag hat sich ein Journalist als Spendensammler unter anderen für den WWF und die Kindernothilfe verdingt. Um dann darüber zu berichten, was er erlebt hat. Was ich in der kurzen Doku sah, kam mir mehr als bekannt vor.

Manipulieren für den guten Zweck

Weder der WWF noch die Kindernothilfe machen sich selbst die Finger schmutzig. Sie outsourcen die Arbeit der Spendensammlungen an externe Agenturen. Und die nehmen ihren Job sehr genau. In der Doku erfahren wir, dass die Spendensammler mit blumigen Worten angeworben werden (ähnlich blumige Worte verwenden sie selbst dann später auf der Straße, aber dazu später mehr). Tolle Bezahlung, prima Klima und auch noch für eine gute Sache arbeiten. Was will man mehr? Im besten Fall will man weniger, denn nur mit dieser Einstellung ist der Job überhaupt zu ertragen. Die Bezahlung ist nämlich längst nicht so toll wie vollmundig angekündigt. Je nach Organisation und Agentur kommt man unterm Strich auf ca. 3,- Euro Stundenlohn. Das prima Klima muss man sehr mögen, denn die Tage strecken sich in den zweistelligen Stundenbereich, bis man nach knallharter Kaltakquise und zusätzlichen Fortbildungen irgendwann mal ins Bett fällt. Und die gute Sache? Vergisst man schnell, wenn man sich das 50. Nein auf der Straße abgeholt hat und gar nicht mehr weiß, für wen oder was man sich abrackert. Die Organisationen, die die Agenturen beauftragen, waschen ihre Hände übrigens in aller Regel in Unschuld. Auf die Praxis angesprochen, wirken sie überrascht und betonen, dass sie davon erstens nichts wissen und das zweitens überhaupt nicht gut finden. Das dürfte eine sehr kreative Auslegung der Wahrheit sein. Aber gehen wir mal ins Detail des Vertriebs.

„Sind Sie gesund?“

Ich habe vor langer Zeit rund vier Jahre für eine deutsche private Krankenversicherung (PKV) gearbeitet. Im Vertrieb. Als freier Handelsvertreter. Die Ausbildung zum Versicherungsfachmann (BWV) wurde von der Versicherungsgesellschaft bezahlt, ich erhielt für die Dauer dieser Ausbildung, die mich einmal im Monat in ein Hotel schleifte, um dort das Fachliche zu lernen, ein Fixum, das mit jedem Monat reduziert wurde. Schließlich sollte ich ja später ohne finanzielle Hilfe von meinem Job leben können. Der Alltag bestand jedoch im Wesentlichen aus Kaltakquise, am Telefon. Es ging darum, sogenannte „qualifizierte Termine“ zu vereinbaren. Das heißt, ich musste mich mit den potenziellen Kunden für eine PKV verabreden. Dafür war jedoch die besagte „Qualifizierung“ notwendig. Denn es gibt einige Punkte, die es zu bedenken gilt: • Der Angerufene (lieber „der“ als „die“, weil Frauen in der PKV mehr zahlen, da sie ein höheres Risiko darstellen) musste zunächst auf seinen Versicherungsstatus überprüft werden. Selbstständige können sich grundsätzlich privat versichern (die Zahlungsmoral gilt aber als Risikofaktor), Angestellte erst, wenn sie die Versicherungspflichtgrenze überschreiten. Die wird vom Gesetzgeber jedes Jahr neu festgelegt und bezieht sich auf das Bruttoeinkommen (Beispiel: Im Jahr 2020 beträgt die Versicherungspflichtgrenze 5.212,50 Euro im Monat). • Der Angerufene muss auf seine Gesundheit hin überprüft werden. Im Gespräch muss herausgefunden werden, ob er chronische Erkrankungen hat, in psychologischer Behandlung ist oder ihn Probleme mit dem Rücken plagen. Diese und weitere Fragen sind entscheidend, damit überhaupt ein Termin sinnvoll ist. Denn die PKV siebt gnadenlos aus, und wenn die Vorerkrankungen zu brisant sind, ist eine Versicherung faktisch unmöglich oder mit hohen Risikozuschlägen verbunden. • Der Angerufene muss auf seinen familiären Stand hin überprüft werden. Singles sind perfekte Kandidaten, wer verheiratet ist und/oder Kinder hat, muss umso genauer gecheckt werden. Denn unter Umständen kann die PKV für ihn trotzdem Sinn ergeben, unter anderen Voraussetzungen muss er seine Frau und seine Kinder mitversichern. Das kostet ein Heidengeld und ist somit ein KO-Kriterium. Auch bei Singles wäre es übrigens seriös, die Familienplanung anzusprechen. Da sich dieses Gespräch aber in eine für den Vertriebler ungünstige Richtung entwickeln kann, wird dieser Teil gern mal weggelassen. Der Leser ahnt, dass es am Telefon, mit einem Menschen, den man bis eben nicht kannte (und umgekehrt) nicht einfach ist, an diese Informationen zu kommen. Man muss sich also Mühe geben und ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Wohlgemerkt: in wenigen Minuten eines Telefonats. Die Kaltakquise ist eine hohe „Kunst“. Es gibt wenige, die diese Kunst perfekt beherrschen. Für alle anderen gilt, sich an einem Leitfaden zu orientieren, der auf die Qualifizierung zugeschnitten ist. Diese Telefonleitfäden sind geschickt aufgebaut, es gibt Redewendungen, die helfen, besagtes Vertrauensverhältnis zu entwickeln, es gibt humoristische Äußerungen, die man gezielt einsetzen kann, es gibt rhetorische Mittel, um auf intime Fragen wie die nach dem Gesundheitszustand des Angerufenen trotzdem Antworten zu bekommen. Es ist klar, dass das nicht immer funktioniert, sogar eher selten, aber das ist einkalkuliert. So wie bei den oben beschriebenen Spendensammlern für den WWF oder die Kindernothilfe, wo auf der Straße von 50 Passanten vielleicht nur einer tatsächlich bereit ist zu spenden. Der Angerufene merkt naturgemäß nicht, dass er manipuliert wird (was ja Sinn der Sache ist), und wenn er irgendwann (nach normalerweise maximal 10 Minuten) so interessiert ist, dass er einen Termin macht, hat er eigentlich schon fast verloren. Denn nun folgt das Verkaufsgespräch. Wie genau dieses Verkaufsgespräch aufgebaut ist, erspare ich dem Leser an dieser Stelle. Aber – so viel sei verraten – es ist ähnlich manipulativ wie das Telefonat zur Terminvereinbarung. Ebenso erspare ich dem Leser, wie die Beantwortung der Gesundheitsfragen im PKV-Antrag durchgeführt wird. Man kann aber sagen, dass es nicht jede Krankheit oder Beschwerde in den Antrag schafft. Denn oft genug wäre das das vorzeitige Aus für die Antragsstellung. Und dementsprechend auch das Aus für die fällige Provision, die nach einem erfolgreichen Abschluss gezahlt wird. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass die meisten Vertreter die Sache durchaus ernst nehmen. Und dann gibt es eben noch ein paar von den „wenigsten“, die gerne mal den Rat aussprechen, das eine oder andere Leiden wegzulassen, damit es auch wirklich klappt mit der neuen, ganz großartigen Gesundheitsversorgung. Klar, dass mit derlei „kreativer“ Gestaltung des Antrags auch die Risikokalkulation der PKV eine Delle bekommt, die andere Kunden indirekt bezahlen müssen.

