Das Grauen kommt auf leisen Sohlen

Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Man muss sie erkennen und man muss sich ihnen stellen. Ein Gastbeitrag von Bernd Liske Es war Sonntag, der zweite April. Gerade hatte ich mit meiner Frau Kaffee getrunken – kurz vorher kommentierte ich noch Ralf Fücks von Zentrum Liberale Moderne, der darüber sinnierte, warum der Westen Angst vor einem Sieg der Ukraine hat und sich fragte, weshalb „wir nicht alle unsere Ressourcen in die Waagschale“ werfen – und wollte sie gleich zum Bahnhof fahren. Auf meinem Handy schaute ich schnell noch mal bei t-online, wie Magdeburg gegen Rostock gespielt hat. Mein Blick fiel auf einen Artikel auf der Startseite: Ukraine kündigt „Entgiftung“ der Krim an. Ich blätterte rein und schluckte. Nachdem ich meine Frau zum Bahnhof gebracht hatte, fuhr ich zum Fitness. Auf dem Parkplatz suchte ich vergebens auf TWITTER nach weiteren Meldungen mit der Schlagzeile – auch t-online hatte zu dem Artikel noch keinen Tweet abgesetzt. Fündig wurde ich aber doch, weil es in der Timeline eine Meldung der WELT gab: „Kiew veröffentlicht 12-Punkte-Plan für eine Befreiung der Krim.“ Meine Situationskomik schlug sofort an. Überaus passend wurde der Tweet entgegen meiner schon länger bestehenden Erfahrung, dass alle meine Tweets unter „Weitere Antworten anzeigen, insbesondere solcher, die beleidigende Inhalte enthalten können“ und dort an die letzte Stelle einsortiert werden – was ihnen eine große Aufmerksamkeit sichert –, diesmal nicht dort eingeordnet: Nein, offensichtlich wurde er durch die Redaktion der WELT gelöscht. Am Abend machte ich mich weiter auf die Suche. Fündig wurde ich bei der TAGESSCHAU, beim ZDF, der Süddeutschen Zeitung, der FAZ, beim Focus, der Deutschen Welle und Merkur. Bis auf die Deutsche Welle findet man in allen Texten das Wort „Entgiftung“. Beispielhaft soll aus der TAGESCHAU zitiert werden – für jene Leser, die nur ungern Links folgen (ich liebe Links):
Seit 2014 steht die Halbinsel Krim im Schwarzen Meer unter russischer Kontrolle. Nun hat Kiew einen Zwölf-Punkte-Plan für ihre „Befreiung“ vorgelegt. Von „Säuberung“ und „Entnazifizierung“ ist die Rede. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats hat einen Plan vorgelegt, wie die Krim nach dem Ende der Besetzung aussehen soll. Den Zwölf-Punkte-Plan veröffentlichte er auf Facebook. „Säuberung nach dem Vorbild der Entnazifizierung“ Die Vertreter des Machtapparates in Moskau bezeichnete er als „Müll“. Die Staatsdiener auf der Krim, die sich bei der Annexion mit den russischen Besatzern eingelassen hätten, würden einer Säuberung unterzogen nach dem Vorbild der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, teilte Danilow mit. Besonders erwähnte er auch Richter, Staatsanwälte und Angehörige der Sicherheitsorgane, die sich 2014 auf die Seite Russlands geschlagen hätten. Ukrainer, die für die von Moskau eingesetzte Regionalregierung gearbeitet haben, sollen strafrechtlich belangt werden, staatliche Pensionen verlieren und von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Alle russischen Bürger, die nach 2014 auf die Krim gezogen sind, sollen dem Plan zufolge vertrieben werden. Grundstückskäufe und andere Verträge sollen annulliert werden. Außerdem sollten alle politischen Gefangenen, darunter viele Krim-Tataren umgehend freigelassen werden. „Es wird ein umfassendes Programm der „Entgiftung“ umgesetzt, das die Folgen des langjährigen Einflusses der russischen Propaganda auf das öffentliche Bewusstsein eines Teils der Bevölkerung der Halbinsel neutralisiert“, schreibt Danilow in Punkt 9.
Passend dazu schließt die TAGESSCHAU:
Danilows Überlegungen kommen in einer Phase des Krieges, in der die ukrainischen Streitkräfte vermutlich eine Offensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete vorbereiten. Dabei könnten auch vom Westen gelieferte Kampfpanzer und andere moderne Waffensysteme zum Einsatz kommen. Russische Truppen konzentrieren ihre Angriffe derzeit auf die Stadt Bachmut im Donbass. Die Kämpfe dauern seit acht Monaten an, ohne dass sie die Stadt vollständig erobert haben.
Was bei allen Artikeln auffällt: Sie kommen als reine Berichte ohne jegliche Emotionen und Kommentierungen daher. Ganz anders war das noch, als im Februar über einen anderen 12-Punkte-Plan berichtet wurde: Die Friedensinitiative Chinas. Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keine Ignoranz, keine Selbstgefälligkeit, keine Dummheit, keinen Trick, keinen Schwindel, keinen Betrug, kein Laster, das der Auseinandersetzung und der Offenlegung vorenthalten bleiben soll. Begegnet ihrer fehlenden Achtung durch Achtung, offenbart ihr Schweigen als Feigheit, ihre Logik als verlogen, ihre Reden zum Eigen- statt Gemeinnutz, ihre Intriganz anstelle ihrer Integrität, doch macht sie nicht vor aller Augen lächerlich, denn wir sind ein Volk, das nur zusammen eine Zukunft hat: Macht euch nicht mit ihnen gemein, sondern verändert euch durch die Auseinandersetzung mit ihnen. Und früher oder später wird die Meinung der Öffentlichkeit den Wert erkennen. Die Auseinandersetzung und die Wahrheit allein genügen wahrscheinlich nicht – aber sie sind die einzigen Mittel, ohne die alle anderen versagen. Damals meinte die TAGESSCHAU, das sei „Keinesfalls ein umfassender Friedensplan“, im ZDF durfte Außenministerin Annalena Baerbock sagen, „Chinas Zwölf-Punkte-Plan unterschlage, dass die Aggression von Russland ausgeht.