Sind Sie für oder gegen den Krieg? Sie haben die Wahl!

Liebe Leserinnen und Leser, manchmal muss man Entscheidungen auf nur wenige Aspekte, womöglich sogar nur auf einen herunterbrechen, um das Richtige zu tun. Im September ist die Bundestagswahl, und es fällt schwer, sich für die eine oder andere Partei zu entscheiden, womöglich seine Stimme dort zu machen, wo man sie vorher noch nicht gemacht hat, links oder rechts. Weil scheinbar alle viel reden und nichts sagen. Aber zuweilen hilft es, sich grundlegende Fragen zu stellen, zum Beispiel die nach dem Krieg. Nicht nur in Syrien, sondern überall auf der Welt. Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben bald die Möglichkeit, sich für oder gegen den Krieg zu stellen. Ist Ihnen diese Fragestellung zu einfach? Einverstanden. Aber vielleicht ist es ja tatsächlich so.

Was haben wir bloß in den letzten Monaten mit unserem Klima angestellt?

Ganz ehrlich: Vielleicht sollten wir alle mal einen Gang zurückschalten. Und ich schließe mich da ausdrücklich mit ein. In den letzten Wochen und Monaten sind Feindschaften entstanden, wurde Missgunst gesät, Häme ausgeschüttet, sogar Hass und Todeswünsche standen auf der Liste dessen, was eine Diskussion ausgelöst hat, die eigentlich sehr nüchtern geführt werden sollte. Doch davon sind wir – und ich schließe mich zur Sicherheit erneut mit ein – weit entfernt, sehr weit, viel zu weit. Vermutlich reicht es jetzt schon, wenn ich einfach den Namen Greta Thunberg aufschreibe, um im nächsten Moment schlammige Grundsatzdebatten zu entfachen. Verfolgt das Mädchen ein persönliches Ziel, nämlich das, ihre und die Zukunft ihrer Generation vor dem bevorstehenden Untergang zu retten? Oder ist sie nur die Marionette dunkler Mächte, die sich dank ihrer Popularität bereichern wollen? Ich möchte die Frage an dieser Stelle bewusst unbeantwortet lassen und eine andere stellen: Ist das gerade so entscheidend? Ist Greta Thunberg so entscheidend? „Der Klimawandel ist nicht neu“ – so titelten die NachDenkSeiten kürzlich. Es folgte eine Auflistung der das Klima betreffenden Themen und Persönlichkeiten der letzten Jahrzehnte. Und speziell auf den sozialen Medien brach erneut ein Streit darüber aus, dass doch genau das der Beweis dafür sei, dass wir alle verarscht werden. Neu sei der Klimawandel zwar nicht, aber in diesem Augenblick wird er uns als etwas verkauft, das so wichtig sein soll, dass damit üble Machenschaften wie eine Erhöhung der Steuern und die gezielte Erzeugung von Panik erreicht werden solle. Mag sein. Oder es ist eben ganz anders. Wir verschlafen seit Jahrzehnten die notwendigen Maßnahmen und üben uns jetzt in blindem Aktionismus, weil Schüler freitags demonstrieren und Greta Thunberg nach New York oder wohin auch immer fährt. Und die Wissenschaft? Hat es auch gerade nicht leicht, weil sie entweder gekauft ist oder darauf wartet, gekauft zu werden. Sagen die einen. Dabei ist die Wissenschaft die einzige Antwort auf die großen Fragen des Klimawandels. Sagen die anderen. Erschwerend hinzu kommt ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn die Politik ist auf das Pferd „Wir retten das Klima“ mit aufgesprungen (wobei ich davon ausgehe, dass jetzt vielfach die Bezeichnung „Klimarettung“ haarklein auseinandergenommen wird, kann man doch, können wir doch das Klima gar nicht retten, sondern bestenfalls uns selbst, und sogar das ist womöglich insgesamt eher gar nicht so gut, weil der Mensch per se ein Arschloch ist, das alles nimmt, was es kriegen kann, aber nichts zurück gibt – aber lassen wir das). Und ja, tatsächlich, die Politik lässt sich leiten von Bewegungen, die über einen Halbkreis von 12 Leuten vor Karstadt hinausgehen. Wenn sie so etwas erlebt wie „Fridays for Future“, steht sie Gewehr bei Fuß, um in blumigen Worten zu sagen: „Wir haben verstanden.“ Und Dinge einzuleiten, die – so ganz nebenbei – die soziale Ungleichheit verschärfen. Andererseits glauben ihnen das „Wir haben verstanden“ viele Menschen nicht mehr, und zwar völlig zu recht. Wer seit 30 Jahren um die Gefahren der Klimaveränderung weiß und nichts dagegen getan hat, wirkt nicht unbedingt glaubwürdig. Das aktuelle „Klimapaket“ (das man wohl eher als Päckchen oder etwas dickeren Brief mit zu wenig Porto drauf bezeichnen muss) spricht da eine deutliche Sprache. Um die Klimaziele zu erreichen, taugt es wenig bis gar nichts. Da müssten ganz andere Maßnahmen her. Aber welche? Und müssen es überhaupt Maßnahmen sein? Diese Frage steht neben ein paar anderen ziemlich weit vorn, denn es geht schließlich darum, ob es menschgemachten Klimawandel überhaupt gibt. Das ist nämlich schon lange nicht mehr klar, und nicht nur bei der AfD, für die sowieso die Sonne an allem schuld ist. Sondern auch bei vermeintlich linken Denkern, die nicht ausschließen, dass der Klimawandel (oder wie auch immer man dieses Phänomen bezeichnen möchte) eine Konstruktion neoliberaler Kräfte ist, die es eigentlich gar nicht gibt. War bis vor einiger Zeit noch klar, dass ein Tisch ein Tisch und der Klimawandel der Klimawandel ist, ist man sich inzwischen nur noch beim Tisch einig (meistens jedenfalls). Ich denke, man kann und muss diese Fragen diskutieren. Denn die Welt ist komplex, und der Neoliberalismus und die Propaganda sind verlässliche Partner derer, die für sich Vorteile aus einer Thematik ziehen wollen, die unglaublich viele Menschen beschäftigt. Und wenn ein Thema unglaublich viele Menschen beschäftigt, kommen immer ein paar (oder auch ein paar mehr) um die Ecke, um für sich daraus Kapital zu schlagen. Was allerdings seit Monaten passiert, ist keine Diskussion. Es ist ein Hauen und Stechen, und früher oder später (in aller Regel, früher, sogar sehr viel früher) sprechen wir über Greta Thunberg. Und dann war es das mit der nüchternen Sachlichkeit. Auf der einen Seite wird dem 16-jährigen Mädchen vorgeworfen, in seinem Alter noch gar nicht beurteilen zu können, was so alles passiert und welche Zusammenhänge da greifen (Stichwort: „Profis“). Auf der anderen Seite benehmen wir uns ziemlich infantil, wenn wir in wütende Debatten einsteigen, die einzig das Ziel verfolgen, andere von unserer Weisheit zu überzeugen. Und dabei debattieren wir über ein Mädchen, nicht über das Klima, eigentlich eher suboptimal. Was passiert, ist eine Emotionalisierung eines Themas, das die Gefühle berührt, aber dennoch sachlicher behandelt werden sollte. Was passiert, ist der Aufbau zweier Fronten, die sich unversöhnlich und daher ergebnislos gegenüber stehen. Was passiert, sind politische Maßnahmen, die vollständig an der Problemstellung vorbeigehen, weil es dabei nicht ums Klima geht, sondern darum, den aktuellen Hype für Maßnahmen zu nutzen, die die Armen ärmer und die Reichen reicher machen. Und wir – die wir immer wieder von den Spaltern warnen, die uns auseinanderbringen wollen – spalten. Uns selbst. Höchst effizient. Nachdem das Klimapaket beschlossen wurde, kamen viele Diskussionen auf. Diskussionen allerdings, die wenig später schon wieder abebbten. Eine gelangweilte Angela Merkel versuchte, den „großen Wurf“ aus Deutschland zu verkaufen, sie scheiterte damit kläglich (auch, weil sie offenbar innerlich eh längst Abschied genommen hat), und danach? Kaum noch etwas. War ja zu erwarten gewesen, beklagen wir uns, etwas anderes war von der Politik sowieso nicht zu erwarten, stellen wir fest. Ziemlich nüchtern tun wir das sogar. Und dann? Dann geht es wieder hoch her, weil wir uns dringend über Greta Thunberg unterhalten müssen. Darüber, ob sie eine emotionale Rede gehalten hat. Darüber, dass sie im Zug Plastikgeschirr benutzt hat. Darüber, dass ihre Eltern hinter dieser ganzen Sache stehen. Und darüber, dass Greta Thunberg sich mit Politikern trifft oder den alternativen Nobelpreis erhält. Dabei machen wir Greta Thunberg für die Instrumentalisierung verantwortlich, für die die Politik verantwortlich zeichnet. Neuerdings sehe ich häufig Fotocollagen, die auf der eine Seite eine in ein Brötchen beißende und fröhliche Greta Thunberg zeigen, auf der anderen hungernde Kinder in Krisengebieten. Da fühle ich mich an Szenen erinnert, als ich noch ziemlich klein war und mir vorhalten lassen musste, dass woanders Kinder hungern und ich deshalb mein Abendbrot aufessen solle. Fand ich damals nicht witzig und wenig überzeugend. Heute, übrigens, auch nicht. Vielleicht sollten wir wirklich einen Neustart hinlegen. Uns über die Dinge unterhalten, die derzeit passieren, uns bewusst machen, was schon seit Jahrzehnten passiert. Uns fragen, wo wir hinters Licht geführt werden, wo verlässliche Informationen herkommen und wo gezielte Manipulation. Die Emotionalität der jungen Menschen gibt es heute, so wie es sie immer schon gegeben hat. Das zeichnet junge Menschen aus (wir erinnern uns womöglich noch daran, wie wir waren). Sie ist wichtig, sie muss diskutiert werden, gemeinsam. Die Sachlichkeit von Menschen, die ein gewisses Alter erreicht haben, zeichnet auch diese Menschen aus. Neben dem Graben zwischen „Klimaleugnern“ und „Klimabekennern“ (ist es ok, wenn wir diese Titulierungen für einen Moment so stehen lassen, unabhängig davon, dass man nächtelang über sie diskutieren kann?) ist längst ein Graben der Generationen entstanden. Oder auch bewusst inszeniert worden, das sei dahingestellt und ist diskussionswürdig. So weitermachen sollten wir aber nicht. Wir stechen uns gegenseitig die Augen aus, und ich glaube nicht, dass das zielführend ist. Zumindest nicht für uns. Für andere dagegen schon. Ich denke, viele arbeiten sich an einem falschen Feindbild ab. Denn ein 16-jähriges Mädchen stellt ein ganz schlechtes Feindbild dar, wie auch immer man sie Sache beurteilen mag.