„Kaufen Sie Wissen!“

Eine weitere Station meines kurzen Lebens als Vertriebler war Wissen, oder: Lexika. Man hat eine Weile häufiger von Fällen gelesen oder etwas im Fernsehen gesehen, bei denen es schwerfällt, sie nicht als Betrug zu bezeichnen. Die Masche ist inzwischen weitgehend Geschichte, das Unternehmen existiert nicht mehr, dennoch lohnt sich ein Blick auf das, was dahintersteckt. Um erfolgreich Lexika (inklusive einer Wissensdatenbank, die heute nur ein müdes Lächeln des Internetnutzers hervorrufen würde) zu verkaufen, war eine Schulung nötig. Die wurde im Schwarzwald abgehalten und dauerte sieben volle Tage, inklusive Abendarbeit. Im Kern ging es um zwei Dinge: 1. Einwandbehandlung 2. Auswendig lernen Einwandbehandlung ist für jeden Vertriebler gewissermaßen Routine. Man kennt das alte Prinzip, dass ein Nein grundsätzlich nicht akzeptiert werden darf. Oder dass man die Leute auf die „Ja-Straße“ bringen muss. Das soll hier nicht weiter Thema sein. Interessant ist das Auswendiglernen. In unserem Fall bedeutete das, den Leitfaden für das Verkaufsgespräch komplett auswendig zu können, und zwar Wort für Wort. Wer am Abend der aktuellen Aufgabenstellung auch nur ein Wort vergessen hatte, wurde gerügt. Und das ist kein Zufall, denn der Leitfaden war perfekt ausgearbeitet, im besten Fall war eine Einwandbehandlung nicht einmal nötig, weil man den Kunden schon zuvor auf die Ja-Straße gebracht hatte. Er entkräftete also seine eigenen Einwände selbst. Doch das eigentliche Geheimnis war gar nicht das Verkaufsgespräch, sondern die Phase des Aufwärmens. Hier hatte der Vertriebler nicht nur freie Hand, es wurde von ihm erwartet, dass er diese Phase des Gesprächs mit all seinem Charme und seinem psychologischen Geschick in die richtigen Bahnen lenkte. Diese Aufwärmphase konnte zehn Minuten dauern, sie konnte sich aber auch über eine halbe Stunde oder mehr hinziehen (je nachdem, was nötig war, um das notwendige Vertrauen aufzubauen). War der Kunde „vorbereitet“, begann das eigentliche Verkaufsgespräch. Und bei diesem blieb nichts dem Zufall überlassen. Beim Verkauf von Lexika hatte jeder Vertriebler ein Musterexemplar mit ausgewählten Themen im Koffer. Die Themen wurden beispielhaft von A bis Z in den Band aufgenommen, die Optik wirkte hochwertig. Irgendwann schlug der Verkäufer vor, sich einmal ein paar Seiten des Buches anzusehen. Zufällig wurde das Buch aufgeschlagen. Obwohl: Tatsächlich war dieser Vorgang das genaue Gegenteil eines Zufalls. Im Seminar hatten wir gelernt, das Aufschlagen des Buches zufällig wirken zu lassen. Doch es wurde immer dieselbe Seite aufgeschlagen (was lange geübt wurde, um keine Pannen entstehen zu lassen). Und immer ging es um eine seltene Blume, die in den Alpen wächst. Somit begann der spannende Vortrag über die Blume, und der Kunde bekam gleich noch ein Gefühl dafür, was für einen gebildeten Menschen er sich gegenübersitzen sah. Natürlich war jedes Wort über die seltene Blume zuvor auswendig gelernt worden, das hatte den Kunden aber nicht zu interessieren. Ich habe keinen einzigen Fall erlebt, in dem ein Kunde den Trick durchschaut hätte. Die Ja-Straße kann ziemlich brutal sein. Da man mit Beginn der Aufwärmphase den Kunden immer wieder dahingehend manipulierte, potenzielle Einwände selbst zu entkräften, kam es am heißesten Punkt des Gesprächs zu einer wichtigen psychologischen Wendung. Jetzt ging es ums Verkaufen, die Preisnennung, die Erörterung von Ratenzahlungen. An dieser Stelle musste das Unterfangen eigentlich scheitern, denn das Lexikon war komplett überteuert, die Zinsen für die Ratenzahlung höher als die eines Dispositionskredites, und die vermeintliche Hochwertigkeit der Werke war nicht mehr als ein Versprechen, denn so schick die Bücher auch aussahen, den geforderten Preis waren sie nie und nimmer wert. Der Kunde aber war nun in einer misslichen Situation. Da er selbst ja schon etliche Einwände behoben hatte, blieb nicht mehr viel für ihn übrig. Wie sollte er argumentieren, ohne sich selbst der Lächerlichkeit preiszugeben ? Er hatte im Laufe des Gesprächs immer wieder die Notwendigkeit der Investition begründet und gerechtfertigt, also würde er mehr als dumm dastehen, wenn er sich jetzt selbst widerlegte. Also kaufte er.

