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Greifswalder Forscher haben irgendwas entdeckt

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Am Donnerstag hat die EMA den Impstoff von AstraZeneca freigegeben – am Freitag dann die Meldung: Forscher der Uni Greifswald haben herausgefunden, warum es zu Thrombosen kommt. Es kann also unbedenklich geimpft werden. Ist das so?

Es ist zuweilen schon erstaunlich, wie schnell die guten, die vertrauensbildenden Nachrichten wie Zahnräder ineinandergreifen. Kaum hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zweifel in den Impfstoff von AstraZeneca zerstreut, kam der Kracher aus Mecklenburg-Vorpommern, von der Universität in Greifswald genauer gesagt. Dort haben Forscher die Ursache für die Blutgerinnselbildung im Gehirn gefunden. Freitagmittag lief die Meldung über den Äther, jede Tageszeitung berichtete davon, in jedem Corona-Ticker nahm man die Nachricht auf.

So richtig informativ waren die Informationen allerdings nicht. Man las etwas von einem Test. Und der Heilbarkeit der Thrombose. Eine Information wurde aber überall erwähnt: Das Impfen mit AstraZeneca sei nun wieder unbedenklich. Man müsse keine Angst mehr haben. Schließlich gäbe es nun medizinische Grundlagen, neue Erkenntnisse und eine neue Sicherheit. Diese gute Nachricht verbreitete sich schnell, in den Netzwerken überbot man sich mit Lob und Erleichterung. Diese dummen kleinen Bedenken, die sich da in Europa ausbreiteten: Wieder mal musste deutsches Wissen Licht ins Dunkle bringen.

Behandelbar durch Forschungserfolg?

Die Kunde von der Unbedenklichkeit der Impfung war schon verbreitet, da kam nach und nach etwas mehr von den Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit. Offenbar habe der Impfstoff eine Abwehrreaktion der Blutplättchen aktiviert. Dadurch sei es zu Gerinnseln im Gehirn gekommen. Ob diese Reaktion durch den Impfstoff selbst oder durch den Vektor entstehe, müsse man noch untersuchen. Diese Erkenntnis ist an sich nicht sonderlich bahnbrechend: Als Dänemark einen Impfstopp ausrief, konnte man diese Einschätzung schon hier und da vernehmen. Es schien gewissermaßen logisch, dass hier eine Abwehrreaktion wirke. Ob die Ergebnisse aus Greifswald stimmig sind, bleibt aber abzuwarten: Denn die Forscher untersuchten lediglich vier Proben – und haben bei drei dasselbe Muster entdeckt.

Interessanter waren daher die ersten Meldungen, wonach es einen Test gäbe, der die Thrombosebildung bestätige und eine Behandlung anzeige. In den ersten Meldungen las sich das noch so, als würde man quasi bei der Impfung gleich schon sehen können, was geschieht. Später las man stattdessen, dass die Forscher hofften, dass sich diese Abwehrreaktion mit einem gängigen Medikament kontrollieren und eindämmen lässt. Man könne auf bestimmte Moleküle testen und dadurch Gewissheit erlangen. Sinnvoll sei eine solche Testung aber nur, wenn es entsprechende Anzeichen für eine solche Thrombose gebe.

Laut Berichten ist ein solches Anzeichen der Kopfschmerz. Der wiederum stellt sich aber bei vielen Impflingen als Nebenwirkung ein. Das heißt letztlich, dass der Geimpfte, der an Kopfschmerzen leidet, zunächst mal davon ausgeht, dass es sich um die ganz normalen Folgen der Impfung handelt. Er wartet also zu. Bei sich abzeichnenden Schlaganfällen – und um nichts anderes geht es letztlich hier – ist das sogenannte Zeitfenster von Relevanz. Je eher man ins Krankenhaus geht, desto höher die Chancen, das Gerinnsel aufzulösen und Folgeschäden zu vermeiden.

Greifswalder Forscher entdecken Mittel zu Vertrauensbildung in AstraZeneca

Anders gesagt: Die Molekültestung ist ein Hirngespinst, sie ist nicht praktikabel, offensichtlich viel zu aufwändig und im Sinne der Effiizienz sicherlich nicht bei jedem Risikokandidaten grundsätzlich zu machen. Als Nachricht, wonach jetzt alles im Griff sei, taugen die Forschungsergbenisse und der Test recht wenig. Auch die Meldung, dass diese Nebenwirkung behandelbar sei, ist irreführend. Sie war es vorher schon. Es ging da vor allem um das Zeitfenster, die Geimpften mit Thrombose wurden zu spät erkannt – daran dürfte sich zunächst wenig ändern.

Immerhin soll das Thrombose-Risiko auf den Beipackzettel. Den liest in der Impfpraxis aber eh keiner durch. Rein rechtlich hat man sich aber abgesichert durch den Aufdruck.  Die Meldung kann man als lanciert betrachten, als vom Medienbetrieb forcierte Randnotiz, die eine klare Ursache hat: Es geht darum, ein Mittel zur Vertrauensbildung in AstraZeneca zu schaffen. Nichts Gehaltvolles, nichts Fassbares: Eher was Psychologisches, ein Feelgood-Placebo, einen Grund für einen neuerlichen Optimismus. Ob die Forscher aus Mecklenburg-Vorpommern nun auf der richtigen Spur sind oder nicht: Das spielt für den Augenblick gar keine Rolle. Ebenso wenig, ob sie jetzt wirklich neue Ansätze anbieten oder nicht. Alles nicht von Wichtigkeit! Man benötigt Gefühl und nicht Tatsachen. Nur mit Gefühlen weckt man Vertrauen.

Die Medien geben den ehrlichen Makler, den Vermittler zwischen dem was sein soll und dem was wird. Berichten was ist: Das war mal – dafür hat der Medienbetrieb momentan wenig Zeit. Dazu müsste man sich hinsetzen, recherchieren, nachfragen – und einfach mal nachdenken. Das geht aber nicht, da die Ticker-Portale gefüttert werden wollen, die Panik abflaut und die Angst abnimmt, man muss nachlegen, die Kanonen nachladen. Und hier und da auch mal Hoffnung schüren, was Positives bringen, auch wenn es nicht ganz so stimmig ist. Sollen wir Medienleute das jetzt etwa auch noch haarklein erklären? Wer soll das denn leisten? Sachlichkeit? Na klar, wir sind doch sachlich, der Sache verhaftet: Jener nämlich, die Dinge zu einem guten Ende zu bringen. Wie, Nachrichten bringen? Nee, wir machen Nachrichten!

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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