“, DER SPIEGEL meinte, „Der nutzlose Plan aus China“, ZEIT ONLINE erkannte, „China ist ein Komplize des Aggressors“, die Süddeutsche Zeitung war sich sicher, „Frieden in der Ukraine? Darum ging es Peking nie“ und die FAZ sah nur „Chinas dürres Friedenspapier“. Und noch etwas anderes fällt auf: Im Gegensatz zu der Auseinandersetzung mit dem Plan Chinas sucht man diesmal vergeblich nach Kommentierungen des ukrainischen Plans durch das politische oder journalistische Establishment: Das Land der Ahnungslosen muss nicht über ein paar Meldungen hinaus unnötig gestört werden, mit denen man am Sonntagnachmittag zwischen 14.19 Uhr und 16.28 Uhr journalistischen Pflichten nachkommt. Eigentlich sollte jeder halbwegs gebildete Deutsche über den Begriff „Entgiftung“ stolpern, wenn er im Zusammenhang mit Menschen verwendet wird. So sagte Adolf Hitler in seiner Rede vor dem Deutschen Reichstag am 23. März 1933 – sie wurde als Rede zum Ermächtigungsgesetz bekannt: „Die Regierung ist entschlossen, die „politische und moralische Entgiftung unseres öffentlichen Lebens durchzuführen“. Die weitere Entwicklung ist Geschichte und so ist zu erklären, was ich unmittelbar nach der ersten Wahrnehmung auf meinem Handy in dem oben schon erwähnten Tweet schrieb:
Sind wir schon so weit, Herr @UlfPosh, dass die Medien Werbung für faschistische Ideologie machen: Anstelle der Entgiftung Deutschlands von den Juden die der Krim von russlandfreundlichen Russen durch Ukrainer? https://m.hausarbeiten.de/document/318169
Dem entrüsteten Mainstream über einen solchen unangemessenen Vergleich kann entgegengetreten werden. Am 14. Oktober vergangenen Jahres titelte der TAGESSPIEGEL: „Gerüchte um Umgang mit Kollaborateuren: Selenskyj wirbt nach Rückeroberungen um Vertrauen in besetzten Gebieten“. Schon in der Subline lässt man den Leser wissen, „Der ukrainische Präsident betont, dass nur solche Ukrainer, die die Okkupanten unterstützen, etwas zu befürchten haben.“ und fügt sinnigerweise hinzu: „Russland hatte zuvor offenbar Angst geschürt.“ Am 14. November zeigt das ZDF einen freudestrahlenden Präsidenten, der das befreite Cherson besucht. Nach Sätzen über die feiernde, aber notleidende Bevölkerung findet man auch das:
Russische Soldaten, die zurückblieben, als ihre militärischen Befehlshaber in der vergangenen Woche die Stadt verließen, wurden nach Angaben des ukrainischen Präsidenten festgenommen. Die ukrainische Polizei hat die Bevölkerung zudem aufgerufen, bei der Identifizierung von Personen zu helfen, die mit den russischen Streitkräften kollaborierten.
Will man wissen, wie es in Cherson weiterging, muss man auf Quellen wie den ANTI-SPIEGEL zurückgreifen. Will man die darin umfangreich diskutierten Kriegsverbrechen in Zweifel ziehen, stolpert man u. a. über ein Foto von Associated Press und kann darüber spekulieren was der ukrainische Präsident meint, wenn er die „Neutralisierung von Saboteuren“ ein laufendes Projekt für die ukrainischen Soldaten nennt. Was sich in dem 12-Punkte-Plan für die Krim manifestiert, bewegt sich in der Nähe der Wannseekonferenz und des Kommissarbefehls. Sicher kann darüber spekuliert werden, dass die gerade jetzt erfolgende Veröffentlichung dem Ziel dient, die gegenwärtigen Truppenkonzentrationen im Raum Saporischschja zu erklären – deren Ziel es auch wäre, sich der Krim zu nähern –, und Russland sozu bewegen, noch größere Anstrengungen zur Verteidigung der Krim zu unternehmen, aber bei der erwarteten ukrainischen Offensive an einer ganz anderen Stelle anzugreifen. Aber das Papier ist in der Schublade und wenn es der Ukraine tatsächlich gelänge, die Krim zu erobern, wissen die Soldaten, was zu tun ist. Der Unterstützung des Westens und insbesondere Deutschlands kann sich die Ukraine dabei sicher sein. Im Januar vergangenen Jahres antwortete Außenministerin Annalena Baerbock auf die Frage, ob ihr erklärter Wille, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, auch die Rückeroberung der Krim beinhalte: „Die Krim gehört zur Ukraine und sie wurde 2014 völkerrechtswidrig von Russland besetzt.“. Auf der Krim-Konferenz im August sicherte Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine dann zu, sie so lange zu unterstützen, wie es nötig wäre und meinte, die internationale Staatengemeinschaft würde „die illegale, imperialistische Annexion ukrainischen Hoheitsgebiets durch Russland niemals akzeptieren“ – was heutzutage nun bedeutet, die Ukraine so lange zu unterstützen, bis sie in die Lage versetzt ist, den 12-Punkte-Plan umzusetzen. Um sich zu vergegenwärtigen, was das für die Bevölkerung auf der Krim bedeutet, kann man sich neben den Erfahrungen in Cherson auch mal mit den Lebensverhältnissen auf der Krim beschäftigen. Auch hier muss auf den ANTI-SPIEGEL zurückgegriffen werden, der von einer Verdreifachung der Gehälter und Renten nach dem Referendum 2014 schreibt und immer wieder auch Einblicke in den russischen Lebensstandard gibt (1, 2). Dem stehen Berichte über das hochgerüstete Armenhaus Europas und das neue Mexiko gegenüber, aus dem sich Europa mit billigen Arbeitskräften bedient. Man kann sich vorstellen, wie bei einer solchen Perspektive die russische Bevölkerung auch auf das deutsche Engagement schaut. Das darüber hinaus die Weltgemeinschaft sehr genau verfolgt, wie der Westen in seinem Kampf für Frieden und Freiheit eskaliert, und sich fragt, wann für das eigene Territorium ein 12-Punkte-Plan auf der Tagesordnung steht, darf als sicher betrachtet werden – wenn eine zunehmende Anzahl von Erfahrungen der letzten Zeit berücksichtigt wird. Ein Sonntag in Deutschland im April des Jahres 2023: Im Jahr 34 der „Zeitenwende“ des Mauerfalls – in dem ich mich schon eine Weile frage, wie lange wir noch brauchen, um in das Jahr 39 vorzudringen. Gegen 1 Uhr wachte ich auf und meine Gedanken kreisten nur noch um die Informationen des zurückliegenden Tages. Gegen 2 Uhr stand ich auf, machte mir eine Tasse Tee und setzte mich an den Computer. Gegen 6 Uhr legte ich mich wieder für eine Stunde ins Bett. Dann begann ein neuer Tag.