Es ist immer für die gute Sache

Ob nun private Krankenversicherung, Lexika oder die Rettung von Umwelt und Tierwelt, die Argumentation verläuft immer gleich. Doch warum sollte das stören, wenn man doch Gutes tut? Zunächst einmal sei dahingestellt, ob man sich selbst wirklich etwas Gutes tut. Der Wechsel zu einer PKV etwa sollte wohlüberlegt sein, und man sollte sich auch die grundsätzliche Frage stellen, ob man ein System unterstützen will, das vom Solidarprinzip nichts wissen will. Abgesehen davon rechnet sich die PKV nur, wenn man zu 100 Prozent in den gewünschten Kundenkreis passt. Ansonsten wird es später richtig teuer, und ein Zurück in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist schwer, oft überhaupt nicht möglich. Zu den Verkäufen von Lexika braucht nichts weiter gesagt zu werden, da diese Methode sich (meines Wissens) in Wohlgefallen aufgelöst hat. Das Beispiel diente nur dazu, die Psychologie dahinter ein wenig besser zu verstehen, weil sie auf zahlreiche andere Branchen übertragbar ist. Und der WWF und die Kindernothilfe? Auch hier kann man den Wunsch, diese und andere Organisationen zu unterstützen, auf unterschiedliche Weise betrachten. In unserem konkreten Fall aber sollte man sich bewusst machen, dass man durch das Spenden auf der Straße ein Geschäftsmodell unterstützt, das auf Druck und Ausbeutung basiert. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass man immer vorsichtig sein sollte, wenn „die Netten“ auf einen zukommen. Sie sind gut geschult, oft skrupellos (was durchaus mit dem eigenen, finanziellen Druck zusammenhängt), und sie interessieren sich für das, was sie da verkaufen, nicht im Mindesten. Wie auch? Sie müssen ihre Miete zahlen wie jeder andere auch. Die Agenturen, für die sie tätig sind, helfen dabei allerdings häufig nur sehr begrenzt, weil die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen so schlecht sind. Zudem kann man sich die Frage stellen, wie seriös eine Organisation ist, die sich freiwillig auf zwielichtige Agenturen einlässt, um mehr Spenden zu sammeln. Man könnte argumentieren, dass der Zweck die Mittel heilige. Man könnte aber auch fragen, ob dieses Argument nicht scheinheilig ist.