Bundestagsabgeordneter: „Wir haben versagt.“

Uns erreichte die Mail eines Bundestagsabgeordneten, der allerdings (verständlicherweise) anonym bleiben möchte. Wir haben die Erlaubnis, die Mail zu publizieren. Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben versagt. Und zwar auf ganzer Linie. Unser Umgang mit der Corona-Krise war vom ersten Tag an desaströs, ich wünschte, ich könnte etwas anderes schreiben. Unser erstes Problem: Der Gesundheitsminister. Ich will gar nicht sagen, dass er in der Krise mehr Fehler gemacht hat als andere das getan hätten. Aber wie kann ein Bankkaufmann Gesundheitsminister werden? Spahn ist kein Mediziner, er ist ein Politiker, der die Ochsentour hinter sich gebracht hat und nun für die Gesundheit Deutschlands zuständig ist. Zudem ist er – aber damit steht er nun wirklich nicht allein, und ich will mich selbst da nicht aus der Kritik nehmen – ein Lobbyist, der jahrelang ganz andere Dinge im Kopf hatte und jetzt eine Krise managen soll, die es in dieser Form nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat. Unser zweites Problem: Die Bundesregierung. Ich möchte mich nicht dazu äußern, ob ich dieser Bundesregierung angehöre oder nicht. Ich sitze jedoch im Bundestag, und ich bin kein Mitglied der AfD. Das Krisenmanagement der Bundesregierung war vom ersten Tag an unwürdig, als solches bezeichnet zu werden. Nach der anfänglichen Verharmlosung der Situation ging sie zu einer Praxis über, die weder faktenbasiert war noch psychologisch einen Anspruch auf angemessenes Verhalten hat. Nach wie vor wird in unzählige Hörner geblasen, hört die Bevölkerung heute dies und morgen das. Das führt zu Verunsicherung, und es führt zu einer inzwischen sehr großen Angst. Ich fürchte, dass diese Angst mittelfristig negative Auswirkungen haben wird und womöglich zu Unruhen führen könnte, die vermeidbar gewesen wären, wenn mit der Krise sachlicher und – vor allem – selbstkritischer umgegangen worden wäre. Meine ersten Worte dieser Mail lauteten „Wir haben versagt“. Ich habe diese Worte jedoch seit Wochen und Monaten niemals aus dem Munde einer meiner Kollegen und Kolleginnen gehört. Meiner Ansicht nach ist eine Krise dieses Ausmaßes nur dann zu meistern, wenn man selbstkritisch das eigene Agieren hinterfragt und bewertet. Nichts davon konnte ich sehen. Unser drittes Problem: Das Gesundheitssystem. Ich will es unverblümt sagen: Mir wird übel, wenn ich derzeit höre, unser Gesundheitssystem sei exzellent. Von Beginn an sagte unser Gesundheitsminister, wir seien gut vorbereitet, was nicht stimmen konnte, da er die Situation zu diesem Zeitpunkt gar nicht realistisch einschätzen konnte (aus dieser Tatsache an sich will ich ihm aber keinen Vorwurf machen, denn wer konnte die Situation schon einschätzen?). Unser Gesundheitssystem ist gut, es ist besser als viele andere auf der Welt. Und wenn ich zu unserem Partner USA schaue, denke ich, dass das dortige System im Moment wohl den Todesstoß bekommt. Doch auch unser System ist alles andere als exzellent. Es ist schon seit vielen Jahren auf einem absteigenden Ast, und alle Mitglieder des Bundestags wissen, warum das so ist: Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen haben sich unter der politischen Führung der letzten Jahrzehnte zu Renditeobjekten entwickelt. Die Gesundheit rückte in den Hintergrund, die Gewinnmaximierung in den Vordergrund. Wir, die Mitglieder des Bundestags, hätten das verhindern können, wir hätten es verhindern müssen. Aber wir sind irgendwann „falsch abgebogen“, wir haben einen Weg eingeschlagen, der inzwischen kaum noch umzukehren ist. Ich sage ganz offen: Wir sind Einflüssen ausgeliefert, die wir selbst initiiert haben, und nun haben wir kaum noch Chancen, aus diesem Dilemma wieder herauszukommen. Um es noch einmal zu sagen: Wir haben versagt. Unser viertes Problem: Die Zahlen. Ich möchte nichts Negatives über das Robert-Koch-Institut sagen, dort wird viel gearbeitet, und da sich die Lage täglich ändert, ist es nicht leicht, immer gesicherte Erkenntnisse zu präsentieren. Aber wir haben uns darauf verlassen, dass die Experten, mit denen wir arbeiten, die Lage richtig einschätzen. Wir haben es versäumt, andere Stimmen anzuhören, Stimmen, die über Erfahrung verfügen und deren Expertise wichtig gewesen wäre, um sich ein Gesamtbild machen zu können. Eigentlich haben wir uns geweigert, der wissenschaftlichen Maxime zu folgen, sich im Zweifel auch widerlegen zu lassen. Wir haben Falsifikation und Gegenbeweis ignoriert und uns darauf verlassen, dass uns jene genaue Informationen liefern, die sie selbst nicht haben. Wir hätten uns breiter aufstellen müssen, hätten die Zahlen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und so eine Bewertung vornehmen müssen. Das haben wir nicht getan. An dieser Stelle möchte ich schließen. Ich könnte noch viel mehr sagen, ich könnte über Dinge und Vorgänge berichten, die die Konfusion, mit der die Bundesregierung agiert, eklatant zutage fördern würden. Aber ich lasse das hier und an dieser Stelle. Ein letztes Mal jedoch möchte ich wiederholen, was ich bereits geschrieben habe und was mich seit Wochen umtreibt: Wir haben versagt. Nachbemerkung: Natürlich werden sich jetzt Leser fragen, ob diese Mail echt ist oder letztlich nur ein publizistischer Trick, um Kritik anzusprechen und auf eine etwas andere Art zu verbreiten. Die Antwort sei hier gegeben: Kann sein. Oder auch nicht.

Staat und Gesellschaft: Es ist schlicht menschenfeindlich

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Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, sprach bei Anne Will von einer „Tyrannei der Ungeimpften“. Alena Buyx vom Deutschen Ethikrat möchte die Maßnahmen gegen Ungeimpfte „schrittweise hoch eskalieren“ und ist dafür, „aus allen Rohren“ zu feuern. Das Menschenbild dahinter ist verstörend. Die Motivation: abstoßend. Auf der einen Seite hört und liest man immer wieder den Vorwurf, „Corona-Leugner“ und andere schlimme Figuren würden sich in einem beängstigen Maße radikalisieren, man müsse „die Szene“ genau im Auge behalten. Die behauptete Nähe zum Terrorismus, die wiederholt gegen einen großen Teil der Bevölkerung ausgesprochen wird, ist so absurd wie niederträchtig. Auf der anderen Seite sind es Politik, (bestimmte) Wissenschaftler und Medien, deren Vorwürfe, Behauptungen und Unterstellungen immer aggressiver und radikaler werden.

Wer ist denn hier gefährlich?

Gibt man in die Suchmaschine seiner Wahl die Suchbegriffe „Doku, Verschwörungstheoretiker, Corona“ ein, wird man überhäuft mit vermeintlich aufklärerischen Videos, die sich alle demselben Thema widmen: Wie gefährlich sind Verschwörungstheoretiker? Sehr gefährlich, das ist klar, und man erfährt es ganz schnell. Die Dokus beginnen beim Prädikat „Harmlos bis lachhaft“ und enden in der Kategorie „Verachtend und aggressiv“. Allen gemein aber ist die These, Verschwörungstheoretiker würden die Gesellschaft bedrohen, die Demokratie aufweichen, zur Gewalt neigen und hätten ein ernsthaftes psychisches Problem. Doch, ganz nüchtern betrachtet, liegt eine Frage nahe: Was soll an sogenannten Verschwörungstheoretikern gefährlich sein? Schließlich heißt es immer wieder, es handele sich um eine Minderheit, die in ihren „kruden“ Gedanken gefangen ist. Selbst, wenn man hier unterstellen würde, dass das stimmt, wäre es nicht nachvollziehbar, was daran gefährlich für die Gesellschaft oder die Demokratie sein soll.

Ein Beispiel: Attila Hildmann

Er gehört wohl zu den bekanntesten Kritikern der Politik, und diese Kritik nimmt teils tatsächlich radikale Ausmaße an. Wenn Hildmann – durch Filmaufnahmen dokumentiert – behauptet, Angela Merkel sei schlimmer als Hitler, kann man nur verwundert den Kopf schütteln. Diese Gleichsetzung ist so falsch, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll, um sie als kompletten Unsinn zu entlarven. Ob sie justiziabel ist, müssen Juristen beurteilen. Wenn aber über Hildmann berichtet wird – und keine „vernünftige“ Doku kommt ohne den veganen Koch aus -, so wird er stets als handfeste Gefahr dargestellt. Doch Gefahr wofür? Für wen? Würde man 50 Millionen Deutsche befragen, ob sie sich vor Attila Hildmann fürchten, Angst vor dem Zusammenbruch der Gesellschaft oder gar um ihr Leben haben, würden sicherlich einige diese Frage mit „Ja“ beantworten. Man kann aber davon ausgehen, dass die aus der Ecke von Journalisten wie Olaf Sundermeyer und ähnlichen Geschichtenerzählern kommen. Der weitaus größere Teil der Befragten würde eher mit „Nein“ antworten. Und so ist es ja auch. Hildmann hat sicher seine ganz persönlichen Probleme (wer hat die nicht?). Und er hat in der Corona-Krise eine gewisse Popularität entwickelt, die über Rezepte hinausgeht. Ohne Zweifel hat er im Laufe der Krise auch Dinge gesagt, die man nicht teilen und sogar verurteilen kann. Aber das war es auch schon. Selbst die Tatsache, dass er per Haftbefehl gesucht wird, macht ihn für die Gesellschaft und die Demokratie nicht wirklich gefährlich. Denn seine zur Verfügung stehenden Mittel sind mehr als übersichtlich, von oben herab könnte man auch sagen, Hildmann sei nichts weiter als eine „Rampensau“, die sich gut darstellen und provozieren kann. Also noch einmal die Frage: Was genau ist für Gesellschaft und Demokratie im Zusammenhang mit Attila Hildmann gefährlich? Die Antwort lautet: nichts.