***

Bernd Liske (Jg. 1956 / studierter Mathematiker) ist Inhaber von Liske Informationsmanagementsysteme. In seinen Büchern und Artikeln setzt er sich mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Problemen unserer Gesellschaft auseinander, um so Beiträge für die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu leisten. Die in seinem Buch Aphorismen für die Menschwerdung des Affen – Wie der Mensch zum Menschen und wie die Demokratie ihrem Anspruch gerecht werden kann veröffentlichten Aphorismen betrachtet er als Open-Source-Betriebssystem zur Analyse und Gestaltung individueller, unternehmerischer und gesellschaftlicher Prozesse. Das den Aphorismen vorangestellte Essay über die „Auseinandersetzung als Beitrag für die Menschwerdung des Affen“ beschäftigt sich insbesondere mit der Natur der Demokratie und stellt Wege zur Diskussion, wie die westlichen Demokratien eine nachhaltige Zukunft gestalten können.

Wochenschau: „Wir haben zu lange akzeptiert, dass es auch gute Gründe gibt, sich nicht impfen zu lassen.“

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Das Zitat der Überschrift stammt von Friedrich Merz (CDU). Und es passt ausgesprochen gut zu unserer neuen Episode „wohlstandsneurotiker – der podcast“. Gleich nach unserer kleinen Wochenschau geht der Wahnsinn los! Wir fragen nach dem Sinn der Impfpflicht, warum Verstöße gegen 3G bis zu 25.000 Euro kosten sollen und wieso das beste Mittel gegen Impfdurchbrüche ausgerechnet eine Impfpflicht sein soll. Bildlich stellen wir uns vor, wie sich ein „Umlauf“ für Ungeimpfte (eine Art Trampelpfad) auf einem Weihnachtsmarkt wohl anfühlt (gibt es wirklich!), warum Heiko Maas sich über Annalena Baerbock als Außenministerin freuen sollte und warum nicht Frank Ulrich Montgomery, sondern Melanie Brinkmann eine Peitsche ziemlich gut brauchen könnte. Nach der Aufzeichnung des Podcasts haben wir übrigens erfahren, dass der Podcast „BASTA BERLIN“ uns als Webtipp in der Episode 108 empfohlen hat. Darüber freuen wir uns sehr! Am Ende des Beitrages findet Ihr auch eine Audioversion des Podcasts.

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Weitere Informationen
  Inhalt: 00:01 Die aktuelle Wochenschau 01:45 Frage an die Hörer: Mehr Wochenschauen? 03:30 Die Impfpflicht und andere Kleinigkeiten 04:00 „Gute“ Argumente für die Impfpflicht 08:00 Weihnachtsmärkte mit Trampelpfaden für Ungeimpfte 11:30 Der Bußgeldkatalog von Schleswig-Holstein 14:40 „Impfzwang“ darf man nicht sagen 16:45 „Wir hatten ja schon mal Besuch aus Österreich.“ 17:30 Lars Klingbeil: Gegen zu viele Impfdurchbrüche hilft nur die Impfpflicht 20:00 Die Schlinge zieht sich zu 22:00 Der unhygienische Mensch 23:30 Bezug zu einem Interview von Gunnar Kaiser mit Raymond Unger 28:00 Ansteckend, nicht ansteckend, ansteckend, nicht ansteckend … 29:30 Was nicht zu beweisen ist 30:30 Von der Effizienz der Impfstoffe 33:30 Niemand will Karl 34:00 Glückwunsch an Heiko Maas! 35:30 Habeck, Kühe, Schweine und Afghanistan 36:00 F***zensekret bei Harald Schmidt 37:00 Und jetzt: Christoph Sieber 38:00 Ivermectin: Ist da der Wurm drin? 40:30 Wo bleiben die Zweifel oder: Keine Angst vor den Folgen? 46:30 Unterwürfige Politiker („Brinkmanns Peitsche“) 48:30 Gewissenlose Wissenschaft 49:45 Die ganz normale Spaltung 50:30 Die Gedenkstätte Buchenwald und ihre Ausstellung „Ausgrenzung und Gewalt“: Nur 2G 51:30 Noch mal zurück nach Österreich 53:00 Kommt die Impfpflicht in Deutschland? 56:00 Langfristige Folgen der Corona-Politik und gerechte Strafen 58:00 In eigener Sache: • Ein dickes Dankeschön für die Rückmeldungen nach dem letzten Podcast • Wohlstandsneurotiker/Neulandrebellen zum Füße abtreten • Gunnar Kaiser: War da was? • Spenderhinweis Artikel „Impfpflicht: Der garantierte Weg ins Chaos“ Gunnar Kaiser im Interview mit Raymond Unger Podcast „Wir müssen reden“ mit Matthias Burchardt und Sven Böttcher Die wohlstandsneurotiker/neulandrebellen im Harlekinshop: Audioversion:

Die Toten von Odessa

Es war eine Entscheidung über den Tod. Das Leben war vorbei, in den letzten Zügen, und die Frage lautete: Im Feuer sterben oder aus dem Fenster springen? Für 48 Menschen war die Frage nach der Art ihres Todes die letzte, die sie sich 2014 in Odessa stellten. Sie waren vor pro-ukrainischen Nationalisten geflohen und sahen als eine mögliche Zuflucht das Gewerkschaftshaus. Doch sie irrten sich. Das Feuer im Gewerkschaftshaus wurde nur kurze Zeit nach dem von den USA finanzierten Putsch entfacht, der verklärt „Maidan-Proteste“ und ähnliche Titulierungen erhielt. Mit dem Maidan begann eine weitere Stufe der Radikalisierung und der Eskalation, Angriffe auf Russen und russischsprachige Menschen wurden nicht nur geduldet, sondern faktisch unterstützt. Also zeigte sich schon kurz nach der „Demokratisierung“ der Ukraine, was die Menschen im Osten des Landes zu erwarten hatten. Eingeleitet mit freundlicher Unterstützung des „Wertewestens“. Odessa steht für mehr als grauenhafte Taten. Es steht für eine ganze Reihe von Angriffen auf die Menschen in der Ost-Ukraine, deren Grausamkeit unfassbar und kaum in Worte zu fassen ist. Und Odessa steht für den Versuch der gezielten Vernichtung von Menschen, die nicht den neuen Vorgaben folgen wollten. Ein Mann im Gewerkschaftshaus war in der vermeintlich glücklichen Lage, über die Feuerleiter das Gebäude zu verlassen. Doch unten erwarteten ihn bereits Schläger, sodass der Mann wieder zurück ins Feuer kletterte. Andere, die es aus dem Haus geschafft hatten, wurden mit Baseballschlägern verprügelt, die meisten blieben irgendwann reglos auf der Straße liegen. Doch hinter dem Brand steckte mehr als nur der Angriff radikaler Nationalisten. Auch die Feuerwehr konnte keine Notwendigkeit erkennen, auszurücken. Sie hätte eine Fahrt von ca. 500 Metern vor sich gehabt, verzichtete aber aus zwei Gründen darauf: Der Chef der Feuerwehr war der Meinung, dass das Feuer zu gefährlich sei. Die Telefonistin, die einen Notruf entgegennahm, sagte dagegen in den Hörer, es bestehe keine Gefahr. Als später ein Anruf direkt aus dem Gewerkschaftshaus einging, sagte die Telefonistin, die Feuerwehr sei jetzt unterwegs. Die verzweifelte Antwort des Anrufers lautete: „Wir werden jetzt verbrennen.“ Vielleicht hätte die Feuerwehr damals anders gehandelt, wenn deren Chef seinen Job nicht nur bekommen hätte, weil sein Vater irgendwann mal Bürgermeister gewesen war. Von Brandbekämpfung verstand er nichts. Vielleicht wäre es aber auch mit anderem Personal genauso gelaufen, wie es lief. Die Korruption in der Ukraine war schon damals bekannt.