Die Verschwörungstheorien der Bundesregierung: Pia Lamberty klärt auf

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Satire Sie haben in einem Maße zugenommen, wie es vor 18 Monaten noch undenkbar gewesen wäre: Verschwörungstheorien. Allen voran erfindet die Bundesregierung immer wieder krude Thesen, die völlig haltlos sind und den Menschen Angst bereiten. Pia Lamberty kann davon ein Lied singen. Pia Lamberty weiß sehr viel, sie hat sehr viel Ahnung und redet noch vieler, wenn der Tag lang ist (böse Zungen behaupten, sie rede auch vieler, wenn der Tag kurz sei). Auf Wikipedia ist nachzulesen:
Pia Lamberty erforscht, wie Menschen aus der „Mitte der Gesellschaft“ durch Verschwörungstheorien radikalisiert werden und die Demokratie insgesamt ablehnen. Dabei seien Männer mit einem eher niedrigen formalen Bildungsgrad besonders anfällig dafür, an Verschwörungsmythen zu glauben. Grund sei aber nicht fehlende Intelligenz, sondern eher das Gefühl, von der Gesellschaft abgehängt worden zu sein. Außerdem könne man weltweit beobachten, dass Menschen, die sich tendenziell politisch rechts verorten, eher dazu neigen, an Verschwörungserzählungen zu glauben.
Das passt zu unserer Bundesregierung. Zahlreiche Männer mit übersichtlicher Bildung, das nach der Bundestagswahl kaum zu leugnende Gefühl, abgehängt worden zu sein, und die rechten Tendenzen liegen offen auf dem Tisch. Wir haben Pia Lamberty gefragt, ob und wie wir aus dieser misslichen Situation wieder herauskommen können. Viel Mut konnte sie uns nicht machen, denn wir haben es hier mit Politikern zu tun, die sich hart an der Grenze psychischer Erkrankungen bewegen. Hier geht’s zum Interview:

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Wie die Ukraine tschechische Gewehre kaufte