Die wahre Gefahr

Die wirkliche Gefahr, die faktisch zur Spaltung der Gesellschaft und zur Ausgrenzung bestimmter Teile der Bevölkerung beiträgt, kommt aus einer anderen Richtung. Oben haben wir Alena Buyx zitiert, die von sich behauptet, Ethikerin zu sein, auch Montgomery füllt einen breit in die Öffentlichkeit ausstrahlenden Posten aus. Bodo Ramelow, Ministerpräsident, steht ebenfalls in der Öffentlichkeit, er weiß, was er bewirken kann, wenn er in Aussicht stellt, nicht mehr alle ungeimpften Patienten in Wohnortnähe behandeln lassen zu können. Oder Ralf Stegner, SPD. Der Mann ist auf Twitter fleißig und zwitschert übelste Inhalte: Die Bezeichnung eines großen Teils der Bevölkerung als „Covidioten“, die aus der Feder der Parteifreundin Saskia Esken stammt, ist schon fast so etwas wie ein perverser Klassiker. Jeder kennt weitere Beispiele, sie hier alle aufzuzählen, wäre eine Sisyphus-Aufgabe. Aber ohne parteiische Emotionen ins Spiel zu bringen, wird es kaum jemanden geben, der bezweifeln könnte, dass die Beschimpfungen von Politik, Medien und Teilen der Wissenschaft gegenüber wie auch immer gearteten kritischen Köpfen an Menge und Aggressivität erheblich zugenommen haben. Verglichen mit einem Attila Hildmann sind diese öffentlichkeitswirksamen Beschimpfungen auf einem völlig anderen Niveau einzuordnen. Und mit einer dementsprechend völlig anderen Wirkung. Man kann davon ausgehen, dass die Zahl der Menschen, die Attila Hildmann tatsächlich maßgeblich beeinflusst und womöglich sogar zu gewissen Handlungen geführt hat, sehr übersichtlich ist. Viele haben ihn wahrscheinlich gar nicht gekannt, bevor sich die Medien auf ihn stürzten und ihn zum „Staatsfeind Nummer 1“ erklärten.

Macht, Geld und Bösartigkeit

Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, was hinter der bewussten Spaltung der Gesellschaft speziell durch die Politik steckt: Sie ist gescheitert, auf ganzer Linie gescheitert. Sie hat es weder geschafft, die Risikogruppen zu schützen, noch war sie in der Lage, logistisch die einfachsten Dinge zu organisieren. Sie fiel durch Korruption auf, durch fehlendes Fachwissen oder auch nur die Bereitschaft, sich welches aus unterschiedlichen Richtungen zu holen. Sie wiederholte in einer Art und Weise einmal gemachte Fehler, dass man fast schon eine Lernbehinderung vermuten muss, sie hatte die Situation zu keinem Zeitpunkt im Griff und die Bevölkerung lediglich ein paar Wochen nach Beginn der Corona-Episode auf ihrer Seite. Doch das ist nicht alles. Die Motivation der Politik ist längst das größere Thema als die Inkompetenz geworden. Sinnbildlich kann man das am Umgang mit den Kindern festmachen. Wurden diese zunächst durch Zwangsmaßnahmen misshandelt, die auch dann kein Ende nahmen, als längst bekannt war, dass sie kaum ein Risiko der Erkrankung haben, ging es danach in die nächste Runde (zwischenzeitlich war der Plan der Lüftungsanlagen in Deutschlands Schulen nach anderthalb Jahren Krise nicht einmal ansatzweise realisiert worden). Woran es lag? An der Politik da hinten! Nein, die Schuld trägt die Politik dort drüben. Mit anderen Worten: Niemand ist schuld, zumindest niemand aus der Politik, man sonnt sich in infantiler bis debiler Schuldlosigkeit. Schuldlosigkeit, Ahnungslosigkeit und Bösartigkeit scheint die Mischung zu sein, aus der heute Politik gemacht wird. Die ersten beiden Attribute sind bereits beschrieben, fehlt noch die Bösartigkeit. Nur sie kann der Grund für das Vorhaben sein, Millionen Kinder mit einem Impfstoff zu gefährden, der im teleskopierten, also verkürzten Verfahren entwickelt wurde. Doch die Ignoranz der Politik kennt keine Grenzen. Obwohl es unverhältnismäßig viele Impfdurchbrüche, Nebenwirkungen und auch Todesfälle gibt, weigern sich Politik und Pharmaindustrie in einer nach krimineller Energie riechender Konsequenz, ja: Radikalität, von ihrem Kurs Abstand zu nehmen. Es steht viel auf dem Spiel: Für die Pharmaindustrie Umsätze in schwindelerregenden Höhen, für die Politik Karrieren und Verflechtungen. Bei all dem geht es selbstverständlich nicht um die Gesundheit der Bevölkerung. In Anbetracht der „Fürsorge“, die wir seit Jahrzehnten erfahren, wäre der Gedanke daran auch mehr als vermessen. Natürlich geht es um Geld, viel Geld, um Haftungsfragen, Kontakte, Lobbyismus und letztlich um Macht.

Spaltung als Aufgabe

Rechnet man alles an Inkompetenz, geheuchelter Schuldlosigkeit und Bösartigkeit zusammen, bleibt nur ein Ausweg für die Politik: Ablenkung. Ablenkung von den eigenen Unzulänglichkeiten, Fehlern und bewussten Entscheidungen gegen die Interessen der Bürger. So sind die aggressiven Tritte in alle möglichen Richtungen zu erklären. So ist auch die Konstruktion von Feindbildern wie Attila Hildmann zu erklären, der wahrlich kein Sympathieträger, aber eben auch keine gesellschaftliche Gefahr ist. Im Stundentakt produzierte Dokus, die vor Leuten wie ihn und unzähligen anderen Menschen warnen, reichen objektiv nicht aus, um eine Gefahr für Gesellschaft und Demokratie zu belegen. Es reicht aber aus, um die Spaltung innerhalb der Gesellschaft erheblich zu beschleunigen und zu radikalisieren. Man muss es sich bewusst machen, auch wenn es in der inzwischen durch die Politik extrem aufgeheizten Stimmung schwerfällt: Die in einer Demokratie gewählten Volksvertreter sind für das Einen zuständig, für das Erzeugen von Verständnis, für den Ausbau echter Demokratie. Sie sollen zusammenführen, wo Barrieren entstanden sind, sollen mit Empathie auf die Befindlichkeiten der Bürger eingehen, sollen nach Lösungen suchen, die ein Maximum an Freiheit und Demokratie zum Ziel haben. Nichts davon passiert! Stattdessen wird aus einer Mücke namens Hildmann (der hier nur als exemplarisches Beispiel steht und dem der Autor keinesfalls gedanklich nahesteht) ein Elefant namens „Verschwörungstheoretiker“ und „Staatsfeind“ gemacht. Man sollte sich fragen, wer tatsächlich eine Gefahr für Demokratie und Gesellschaft ist: Ein kritischer Geist, der kluge, vielleicht auch dumme Gedanken hat und versucht, sie bei seiner eher kleinen Zielgruppe zu platzieren? Oder eine berechnende Politik, die bewusst die Gräben der Gesellschaft vertieft und in Kauf nimmt, somit zu einem Auseinanderbrechen ebendieser beizutragen? Die Antwort liegt nicht irgendwo da draußen, sondern auf der Hand.