Degeneration aller staatlichen Stellen

Odessa hätte ein Signal sein müssen, nicht nur eine Meldung. Denn durch Odessa wurde das gewaltsame Potenzial deutlich, das der Russenhass in sich trug. Doch von der Europäischen Union gab es lediglich einen Rüffel. Anderthalb Jahre nach den bestialischen Taten ließ der Europarat verlautbaren, dass offenbar „kein substanzieller Fortschritt bei den Untersuchungen gemacht worden“ sei. Das ist eine gravierende Fehleinschätzung, denn tatsächlich wurden die Täter aktiv geschützt. Nicht nur, dass die Ruine des Gewerkschaftshauses erst einige Tage später abgesperrt und jede mögliche Spur auf der Straße einfach von der Straßenreinigung weggeräumt wurde. Auch sonst sah man offenbar keinen Handlungsbedarf. Im Gegenteil, der damalige Gouverneur von Odessa war sogar der Meinung, dass Feuer sei „legal“ gewesen, um „bewaffnete Terroristen zu neutralisieren.“ Der einzige festgenommene Verdächtige wurde nach ein paar Tagen wegen Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Als Ursache für die Taten und die Weigerung der öffentlichen Stellen nannte ein Sprecher der „Gruppe 2. Mai“ die „Degeneration aller staatlichen Stellen, hervorgerufen durch die allgegenwärtige Korruption.“

Und heute?

Die Angriffe auf die Volksrepubliken dauern nun acht Jahre an. Doch anders als beim Feuer im Gewerkschaftshaus gab es von der EU nicht einmal Rügen oder Ankündigungen von Konsequenzen, wenn das Morden nicht beendet werde. Und so wurde weitergemacht, ohne Folgen, ohne Empörung. Als die Duma Anfang 2022 entschied, die Volksrepubliken anzuerkennen, war das keine aus einer spontanen Laune heraus stattfindende Aktion ohne Sinn und Verstand. Es war auch nicht die Ankündigung eines Angriffskrieges, der den Zweck verfolgt, die ganze Ukraine einzunehmen und danach gleich weiter nach Berlin zu marschieren. Die Anerkennung der Volksrepubliken war die letzte Möglichkeit, das jahrelange Sterben zu beenden. Gute Worte hatten zuvor ebenso wenig geholfen wie das Minsker Abkommen, das die Ukraine unter Selenskyi (und Händchen haltend mit Annalena Baerbock) ohnehin nicht interessierte. Alle russischen Bitten um Verhandlungen und eine Klärung der Situation verhallten in den Weiten europäischer Polithirne, die sich nicht zuständig fühlten oder der Sache an sich keine große Bedeutung beimaßen. Von der Vorgeschichte des heutigen Krieges in der Ukraine will im Westen niemand etwas wissen, das helfe doch jetzt auch nicht weiter, heißt es. Doch es ist genau umgekehrt. Wäre mehr historisches Wissen und Verständnis vorhanden, könnte die heutige Situation ganz anders eingeordnet werden. Das allerdings ist genau das Problem. Mehr Wissen würde mehr Last für das Gewissen bedeuten, würde zu Erkenntnissen führen, die die allgemein gültige Erzählung ankratzen könnten. Also bleibt es dabei: Putin ist der einzige Aggressor für den Ukraine-Konflikt, der Westen wäscht seine blutigen Hände verschmitzt in Unschuld und in der Ukraine fließen demokratische Milch und freiheitlicher Honig. Wenn die Welt wirklich so einfach wäre, dürfte es eigentlich weltweit überhaupt keine Kriege mehr geben.

Podcast: Warum „Jamaika“ überhaupt nicht chillig ist …

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#mehrwutstropfen – der Podcast – mit Andy Klünder und Tom Wellbrock Folge 3: Inhalt: 
  1. Moin!
  2. Vorstellung unseres Gastes der Folge 4.
  3. Desaster Bundestagswahl.
  4. Jamaika?
  5. Legalize it?
  6. Wer will überhaupt regieren?
  7. Die Niedersachsenwahl (ein prophetischer ein Ausblick vom 14.10.2017).
  8. Wagenknecht-Bashing durch Riexinger und Kipping.
  9. Die Sitzordnung im Bundestag.
  10. Die AfD im Bundestag: eine neue Streitkultur?
  11. Trump und seine Berater.
  12. Deutschlands ältestes Volksfest.
Audioplayer: Download