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von Vasiliy Muravitsky Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war die Ukraine lange Zeit ein Land mit großen militärischen Kapazitäten. Anfang und Mitte der 1990er-Jahre verfügte das Land beispielsweise über Atomwaffen, die größer waren als das derzeitige indische Atomwaffenarsenal und über eine Flotte strategischer Bomber, die heute nur noch von zwei Ländern in der Welt eingesetzt werden: den USA und Russland. Die Ukraine verfügte über einen riesigen Bestand an Raketen, einschließlich ballistischer und operativ-taktischer Flugabwehrraketen, den größten Bestand an Geschützgranaten und eine vollständig in sich geschlossene Produktion von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen. Im Jahr 2014 brach in der Ukraine ein Krieg aus. Der Krieg ist in seiner glühenden Form immer noch im Gange. Die ukrainischen Behörden, insbesondere Poroschenko und jetzt Selenskyj, haben immer wieder erklärt, wie sehr sie die Armee lieben und wie viel Geld sie in sie investieren, und dass es keine stärkere Armee gebe. Aber wenn man sich die Vorgänge in der ukrainischen Armee und im militärisch-industriellen Komplex der letzten sieben Jahre genauer ansieht, wird man sehr überrascht sein. Ja, das Budget der ukrainischen Armee wurde drastisch erhöht, und die Armee zählt zu den größten in Europa. Doch ihr Potenzial nimmt trotz des Krieges, riesiger Infusionen und sogar Waffenhilfe aus den USA stetig ab. Das Bild in den Medien und die Realität unterscheiden sich drastisch. Hierzu möchte ich ein einfaches Beispiel anführen. Die Ukraine war bis 2014 einer der einflussreichsten Waffenexporteure. Inzwischen haben die Importe die Exporte nahezu erreicht. Das Jahr 2018. Die ukrainischen Medien überschlagen sich mit schreienden Schlagzeilen: „Bogdans neueste Waffe: erstaunliche Eigenschaften deklassiert!“ Die Mitarbeiter des Präsidenten (damals Poroschenko), die für Geld angeheuert wurden, schwärmten von der erstaunlichen Wunderwaffe, die die ukrainischen Waffenschmiede hergestellt haben. Es handele sich um die neueste, „atemberaubende“, rein ukrainische Panzerartillerie, die in der Lage ist, mit einer 155 mm NATO-Granate von 40 bis zu sogar 50 km weit zu schießen! Es sollte eine Drohung gegen die Separatisten und Russland sein! Poroschenkos Berater mit dem Nachnamen Birjukow schrieb buchstäblich eine Facebook-Ode an diese Kreation, die angeblich schon ganz bald den Kriegsverlauf verändern würde. Diese Ode ist so übertrieben, dass sie an Vulgarität grenzt. Aber wenn man genauer hinsieht, ist der sogenannte „Sieg“ eine Manifestation der tiefgreifendsten Niederlage. Die Ukraine verfügte über große Bestände an Granaten des Kalibers 152. Es wurde nur für die Selbstfahrlafette sowjetischer Produktion und zur Herstellung von Waren in den Warschauer Blockländern verwendet. Die NATO verwendete ein 155-mm-Kaliber, das natürlich nicht für sowjetische Artilleriesysteme geeignet war, doch nur dieses war in der Ukraine in Betrieb. Es handelt sich nicht nur um Systeme, sondern um eine Unterart von Truppen, einen wichtigen Bestandteil der gesamten Armee. Es ist jedoch die Artillerie, die im Donbass Krieg führt. Die Zahl der 152-mm-Selbstfahrlafette in den ukrainischen Streitkräften betrug 2016 mehr als 250 – eine beeindruckende Zahl! 2014 explodierte in der Tschechischen Republik ein Munitionsdepot. Die Tschechische Republik und eine Reihe ehemaliger Warschauer Blockstaaten verfügen über Bestände an sowjetischen Waffen, die seit 2014 an die Ukraine geliefert werden. Im Jahr 2021 behauptete die Tschechische Republik, Russland habe die Explosionen verursacht und forderte Schadenersatz. In der Tat könnte sich in diesem Lagerhaus 152-mm-Munition für ukrainische Selbstfahrlafetten befunden haben, die möglicherweise für die Lieferung an die Ukraine vorbereitet wurde. Ähnliche Bombenanschläge auf Lagerhäuser fanden nach 2014 in der Ukraine statt. Während wir in der Tschechischen Republik die Handlungen der russischen Geheimdienste nicht ausschließen können (denn wieso sollten wir?), können wir in der Ukraine nicht den Einfluss von Korruption ausschließen. Seit dem Jahre 2003 hat es allein in der Ukraine 12 größere Explosionen und Brände in Munitionsdepots gegeben, von denen einige zu großen Katastrophen geführt haben. Die meisten von ihnen stammen aus der Zeit vor 2014. In einigen Fällen wurde Nachlässigkeit als Ursache ausgemacht und manchmal versuchte man triviale Diebstähle und damit den internationalen grauen Waffenhandel, der in der Ukraine florierte, als Selbstdetonationen vorzutäuschen. Nach Kriegsbeginn wurde beispielsweise im Panzerwerk in Zhytomyr, das Panzer und Schützenpanzer für den Export nach Afrika vorbereitete, ein plötzlicher Mangel an einer ganzen Reihe von Systembauteilen der Panzerfahrzeuge festgestellt, die eingemottet worden waren, d. h. für den Krieg oder Notfälle bestimmt waren und weder verkauft noch demontiert werden durften. Es stellte sich heraus, dass im Laufe der Jahre Teile aus stillgelegten Fahrzeugen ausgebaut und in Exportfahrzeuge eingebaut worden waren, die wiederum aus verschiedenen Lagerbeständen Stück für Stück zusammengebaut wurden, wobei staatliches Eigentum einfach gestohlen wurde. Im entscheidenden Moment kam dies ans Licht. Zwar könnte die Hinterziehung nicht durch die Sprengung eines Panzers verborgen werden, aber durch die Sprengung der Munition wäre es möglich, die hinterlistigen Tätigkeiten zu verbergen. So oder so ist die Ukraine infolge einer Reihe von Bombenanschlägen (von denen einige möglicherweise von den Sicherheitsdiensten inszeniert wurden), in einen erheblichen Mangel an 152-mm-Munition geraten, was nur eines bedeutet: Ein ganzer Zweig des Militärs wird zu einem Schrotthaufen, weil die Ukraine keine 152-mm-Waffen herstellt. Doch wozu braucht man Waffen, wenn es für diese kein Geschoss gibt? Dann beschloss ein ukrainisches Militärgenie, eine Selbstfahrlafette passend zu den 155-mm-Waffen der NATO zu bauen, die bereits erwähnte „Bogdana“. Es sind mehr als 3 Jahre vergangen. Die Probeversion dieser Artillerieeinheit hat neue Testversuche gestartet. In 3 Jahren feuerte sie… 59 Schüsse, von denen etliche Leer-, Inert- und Hydroschüsse waren, d. h. die Tests wurden nicht einmal zu einem 1/100 Teil bestanden. Das Kraftfahrzeug gibt es trotz der großen PR-Kampagne und der Mittel aus dem Staatshaushalt nur in einem einzigen Exemplar. Die Produktionsstätte musste das Verteidigungsministerium mehrmals verklagen, um die Entwicklung des Produkts fortsetzen zu können. Unter Präsident Selenskyj beschloss man dann, die Situation zu verbessern. Sie kauften 26 gewaltige tschechische «Dana»-Selbstfahrlafetten aus der Tschechischen Republik. Das Überraschendste ist, dass „Dana“ eine Entwicklung aus den späten 70er-Jahren ist und auch ein 152 mm Kaliber besitzt, wie der in der UdSSR, das heißt genau denselben, deren Defizit die Ukraine versucht zu bekämpfen, indem sie erfolglose Selbstfahrlafetten mit schönen Bezeichnungen entwirft. Gleichzeitig versuchte Ex-Präsident Poroschenko durch seine Handlanger aktiv, die Unterzeichnung eines Abkommens über den Kauf tschechischer Artillerie zu verhindern, indem er das offen gesagt erfolglose „Bogdan“-Projekt förderte. Dieses ist laut bescheidenen Expertenschätzungen ein dummes, sinnloses und unproduktives Produkt, das zudem noch nicht fertiggestellt worden ist. Es ist erwähnenswert, dass Poroschenko nicht nur ein großer Süßwaren-Händler, sondern auch ein großer ukrainischer Waffen- und Ausrüstungslieferant ist. Dieses Beispiel ist nur ein von Dutzend anderen, die ich vorführen könnte, um darzustellen, dass der Kampf der Mächte gegen Korruption nur eine sinnlose Fiktion vor dem Hintergrund der industriellen Degradierung des Landes ist. Hinter der triumphalen Rhetorik von Stärke und unzerstörbarer Macht verbirgt sich die Realität: Der ukrainische militärisch-industrielle Komplex befindet sich in einer tiefen Krise und infolgedessen in einer starken Abhängigkeit von ausländischer Unterstützung und Waffeneinfuhren.

