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Stoppt den Völkermord!

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Wer kann den Völkermord im Gazastreifen stoppen? Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage muss man sich von Namen und Gesichtern lösen und zunächst einmal die Antwort darauf geben, wer es nicht kann. Und: nicht will.

Ganz sicher ist Benjamin Netanjahu nicht derjenige, der alle Fäden in den Händen hält. Ebenso wenig wie Donald Trump, Friedrich Merz oder Mark Rutte. Die Strukturen hinter dem Konflikt im Gazastreifen sind kompliziert, die Rüstungsindustrie bzw. der militärisch-industrielle Komplex sind in Feierlaune, die sie sich nicht nehmen lassen wollen. Gleiches gilt für andere Konflikte und Kriege, die bei mächtigen Akteuren die Sektkorken knallen lassen.  Doch die genannten Politiker und weitere Personen stehen für eine destruktive Sch(l)ussfahrt des Westens, die beendet werden muss. Diese Fahrt führt über die Ukraine und Israel bis in die heimischen Wohnzimmer des Westens und endet entweder in einem radioaktiven Feuerball oder der erfolgreichen Bekämpfung der politischen Klassen und ihrer wirtschaftlichen Förderer, die das Sagen haben.

Irgendwas mit Antisemitismus

Ohne Frage gehört Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident Israels, zu den bösartigsten Menschen, die es derzeit gibt. Und während die Kritiker dieses Satzes sofort einen ausgeprägten Antisemitismus ausmachen, werden andere einwenden, dass Netanjahu weit unterhalb des Niveaus steht, auf dem die großen politischen Entscheidungen getroffen werden.

Auf den Vorwurf des Antisemitismus in Bezug auf Kritik an der Politik der israelischen Regierung, sei in diesem Text nicht weiter eingegangen. Der Vorwurf ist so absurd, in sich verbogen und schlicht falsch, dass es verschwendete Energie wäre, sich näher damit zu befassen. Zwar wird heute in jedem nur erdenklichen Zusammenhang „Whataboutism“ unterstellt, wenn das Gerüst der eigenen Argumentation zusammenbricht, weil es wackelig steht und auf Sand gebaut wurde. Doch Kritik an Israel und Antisemitismus schon fast zwanghaft in einem Atemzug zu nennen, ist wohl mehr „Whataboutism“ als Markus Lanz in den Sendungen eines ganzen Jahres ins Mikro röcheln könnte.

Interessanter ist die Aussage, dass Netanjahu selbst gar nicht die so große Macht zugeschrieben werden kann, die ihm angedichtet wird. Zweifelsohne funktioniert das System Netanjahu nur mit Hilfe anderer Player, und die haben wirklich Einfluss. Donald Trump gehört eher nicht dazu, er ist in Washington umgeben von dem, was man „Tiefen Staat“ nennt, einerseits. Andererseits ist die israelische Lobby in den USA sehr stark und beeinflusst und lenkt die US-amerikanische Außenpolitik erheblich. Eingebettet in eine solche Konstruktion kann Trump zwar machen, was er will, aber nur so lange, bis die Etage über ihm den Steuerknüppel übernimmt.

Insofern ist die Ausgangsfrage zu kurz gegriffen, die da lautet: Wer kann den Völkermord im Gazastreifen stoppen?

Blick zurück

„Nie wieder“ ist jetzt! So etwas wie der deutsche Faschismus darf sich nicht wiederholen, wir haben aus der Geschichte gelernt. Derlei Plattitüden sind leicht rausgerotzt und in die Gegend gepflanzt. Doch mit Fakten unterfüttert werden sollten sie nicht, schon gar nicht, wenn es um einen Vergleich vom faschistischen Deutschland unter Hitler und den Gräueltaten der israelischen Regierung geht.

Aber es ist wie mit den Äpfeln und den Birnen. Wer – meist in einem Atemzug mit dem Vorwurf des „Whataboutism“ – mit erhobener Stimme darauf hinweist, Äpfel und Birnen nicht miteinander vergleichen zu dürfen, steht auf dünnem Eis, um nicht zu sagen: mit den Füßen im Wasser. Denn ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen fördert Erstaunliches zutage. Man lernt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Früchte kennen, kann Form, Geschmack, Herkunft, Farbe und Haptik auseinanderhalten. Und kommt zum Schluss, dass so ein Vergleich eine ziemlich gute Sache ist, will man Dinge untersuchen und zueinander ins Verhältnis stellen.

Insofern lohnt der Blick zurück ins dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Denn man erkennt, dass Israel mit seinen politischen Führern gerade dabei ist, gleichfalls ein Kapitel zu schreiben, das als das dunkelste der israelischen Geschichte bezeichnet werden kann und muss. Damit setzt man nichts gleich, man vergleicht und achtet auf die Details.

Doch es gibt einen erheblichen Unterschied. Die Welt sah zwar auch damals lange zu, bis sie als Gemeinschaft eingriff. Zunächst ließ man Hitler mehr oder weniger gewähren. Als sich abzeichnete, dass die Rote Armee die Deutschen besiegen würde, veränderte sich die Lage, auch mit Blick auf die Einteilung der Welt in neue Einflusszonen durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg.

In der heutigen Situation ist das anders. Die Weltgemeinschaft sieht alles in allem ziemlich tatenlos zu, wie die israelische Regierung ihren Völkermord weiterführt, Tag für Tag, Stunde um Stunde. Die Motivation innerhalb der weltweiten Regierungsgebäude ist unterschiedlich. Während die USA, Deutschland und weitere Länder die israelischen Taten mit Waffen und Logistik unterstützen, halten sich Länder wie etwa Russland und China zurück, obwohl sie Israels Taten kaum begrüßen werden. Doch Russland ist zum einen mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt und hilft zum anderen vermutlich inkognito dem Iran, der sich gegen die Angriffe Israels zur Wehr setzen muss.

Man kann aber auch davon ausgehen, dass Russland, China und vermutlich alle anderen BRICS- und SOZ-Länder den Völkermord Israels sehr genau beobachten und sich so ihre Gedanken machen. Doch sich Gedanken zu machen, mag geostrategisch angeraten sein, um in einer bereits lodernden Welt nicht einen Flächenbrand entstehen zu lassen. Den Menschen im Gazastreifen hilft dieses vermeintlich umsichtige Verhalten nichts.

Auch die arabischen Länder halten sich zurück und müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, keinerlei Interesse an den Palästinensern zu haben. Sicher sind die Gründe hierfür andere als im Falle Chinas oder Russlands (auch China will eine weitere Eskalation verhindern und hat wahrscheinlich auch Taiwan im Hinterkopf, das einer der nächsten Krisenherde werden könnte und vermutlich auch wird), doch unterm Strich und als sichtbares Ergebnis bleibt den Menschen im Gazastreifen lediglich die Tatsache übrig, ihrem direkten Umfeld beim Sterben zuzusehen, bis sie selbst getötet werden.

Es gibt also – um erneut den Bogen zum faschistischen Deutschland zu schlagen – heute keine weltweite Solidarität, keinen gemeinsamen Plan, um den Wahnsinn im Gazastreifen und der Region zu beenden. Während man den deutschen Faschismus, betrachtet durch die Brille der Weltgemeinschaft, damals ab einem gewissen Punkt ganz selbstverständlich bekämpfen und beenden wollte, ist das bei Israel anders. Damals herrschte mit dem aktiven Eingreifen der Alliierten so etwas wie das Gefühl, gegen eine Naturkatastrophe ankämpfen zu müssen. Um eine solche handelte es sich natürlich nicht, das Grauen war geplant und menschengemacht. Trotzdem hinkt der Vergleich nicht unbedingt, denn im Falle von Naturkatastrophen tun sich Gemeinschaften meist schnell und ohne gegenseitige Forderungen zusammen, um den Kampf zu führen. Schlicht, weil sie alle die gemeinsame Angst verbindet, durch eine Flutwelle oder ein anderes Ereignis getötet zu werden.

Die „Flutwelle“, die von Deutschland im Faschismus ausging, hieß Hitler und erzeugte bei den Führern fast aller anderen Länder den Reflex der gegenseitigen Hilfeleistung im Kampf gegen das faschistische Deutschland. Um dem Vorwurf des „Whataboutism“ an dieser Stelle gleich präventiv zu begegnen: Das Ausmaß dessen, was ausgehend vom faschistischen Deutschland damals geschah, lässt sich nicht 1:1 gleichsetzen mit den Verbrechen der israelischen Regierung. Allein die nackten Zahlen der Todesopfer sprechen hier eine klare Sprache.

Das bedeutet aber nicht, dass der Vergleich von damals und heute unzulässig wäre. Dazu muss man sich nur vergegenwärtigen, wohin all das noch führt, wenn Israel nicht gestoppt wird. Die Todeszahlen werden weiter in die Höhe schießen, die Zahl der Hungertoten wird rapide zunehmen, fehlende Medikamente, zerbombte Krankenhäuser, Wasserknappheit und andere Grausamkeiten, die die israelische Regierung zu verantworten hat, werden von einem tödlichen Rekord zum nächsten eilen.

Man fragt sich: Wie lange soll es dauern, bis aus einem Vergleich der tödlichen Politik Israels und Deutschlands im Faschismus eine Gleichsetzung wird, werden muss, weil die Grausamkeiten sich auf einem ähnlichen Niveau bewegen? Diese Gleichsetzung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht legitim, aber je länger man Israel gewähren lässt, desto größer ist die Gefahr, dass genau dies passiert.

Nur Aktivisten können etwas tun

Nein, die politisch Verantwortlichen dieser Erde werden dem Treiben Israels kein Ende setzen. Die Gründe für dieses Nichtstun wurden im Text bereits angedeutet, weitere kommen hinzu. Und auch wenn es Länder gibt, die die Taten der israelischen Regierung verurteilen, so tun sie dies entweder zu leise oder schweigen ganz.

Man kann dennoch davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Regierungen dieser Welt Israels Völkermord verurteilt und verachtet, aber was nützt es? Die Dominanz der USA, der NATO und westlicher Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien ist einfach zu stark, um sich ihrem Willen zu widersetzen. Ob durch militärische Angriffe, Sanktionen oder andere Druckmittel, die westlichen Mächte geben nach wie vor vor, was erlaubt ist und was nicht. Diese Praxis wirft ein trübes Licht auf die Länder der Erde, die nicht nur leise sind oder gänzlich schweigen, sondern das massenhafte Sterben sogar aktiv unterstützen. Mit Waffen, Logistik, IT, Planung, Abwehrstrategien und insbesondere mit einer gesellschaftlichen Lage innerhalb dieser Länder, die Kritik an Israel nicht oder nur bedingt zulässt.

Und so können es nur Aktivisten sein, die auf das Grauen im Gazastreifen und auf die Verbrechen der israelischen Regierung hinweisen. Sie müssen tun, was die Regierungen der Welt nicht tun, und sie sind dabei in akuter Gefahr. In die gerät jeder, der Israel kritisiert, und wenn er auch noch loszieht und ein Schiff besteigt, um auf die Verbrechen Israels aufmerksam zu machen oder die Forderung zu erheben, diese zu beenden, ist sein Leben nicht mehr sicher. Israels Soldaten kennen keine Verwandten, sie sehen jeden als Feind, der sich ihnen nähert und nicht voll auf ihrer Linie ist. Man kann davon ausgehen, dass viel Energie und Zeit investiert wurde, um die israelischen Soldaten in einen entsprechend aggressiven Kampfmodus zu bringen.

Die Aktivisten also. Man muss und kann sie als moderne Helden bezeichnen, die aktiv werden, wo die dringende Notwendigkeit besteht und wo Staatenlenker den Schwanz einziehen oder selbst mit den Säbeln rasseln. Sie verdienen Anerkennung, diese Aktivisten, sie machen auf einen Völkermord aufmerksam und positionieren sich dagegen. Mögen sie irgendwann und möglichst schnell auch staatliche Hilfe bekommen, von welchen Ländern auch immer.

Und mögen die Täter des Völkermords ihrer gerechten Strafe entgegen gehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrockhttps://neulandrebellen.de/
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.
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