Der Mensch, ein vernunftverzagtes Wesen

Statt Verordnungen und Verbote auf Eigenverantwortung und Vernunft setzen: So sehen das viele Kritiker der Corona-Politik. Und obwohl auch vom Autor viele Verordnungen und Verbote kritisch betrachtet werden: Auf das Gute zu setzen ist und bleibt naiv. Auch in Corona-Fragen. Die Niederlande wurde in den letzten Wochen oft gelobt: Weil sie Masken nur empfiehlen. Unser Nachbarland, so las und vernahm man häufig, setze auf Eigenverantwortung und Vernunft. Hendrik Streeck, dieser Drosten ohne Bundesverdienstkreuz und eigenen Podcast, hat das letztens auch erst wieder so ähnlich erklärt. Die Bundesregierung solle weniger auf Verbote setzen, stattdessen lieber auf die Vernunft der Bürger vertrauen. Das klingt alles irgendwie einleuchtend – gerade wenn dem Lager der Kritiker der Corona-Politik dieser Regierung angehört.
Die Vernunft: Der vom Staat unterdrückte Wert?
Ohne jetzt ein Geheimnis preiszugeben: Auch wir neulandrebellen sind jenem Lager zuzurechnen. Ich für meinen Teil würde aber nie einen laxeren Kurs mit einen Verweis auf die Vernunft begründen. So naiv bin ich nicht. Wer Freiheiten zulässt, darf sich nicht wundern, wenn sie sich genommen werden. Trotzdem glaube ich nicht, dass Verbote und Anordnungen eine Alternative sind. Nicht nach so langer Zeit, nicht bei der personellen Konstellation, in die wir uns lange vor Corona hineinmanövriert haben. Regeln: Vor Corona war die an dieser Stelle häufig Thema. In Form von Kritik an der liberalen Gesellschaft, die so tut, als wären Gesetze und staatliche Eingriffe bloß ein lästiges Übel, das die Dynamiken nur lähmt oder die Eigeninitiative abwürgt. Zunächst ging es um die Deregulierungswütigen, die die Ökonomie entregeln wollten, die den Staat als gierigen Leviathan abtaten, der Unternehmer nur schröpfen wolle. Sie würden für ihre Leistungsbereitschaft und Überlegenheit auch noch bestraft, monierte diese Denkschule. Diese Kritik war alt, sie geht bis in die Zeit der Schröderianismus zurück, als genau solche Sichtweisen salonfähig wurden und in Broschüren eines neulich verstorbenen Sozialministers mündeten, in der Arbeitslose als lästige Parasiten bezeichnet wurden. Danach projizierte man das Prinzip auf die Gesellschaft. Ordnungsämter ordneten zum Beispiel laxer, Polizeibeamte wurden knapp, Richter agierter milder gegen Clankriminalität und Lebensmittelkontrollen fanden seltener statt. Aus der selbstverursachten Not des Sparstaates machte man eine Tugend: Man ließ gewähren, schaute nicht mehr hin, übergab gerade Großstädte dem Chaos und deklarierte Ordnung als einen spießbürgerlichen Begriff von dunnemals. Darunter litt der Gemeinsinn.
Liberalismus als Scheißegal-Gefühl
Das fiel im linksliberalen Justemilieu auf fruchtbaren Boden. Der sparbedingte Unterlassungsstaat wirkte hip und cool. Man war jetzt irgendwie weltoffener, mondäner, globalistischer und natürlich rettungslos optimistisch. Ob nun Wirtschaft, Gesellschaft oder Zuwanderung: Am besten man übergibt es der Zivilgesellschaft, mäßigt den staatlichen Zugriff und überlässt es nicht Vorgaben sondern der Vernunft. Der Staatsrückzug war sicher anfangs als ideologischer Angriff auf den Sozialstaat gemeint. Es etablierte sich allerdings eine Weltanschauung, die grundsätzlich skeptisch auf das Primat der Politik lugte. Doch mit der Vernunft ist es nicht weit her: Die Wirtschaft der Beliebigkeit des freien Marktes zu überlassen, hat die Schere zwischen Armut und Reichtum auseinanderklaffen lassen. Stadtteile verwahrlosen, werden zu No-Go-Areas, in denen sich Sperrmüll türmt, den keiner mehr abholt – und viele Missstände mehr manifestierten sich. Und ja, der Multikulturalismus, eine Paradedisziplin in Sachen Staatsverdrossenheit zugunsten einer romantisch verklärten Menschenvernunft, hat über Jahre die Augen vor den Problemen der Bürger verschlossen. Stichwort: Wachsende Clanstrukturen und organisierte Kriminalität – empfehlenswert Ralph Ghadbans Buch zum Thema. Aber immer wieder hören wir, dass der Staat nicht so viel eingreifen soll, damit sich vernünftige Strukturen von alleine entwickeln können. Es gibt sie nur fast nirgends. Mit dieser Parole also Corona-Politik zu machen: Da kriege ich Bauchweh. Und dennoch, in dem Fall glaube ich, dass die Politik dringend zurückstecken muss. Nicht etwa damit die Vernunft walten kann. Sie ist ohnehin ein subjektives Element, der Einzelne verfügt darüber. Vielleicht auch noch eine Familie. Aber nicht die Masse, in ihr wirkt eine andere Psychologie. Die Erklärung, Corona-Maßnahmen zu reduzieren, es der eigenverantwortlichen Vernunft der Bürgerinnen und Bürger zu überlassen, hinkt gewaltig. Sie ist ein Kniff, der von einem ja fast anarchistischen Weltbild ausgeht.
Freiwilligkeit: In diesem Fall nicht vernünftig – aber realistisch
Obwohl ich an auch an dieser Stelle, quasi themenübergreifend, immer wieder von der Freiwilligkeit als neues Faible deutscher Politik berichtete, als Zugeständnis an die Alles-kann-nichts-muss-Ignoranz, ist sie hier, im Corona-Komplex, das einzig denkbare Mittel. Nehmen wir nur die Kontrolle der Gästedaten bei Restaurantbesuchen. Wer soll das bitte testen? Die Bundespolizei, die schon mit der Durchsetzung der Maskenpflicht im Nah- und Fernverkehr überfordert ist, empfiehlt sich. Sie muss aber auch irgendwann mal Überstunden abbauen – 1,5 Millionen hat sie mittlerweile angesammelt. Tendenz steigend. Oder die Gesundheitsämter? Man liest von ihnen eigentlich nur noch das: Schon jetzt schrecklich überfordert. Die Ordnungsbehörden darben ebenfalls, sie haben im Normalbetrieb schon zu wenig Mitarbeiter. Anordnungen und Verbote für diese Millionengesellschaft können gar nicht vernünftig exekutiert werden. Sie sind zahnlose Tiger, können bestenfalls stichprobenartig kontrolliert werden, ziehen hier und da symbolträchtig einen Deliquenten aus der Masse, der dann abgeurteilt wird. Anordnungen und Verbote, die sich so gestalten, geben sich der Lächerlichkeit preis, reiben die Arbeitskraft der Staatsverwaltung auf und können das Klima der allgemeinen Aufweichung und Laxheit nicht mehr eindämmen. Jede Zwangsmaßnahme birgt im Grunde nur die Gefahr, weitere Bürger zum Ausscheren zu zwingen. Im Grunde ist es also nur eine ganz praktische Überlegung, weitere Verbote zu unterlassen. Mit Vernunft hat das nichts zu tun. Die Menschen tun das, was sie dürfen – vernünftig oder nicht, das spielt keine Rolle. Unter dem Aspekt dürften sie ja nicht zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen oder das Fleisch beim Aldi für Grillabende kaufen. Beides ist höchst unvernünftig. Sie tun es freilich trotzdem. Warum? Weil sie es können. Verbote, die nur als Drohung im Raum stehen, aufgrund von Personalmangel nicht umgesetzt werden können, sehen da nicht anders aus. So ist die Psychologie der Massen nun mal.