Blind Date mit Milena Preradovic

Nach meinem ersten Blind Date mit Dirk C. Fleck hatte ich diesmal das Vergnügen, einen Stunde lang mit Milena Preradovic zu sprechen. Wir streiften die aktuelle politische Lage, sprachen über Medien und das Mediengeschäft, über gebrochene Finger, Frauen, die schwere Schuld der Politik und über die Mutter aller Antennen. Inhalt: 00:30 Wie es geht 03:30 Eskalationssorgen 07:00 Lanz und Precht und Schwarz und Weiß 10:00 Morgenmagazin & Co. 14:00 Lauterlanz und Rüstungslobbyisten 16:00 Tapfer geschlagen? 20:00 Frauen 28:00 Milenas Fernsehgeschichte 29:30 Die Mutter aller Antennen 30:00 TV-Werbung 32:00 Verrückte Torhüter 35:00 Live senden! 45:00 Werbung in eigener Sache 46:00 Schwere Schuld von Politik und Medien 50:00 Temporäre Allianzen

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Punkt:Preradociv Nacktes Niveaus Kontrafunk-Radio Blind Date mit Dirk C. Fleck Spreaker-Versionen Audio-Version:

Mit Steinen im Glashaus

Ein Gastbeitrag von Mathias Wirtz. Der Verein »Mein Grundeinkommen« wirft in einer Stellungnahme zur Absage einer Veranstaltung Corona-Maßnahmen-Kritikern rechtsextremistisches Gedankengut vor und konnotiert weitere, unappetitliche Diffamierungsvokabeln mit Mitmenschen, die für den Erhalt der grundgesetzlich zugesicherten rechtsstaatlichen Freiheitsrechte auf die Straße gingen. Die sich distanzierende E-Mail, die ich vom Verein nach der Absage der Veranstaltung mit Dr. Motte erhielt, schockierte mich. In einem Ton, den ich nur aus der Feder übler Mainstream-Journalisten kenne, diffamiert der Verein einen nicht kleinen Teil an Mitmenschen mit schäbigen aber schlecht haftenden Etiketten. »Mein Grundeinkommen« verfiel leider, wie so viele auch, den Diffamierungswut, die wir sonst von den Mainstreammedien kennen – und die von den Maßnahmenkritikern der Corona-Politik ein übles Bild zeichneten. Beliebt ist dabei die Konstruktion von Kontaktschuld.
Die Amadeo Antonio Stiftung flüstert ein
Der ehemalige SWR-Mitarbeiter Ole Skambraks, der im Oktober letzten Jahres bei der Plattform multipolar seinen Gewissenskonflikt und sein Unbehagen über die Arbeitsweise bei seiner Arbeit beim SWR zum Thema Corona äußerte und daraufhin gekündigt wurde, hat auf seinem Telegram-Kanal ebenfalls Entsetzen geäußert und seine E-Mail an den Verein »Mein Grundeinkommen« veröffentlicht. Zudem hat er seine monatlichen Zuwendungen, die er seit drei Jahren als Unterstützung dieser guten Idee hat zukommen lassen, eingestellt. Ihre Absage der Veranstaltung beenden die Autoren des Textes von »Mein Grundeinkommen« mit dem Hinweis, dass sie die Amadeo Antonio Stiftung um Rat baten. Nach allem, was über diese Stiftung und vor allem ihrer Vorsitzenden bekannt ist, würde ich dazu raten, sich selbst Gedanken zu machen, anstatt sich soufflieren zu lassen, wer gut und wer böse ist. Der Gründer des Vereins, Michael Bohmeyer, ist meiner Meinung nach ein nachdenklicher, pfiffiger und herzlicher Mensch und der Verein »Mein Grundeinkommen« und die Idee dahinter sind unterstützenswert. Genau deshalb war ich von der Absage und der Stellungnahme des Vereins so schockiert. Die Methoden, unliebsame Meinungen und Menschen ins Abseits zu stellen, folgen bestimmten Mustern. Die Mainstreammedien machen davon reichlich Gebrauch. Damit der Verein mal selbst erleben kann, wie schnell so eine Abstrafung möglich ist, wenn man der herrschenden politischen und medialen Macht nicht gefällt, folgt hier ein fiktiver Mainstream-Artikel, in dem nichts gelogen aber so hingebogen wurde, dass der Verein in möglichst schlechtem Licht dasteht und der unbedarfte Leser eines solchen Textes entsprechend eingenordet oder geframed wird.
Und das ginge dann so:
Verein »Mein Grundeinkommen« stolpert über seinen Gründer und dessen Verbindungen zur rechten Szene Der Verein »Mein Grundeinkommen« nahm am 9. Juli 2022 mit einem Demonstrationswagen bei der »Rave the Planet«-Techno-Demo teil, bei der es zu zahlreichen Straftaten kam. Für die folgende Woche war eine Veranstaltung mit dem »Rave the Planet« DJ Dr. Motte und dem Verein »Mein Grundeinkommen« anberaumt worden, die dann jedoch abgesagt wurde. Mehreren Nachrichtenportalen zufolge hatte Dr. Motte ein bei Verschwörungsmystikern und Corona-Leugnern bekanntes Symbol feiernd hochgehalten. »Mein Grundeinkommen« versuchte mit der Absage und der folgenden Stellungnahme, größeren Schaden von sich abzuwenden. Der Versuch des Vereins, sich von solchen Leuten reinzuwaschen wirkt unbeholfen und unglaubwürdig, steckt doch der Gründer von »Mein Grundeinkommen«, Michael Bohmeyer, selbst tief im Dunstkreis dieser Verschwörungserzähler und Rechtsextremisten, von denen er sich – wohl zur Wahrung des »guten Drahts« zu Formaten des öffentlich rechtlichen Rundfunks – distanzieren möchte, um weiterhin seine rechte Agenda in der Gesellschaft verbreiten zu können.
Interview mit Verschwörungsgranden
Vor einigen Jahren erschien der umstrittene Initiator des Vereins bei dem ehemaligen österreichischen Politiker und Corona-Leugner, Roland Düringer, in dessen Interviewformat. Düringer gilt als FPÖ-nah. Seine Partei »Meine Stimme gilt« erreichte 2017 lediglich 0,95% der Wählerstimmen und scheiterte kläglich an der Hürde für ein Nationalratsmandat. In Düringers Interviewformat sind bereits einige Verschwörungsideologen ein- und ausgegangen, so zum Beispiel der Verschwörungsideologe Andreas Popp – eine Art »Popp«-Star unter den Verschwörungsgläubigen. Popp ist der Lebensgefährte der ehemaligen Nachrichtensprecherin Eva Herman, die 2007 in öffentliche Kritik auf Grund ihrer völkischen Äußerungen zur Familienpolitik geriet. Sie verlor daraufhin ihre Sprecherinnenstelle beim NDR. Gemeinsam soll das Paar – laut Wikipedia – in Kanada eine Kolonie mit Rechtsradikalen aufbauen. Düringer, der die Demokratie in Österreich für eine Scheindemokratie hält, wurde sogar vom rechten Verschwörungsideologen Ken Jebsen interviewt. Der Journalist wurde vor Jahren wegen antisemitischer Äußerungen von seinem Arbeitgeber RBB gekündigt. Jebsen wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet und ihm werden von der Mediananstalt Berlin-Brandenburg Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht wegen unbelegten Falschbehauptungen vorgeworfen. Sein YouTube-Kanal wurde von der Videoplattform wegen Verstößen gegen die Community-Richtlinien und Falschbehauptungen zur Covid-19 Pandemie gesperrt.
Mit Glatzköpfen in der Kurve
In solch einem Interviewformat erscheint nun auch der Ostdeutsche Michael Bohmeyer, der dort sein Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen äußert. Er hätte gerne, dass alle sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Politisch, so findet Bohmeyer, laufe alles falsch. Er vertritt das klassische »Die-da-oben«-Weltbild – ein bei Verschwörungsideologen beliebtes Narrativ. Besonders sein Eingeständnis, dass alle seine Unternehmensgründungen, bis auf eine, erfolglos waren, zeigt seinen Hass auf »die da oben«. Bohmeyer möchte die Politik entmachten und die Gesellschaft »irgendwie umkrempeln«. Düringer, der gerne in militaristischer Tarnkleidung auftritt, sekundiert Bohmeyers Auslassungen. So lange der Verein »Mein Grundeinkommen« Herrn Bohmeyer bei sich beschäftigt, kann es keine glaubwürdige Distanzierung von verschwörungsgläubigem und dem Staat delegitimierendem Gedankengut seitens des Vereins geben. Na so schwer war das gar nicht, oder? Den Hauptteil machte gar nicht der Verein und dessen Gründer aus, sondern, wie Eugen Zentner vor kurzem zu dieser Causa sehr treffend auf apolut schrieb: »Da werden Menschen in die rechte Ecke geschoben, wenn sie mit Leuten geredet haben, deren Verwandte bei einem Fußballspiel in einer Kurve standen, wo auch Glatzköpfige zu sehen waren.« Gastbeiträge spiegeln nicht zwingend die Meinung der Autoren der neulandrebellen wider.