Die dunkelsten Stunden des deutschen Journalismus

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Die Mainstreammedien haben schon seit Jahren keinen besonders guten Ruf genossen. Die einen nannten sie Lücken-, die anderen Lügenpresse. Aber dass der Journalismus dazu fähig ist, die gesellschaftliche Spaltung nicht nur durch mangelnde Berufsauffassung indirekt zu verursachen, sondern sie sogar noch lauthals als Planziel zu fordern, hätten nicht mal die kühnsten Medienkritiker für möglich gehalten. Ich muss tatsächlich zugeben, dass ich eine ganze Weile damit gerungen habe, wie ich diesen kurzen Artikel beginnen soll, denn mir fehlen etwas die Worte. Eine ganz dumme Voraussetzung für einen der glaubt, er müsse öfter mal eben solche Worte an den Teil der Öffentlichkeit richten, der sich für unsere kleine Dependance hier interessiert. Aber wie beginnt man, wenn man dabei zusieht, wie die letzte Reste des journalistischen Berufsethos‘ auf dem Scheiterhaufen des Fanatismus verbrannt werden? Ich habe schon oft – eben auch vor Corona – erlebt, wie Journalisten nicht objektiv berichteten, wie sie sich wanden und offensichtlich einer Agenda folgten – und nicht der Chronistenpflicht. Aber das was in den letzten Tagen geschieht, raubt mir jedes Bisschen an Illusion, die ich mir noch im kühnen Anflug von Optimismus bewahrt hatte. In meiner Idealvorstellung stelle ich mir einen Journalisten wie einen Arzt vor. Man kann mit ihm sprechen, er macht sich Notizen, bleibt dabei sachlich und nüchtern, er nimmt das, was man ihm sagt, nur wahr, verarbeitet es, recherchiert was dazu. Bewertungen unterlässt er. Ein Mediziner belehrt niemanden moralisch. Er weist lediglich medizinisch darauf hin, dass zum Beispiel das Rauchen schädlich sei, sich ein Joint mit diesen oder jenen Tabletten vielleicht nicht vertrage: Aber was der Patient macht, entscheidet der Patient und der Arzt nimmt es hin. Er ist ein bisschen wie ein Chronist, der einen Anamnese-Bogen füllt. Auch diese Beschreibung ist ein Idealfall, ich habe eine ganze Weile mit Ärzten gearbeitet. Manche sind tatsächlich so. Aber die große Mehrheit ist das glatte Gegenteil: Sie sind Haltungsmediziner. So wie wir heute Haltungsjournalisten zuhauf haben. Und die sind zu zwei Sachen ganz sicher nicht fähig: Distanz und Sachlichkeit.
Qualitätsjournalisten bei der Arbeit
Dass der Journalistenstand Haltung mit Enthaltung verwechselt, ist nicht neu – ich habe es zudem oft beklagt, hier und anderswo, wo man meine Dienste in Anspruch nahm. Dass er aber, wie in den letzten Tagen geschehen, die Spaltung der Gesellschaft geradezu erbettelt, liebe Leser, ich gebe es zu: Ich bin fassungslos. Vielleicht merken Sie es daran, dass ich mich an das, was man uns vorsetzte, hier mit langen Vorreden herantaste, ich wage es kaum, richtig zu thematisieren. Nehmen wir nur Christian Stöcker von Spiegel Online, der uns rät, den Zusammenhalt zu vergessen. Er nennt Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen »Verblendete« – Spaltung sei nicht unbedingt zu forcieren, schreibt der Mann, aber eben gewissermaßen als Kollateralschaden hinnehmbar. So weit wie sein Kollege Christian Vooren von der Zeit gehe er nicht, wobei man sich fragt, ob der Unterschied zwischen diesen beiden Christians so gravierend ist. Dieser Vooren fordert, dass »ein scharfer Keil [notwendig sei]. Einer, der die Gesellschaft spaltet.« Sein Pamphlet überschreibt er mit den Worten: »Die Gesellschaft muss sich spalten!« Das Ausrufezeichen scheint dabei sehr wichtig. Es kennzeichnet den Imperativ der Stunde. Das Muss des Augenblicks. Stöcker wie Vooren wenden dabei den gleichen Kniff an: Sie erklären, dass ein etwaiger Zusammenhalt nur Reichsbürgern und gewaltbereiten Querdenkern nutzen würde – wer also nicht spaltet, der schütze diese Leute. Beide tun so, als sei Kritik an der hiesigen Impfkampagne nicht in der bürgerlichen Mitte zuhause. Eine gewisse Kati Degenhardt von t-online stöckelt noch ein wenig angriffslustiger durch den Ring. Sie macht klar: »Ihr seid schuld!« Wenn der Lockdown kommt, seien die Menschen schuld, die sich nicht für eine Impfung entschieden hätten. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Damit hält sich die Journalistin nicht auf. Überhaupt bringt sie außer Schuldzuweisungen nichts. Wer einen Artikel unter das Motto »Ich habe es satt« stellt, hat offenbar auch nicht eingeplant, irgendwas Sachliches zum Thema beizutragen: Zum Beispiel fehlende Krankenhausbetten und dazugehöriges Personal zu hinterfragen oder die unzureichende Wirkweise der Impfstoffe.
Spaltung ist scheißegal
Thomas Laschyk, der sich Volksverpetzer nennt und von den Qualitätsmedien gerne als Leumund brav eingehaltener Moral zitiert wird, sieht es natürlich ganz genauso. Man sollte die Impfgegner jetzt ausgrenzen, »denn die Gesellschaft ist längst gespalten«. Wie man die wieder kitten könnte, ist sein Thema nicht. Überhaupt ist der Stil seines Textleins in der Sprache derer gehalten, die er sonst immer als Menschenfeinde und Hassprediger abtut. Da schimmert sie wieder durch, die Selbstgerechtigkeit der vermeintlich Guten. Diesem Moralismus der »Anständigen« und »Aufrechten«, der es immer irgendwie fertigbringt, genau wie die Sprache derer zu klingen, die man ablehnt, gelingt es immer wieder diese Verwechselbarkeit als Ausdruck der Sittlichkeit zu verkaufen. Übrigens, bevor an dieser Stelle gefragt wird, ich habe absichtlich keine Links zu den Machwerken gesetzt. Das ist mein kleiner Beitrag zur Eindämmung dieser journalistischen Wahndemie – mein Kontaktverbot. Wer dergleichen lesen möchte, der suche bitte selbst. Ich habe Namen und Medium genannt, es müsste also zu finden sein. Zusammenfassend könnte man diese Form des journalistischen Aufarbeitung des Tagesgeschehens auch so ausdrücken: »Spaltung ist scheißegal. Impfpflicht jetzt.« So hat das der öffentlich-rechtliche Aktivist Jan Böhmermann bei Twitter formuliert. Bei der Suche nach dem Tweet habe ich übrigens bemerkt, dass uns Böhmermann wohl geblockt hat – und dies, ohne dass es eine Konfrontation gab. Offenbar sperrt er schon vorausschauend. Braver Blockwart. All diese Meinungsmacher, die nun die Spaltung aus hehren Gründen vernachlässigen wollen, gelten ansonsten als im Kampf gegen die Rechtspopulisten vereint. Die AfD und Konsorten wollen nämlich die Gesellschaft spalten. Und nun das! Nun spalten sie sie, finden es sogar noch chic und angebracht. Plötzlich ist Spaltung nicht mehr rechts. Sie gilt als progressiv. Sie müsse quasi kommen. Nur die Spaltung sei Freiheit. Die Rhetorik klingt tatsächlich so. Orwell hat Hochkonjunktur. Da fehlen einem die Worte, diese Leute radikalisieren sich vor den Augen der Öffentlichkeit und kaum jemand kritisiert es.
Ein Haltungs-»Journalismus«, der klingt wie bei Großvattern
Wer sollte es auch kritisieren? Der Journalismus? Der sitzt in seiner eigenen Blase, merkt kaum noch was. Wer noch ein bisschen Empathie im Oberstübchen hat, kann doch dieses Gewese um die favorisierte Spaltung nicht mit einem Lächeln abtun. Viren kommen und gehen, Pandemien verlaufen irgendwann. Aber die Gesellschaft, sie bleibt. Und dann müssen wir alle irgendwie wieder zusammenleben. Wer sie jetzt spaltet, noch dazu um einer Impfpflicht willen, die nicht hält was sie verspricht, die unzureichend wirkt und zu einem Impf-Abo zu werden droht, der setzt die Zukunftsfähigkeit des Landes aufs Spiel. Der will, dass die Zerrissenheit, die in dieser Pandemie entstanden sind, sich potenzieren und verewigen. Der möchte den ewigen Notstand. Für meine Begriffe hat es in diesem Land, das sich als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches versteht, vorher nie solche antijournalistischen Auswüchse gegeben. Im Ton erinnern sie an jene Zeiten. Da ist er wieder, der Vergleich mit damals, den Stöcker in seiner Standpredigt auch kritisierte. Denn dergleichen zieme sich nämlich nicht. Dabei sind es dieselben Attribute wie damals, mit denen man um sich wirft. Die aussätzige Bevölkerungsgruppe gilt unter den Hetzern als unhygienisch, bösartig, verschlagen und selbstsüchtig. Kommt einem das bekannt vor? Und nun entstellen sich auch die Gesichter vor Wut und Hass, man sieht gefletschte Zähne, Speichel tropft aus dem Mundwinkel, die Augen sind weit aufgerissen. Ich würde diese Leute gerne von Großvattern unterscheiden. Aber sie machen es einem schwer, nun ja, teilweise sogar unmöglich. Diese Propagandisten der Spaltung haben den Boden ihres Berufsethos‘ endgültig verlassen. Sie wandeln jetzt auf Spuren von Hassaktivisten, von fanatisierten Schriftführern, denen es nicht mehr darum geht, die Wirklichkeit abzubilden, sondern die Wirklichkeit nach ihrer Vorstellung zu formen. Dieser Drang war vor der Pandemie schon äußerst unangenehm, nicht angebracht und hat das Vertrauen in die Medien zersetzt. Aber jetzt, in dieser Krise, bei Forderungen die letzten gesellschaftlichen Kohäsionskräfte aufzulösen, ist es nicht einfach nur lästig: Es ist geradewegs kriminell. Nie war der Vorwurf der Schreibtischtäterschaft so zutreffend wie in diesen dunkelsten Stunden des deutschen Journalismus.