Greifswalder Forscher haben irgendwas entdeckt

Am Donnerstag hat die EMA den Impstoff von AstraZeneca freigegeben – am Freitag dann die Meldung: Forscher der Uni Greifswald haben herausgefunden, warum es zu Thrombosen kommt. Es kann also unbedenklich geimpft werden. Ist das so? Es ist zuweilen schon erstaunlich, wie schnell die guten, die vertrauensbildenden Nachrichten wie Zahnräder ineinandergreifen. Kaum hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zweifel in den Impfstoff von AstraZeneca zerstreut, kam der Kracher aus Mecklenburg-Vorpommern, von der Universität in Greifswald genauer gesagt. Dort haben Forscher die Ursache für die Blutgerinnselbildung im Gehirn gefunden. Freitagmittag lief die Meldung über den Äther, jede Tageszeitung berichtete davon, in jedem Corona-Ticker nahm man die Nachricht auf. So richtig informativ waren die Informationen allerdings nicht. Man las etwas von einem Test. Und der Heilbarkeit der Thrombose. Eine Information wurde aber überall erwähnt: Das Impfen mit AstraZeneca sei nun wieder unbedenklich. Man müsse keine Angst mehr haben. Schließlich gäbe es nun medizinische Grundlagen, neue Erkenntnisse und eine neue Sicherheit. Diese gute Nachricht verbreitete sich schnell, in den Netzwerken überbot man sich mit Lob und Erleichterung. Diese dummen kleinen Bedenken, die sich da in Europa ausbreiteten: Wieder mal musste deutsches Wissen Licht ins Dunkle bringen.
Behandelbar durch Forschungserfolg?
Die Kunde von der Unbedenklichkeit der Impfung war schon verbreitet, da kam nach und nach etwas mehr von den Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit. Offenbar habe der Impfstoff eine Abwehrreaktion der Blutplättchen aktiviert. Dadurch sei es zu Gerinnseln im Gehirn gekommen. Ob diese Reaktion durch den Impfstoff selbst oder durch den Vektor entstehe, müsse man noch untersuchen. Diese Erkenntnis ist an sich nicht sonderlich bahnbrechend: Als Dänemark einen Impfstopp ausrief, konnte man diese Einschätzung schon hier und da vernehmen. Es schien gewissermaßen logisch, dass hier eine Abwehrreaktion wirke. Ob die Ergebnisse aus Greifswald stimmig sind, bleibt aber abzuwarten: Denn die Forscher untersuchten lediglich vier Proben – und haben bei drei dasselbe Muster entdeckt.

Interessanter waren daher die ersten Meldungen, wonach es einen Test gäbe, der die Thrombosebildung bestätige und eine Behandlung anzeige. In den ersten Meldungen las sich das noch so, als würde man quasi bei der Impfung gleich schon sehen können, was geschieht. Später las man stattdessen, dass die Forscher hofften, dass sich diese Abwehrreaktion mit einem gängigen Medikament kontrollieren und eindämmen lässt. Man könne auf bestimmte Moleküle testen und dadurch Gewissheit erlangen. Sinnvoll sei eine solche Testung aber nur, wenn es entsprechende Anzeichen für eine solche Thrombose gebe.

Laut Berichten ist ein solches Anzeichen der Kopfschmerz. Der wiederum stellt sich aber bei vielen Impflingen als Nebenwirkung ein. Das heißt letztlich, dass der Geimpfte, der an Kopfschmerzen leidet, zunächst mal davon ausgeht, dass es sich um die ganz normalen Folgen der Impfung handelt. Er wartet also zu. Bei sich abzeichnenden Schlaganfällen – und um nichts anderes geht es letztlich hier – ist das sogenannte Zeitfenster von Relevanz. Je eher man ins Krankenhaus geht, desto höher die Chancen, das Gerinnsel aufzulösen und Folgeschäden zu vermeiden.
Greifswalder Forscher entdecken Mittel zu Vertrauensbildung in AstraZeneca
Anders gesagt: Die Molekültestung ist ein Hirngespinst, sie ist nicht praktikabel, offensichtlich viel zu aufwändig und im Sinne der Effiizienz sicherlich nicht bei jedem Risikokandidaten grundsätzlich zu machen. Als Nachricht, wonach jetzt alles im Griff sei, taugen die Forschungsergbenisse und der Test recht wenig. Auch die Meldung, dass diese Nebenwirkung behandelbar sei, ist irreführend. Sie war es vorher schon. Es ging da vor allem um das Zeitfenster, die Geimpften mit Thrombose wurden zu spät erkannt – daran dürfte sich zunächst wenig ändern. Immerhin soll das Thrombose-Risiko auf den Beipackzettel. Den liest in der Impfpraxis aber eh keiner durch. Rein rechtlich hat man sich aber abgesichert durch den Aufdruck.  Die Meldung kann man als lanciert betrachten, als vom Medienbetrieb forcierte Randnotiz, die eine klare Ursache hat: Es geht darum, ein Mittel zur Vertrauensbildung in AstraZeneca zu schaffen. Nichts Gehaltvolles, nichts Fassbares: Eher was Psychologisches, ein Feelgood-Placebo, einen Grund für einen neuerlichen Optimismus. Ob die Forscher aus Mecklenburg-Vorpommern nun auf der richtigen Spur sind oder nicht: Das spielt für den Augenblick gar keine Rolle. Ebenso wenig, ob sie jetzt wirklich neue Ansätze anbieten oder nicht. Alles nicht von Wichtigkeit! Man benötigt Gefühl und nicht Tatsachen. Nur mit Gefühlen weckt man Vertrauen. Die Medien geben den ehrlichen Makler, den Vermittler zwischen dem was sein soll und dem was wird. Berichten was ist: Das war mal – dafür hat der Medienbetrieb momentan wenig Zeit. Dazu müsste man sich hinsetzen, recherchieren, nachfragen – und einfach mal nachdenken. Das geht aber nicht, da die Ticker-Portale gefüttert werden wollen, die Panik abflaut und die Angst abnimmt, man muss nachlegen, die Kanonen nachladen. Und hier und da auch mal Hoffnung schüren, was Positives bringen, auch wenn es nicht ganz so stimmig ist. Sollen wir Medienleute das jetzt etwa auch noch haarklein erklären? Wer soll das denn leisten? Sachlichkeit? Na klar, wir sind doch sachlich, der Sache verhaftet: Jener nämlich, die Dinge zu einem guten Ende zu bringen. Wie, Nachrichten bringen? Nee, wir machen Nachrichten!