Faeser Fußballgöttin, Kopfpandemie & Unterwerfung: Die Alternativmedienschau

Wieder neigt sich eine Woche voller Wärme bei gleichzeitiger Kälte dem Ende zu. Denn so wie wir ob der Temperaturen schwitzten, so froren wir bei mancher Aussage, mancher Dummheit und etlichen geistigen Offenbarungseiden. Wir hörten vom »Wärmeverzicht« und Wahlrecht für Kleinkinder. Wir wiederholen uns, wenn wir festhalten: Oh ja, das ist eine Zeitenwende. Und was für eine!
  • Wann war Frau Faeser eigentlich letztmals bei einem Spiel der Frauen-Bundesliga? Eben! Da sind an sich nur sehr wenige Menschen. Zuletzt lag der Schnitt bei rund 800 Zuschauern pro Spiel. In der Männer-Bundesliga war der Schnitt coronabedingt auch schlecht: 21.000 kamen durchschnittlich zu jeder Partie. Doch schon vor der Corona-Krise waren die Zuschauerzahlen bei den Damen rückläufig. Die beste Zeit erlebte die Liga um 2012 herum: Damals kamen durchschnittlich über 1.100 Zuschauer – bei den Herren lag der Schnitt (von Corona abgesehen) letztmals 2005 unter 40.000 Besuchern. (Roberto De Lapuente) Weiterlesen bei Overton Magazin ——–
  • Kaputte Gleise, kaputte Brücken, kaputte Mitarbeiter. Bei der Deutschen Bahn liegt so viel im Argen, dass selbst die Verantwortlichen Besserung geloben. Mit Milliardeninvestitionen wollen DB-Chef Lutz und Bundesverkehrsminister Wissing schnellstmöglich ein »Hochleistungsnetz« aufbauen. Aber wie passt das mit den Regierungsplänen zusammen, Infrastruktur und Betrieb zu trennen? (Ralf Wurzbacher) Weiterlesen bei NachDenkSeiten ——–
  • Ein Klinikarzt berichtet für Multipolar, wie er die Corona-Krise, die Impfkampagne und den mangelhaften Umgang mit schweren Nebenwirkungen erlebt hat. Er spricht von »Angstinduktion« und einer »Pandemie in den Köpfen«. Seine Identität ist der Redaktion bekannt. (multipolar-Redaktion) Weiterlesen bei multipolar ——–
  • Es gab ja schon recht früh in der Corona-Krise Mahnungen, wonach der stetige Notstand die demokratische Wehrhaftigkeit zersetzen könnte. In dieser Zeitenwende, in der Aufrüstung Sondervermögen, Arroganz Diplomatie und Bürgerunmut Volksaufstände heißen, spürt man nun recht deutlich, in welches Szenario eine Notstandsrepublik abdriften kann. Oder muss? Die politische Klasse modifiziert das Land auf rechtlich fraglicher Grundlage, erklärt aber gleichzeitig das grundgesetzliche Recht auf Demonstration für eine Gefahr, die man im Auge behalten wird. Es ist schon längst ein Aufstand in Gange: Einer, der von der Politik betrieben wird. Und zwar gegen die eigene Bevölkerung. (Roberto De Lapuente) Weiterlesen bei Overton Magazin ——–
  • Am Düsseldorfer Flughafen bricht der Betrieb fast zusammen, das 9-Euro-Ticket sorgt für erwartbare Überlastungen, allerlei Branchen rufen um Hilfe und um Fachkräfte, die nicht kommen. Lieferketten sind unterbrochen, Personalausfall bedroht zusätzlich unsere Infrastrukturen. (Sascha Wuttke) Weiterlesen bei Polemica ——–
  • Wie kam SARS-CoV-2 in die Welt? Diese Frage wurde sehr früh beantwortet, mit einer Dogmatik, die nicht wenige Wissenschaftler überraschte. Zum Ursprung des Virus gab es lange Zeit nur eine Erklärung: Es handle sich um eine natürliche Zoonose, hieß es. Jede andere Hypothese wurde von Anfang an abgewehrt und als »Verschwörungstheorie« bezeichnet – auch die Überlegung, das Virus könnte auf einen Laborunfall zurückgehen. Nach über zwei Jahren Ausnahmezustand nimmt man diese Annahme nun ernst und diskutiert sie in den Leitmedien. Einen großen Beitrag dazu leistete der Biologe Günter Theißen, der in seinem neuen Buch »Das Virus« beschreibt, wie er der Laborunfall-These mit detektivischer Ausdauer nachging.(Eugen Zentner) Weiterlesen bei apolut ——–
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nutzt eine Rede in Paderborn dazu, die Ukraine in den Mittelpunkt des europäischen Wollens und der europäischen Werte zu rücken. Wussten die meisten Europäer vor dem Ukrainekrieg nicht einmal genau, ob die Ukraine überhaupt zu Europa gehört, soll jetzt das europäische Schicksal an dieses Land und seinen Krieg gebunden werden. (Alexander Wallasch) Weiterlesen bei Alexander Wallasch ——–
  • Alternativmedienschau der letzten Woche.
Buchempfehlung der Woche: Landschaftsmalerei, Provo-Bewegung, Kunst, Architektur – und Fußball. Nämlich der beste Fußball, der vielleicht je gespielt wurde. Gemeint ist jener der Oranje-Mannschaft unter der Regie von Johan Cruyff: Das alles bringt David Winners Buch »Oranje brillant. Das neurotische Genie des holländischen Fußballs« zusammen. Das Buch ist nicht mehr ganz jung, eine überarbeitete, um zwei Kapitel erweiterte Fassung erschien 2008. Winner zeichnete ein Sitten- und Zeitbild der Niederlande der Sechziger- und Siebzigerjahre. Die Gesellschaft liberalisierte sich. Und der holländische Fußball löste sich von starren Taktiken und bescheidenen Fußballern. Der britische »Observer« hält das Werk für eines der besten Sportbücher aller Zeiten. Das ist wahrlich nicht übertrieben. Es ist heute noch in Bücherbörsen gebraucht erhältlich. Und es lohnt sich wirklich, sich auf die Suche nach einem Exemplar zu machen. Bitte folgt uns auch auf Twitter – und auf Telegram. Vielen Dank für Eure Unterstützung.