Verdummte Sklaven wie wir

Außenministerin Baerbock stellte klar: Ihre Wählerinnen und Wähler sind ihr egal. Sie zieht das jetzt durch. Auch gegen den Willen des Souverän. Ihre Aussage ist der vorläufige Höhepunkt in einer Eskalation der Politikerarroganz. Gestern sagte mir jemand, dass jetzt jedes Mittel recht sei, um diese Bundesregierung, besonders aber diese Außenministerin aus dem Amt zu entfernen. Ich fragte: »Jedes?« Er antwortete: »Jedes!« Was sollte ich ihm denn darauf antworten? Verständlich, dass er das so sieht, nachdem die gute Frau auf einem Symposium in Prag klarstellte, dass es sie nicht interessiere, was ihre Wähler wollten. Sie stehe auf Seiten der Ukraine. Punkt. Nach der Aussage war ich auch ratlos. Kann man das heute echt sagen und der Aufschrei bleibt aus? Nun ja, ganz nicht, in den Netzwerken wütet es durchaus. Die Qualitätsmedien sind synchron dazu jedoch damit beschäftigt, die Aussage zu entkräften. Aus dem Zusammenhang habe man das gerissen. Gemeint habe sie das anders. Was deprimiert mich eigentlich mehr? Eine Außenministerin, die dergleichen sagt und sich nichts dabei denkt? Oder Medien, die das auch noch kaschieren wollen?
Staatlich subventionierte Verbrämung
Richtig ist, dass das diesbezügliche Video zusammengeschnitten war. So ist das im Zeitalter sozialer Netzwerke. Man schneidet aus, komprimiert, hält sich kurz. Manchmal kommt es dabei zu Sinnentstellungen. Oft jedoch nicht. Hin und wieder sind solche Schnipsel sogar dazu geeignet, den gesamten Inhalt auf einen Punkt zu bringen. Im Falle der Annalena Baerbock gilt: Das Video ist nicht sinnentstellt bearbeitet worden. Sie hat gesagt, was sie gesagt hat. Um das zu entkräften, um wirklich darstellen zu können, dass sie das ganz anders gemeint hat, hätte es vorher eine Passage geben müssen, die in etwa so geklungen haben müsste: »Ich erzähle Ihnen jetzt ein Märchen über eine Ministerin, die den Kompass völlig verloren hat …« So eine Einleitung gab es freilich nicht. Sie quatschte munter darauf los. Gut, man könnte ihr natürlich unterstellen, dass sie regelrecht selbstlos ist, weil es ihr ja gleichgültig ist, was ihre Wähler wollen und sie somit nach vier Jahren in eine gut dotierte Politikerrente wechseln muss. Und sie hat das sogar angesprochen. Aber ändert das was? Ist ihr eventuelles Ausscheiden in etwa drei Jahren Selbstlosigkeit, wenn sie in der Zwischenzeit für den totalen Ruin des Landes gesorgt hat? Ob nun BR oder Volksverpetzer, alles was staatlich subventioniert wird, ist drauf und dran, die Außenministerin zu entlasten. Man kann diese zielgerichtete Reaktion staatstragender Medien schon auch als Anzeichen von Panik betrachten. Denn eine Ministerin, die so öffentlich klarmacht, dass sie den Souverän nicht achtet, womöglich gab es das im Lager vermeintlich demokratischer Parteien vorher noch nie. Bei der NPD hat man sicherlich hin und wieder so gesprochen. Aber unter den Superdemokraten schlechthin doch nicht. Jedenfalls nicht öffentlich.
Sie können nur verdummte Sklaven regieren
Hinter vorgehaltener Hand schon, da waren die Grünen stets paternalistisch. Ihnen gilt von jeher das Volk als dumm genug, um zwangsbeglückt, zwangsbelästigt, verfolgungsbetreut zu werden. Es mag zwar der Souverän sein, aber wenn es sich täuscht – also täuscht der Befindlichkeit der Grünen nach -, dann muss man es zwingen, Druck ausüben, ihm klarmachen, dass es nichts zu melden hat. Dieser Wesenskern faschistischer Denkweise: Viele Grüne waren von jeher nicht davor gefeit. Ihre Enkelinnen und Enkel von heute sind es erst recht nicht. Man hat sie elitär genug erzogen, um so arrogant von den Menschen im Lande sprechen zu können. Der österreichische Dramatiker Johann Nestroy meinte mal, dass »die Zensur […] das lebendige Geständnis der Großen [sei], dass sie nur verdummte Sklaven, aber keine freien Völker regieren können«. Man könnte diese Einsicht erweitern: Nicht nur die Zensur gesteht das ein. Sondern auch der Staatsmedienapparat. Der zensiert ja nicht klassisch. Seine Zensur wirkt transparenter. Wenn doch mal was durchsickert, was nicht gefällt, so ein Video beispielsweise, dann erklärt man es für eine Lüge, für ein Dokument, das zwar vielleicht Tatsachen abbilde, aber die Wirklichkeit nicht vermittle. Dass diese Behauptung nicht stichhaltig ist, man Beweise schuldig bleibt, ist egal. Die Qualitätsmedien entscheiden, was wahr ist und was nicht. Was sie sagen ist Gesetz. Sie gleichen darin Annalena Baerbock. Herrschaften wie jene Außenministerin können aber, ganz dem Sinne Nestroys nach, nur verdummte Sklaven regieren. Nicht aber freie Völker. Sie sind eine Gefahr für die Demokratie, weil sie das Substrat der Demokratie nicht begriffen haben: Sie wirken nämlich nicht als Fürsten, die ihren Rang der Gnade der Geburt zu verdanken haben, sondern sind dem Willen des Souverän unterstellt. Letzterer ist wankelmütig: So viel muss man zugeben. Aber in einer existenziellen Frage wie jener, wie wir wirtschaftlich und finanziell über diesen Winter kommen, kann man das nicht lapidar abtun. Wer das tut, ist kein Demokrat mehr, der nimmt Schaden in Kauf – ja, der redet der Autokratie das Wort.
Egal wie!
Autokraten bekämpfen aber Leute wie Baerbock nach Außen. Putin ist für sie überhaupt der schlimmste Autokrat aller Zeiten. Die Überzeugungskraft der Demokratie des Westens müsse sich wehren. Im Inneren zeigt sich aber: Sie werden mehr und mehr so wie das Abziehbild jenes Wladimir Putin, das sie uns tagtäglich vorführen und das sie angeblich bekämpfen. Hat Baerbock damals eigentlich von feministischer oder faschistischer Außenpolitik gesprochen? Vielleicht haben wir uns ja nur verhört! Und jetzt kommt mein Bekannter, der sagt, jedes Mittel sei recht, solche Leute loszuwerden. Wirklich jedes. Artikel 20, 4 des Grundgesetzes sagt ja durchaus, dass man »gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, [ein] Recht zum Widerstand« habe, »wenn andere Abhilfe nicht möglich ist«. Politisches Personal, das sich entgültig verselbständigt und sich vom Wählerwillen in einem Maße emanzipiert, auch Arbeitslosigkeit, Armut und Not als Kollateralschäden abzutun, beseitigt die Ordnung, die es in diesem Lande gibt. Und ob es andere Abhilfe gibt, als »koste es was es wolle« diese Leute aus dem Amt zu bekommen, ist auch nicht ganz so schwer zu beantworten: Eine nennenswerte Publikative gibt es ja nicht. Sie wäre die »andere Abhilfe«. Ob ich das so sehe oder nicht wie der Bekannte, darüber denke ich noch nach. Jedenfalls ist es mir zu wenig, bei Twitter mit #BaerbockRücktritt zu glänzen. Mit jedem Tag treibt es mich mehr auf die Straße. Dieses Kartell aus Politik und Medien, es hat abgewirtschaftet. Was jetzt noch fehlt ist ein Volkswille, der der Politik nicht egal sein kann. Und den gilt es jetzt zu formieren. Egal wie! Egal wie? Oh ja, egal wie!

Grün-woker Kindergarten

In Berlin soll ein schwul-lesbischer Kindergarten eröffnet werden. So wolle man Kinder zu ihrem frühen Coming-Out ermutigen. Das Personal soll sich zu großen Teilen aus der LGBTI-Community rekrutieren. Alleine an diesen beiden Motiven zeigt sich, dass hier alles aus dem Ruder läuft. Im Frühling 2023 fallen bekanntlich mal wieder alle Maßnahmen – und eine neuer Kindertagesstätte eröffnet. Nämlich im Berliner Stadtteil Schöneberg. Der ist in grüner Hand, bei der Bundestagswahl hatte jene Partei den höchsten Zweitstimmenanteil (25,2 Prozent) eingefahren. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus lag man mit den Sozialdemokraten gleichauf: Beide fuhren 25 Prozent ein. Im Frühjahr wird Schöneberg wie gesagt um eine Kita reicher sein. Um eine, die sich schwul-lesbisch nennt. Aber die Gründer geben Entwarnung, die Kleinen müssten natürlich noch nicht sexuell festgelegt sein. Das beruhigt ein wenig. Man wolle in dieser Kita spielerisch auf die gleichgeschlechtliche Liebe aufmerksam machen und so die Toleranz fördern. Außerdem soll den Kleinen dereinst das Outing leichterfallen. Um das zu erreichen, würden in Bilderbüchern Prinzen zu Prinzen und Feen zu Feen finden. Schließlich sollen die Kinder die Realität abgebildet bekommen. Zwar dürfte es Bücher über sich liebende Fürstenkinder realiter gar nicht geben, weil Liebe in diesen Kreisen recht selten bis gar nicht vorkommt, aber so weit muss der Realitätssinn ja nicht gedeihen. 60 von 93 offenen Plätzen seien schon reserviert. Und das, obgleich jemand im Vorstand des Projektes sitzt, der eine unangenehme Nähe zur Pädophilie aufweist. Dennoch rennen Eltern und homosexuelle Mitarbeiter – denn hauptsächlich sollen dort Leute aus der sogenannten LGBTI-Gemeinde arbeiten – die Türen ein. Begreife noch einer den Wahnsinn …

Sexualisierung von Kindern

Der Fall ist nicht ganz neu, schon vor einige Wochen hatte er einige Prominenz. Auch Bild TV − ein unterschätzter und viel zu oft belächelter Sender, speziell das Streitformat Jetzt reden Vier verdient Anerkennung – berichtete davon und lud die Publizistin Birgit Kelle zum Gespräch. Sie sprach von einer »Sexualisierung von Kindern«, die in dieser Altersklasse ja noch nicht mal ansatzweise begreifen würden, was Sexualität ist. Klar, es gibt frühkindliche Sexualität, aber bei der geht es ganz besonders um Selbstentdeckung,  körperliches Ausloten. Wenn sich zwei Kinder, wie sie es gelegentlich machen, gegenseitig nackig betrachten, geht es ja nicht um das Gegenüber, sondern um es selbst. Mit erwachsener Sexualität hat das nichts zu tun. Natürlich kann man Kinder auch mit gleichgeschlechtlicher Liebe konfrontieren. Die Frage ist nur, ob das etwas ist, was nicht ohnehin, quasi nebenbei wahrgenommen wird von Kindern – oder ob man darauf ein konzeptionelles Kita-Angebot schneidern muss. Birgit Kelle stellte bei Bild TV sehr richtig fest, dass sich dieses Konzept ganz klar nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientiert, sondern an den Anliegen von Erwachsenen, genauer gesagt von Organisationen der LGBTI-Gemeinde. Man dränge den Kindern regelrecht etwas auf. Die Gründer rechtfertigen sich damit, dass sie so Toleranz fördern wollten. Aber auch diese Aussage von grundsätzlicher Natur ist in diesem Falle kaum aussagekräftig. Toleranz ist durchaus Erziehungsarbeit, da es sich dabei um eine Kulturleistung handelt, die man »erwerben« muss. Dass aber Toleranz nur von denen vermittelt werden kann, die vermeintlich nicht toleriert werden, ist als Argument nicht haltbar. Kelle weist darauf hin, dass Kindergärten schon heute Toleranz vermitteln. Sie versuchen Kindern Respekt vor allen Menschen beizubringen. Eben und auch gerade gegenüber jenen, die anders sind als man es selbst ist. Sollte die erwachsene Sexualität, ganz gleich welche Form, etwas sein, dass immer irgendwie präsent im Alltag eines Kindes ist? In Verbund mit den Bemühungen des Bundesfamilienministeriums, das geschlechtlich »unentschlossenen Kindern« Pubertätsblocker ans Herz legt, könnte man schon langsam den Eindruck bekommen, dass es hier um das Ende der Kindheit geht, wie sie sich historisch entwickelt hat. Kinder wurden ja noch vor 250 Jahren als kleine Erwachsene behandelt, sukzessive erkannte man in den Anfangsjahren eines menschlichen Lebens eine Zeit, die dem besseren Schutz und der Förderung bedarf. Dazu braucht es empathische und prinzipienfeste Erwachsene. Keine jedoch, die ihre Anliegen anderen – und schon gar nicht Kindern – aufdrücken.

Sind Sie homosexuell?

Man stelle sich nur mal vor, Heterosexuelle kämen jetzt auf die Idee, einen heterosexuellen Kindergarten zu gründen. Einfach als Gegenreaktion darauf. Manche würden da freilich sagen: Solche Kindergärten haben wir doch schon. Die normalen Kindergärten und Kindertagesstätten sind doch normativ heterosexuell. Das stimmt aber nicht, das ist Ideologie. Denn die hiesigen Einrichtungen sind im wesentlichen keine sexualideologischen Indoktrinationsstätten, sondern etwas vereinfacht gesagt asexuell. Was wäre also, wenn jetzt jemand ein solches Haus errichten will, in dem immer wieder Heterosexualität ins Zentrum des alltäglichen Tobens eingebaut würde? Nein, es gäbe keinen Aufschrei! Es gäbe ein Erdbeben! Inklusive Nazi-Keule und allem was dazugehört. Wo ist denn da die Toleranz? Überhaupt ist Toleranz nochmal ein wichtiges Stichwort. Die Einrichtung in Berlin soll größtenteils von LGBTI-Leuten geführt werden. Da möchte man Mäuschen bei den Bewerbungsgesprächen sein. Neben den Qualifikationen wird man dann wohl seine sexuelle Neigung offenlegen müssen. Oder ist die Neigung schon selbst eine Qualifikation? Und wie belegt man das? Behaupten kann man ja viel! War eine Reaktion auf etwaige Übergriffigkeiten nicht auch mit ein Grund dafür, dass man ein Antidiskriminierungsgesetz etabliert hat? Damit nie wieder so ein fieser Personaler fragen konnte: »Sind Sie etwa schwul?«, um gleich darauf die Bewerbungsmappe mit einem Ablehnungsvermerk zu versehen? Stellt eigentlich irgendjemand diese Frage nach der Übergriffigkeit solcher sexuellen Konzepte? Wir reden hier immer noch von einem Kindergarten, daher stellen wir mal zur Abwechslung eine Frage, die Kinder betrifft: Ist mein Kind denn in guten Händen, nur weil ich weiß, dass die Erzieherinnen und Erziehenden – oder wie auch immer man das politisch korrekt jetzt ausdrücken muss – gewisse sexuelle Präferenzen teilen? Darf man einer lesbischen Erzieherin, die bei ihren vorherigen Stellen aus »fachlichen Gründen problematisch war«, jetzt blindes Vertrauen schenken, weil sie ja die wertvollste Eigenschaft mitbringt, die hier gefordert ist? Es ist grotesk, dass das in diesem Land möglich ist – und zwar nachdem wir mehr als zwei Jahrzehnte lang von Antidiskriminierung sprachen und dazu sogar Gesetze entworfen haben –, dass man eine per se derart diskriminierende Arbeitsstätte vorstellen kann, ohne dass es zu Empörung kommt. Fast hat man den Eindruck, dass Diskriminierung immer dann toleriert wird, wenn es gegen das vermeintlich »alte, antqiuierte Weltbild« geht. Ob nun Kindeswohl oder Arbeitsrecht: Das alles spielt eine untergeordnete Rolle, wenn man vermeintlich progressiven Ideen zu ihren angeblichen Recht verhelfen will.

Pädophilie-Verteidiger im Vorstand: Alte Keule der Rechten?

Wer dagegen aufbegehrt, gehört den Rechten zu. In der Berliner Zeitung ließ sich eine lesbische Mutti zitieren. Dass man das Projekt des schwul-lesbischen Kindergartens jetzt auch noch in die Nähe von Pädophilie rücken möchte, nennt sie die »alte Keule der Rechten«. Zugegeben, diese Zusammenfassung von homosexuell und pädophil, die haben früher viele zur Stigmatisierung benutzt. Heute wenden diesen Kniff sicherlich immer noch einige an. Das Problem an dieser Causa jedoch ist: Im Vorstand des Trägervereins sitzt ein Greis, der sich in früheren Jahren zumindest intellektuell der Liberalisierung der Pädophilie widmete. Hier hat eben keiner die Keule gezückt und Zusammenhänge geknüpft, die es nicht gibt: Der Mann existiert wirklich, er ist aus Fleisch und Blut. Dass manche Mutti das nicht aufregt: So weit kann Ideologie gehen – selbst die eigenen Kinder sind davor nicht sicher. Die Rede ist übrigens von Rüdiger Lautmann. Er selbst sagte einst, dass es ihm stets darum ging, »die pädophilen Täter zu verstehen und ihre Vorgehensweisen zu beschreiben«. Wohl auch, damit diese sich öffnen und gegen ihre pädophilen Neigungen angehen können: Das wäre an sich ein guter Ansatz. Doch gleichwohl soll er Mitglied in einer pädophilen Lobbyorganisation namens Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität sein, die auf ihrer Homepage darlegt: »Einigen Mitgliedern unserer Gesellschaft wird das Ausüben von Sexualität verwehrt, das Recht auf Sexualität regelrecht abgesprochen: zum Beispiel Kindern, Alten, Kranken, Behinderten, Gefangenen und bestimmten sexuellen Minderheiten.« Hierzu gibt es auch ein einschlägiges Positionspapier. Lautmann klagte in den Neunzigern über einen »Kreuzzug gegen die Pädophilie«. Nein, hier bringen Kritiker gar nichts unberechtigterweise zusammen. Diese Konstellation ist Realität. Man kann die Fakten prüfen und sich ein Bild über Herrn Lautmann machen. Kann sein, dass er die besten Absichten hatte. Das kann man ja glauben, wenn man möchte. Aber ist er nicht dennoch eine Fehlbesetzung? Will man so einen Mann als Vorstand einer Kita wissen? Offenbar schrillen die Alarmglocken im grünen Schöneberg nicht grundsätzlich. Es gibt Abstufungen: Wäre der Vorstand bei der AfD, wäre das schlimmer als in dieser Konstellation. Ein Mann, dem man mindestens Nähe zur Idee der Pädophilie untersagt, ist in ideologischen Kreisen vermutlich gar kein Problem. Man nimmt das hin. Ignoriert es und blendet es aus. Wer es doch aufs Tablet bringt, bremst nach deren Auffassung nur den progressiven Impuls, will zurück nach Gestern. Wo sind eigentlich die Behörden? Wer prüft denn bitte, ob ein Mann mit – sagen wir mal – sonderbarer Nähe zu geächteten Sexualpraktiken, für Kinderbelange zuständig sein sollte? Hier geht es dann nämlich nicht mehr alleine um schwul-lesbische, queere oder wie auch immer geartete sexuelle Sexualausrichtungen: Hier wird es unappetitlich, mischt sich etwas darunter, bei dem Wachsamkeit fast schon Bürgerpflicht ist.

Kindeswohlgefährdung im Verzug

Und normalerweise lehrt man das die Bürgerinnen und Bürger auch: Schaut hin, mischt euch ein. Bei Verdachtsfällen sofort die Behörden einschalten, heißt man sie. Wer wegschaut, der macht sich schuldig. Es geht uns alle an! Hier aber? Es scheint alles keine Rolle mehr zu spielen. Man nistet sich ein auf der siebten Woke-Wolke, ist zufrieden mit sich selbst, baut ein progressives Image auf und lässt es laufen. Was soll man von einer Republik halten, die alles umkrempelt, selbst die Werte, die bis neulich noch als aufgeklärt, aufgeweckt und dringend geboten galten? Diese Umwertung aller Werte, die Doppelmoral im Alltag, das Wegsehen überall dort, wo vermeintlich fortschrittliche Vorstellungen propagiert werden: Auch das ist Zeitenwende. Der Begriff muss endgültig für mehr gebraucht werden, als nur für die militärische Hochrüstung und das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen. In dem Begriff schwingt die ganze Verachtung einer sich als progressiv verkaufenden Regierung für all das mit, was sie für überholenswert betrachtet. In dieser Zeitenwende haben Leute das Ruder in der Hand, die alles was vorher war mit Verachtung strafen. Auch weil sie in den vorherigen Zeiten die Schmuddelkinder waren, die man in vielen Punkten ganz zurecht nicht ernstnehmen konnte. Innerhalb der grünen Klientel findet man viele dieser Gestalten. Und so blieb es relativ still um das Projekt des schwul-lesbischen Kindergartens. Leichte Empörung gab es in den Netzwerken. Die wurde aber recht schnell als rechtslastig gelabelt. Dieses Framing wirkt immer. Einige Medien berichteten davon. Aber eher zurückhaltend und schüchtern. Mit der Zeitenwende legt man sich nicht so gerne an. Das kostet Reputation, Anerkennung, manchmal auch die Arbeitsstelle. Und daher ist es eigentlich nicht ganz so wichtig, ob da Kindeswohlgefährdung im Verzug ist oder nicht. Es ist einfacher den Zeitenwendegeist nicht herauszufordern. Will man weiterhin mitspielen, hält man besser die Klappe. Viele Jahre wurde vor einem Rechtsruck gewarnt. Jetzt ist er da, wir stehen mittendrin. Aber die wenigsten scheinen es zu merken. Der Rechtsruck nennt sich Zeitenwende. Wenn wir irgendwann in 30 Jahren zurückblicken – wir oder wer auch immer –, werden wir diese Epoche als eine Phase der Geschichte ansehen, in der Werte der Aufklärung, Ideale des Anstandes und Gebote der Fairness aufgerollt wurden. Und zwar nicht von brutalen Schlägern oder speichelgeifernden Hetzern, sondern von Leuten, die den Rückschritt als progressive Idee verkauft haben – und denen die Schlafschafe, die für sich entdeckt haben, dass es besser ist nicht aufzumucken, auf den Leim gingen.

Schuldhaft erkrankt

In der Corona-Krise erlebt ein Affekt eine Renaissance: Kranken Schuld anzudichten. Dass diese hysterische Einschätzung von denen forciert wird, die auf wissenschaftlicher Grundlage pandemische Vernunftwesen sein wolle, irritiert auf den ersten Blick durchaus. Die Fallzahlen steigen an. Warum? Wegen vermehrter Testungen? Diese Antwort gilt nicht: Sie ist zu sachlich. Sie steigen an, weil wir uns alle nicht streng genug an Hygieneregeln gehalten haben. Zu wenig Abstand genommen, die Maske nicht tief genug ins Gesicht gezogen haben. Wir haben uns zu wenig die Hände gewaschen und zu nachlässig desinfiziert. So wird das jedenfalls Tag für Tag kommuniziert. Zwischen den Zeilen liest man also mit: Dass es mehr, ja überhaupt Infizierte gibt, das ist unsere Schuld. Konklusion daraus: Wer krank ist, hat selber schuld. Dass Infizierte nicht bindend Erkrankte sind, schenken wir uns mal – Teile jener Wahrheit könnte uns nur verunsichern. Davon waren wir weitestgehend abgekommen, wir hatten Krankheit als Schicksalsschlag und Ungerechtigkeit begriffen. Bis Corona über uns kam. Sicher, Arbeitgeber hatten auch vorher schon die Tendenz dazu, neuerliche Tage der Arbeitsunfähigkeit in den Verantwortungsbereich ihrer Angestellten überzuleiten. Und Gesundheitspolitiker haben immer wieder mal angeregt, unverantwortliches Verhalten in die Verantwortung zu nehmen. Fußballspielen etwa – oder Dicksein. Aber gesellschaftlich tickte kaum noch jemand nach dem theokratischen Muster, wonach Krankheit Beleg für auf sich geladene Schuld ist.
Krankheit und Schuld
Warum muss ausgerechnet mir das passieren? Eine Frage, die sich jeder, der schwerer erkrankt ist, vermutlich mal gestellt hat. In ihr schwingt mit, dass es einen Sinn hinter dem Umstand gibt, erkrankt zu sein. Eine Kausalkette, die erklärt, weswegen ausgerechnet ich jetzt damit zu kämpfen habe. Ohne gottesfürchtig sein zu müssen, inkludiert diese Fragestellung etwas, wovon wir gesellschaftlich abgekommen sind: Der Krankheit, besser gesagt dem Erkranken, ein Motiv zu verleihen. Es muss doch schließlich einen Grund haben, oder nicht? Man kann keinem Kranken einen Vorwurf machen, wenn er sich diese Frage stellt – gesellschaftlich ist sie jedoch nicht zielführend, sie wäre es nur, wenn wir ein Krankheitskonzept pflegten, das denen unserer Vorfahren nahekommt. Im Mittelalter war die Krankheit an ein transzendentes Motiv geknüpft. Nämlich an Gott. Sein Wille geschehe. Und er geschah oft. Eigentlich immer. Das Schicksal war seine Spielwiese; die Zukunft des Menschen war nicht offen, sie wurde gelenkt. Insofern war Krankheit, wenn sie denn auftrat, eine Strafe Gottes. Die Menschen waren durchaus nicht so häufig krank wie heute – nicht weil sie etwa gesünder lebten, sie starben, bevor es zu signifikanten Krankheitsverläufen kam. Wenn sie dann wirklich erkrankten, war klar: Hier straft Gott. Weswegen? Man musste nur genau hinschauen und hinterfragen, dann fand man schon etwas. Der Erkrankte selbst haderte nicht mit dem Schicksal, er forschte, warum ihn der Herr so bitter bestraft hat. Da jeder mindestens eine Leiche im Keller hat, verfing dieses Konzept durchaus. Ob nun ein außereheliches Stelldichein mit der Magd des Nachbarn oder ein kleiner Betrug beim Zehnten: Als Sünder, der der Christenmensch per se ist, war man immer für eine Krankheit vorherbestimmt. Die Sünde und die Erkrankung waren insofern ganz logische Entitäten des Krankheitskonzept jener dunklen Jahre. Wahlweise sprachen die Scholastiker bei der Krankheit auch von der Prüfung Gottes. Wenn man so will: Als Weiterführung des Grundkonzepts. Denn die Prüfung konnte man als Bewährung verstehen. Der schuldhaft Erkrankte wusste ja selbst am besten, was er ausgefressen hatte. Nun aber gibt ihm der Herr eine Chance. Wenn er bußfertig genug ist, kann er wieder genesen. So Gott will. Er kann aber auch bußfertig sein und dennoch sterben, weil ihn Gott dann zu sich holt. Die Wege der Scholastik waren da so unergründlich wie jene des Herrn.
Gottes Wille vs. wissenschaftlich verifiziert
Bei Massenerkrankungen indes konnte diese Logik vom Einzelnen auch auf die gesamte Gemeinschaft umgemünzt werden. Ein Dorf, das den Pocken anheimfiel, das durch die Pest dezimiert wurde, war nicht etwa als mitleidserweckender Ort zu betrachten. Dort rächte sich, dass man sich von einem gottgefälligem Leben abgewandt hat. Heute ist uns Krankheit in ihrer Materie erklärbar. Jedenfalls in den meisten Fällen. Sie erklärt sich aus Lebensumständen, falscher Lebensführung oder genetischer Veranlagung. Wir wissen, wie Bakterien wirken, Viren schleudern oder Überträger arbeiten. Ideell können wir sie uns aber nicht erklären. Welcher Sinn dahintersteckt, bleibt fraglich – vermutlich auch, weil es keinen solchen höheren Sinn gibt. Unser Krankheitskonzept ist ein rein mechanisches, wenn man so will. Eines, das sich von den Sinnstiftungsideen vergangener Zeiten gelöst hat. Und damit auch von etwaigen Schuldkomplexen. Eigentlich. In den letzten Monaten hat sich das modifiziert. Auch in unsere wissenschaftlich-mechanische Krankheitsbetrachtung hat sich die Schuld neu eingeschlichen. Eine Schuld ohne Gott. Und eine Strafe, die ohne ihn wirkt. Die Rolle, die ehemals ein Gott einnahm, wird nun von der Wissenschaftlichkeit erfüllt. Wer sich jetzt nicht strikt an die Hygieneregeln hält – und das immer, überall und ganz besonders lückenlos -, dem zürnt die Krankheit. Sie kommt nicht mal über ihn selbst, sondern auch über seine Mitmenschen. Wer das so handhabt, der ist schuldig. Wem die Nase aus der Maske lugt, der trägt Schuld auf seinem Nasenrücken. Der fördert die Erkrankung aller. Auch seine – sein Körper fungiert ja quasi als Waffe. Wer selbst erkrankt, so schimmert durch, habe die Maßnahmen nicht richtig eingehalten. Mit der allgemeinen Rückkehr der Schuld in Fragen der Gesundheit, legt man einen eklatanten Rückschritt aufs Parkett. Es ist nichts anderes, als die hysterischen Affekte unaufgeklärter Glaubensgesellschaften auf moderne Wissenschaftsgesellschaften zu übertragen. Was an sich nicht zusammenzupassen schien, erlebt dieser Tage eine durch Hysterie und Überspanntheit bedingte kuriose Mesalliance. Und das ist wirklich krank …

Wie die Maske Zusammenhalt schafft

Ja doch, die Maske bringt uns näher zusammen. Man spürt jeden Tag, wie das Band enger wird. Achso! Nein, nicht das der totalen Maskenträger – sondern das derer, die die Maske schmähen, wo immer sie es noch können. Ich bitte um Verzeihung. Bitte sehen Sie es mir nach. Es geht in diesem Text tatsächlich schon wieder um die – naja, Sie wissen schon: Um die Maske. Ich will niemand langweilen, aber die Debatten um dieses Ding, speziell diese Radikalbeiträge wie die Maskenpflicht in den Schulen, an Arbeitsplätzen oder überall in der Öffentlichkeit: Die machen mir wirklich Angst. Und Angst ist letztlich dann auch mein Antrieb, immer und immer und immer wieder darauf zu sprechen zu kommen. Denn ich leide unter dem Ding, minimiere die Zeiten, wo ich sie tragen müsste. Aber wenn man nicht mehr raus kann, weil man sie quasi als 24/7-Lösung deklariert und unter hohen Bußgeldauflagen zur peniblen Nase-rein-Verpflichtung macht, dann kann ich das nicht mehr hinnehmen. Da bekomme ich bereits a priori Beklemmungen, Atemnot und leide an akuter Angina Pectoris. Die Maske ist also für mich – und für viele im Lande – eine existenzielle Angelegenheit. Mit Attesten ist dem nur schwerlich beizukommen, neulich las ich die Schlagzeile: »Polizei warnt vor Attesten gegen Maskenpflicht!« Da war mir klar, wohin die Reise geht. Dennoch spüre ich dieser Tage, wie die Solidarität und Empathie wachsen, wie das Verständnis für den Mitmenschen zu neuer Blüte kommt. Und das nicht etwa in der Gemeinde der peniblen Trägerschaft. Sondern bei den anderen …
Wir können uns noch anlächeln – ihr nicht!
Es ist ja mittlerweile ein Spießrutenlauf. Ob in der Bahn oder auch nur am Bahnsteig: Hier herrscht Maskenpflicht. Und nicht etwa so eine laxe, nein, eine penible. Das heißt: Das halbe Gesicht muss hinter den Zellstoff. Mal die Nase rauslungern lassen, um etwas Luft zu erschnuppern, ist nicht mehr. Denn das kann teuer werden, die Bundespolizei nimmt sich jetzt den ganz wichtigen Themen an; früher ahndete sie Vermummung, heute sorgt sie dafür. Natürlich macht man es trotzdem, zieht das Ding einen Moment herunter, wischt sich den Schweiß weg, guckt, ob nicht gleich der nächste Kontrolletti um die Ecke biegt. Tut er nicht? Dann bleib ich einen Augenblick so. Wie arm sind wir doch geworden! Jetzt müssen wir schon verstohlen atmen. Und wenn man dann so am Bahnsteig steht, ganz hinten einen Menschen erhascht, der es gerade genauso handhabt, treffen sich oft die Blicke. Klar, der guckt genauso wie ich, verunsichert und in der Hoffnung, dass wenigstens einige so ticken wie er, auch auf gute Atmung stehen und mal blankziehen. Wenn sich die Blicke treffen, lächelt man sich zu. Nickt. Alles linkisch, alles verstohlen. Wir verstehen uns, Kumpel! Ich weiß, wie du dich fühlst. Ist das nicht unglaublich? Wir müssen verschämt respirieren. Als sei das eine Sünde. Früher hat man oft gewitzelt, dass sie auch bald die Luft besteuern würden. So weit ist es nicht gekommen. Sie haben sie bußgeldpflichtig gemacht. Und man muss sich dafür entschuldigen, dass man körperlich auf diese Scheißluft angewiesen ist. Wenn es dann einem anderen so geht wie mir, erleichtert das ein wenig. Man nimmt ihn als Menschen zwischen Zellstoffantlitzen wahr. Als Leidensgenosse. Man grüßt sich, wie es Busfahrer tun, wenn sie sich kreuzen, wie es Biker pflegen, wenn sie sich treffen. Ja, man lächelt. Warum? Weil wir es können! Man sieht es ja in diesem Augenblick, da wir uns kurzzeitig befreien und Gefahr laufen, uns sanktionieren zu lassen. Die anderen lächeln vielleicht auch. Aber was hat man von einem Lächeln, das niemand sieht? Es ist so sinnlos wie ein zweites Kaffeegedeck an einem Single-Fürhstückstisch. Während wir lächeln, steht da einer in meiner Nähe. Mit Maske. Und natürlich mit ausreichend Abstand. Er sagt nichts, seine Augen fixieren mich natürlich. Vermutlich denkt er, ich sei sein Tod. Ein lächelnder Tod.
Dabei bin ich noch nicht mal grundsätzlich dagegen
Dabei freue ich mich nur, dass ich nicht alleine bin in meiner existenziellen Sorge. Ich bin nicht sein Tod, ich sterbe selbst jeden Tag ein bisschen mehr. Speziell jetzt, da ich jeden Tag lesen muss, wie man diese Pflicht ausweiten und radikalisieren will. Immer, wenn ich von Maskenverschärfungen lese, bleibt mein Herz stehen, es wirft mich aus der Bahn. So sehr haben mich Schlagzeilen vorher noch nie getroffen. Als ich langzeitarbeitslos war und las, dass sie die Regelsätze für Faulpelze wie mich kürzen sollten, hat mich das zwar geärgert. Aber geschockt wie diese Meldungen heute hat es mich nie und nimmer. Kürzungen schnallen sie dir ja auch nicht direkt vor Mund und Nase. Ja, ich sterbe jeden Tag ein bisschen mehr. Wie eine Welt aussieht, in der wir diesen Fetzen Stoff über Jahre jeden Tag in der Öffentlichkeit tragen müssen, möchte ich mir nicht ausmalen. In dieser Welt kann ich nicht existieren. Mir fehlt die Luft dafür. Im wahrsten Sinne des Wortes. Klar, ich bin dick. Ein Grund für meine Empfindlichkeit. Aber ich bin auch schon immer extrem hitze- und atmungsempfindlich, ich kriege schnell Beklemmungen, wenn die Grundvoraussetzungen nicht stimmen. Wenn sie nun einen solchen Maskenalltag planen, weiß ich nicht, wie ich weitermachen soll. Ich spreche nicht von Suizid. Ich spreche aber davon, wie ich mir die Grundfrage der Philosophie stelle, um mit Camus zu sprechen. Dabei bin ich ja trotz aller Befindlichkeit gar nicht absolut gegen diese Pflicht. Zwar halte ich sie weitestgehend für entbehrlich, aber wenn man Angst hat, soll man sie eben einhalten. Nur nicht so rigide, wie man das nun zu tun gedenkt. Lasst die Leute mal durchatmen, die Nase raushängen und kurz abkühlen. Lasst die Alten schnaufen, die Jungen leben. Das ist doch alles nur menschlich. Alles andere ist inhumane Härte, Gleichgültigkeit und eine perfide Laune an der Zerstörung menschlicher Schwächen. Wer mir darlegt, dass ich mich nicht so anstellen soll, den nehme ich mittlerweile als Feind wahr. Als jemanden, der mir körperlich zusetzt will und der daher eine Gefahr für mich darstellt. So will ich gar nicht sein. Aber man muss kapieren, dass es Leute wie mich gibt, die nicht aus Faulheit oder Boshaftigkeit mal unmaskiert sein wollen, sondern weil sie damit arge Probleme haben. Leute, die neuerdings lächeln, wenn sie auf Ihresgleichen treffen. Da entsteht Zusammenhalt und Verständnis: Bei denen, die die Maske fürchten. Und zwar nur bei denen …

Liebe AfD-Wähler-Basher, könnt Ihr Euch mal wieder einkriegen?

Ich weiß, dass ich das jetzt schreibe, gibt Ärger, aber manchmal geht es halt nicht anders. Und ich verstehe Euch sogar, wenn Ihr auf die Wähler schimpft, die die AfD in den Bundestag gehievt haben. Mir passt das auch nicht, wirklich nicht, und es fällt mir schwer, die Motivationen eines AfD-Wählers zu verstehen. Einerseits. Aber Ihr, die Ihr „Nazis! Nazis!“ ruft und schon die Vorbereitungen gegen die neue Machtergreifung mit Alexander Gauland an der Spitze trefft (Echt jetzt? Gauland? Hat der überhaupt einen Schäferhund?), Ihr seid mir auch nicht ganz geheuer. Ich sag euch auch, warum. Wisst Ihr, kurz nach der Bundestagswahl, da saßen die Parteispitzen in der Elefantenrunde zusammen. Und alle – bis auf den AfD-Vertreter, was ziemlich nahe liegt – waren sich einig, wie böse die AfD ist. In den darauffolgende Talkshows ging es weiter. AfD böse, böse AfD, AfD böse. Ist ja auch richtig. Die Gaulands und Höckes und Weidels und Petrys … ups, ok, also, die Petry jetzt ja nicht mehr. Aber diese ganzen Nasen von der AfD, die sind unterirdisch, keine Frage, da bin ich bei euch. Und wie man auf deren Geschwätz hereinfallen kann, kapiere ich auch nicht. Ähem … einerseits. Andererseits komme ich jetzt zu einer Gemeinsamkeit zwischen Euch und den etablierten Parteien, die Euch womöglich nicht gefallen wird. Ihr, liebe AfD-Wähler-Basher, habt Euch doch auch darüber aufgeregt, dass SPD, CDU und CSU die AfD für diese ganze Scheiße verantwortlich gemacht haben, oder? Hoffe ich jedenfalls, denn das war ja echt billig. Statt die eigene Politik der letzten vier Jahre (und weit darüber hinaus) mal kritisch zu hinterfragen, statt darüber nachzudenken, ob und wie die eigene Politik die Stärkung der AfD begünstigen konnte, saßen sie da und wehklagten, dass die AfD so schlimm ist und jetzt das erste Mal wieder Nazis in den Bundestag einziehen. So sah es zumindest Sigmar Gabriel, und damit lag er ja schon mal rein faktisch völlig daneben. Aber, hey, lassen wir das. Jedenfalls ging es mir persönlich mächtig auf den Senkel, dass die AfD durch ihren Einzug in den Bundestag für alles verantwortlich gemacht wurde, was dazu geführt hat, dass sie in den Bundestag kam. Und darauf können wir uns doch einigen, oder nicht? Ich meine darauf, dass die AfD ja nicht die große Koalition angeführt hat. Und nicht für die Politik der letzten vier Jahre (und weit darüber hinaus) verantwortlich ist. Und vielleicht auch darauf, dass die AfD nicht Anfang September plötzlich vom Himmel fiel und alle dachten: Hoppla, was ist das denn?! Worauf ich hinaus will: Wenn die große Koalition (Grüne und FDP natürlich auch, aber die waren da eher Trittbrettfahrer) nicht die eigene gnadenlos schlechte Politik (gnadenlos übrigens im wörtlichen Sinne) in Frage stellt und stattdessen das Feindbild AfD aus der Kiste zieht, um sich irgendwie doch noch so richtig cool und demokratisch darzustellen, dann ist das ja wohl eine Frechheit! Denn die AfD ist nun mal eine Konsequenz, keine Ursache. Eine wirklich düstere und üble Konsequenz, keine Frage, aber eben eine Konsequenz, das kann man drehen und wenden, wie man will. Eine vernünftige Analyse der Koalitionsparteien wäre also gewesen, sich zu fragen, wie es so weit kommen konnte. Und was die eigene Politik dazu beigetragen hat, die AfD zu stärken. Taten sie aber nicht, tun sie ja immer noch nicht. Stattdessen wird es demnächst Jamaika ohne Gras geben, und das kann echt nicht gutgehen. Und wenn Ihr, liebe AfD-Wähler-Basher, jetzt auf die Wähler der AfD herunterschaut und ihnen die übelsten Vorwürfe macht, sie als Nazis bezeichnet, kollektiv, wohlgemerkt, dann packt Ihr eine ähnliche Analyse aus wie die etablierten Parteien. Und eben diese schont Ihr damit auch noch, ja, wirklich! Oder habt Ihr in den letzten Tagen und Wochen Angela Merkel für das Erstarken der AfD kritisiert und verantwortlich gemacht? Oder gar den Neoliberalismus, der sowieso das Kernproblem dieser ganzen Sache ist? Nein, eher nicht, eher weniger. Stattdessen wurde haufenweise die Ossi-Keule ausgepackt. Die Ossis, echt, ey! Die haben ja wie bekloppt die AfD gewählt. Die sollten mal lieber dankbar sein oder besser einfach die Fresse halten. Guter Tipp, wird sicher extrem zu einem Gefühl der Wiedervereinigung beitragen. Abgesehen davon: Ich hab eine nette Statistik entdeckt, die ich jetzt ins Feld führen könnte. Nach der hätten wir den Ossis sogar das Wählen verbieten können, und die AfD wäre trotzdem in den Bundestag eingezogen. Weil nämlich die Stimmen aus dem Westen es der AfD ermöglicht haben, die 5-Prozent-Hürde zu knacken. Wobei dann natürlich insgesamt weniger gewählt hätten, was das Wahlergebnis dann wiederum … aber darum geht es doch gar nicht verdammt! Es geht nur in zweiter Linie um die Wähler, die aus dem Osten oder dem Westen kamen. Es geht um deren Motivation. Und da bin ich wieder am Anfang. Diese Motivation kann ich einfach nicht verstehen. Wer gegen steigende Mieten, sinkende Rente und Löhne und gegen Armut im Kindes- und Rentenalter wählen will, der wählt doch nicht die AfD! Tja, oder eben doch. Weil er sich verraten und verkauft fühlt (zu Recht, weil er verraten und verkauft wurde!), einen Ausweg sucht und sein Heil (sein Heil, nettes Wortspiel, oder?) in einer Partei sucht, die sagt: „Hallo, da draußen, wir sind nicht im Bundestag, waren es noch nie, deswegen können wir Euch versprechen, dass es mit uns besser wird.“ Und die Leute tappen haufenweise rein in die Falle. Ein bisschen Nazisprech und rassistisches Gebrülle stört da nicht so sehr, denn die Flüchtlingssache haben SPD, CDU und CSU ja auch nicht hinbekommen. Aber das geht jetzt schon wieder viel zu weit. Damit könnte ich stundenlang so weitermachen, könnte auf Kriegsursachen zu sprechen kommen, auf die Schere zwischen Arm und Reich, auf Globalisierung, Privatisierung, den Genickschuss der gesetzlichen Rente oder das Leid von Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Menschen, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Auch darauf, dass viele AfD-wähler davon (noch) gar nicht betroffen sind, aber fürchten, dass sie die nächsten sind. Lass ich jetzt aber. Abschließend also eine Bitte an Euch, liebe AfD-Wähler-Basher: Regt Euch von mir aus auf über die Leute, die ihr Kreuz an dieser unsäglichen Stelle gemacht haben. Das ist ok, das verstehe ich, das mache ich auch. Aber reduziert Euren Ärger doch bitte nicht auf sie. Sie sind das Ergebnis eines Ergebnisses. Sie sind hervorgegangen aus einer Politik, die seit Jahre kontinuierlich schlimmer wird und die den Menschen schadet und den Menschen Angst macht, denen sie womöglich schaden könnte. Sie sind die Folge eines Klimas, das kälter wird, weil die Ängste größer werden. Und die sind der AfD auf den Leim gegangen. Das war nicht gerade clever, aber ich vermute (hoffe!), dass die AfD sich sowieso nicht lange halten wird. Und wenn sie dann irgendwann in sieben oder 14 Gruppierungen gespalten ist, interessiert keinen Menschen mehr, ob und wer sie gewählt hat. Aber die Politik, die unser Land regiert und seit Jahren ausverkauft, die bleibt uns erhalten. Basht doch besser die, ok?  [InfoBox]