Gespräche übers Impfen – mit Gott und einer ARD-Pfarrerin

Das „Wort zum Sontag“ in der ARD hat sich kürzlich mit dem Impfen beschäftigt. Pfarrerin Ilka Sobottke bezog dabei Gott höchstpersönlich mit ein. Impfstoffe seien ein Geschenk Gottes, sprach die Pfarrerin in ihrem Beitrag, der nicht damit sparte, allen Menschen ihr Verantwortungsgefühl mit einzuhämmern. Und natürlich hat die Frau recht!

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Weitere Informationen
Hier der Link zur ganzen Folge „Das Wort zum Sonntag“

Das Lachen im Keller

Nein, ich habe keine Chance darauf, je als seriöser Mensch anerkannt zu werden. Warum? Weil ich es mag zu lachen, selten was ernstnehme, letztlich immer doofe Sprüche reiße. So einem traut man nicht ein Jota über den Weg. In Deutschland lacht man nur, wenn es vorher auf Schildern ausgewiesen wird. Neulich habe ich einen unserer treuesten Kommentatoren zum Lachen gebracht. Und das mit einem Text, den ich gar nicht in humoriger Laune schrieb. Es ging um Gabriel, die Showpolitik und ein bisschen auch um Tönnies. Offenbar merke ich dergleichen schon nicht mehr, offensichtlich habe ich meine Seriosität, meinen ernsten Duktus gar nicht mehr im Griff. Ja, so wie es aussieht, schlagen das Witzige, der Zynismus und der Sarkasmus, alles Eigenschaften, von denen ich ja weiß, dass ich sie habe, jetzt unkontrolliert durch. Damit wäre aber klar: Als seriöser Mensch, Schreiber oder Kollege, kann man mich jetzt nicht mehr schätzen. Ja, ich bin somit sogar hochgradig windig. Von zweifelhaftem Ruf. Halbseiden. Ein abgewalkter Kerl. Denn wer es in Deutschland mit Witz probiert, den nimmt man nicht nur nicht ernst – den hält man für im höchstem Maße unfähig.
Achtung, dies ist eine Satire-Sendung!
Solche Leute gehen hier nicht in die Politik, schreiben keine Texte über ernste Themen, diskutieren nicht über Wichtiges. Sollten sie jedenfalls nicht. Ihnen ist die Bühne vorbehalten. Oder eine Kolumne, die ordentlich gekennzeichnet werden muss – nämlich mit Worten wie »Satire«, »Parodie« oder »Glosse«. Vor dem Eingang zum Kleinkunsttheater muss dringend ein Schild aufgestellt werden, auf dem nicht nur steht, dass da jemand »Satire« machen will – man zeigt ein Bild des Possenreißers auf diesem Schild bitte auch so, dass er nicht allzu staatstragend guckt. Eher schielend oder ein dummes Gesicht ziehend. Alles andere würde nur verwirren. Humor muss also unordentlich gekennzeichnet sein. Ja, da gibt es in Deutschland durchaus eine Kennzeichnungspflicht. Meines Wissens die einzige, die wirklich gewollt ist und gegen die nicht mal Julia Klöckner was hat. Auch die Weinkönigin weiß nämlich gerne vorher, womit sie zu rechnen hat. Ob sie auf Aktivierung aller Gesichtsmuskeln programmiert werden muss – oder nicht. Im Karneval ist es einfach, da weiß man es ja vorher. Selbst wenn es nicht komisch ist, muss gelacht werden. Überhaupt muss so ein Lacher ja auch vorbereitet sein. Man muss ihn aus seinen heimischen Keller holen, ihn entfritzeln, kurz abstauben und mal gucken, ob er noch richtig funktioniert. Schließlich hat man ihn schon lange nicht mehr gebraucht … Natürlich, die Leute in Deutschland lachen auch viel. Man muss nur mal ins Fernsehen gucken. Bei einem wie Mario Barth muss man nicht mal mehr mit »Satire« labeln. Was übrigens auch glatt gelogen wäre. In Deutschland lacht man viel zu oft schlecht. Was aber eine andere Geschichte ist, die will ich heute gar nicht ansprechen. Da vergeht mir nämlich das Lachen. Worum es mir geht ist eben, dass der Humor, ganz gleich welcher Art, ob nun versöhnlich, spitz oder mit Hintergedanken, keine Berechtigung hat, wenn man in gewissen Gefilden wildert. Politik oder Journalismus etwa: Wer da zu locker ist, der hat seinen Ruf weg. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen, der fand Gregor Gysi furchtbar. Nicht politisch oder inhaltlich etwa, ehrlich gesagt, davon hatte er nicht viel Ahnung. Aber weil dieser Gysi immer so witzig beschwingt ist. Das stehe einem Politiker aber nicht zu; Ernstes braucht Ernsthaftigkeit. Genau aus dem Grund finde ich den Linken aber bis heute sympathisch.
Der Witz: Eine ziemlich ernste Angelegenheit
Mir ist nun durchaus in den letzten Jahren aufgefallen, dass ich kein sonderlich ernster Mensch mehr sein kann. Egal welches Thema ich behandle, ich suche eine satirische Sentenz, formuliere dazu zynische Nebengedanken und behalte sie nicht für mich. Das muss ja raus. Nicht nur im Alltag als Blogger. Auch im wirklichen Leben. Wer mit mir redet, darf nicht damit rechnen, dass ich besonders bedeutungsvoll oder ehrfürchtig wäre. Ich nehme meinen Gesprächsteilnehmer schon ernst, ich bin ja kein Arschloch – außer vielleicht für die, die mich für eines halten. Aber jedes Sujet, ich finde ehrlich, man muss es flexibel betrachten. Das heißt: Auch unter den Aspekten der Witzigkeit. Eben nicht nur, weil der billige Lacher Befriedigung verspricht. Tut er auch, ich gebe das ja unumwunden zu – aber unter dem Aspekt, einen vielleicht ernsten Umstand mit dem Blick zynischen Humors zu drehen und zu wenden, bekommt man ganz andere Sichtweisen auf die Problematik. Ich halte Humor nicht nur für ein Stilmittel, sondern für ein Anaylseinstrument. Indem man sich der Ernsthaftigkeit mit einer Haltung nähert, die nicht zu viel Respekt vor der Sache erübrigt, gibt man Denkräume frei. Man ändert den Blickwinkel, befreit aus Konventionen, aus der Enge des Augenblicks und kann, nicht selten, die Betonung auf andere Aspekte des Sujets lenken. Das klingt zugegeben alles ein bisschen formal. Aber der Witz ist an sich eine ernste Angelegenheit. Wenn man nicht Mario Barth heißt jedenfalls. Ihn im Unterton immer mitschwingen zu lassen – den Witz, nicht Barth, bei dem schwingt nichts – darauf erpicht sein, als Antwort nicht nur eine seriöse Miene zu präsentieren, sondern auf eine witzige Komponente hinzuweisen: Das ist auch eine aufklärerische Haltung. Der Zynismus, dem ich mehr und mehr zuneige, wird von vielen dummerweise als Pessimismus wahrgenommen. Ich halte ihn für das Gegenteil davon. Er hat mehr mit dem Kynismus und dem Lachen des Diogenes gemein, als weilandt Peter Sloterdijk noch annahm. Sind solche Zeitgenossen immer einfach zu ertragen? Ich habe das Glück, dass meine Partnerin nicht anders tickt – auch sie frotzelt gerne. Aber grundsätzlich gibt es viele da draußen, die mich bestimmt für einen Idioten halten. Eine ernste Angelegenheit, wenn einem so viel Unrecht widerfährt. Deswegen mache ich darüber auch meine Späße. Manchmal, im Berufsleben etwa, spüre ich schon, dass das nicht so ankommt, wie es mir lieb wäre. Da erwartet man spaßloses Auftreten. Mit mir auch da nicht zu machen. Da hört bei mir echt der Spaß auf.

