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Gottschalk: Als sie die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen ..

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Thomas Gottschalk vereint viele „Fehler“ in sich: Er ist alt, er ist ein weißer Mann und er hat ein Buch geschrieben. Dafür steht er derzeit auf dem medialen Scheiterhaufen. Die Tatsache, dass er sich während der Corona-Episode (fast) für einen Impfzwang eingesetzt hat, nützt ihm heute auch nichts mehr.

Ein Kommentar von Tom J. Wellbrock

Im September 2021 saß Thomas Gottschalk bei der BILD mit unter anderem Julian Reichelt und Nena Schink zusammen und sprach über eine mögliche Impfpflicht. Der Entertainer sprach sich nicht explizit für eine solche aus, sagte aber, dass Verweigerer „eine Konsequenz spüren“ müssten. Das sage er als doppelt Geimpfter, der zur Risikogruppe gehöre. Als derselbe Gottschalk kürzlich sein neues Buch gegen Kritik verteidigte, sah er sich einer Fraktion von Kritikern gegenüber, die nicht bereit war, ihn gegen die woke und extreme Kritik zu verteidigen. Schließlich habe er damals, zur Corona-Zeit, für die Impfung und Folgen für die Impfverweigerer plädiert. So einer bekommt meine Solidarität jetzt nicht, so der Tenor derer, die sich nicht schützend vor Gottschalk stellten.

Nun kann man über Gottschalks Buch (das ich nicht gelesen habe) sagen, was man will. Man kann Aussagen wie die, dass früher Kinder auch schon mal eine Ohrfeige bekommen haben, genauso streng bewerten wie Gottschalks Aussage, er habe Frauen nur beruflich angefasst in seiner Karriere. Man kann sich den Schaum vorm Mund auch auch einfach mal kurz abwischen und wieder etwas runter kommen.

Gab es einmal andere Zeiten als die heutigen? Wie es scheint, nicht. Die aktuellen Hüter der Moral blenden einfach aus, dass es früher einmal normal war, seinen Kindern eine zu verpassen. Sie blenden aus, dass das Schlagen von Kindern erst seit 2001 verboten ist. Sie blenden aus, dass die Vergewaltigung in der Ehe erst 1997 verboten wurde. Nun könnte man sagen: Alle doof, damals, unerhört, wie konnten sie nur diese Dinge zulassen! Man könnte aber auch entgegnen: Was soll die Aufregung, war damals alles gesetzeskonform, spielt Euch nicht so auf!

Aber darum geht es ja gar nicht, Gottschalks Fehler war, darauf hinzuweisen, dass er das Gefühl habe, heute nicht mehr frei reden zu können. Stimmt ja gar nicht, tönt es durch die sozialen Medien, der Mann tingelt von Talkshow zu Interview und sagt in einer Tour, was er sagen will. Frei nach Dunja Hayalis Ansicht zur Meinungsfreiheit (Zu der gehört übrigens auch, das Maske-Tragen als Faschismus zu bezeichnen. Kann man machen, muss man sich aber nicht wundern, wenn an Weihnachten ein Geschichtsbuch unterm Baum liegt.“) kann man natürlich sagen, was man will, sollte sich aber nicht wundern, dafür auf die Fresse zu kriegen. Denkbar wäre aber auch eine andere Reaktion, nämlich die der Deeskalation.

Stattdessen darf sich ein Jörg Kachelmann im Netz austoben, wenn er schreibt:

Thomas Gottschalk ist (ein) Kindesmisshandler. Wenn er damals angezeigt worden wäre, wäre er heute verurteilter Straftäter.“

Ausgerechnet Kachelmann! Ausgerechnet der Mann, der vor Hass nur so sprüht und den ihm zugedachten Shotstorm nach seiner Aussage über Gottschalk den „Rechtsextremisten“ zuschreibt, denen er sich keinesfalls beugen würde. Ganz im Stile eines harmoniesüchtigen Demokraten schiebt der Mann fürs Wetter nach, Gottschalk sei heute zu einem Idol für dumme, alte und weiße Kartoffeln geworden.“ Hätte er diese Aussage vor vielen Jahren als Gottschalks Sohn gemacht, hätte er vermutlich eine gefangen.

Und jetzt? Steht Gottschalk da, brabbelt über alte Zeiten und kann nicht verstehen, dass ihn kaum jemand verstehen will, obwohl es doch andere Zeiten waren und er ja erstens alles nicht so gemeint und zweitens doch kein schlechter Kerl sei. Das kann er vergessen, wer ein schlechter Kerl ist, wird nach heutigen Maßstäben festgelegt, und die bedeuten eben auch, dass das aktuell korrekte Verhalten (inklusive Gendern, bis der Non-Binäre kommt) auch schon vor 10 oder 20 oder 30 Jahren angebracht gewesen wäre. Das sollten sich übrigens alle hinter die Ohren schreiben, die in 20 Jahren (wenn wir alle nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtes nur noch Veganer sein dürfen) noch behaupten wollen, dass es 2024 völlig in Ordnung gewesen sei, Steaks zu essen, war halt eine andere Zeit. Eine andere Zeit? Abgelehnt, gab es nicht, wir waren alle immer schon Veganer!

Da steht er also nun, der arme Tropf und fühlt sich allein. Vielleicht ein kleines bisschen so wie die Skeptiker der Corona-Impfung, für die Gottschalk 2021 kein Verständnis hatte. Man muss dem Mann allerdings zugutehalten, dass er zum Schluss der gut 8-minütigen Diskussion bei der BILD deutlich versöhnlichere Worte angeschlagen hatte, als er – nach den Beiträgen anderer Teilnehmer, die Gegenwind für seine Argumente erzeugten – ein bisschen kleinlaut sagte:

„Leben wir nicht in einer Zeit, in der es immer mehr unerbittliche Gegeneinander-Gruppen gibt? Das kannte ich nicht, so bin ich nicht groß geworden. Aber es geht in diese Richtung.“

Dem muss man zustimmen, und nun ist es Gottschalk selbst, der sich mit den Gegeneinander-Gruppen befassen muss. Als – in Anlehnung an Martin Niemöller – die Impf-Skeptiker „geholt“ wurden, hat Gottschalk geschwiegen, denn er war ja kein Impf-Skeptiker. Jetzt kann er sich glücklich schätzen, wenn er noch ein paar Leute hat, die kritisieren, dass er „geholt“ wird. Er sollte dabei aber nicht vergessen, dass die kritischen Geister immer weniger werden, weil der Umgang mit ihnen immer schlimmer wird.

Auch das ist ein Zeichen der neuen Zeiten, der heutigen Zeiten. Thomas Gottschalk sollte sich das gut merken – nur zur Sicherheit.

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Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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