Freiwillige Unfreiheit

Die pandemische Notsituation ist nicht am Ende. Wir treten viel mehr in eine neue Phase ein, in der die Bevölkerung sogar nach Maßnahmen schreit – und sie nicht mehr nur einfach erträgt. Wenn wir die Geschehnisse der letzten beiden Jahre an Gretchenfragen festmachen wollten, gäbe das ungefähr so eine Chronologie der Fragestellungen ab: »Glaubst du an Corona – oder nicht?«, »Hältst du dich an die Maßnahmen – oder nicht?«, »Triffst du dich noch mit Freunden – oder nicht?«, »Bist du schon geimpft – oder nicht?« und zuletzt »Trägst du weiter Maske im Supermarkt – oder nicht?«. Und? Tun Sie es? Tragen Sie sie dort zwischen Süßkramregal und Fleischtheke? Die Mehrzahl tut es jedenfalls noch in Supermärkten. Immer öfter vernimmt man jetzt sorgenvolle Äußerungen der Bevölkerung, weil die Politik sich erdreistete, einige Maßnahmen nicht zu verlängern. Ja, dass die Bundesregierung die Bundesländer nicht ermächtigte, damit die weiter strikt durchgreifen können: Für viele fühlt sich das ganz offenbar an wie ein regelrechter Demokratieabbau. Ohne Maßnahmen in allen Lebensbereichen zu leben, nehmen viele als Chaos wahr. Wer jetzt noch glaubt, die Pandemie ziehe vorüber, täuscht sich vermutlich. Denn nach zwei Jahren ist es endlich so weit: In Deutschland hat die Angst endgültig gesiegt. Die Bürger brauchen gar keine Pflichten mehr – sie verpflichten sich freiwillig. Weiterlesen bei der Schwurbelpresse

Über Angriffs-, Informations- und Kopfkriege

Die Erzählungen über den Ukraine-Konflikt und die Rolle Russlands werden immer abstruser. Und immer gefährlicher. Mittlerweile wird die Geschichte verbogen, dass sich die Balken neu formen. Wir erfahren etwa, dass es die Ukraine war, die Deutschland vom Nationalsozialismus befreit hat, lernen aber auch, dass der ukrainische Botschafter inzwischen aus historischen Gründen der Meinung ist, Deutschland müsse aktiv in den Ukraine-Krieg eingreifen. Zu Butscha liegen nach wie vor keine Beweise vor, und wer ein bisschen in der Zeit zurückspringt, kann dabei zuhören, dass die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg die Ukraine und sogar Deutschland einnehmen wollte. Aus diesen Gründen haben wir uns ein wenig Zeit genommen, um das eine oder andere einzuordnen und auf historische Fakten hinzuweisen, die scheinbar nach und nach ausgelöscht werden sollen. Das Gespräch führten Gert Ewen-Ungar und Tom J. Wellbrock. Wir beginnen mit einem O-Ton von Peter Scholl-Latour aus dem Jahre 2006. Rumble-Version Inhalt: 00:01 Peter Scholl-Latour (2006) 00:18 Aufnahme läuft 00:50 Vorspiel mit einer Reise nach Russland 09:00 Deutscher Journalismus in der Todesstarre 13:30 Markus Lanz, der Pawlowsche Hund („Aleppo!“) 15:30 Geschaffene Tatsachen 19:30 Die russische Jugend und der Westen 23:30 Angriffskrieg? 35:00 Russlands Angriff auf die Volksrepubliken? 39:00 Was will Putin? 42:00 Wie absurd können die Narrative noch werden? 50:00 Die Ukraine und die westlichen Werte 54:30 Das Luder im Hintergrund 55:30 Die Russen, die Deutschen und der Krieg (eine andere Erinnerungskultur) 01:03:00 Das Ende des Nationalsozialismus: Deutschen und Russen gedenken zusammen … 01:05:00 … oder: der Hass 01:09:00 Als die Sowjets die Ukraine und Deutschland überfielen 01:12:30 Die ganze Welt gegen Russland? 01:13:30 Die Ukraine, das gemolkene tote Pferd 01.16:30 Melnyk 01:20:00 Selenskyi 01:27:00 Frage an die Hörer… innen

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Putin-Rede vom 9. Mai 2022 Klaus von Dohnany Peter Scholl-Latour: Russland im Zangengriff- Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam Spreakerversion Audioversion: