Im Gespräch mit Dirk C. Fleck: „Lasst uns eine Liebesbombe bauen.“

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Nach dem „Blind Date“, das ich vor einiger Zeit mit Dirk C. Fleck hatte, folgt nun ein weiteres Gespräch über die Liebe, die Politik, den galoppierenden Wahnsinn und innere Ruhe. Dirk C. Fleck trägt eine Menge Wut in sich, doch gleichzeitig kann er genießen, was das Leben bietet und hat die Liebe als das Erstrebenswerteste identifiziert, das es im Leben geben kann. Ich habe mit ihm über Zusammenbrüche, das menschliche Lernprogramm, Corona als Segen und Helden gesprochen. Inhalt: 00:30 Das zweite Treffen 01:00 Vorstellung Dirk C. Fleck 04:30 Maschinerie und Liebe 07:00 Verrückte führen Blinde 12:00 Zusammenbruch aus Leid 13:00 Mitgehen? 17:30 Der gleiche Lernprogramm 19:00 Zornig oder müde? 20:00 „Es ging mir nie so gut.“ 23:00 Laut und leise 25:00 Corona als Segen 26:30 Testlauf oder Gelegenheit Helden: 29:30 Roger Waters 30:30 Gunnar Kaiser 33:30 Zynismus als feine Klinge 37:00 Der 9. Mai 41:30 Die Last der Information oder: Abgenabelt 43:00 Ein Einstein-Zitat über die Liebe 44:30 Die Liebe, eine Energie, die man messen kann 46:00 Wer Hass sät, hat Angst vor der Liebe 47:30 Steve Jobs 48:30 Das Ende der Erbschaft 49:30 Stillschweigende Unterwerfung 51:00 Wie viel bittere Kost verträgt man? 52:30 Ihr.

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#DirkFleck #DirkCFleck #Ukraine #Corona #Totalitarismus #GunnarKaiser #RogerWaters #TomJWellbrock #neulandrebellen #wohlstandsneurotiker #Politik #Gesellschaft #Liebe #Hass #Podcast #Interview Im Gespräch mit Gunnar Kaiser: Über Transhumanismus, Krisen und die Welt in 250 Jahren: Im Gespräch mit Gunnar Kaiser: Demokratie oder Technokratie – wo leben wir eigentlich? Blind Date mit Dirk C. Fleck „Lasst uns eine Liebesbombe bauen

Das chinesische Trauma

China hört einfach nicht auf den Westen. Was dabei immer vergessen wird: Das Reich der Mitte hat so seine Erfahrungen gemacht mit westlichen Nationen. Vor einigen Monaten fiel die Maschine der Außenministerin leider nicht aus, so wie neulich, als sie ihre Reise in den Pazifik verschieben musste. Die Landeklappen waren ausgefallen, 80 Tonnen Kerosin ließ der Pilot ab, um nach der Kehrtwende doch landen zu können. Später, bei einem Testflug, der scheiterte, wurden erneut 80 Tonnen Kerosin freigesetzt. Pannen bei deutschen Regierungsfliegern kommen nicht selten vor; aber immer noch seltener, als die Dauerpanne namens Bundesregierung. Wie gesagt, vor einigen Monaten hatten die Chinesen dieses Glück nicht: Annalena Baerbock kam pünktlich in China an – und legte umgehend los. Sie erklärte dem Reich der Mitte die internationale Lage. Wie China zu Russland und zur Ukraine stehen müsse. Und wie mit Taiwan verfahren. Deutsche Medien feierten das als Chuzpe, chinesische Delegierte titulierten das als Frechheit. In Deutschland war man sich einig: Die Chinesen kennen kein Einsehen – und werden ein Problem werden. Dabei müssten sie doch eigentlich ein Einsehen haben, der Westen hat nicht nur gute Argumente, sondern ist auch Handels- und Geschäftspartner, das kann Peking doch nicht riskieren wollen. Was man im Westen vergisst: Die Chinesen sind eine geläuterte Nation – geläutert durch den Westen. Weiterlesen in der Schwurbelpresse

Geopolitische Weltreise mit Andrej Hunko: Zwischen wankenden Riesen und der multipolaren Welt

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Dies ist der zweite, der längere Teil eines Gesprächs mit Andrej Hunko, Mitglied der Partei „die LINKE“ und Europapolitiker. Wir möchten diese sinnbildliche Weltreise als Angebot verstanden wissen. Als Angebot, sich einen groben Überblick des geopolitischen Weltgeschehens zu machen. Dieses Gespräch ist relativ vollgepackt mit unterschiedlichen Themen, die – das liegt in der Natur der Sache – nicht bis ins Detail ausgeleuchtet, zumindest aber nach vollziehbar – das war jedenfalls unser Ansatz – angerissen werden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir die Entstehung des aktuellen Ukraine-Krieges besprechen und uns danach Fragen der Geopolitik widmen, wobei der Schwerpunkt auf der multipolaren Weltordnung liegt, deren Realisierung sich mehr und mehr abzeichnet. Das Gespräch eignet sich für Menschen, die sich mit den hier besprochenen Themen bisher nicht oder wenig auseinandergesetzt haben. Aber auch Fortgeschrittene und gut Informierte Leute können vielleicht das eine oder andere entdecken, was sie bisher nicht wussten oder aus eher anderer Perspektive wahrgenommen haben. Wir sind froh, mit Andrej Hunko einen Kenner internationaler Politik für dieses Gespräch gewonnen zu haben. Mit Andrej Hunko und Tom J. Wellbrock Inhalt: 01:30 Die aktuelle Situation in der Ukraine 06:00 Rückblick auf den Beginn des aktuellen Ukraine-Krieges 31:30 Vom lokalen Konflikt zur globalen Krise 39:00 Minsk II 47:00 Selenskyj 50:00 Schlüsselländer 57:00 China 01:09:00 Niger 01:24:00 BRICS+ 01:35:30 Fazit

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Hier ist der erste Teil des Gesprächs #AndrejHunko #dieLINKE #Ukraine #Russland #Niger #China #Brasilien #Russland #Südafrika #BRICS #Ausland #Deutschland #Politik #Geopolitik # SaudiArabien #Iran #VAE #Putin #NATO Westen #Europa #EU #EuropäischeUnion #Selenskyi #wohlstandsneurotiker #neulandrebellen #TomJWellbrock #Podcast #Interview #USA

Ganz tief drin – statt nur dabei

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Eine als beschwingt federnde Außenministerin dargestellte Baerbock – eine Bundesregierung, die als am Limit regierend präsentiert wird: Der Journalismus in Deutschland ist nah dran. Zu nah. Am Limit: regiert die Bundesregierung. So jedenfalls sieht es Stephan Lamby, seines Zeichens Hauptstadtjournalist, der uns Beitragszahler via ARD mit einem Dreiteiler über die amtierende Bundesregierung beglückte. Die »Dokumentation« lässt sich über weite Teile nicht anschauen — jedenfalls nicht, wenn man einen Rest an bürgerlicher Selbstachtung hat. Was Lamby da auftischt, hat nichts mit journalistischen Standards zu tun. Es ist reine Propaganda. Schon die Eingangsszene, das Intro, ist bestürzend: Man sieht Olaf Scholz, wie er in die Ferne schaut, mit seinem Rücken zu den Zuschauern. Dann ziehen in der Ferne Ernstfälle auf, und so heißt das Stück dann auch: »Ernstfall — Regieren am Limit«. Man sieht fallende Bomben, zerschossene Häuserfronten, einen besonders garstigen Wladimir Putin. Die Einstellung changiert zwischen Mythos und Realpolitik, zwischen Hoffnung auf einen Heiland und Mitleid für diesen armen Kahlkopfkanzler, den es jetzt ganz dicke erwischt. Er wollte doch nur brav regieren, und nun das! Den Beginn eines Krieges: Das hat dieser Olaf Scholz einfach nicht verdient — aber er packt das, wird simuliert, selbstverständlich gerät er dabei an sein Limit. Dennoch: Seine Regierung hat alles im Griff. Weiterlesen in der Schwurbelpresse

»Auch in puncto Ukrainekrieg gibt es eine Übereinkunft zwischen Kirche und Politik«

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Gefallene Engel aus der Hölle? Gibt diese Metapher von Olaf Scholz Sinn? Steht sie ihm überhaupt zu? Nein, sagt Pfarrer Hanns-Martin Hager: Der Kanzler »hat die Würde der Gläubigen immer und überall unbedingt zu wahren«. Roberto De Lapuente im Gespräch mit Hanns-Martin Hager.   De Lapuente: Herr Hager, Sie haben es – zusammen mit Ihrem Kollegen Jürgen Fliege – schon wieder getan: Einen offenen Brief verfasst. Diesmal an die Adresse des Bundeskanzlers. Sein biblisch entlehntes Zitat von den »gefallenen Engeln«, er meinte damit Friedliebende, zwang Sie zur Reaktion. Sagen Sie uns bitte als Theologe, hat Olaf Scholz begriffen, welches Bild er da bemühte? Hager: Nein. Wörtlich hat er gesagt: »Die, die hier mit Friedenstauben herumlaufen, sind deshalb vielleicht gefallene Engel, die aus der Hölle kommen, weil sie letztendlich einem Kriegstreiber das Wort reden.« Wenn Engel fallen, dann immer aus dem Himmel, aus den hohen Sphären der substanziellen Geisteswelt, weil sie ihren Status als Lichtwesen missbrauchen und den Menschen sowie allem Leben auf der Erde bewusst Schaden zufügen. Lucifer – der Lichtträger – war nach der Tradition der erste gefallene Engel, den die Schwerkraft in die Hölle hinab zog. Nach des Bundeskanzlers Logik steigt der Friede von unten aus der Hölle nach oben auf die reale irdische Oberfläche. Im Gegenzug müsste dann der Krieg aus dem Himmel kommen. De Lapuente: Ich gewinne den Eindruck, dass immer öfter Biblisches oder sagen wir Religiöses rhetorisch ins Feld geführt wird. Frau Strack-Zimmermann nannte den russischen Präsidenten neulich auch ganz offiziell »einen Teufel« – haben auch Sie den Eindruck, dass das christliche Fundament unserer Gesellschaft dazu benutzt wird, um der Eskalation in Osteuropa eine Art von transzendenter Legitimation zu verleihen? Hager: Genau so ist es. Religiöse Sprache, beziehungsweise missbrauchte religiöse Sprache hat die stärkste Verdammungskraft. Seit Jahrhunderten wird sie von den Herrschenden überall dort gezielt eingesetzt, wo Menschen ohne Umschweife diskussionslos vernichtet werden sollen.

»Die Scheiterhaufen von damals sind heute die Denunziationsportale wie Psiram«

De Lapuente: Haben Sie ein Beispiel parat? Hager: Während des Corona-Ausnahmezustands wurden die Kritiker der staatlichen Maßnahmen schlagworthaft als »Corona-Leugner« bezeichnet. Der Begriff »Leugner« taucht in der Theologiegeschichte zum ersten Mal dort gehäuft auf, wo man Menschen willkürlich bezichtigte, nicht an Gott zu glauben. In den Prozessen der Inquisition wurden heilkundige Frauen oder kritische Geister wie Giordano Bruno zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt mit der pauschalen, unbeweisbaren Behauptung, sie seien Gottes-Leugner. Olaf Scholz’ Worte sind nichts anderes als ein postmoderner Ausdruck der inquisitorischen Praxis des 13. bis 17. Jahrhunderts. Die Scheiterhaufen von damals sind heute die Denunziationsportale wie Psiram oder die regierungsfinanzierten Faktenchecker. De Lapuente: Ärgert Sie es als Pfarrer, als Theologe, als Mensch des gelebten Christentums, wenn Menschen, die der Religion den Rücken gekehrt haben, jetzt religiöse Sprache reaktivieren, um damit den Krieg zu verstetigen oder, um es in deren nun für sich entdeckten Sprache zu sagen: Um das Werk des Teufels zu tun? Hager: Die gegenwärtige Praxis der Mächtigen, durch herabwürdigende Rhetorik in religiöser Einkleidung missliebige Kritiker öffentlich maximal bloßzustellen und gesellschaftlich zu ächten, zeugt von arroganter Respektlosigkeit gegenüber der christlichen Tradition. Es hat in der Tat etwas Teuflisches an sich, wenn der Bundeskanzler durch einen derartigen Missbrauch religiöser Sprache den Ukrainekrieg zu rechtfertigen und jegliche Friedensbemühungen abzuschmettern versucht. Selbst wenn Olaf Scholz seinen Amtseid ohne den Bezug zum christlichen Glauben geleistet hat, darf er Menschen, die für Frieden eintreten, nicht derartig diskriminieren. Auch wenn er selbst nicht Mitglied einer christlichen Glaubensgemeinschaft ist, hat er die Würde der Gläubigen immer und überall unbedingt zu wahren. De Lapuente: Im öffentlichen Raum werden die Begriffe »Religion«, »Glauben« und »Kirche« gerne synonym verwendet. Es handelt sich aber freilich um drei verschiedene Aspekte innerhalb eines Themenkomplexes. Haben Sie den Eindruck, dass es auch in puncto Ukrainekrieg eine Übereinkunft zwischen Glauben und Kirche gibt, sprich: Gehen Gläubige und Amtsträger Hand in Hand? Oder steht die Kirche – gerne auch im Plural: die Kirchen – mit ihrer stillschweigenden Affirmation des außenpolitischen Kurses Deutschlands, fern von ihrer Gemeinde? Hager: In puncto Ukrainekrieg gibt es – analog zur Corona-Krise – eine Übereinkunft zwischen den Herrschenden in Kirche und Politik. Heißt: Die evangelischen Kirchenfürsten stehen hinter der Politik der Bundesregierung. Auch wenn natürlich jeder Landesbischof oder Oberkirchenrat gegen Gewalt und Krieg im Allgemeinen ist, gibt es von offizieller kirchlicher Seite keine klaren Aufrufe zu Verhandlungen mit dem Ziel eines Friedensschlusses zwischen Russland und der Ukraine.

»Kirche ist wie Politik, wo sich die Regierenden vom Volk abschotten«

De Lapuente: Hätte die evangelische Kirche, die so gut mit der Politik kann, nicht mehr Mittel in der Hand, als nur aufzurufen? Hager: Der bayerische Landesbischof Dr. Bedford-Strohm ist seit einem Jahr Vorsitzender des Zentralausschusses des Weltkirchenrates. Es wäre für ihn ohne weiteres möglich, sich in den Zug zu setzen, nach Moskau zu fahren und dort mit seinem Amtsbruder Kyrill I., Patriarch von Moskau und Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, Gespräche zu führen, die einen Waffenstillstand zumindest vorbereiten könnten. Aber es ist keinerlei Willen erkennbar, auf kirchlicher Ebene eine Brücke zur anderen Seite zu bauen. Das war schon einmal anders: Im Juli 1963 war die Evangelische Akademie in Tutzing – renommierte Tagungs- und Studienstätte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern – Ausgangpunkt für die Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Zwei Jahre nach dem Mauerbau stellten dort der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt und sein Senatspressechef Egon Bahr ein Konzept mit dem Titel »Wandel durch Annäherung« vor. Auf kirchlichem Boden begann damals der Weg, der 1990 zur Wiedervereinigung Deutschlands und zur Beendigung des Kalten Krieges führte. De Lapuente: Und die Gemeinden ziehen – oder besser gesagt – marschieren mit? Hager: An der kirchlichen Basis gibt es in einzelnen Kirchengemeinden durchaus das Bewusstsein, dass es dringend an der Zeit ist, sich für Frieden in diesem schlimmsten militärischen Konflikt in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges einzusetzen. Es werden Mahnwachen abgehalten. Im kleinen Rahmen finden Diskussionsrunden statt. Gebetskreise treffen sich. Leider haben diese Aktivitäten aber keine entscheidenden Auswirkungen auf der großen politischen Bühne. Insofern steht die kirchliche Chefetage der Gemeindebasis ziemlich fern. Es ist wie in der Politik, wo sich die Regierenden vom Volk abschotten, um nur ja nicht reagieren zu müssen, wenn draußen im Land die Menschen nach Frieden rufen. Und die Sehnsucht nach Frieden ist in allen Gesellschaftsbereichen größer als die medial gepushte Kampagne gegen den »einzigen bösen Kriegstreiber im Osten«. De Lapuente: Den Kirchen laufen die Schäfchen davon – das ist keine neue Entwicklung, 2022 haben die Abgänge aber Rekordhöhen erreicht. Der katholische Kardinal Müller äußerte unlängst die Sorge, dass die Gefahr bestehe »aus der katholischen Kirche eine Hilfsorganisation für die Agenda 2030 zu machen. In eine Welt ohne Gott passt nach zeitgenössischer Meinung nur eine Kirche ohne Christus.« Befinden wir uns vielleicht in einer Phase der Entgöttlichung des Christentums? Hager: Im vergangenen Jahr haben 575.000 Menschen den beiden großen christlichen Kirchen den Rücken gekehrt. Das entspricht einem Rückgang der Mitgliederzahl um 2,9 Prozent. Noch nie waren die Zahlen so hoch. Auch wenn sich die kirchlich Verantwortlichen um klare Aussagen zu den Hintergründen herumdrücken: Die desaströse Kirchenpolitik der letzten dreieinhalb Jahre von Corona bis zum Ukrainekrieg trägt aus meiner Sicht entscheidend zu dieser Entwicklung bei. Die vielen Menschen, die mir schreiben, geben als Grund für ihren Kirchenaustritt alle genau diese beiden Themenfelder an – auch wenn das vielleicht nicht repräsentativ ist.

»Mit links-grünem Parteiprogramm beschallt«

De Lapuente: Corona, Ukraine – okay. Und das, was wir heute Wokeness nennen? Irritiert das nicht viele Gläubige? Hager: Dem katholischen Kardinal Müller stehe ich theologisch insgesamt nicht nahe. Aber auch für mich ist evident, dass die zentralen biblischen Kernaussagen in meiner protestantischen Kirche immer mehr in den Hintergrund treten. Stattdessen werden die Besucher in den Gottesdiensten fast nur noch mit »links-grünem Parteiprogramm beschallt«, wie mir neulich jemand schrieb. Als Fazit hieß es in diesem Brief: »Ich brauche weder eine Corona- noch eine Klimareligion. Was ich brauche, ist die Verkündigung der Botschaft des Jesus aus Nazareth. Und die ist in der Kirche mehr oder weniger verdunstet.« De Lapuente: Das klingt dramatisch. Ist diese Empörung denn vielleicht auch überzogen? Und die Beschallung, wie Sie es nennen, vielleicht nur ein seltener Extremfall? Hager: Ein kleines Beispiel aus meiner lokalen Umgebung für die Entfremdung kirchlicher Feiern: Vor einigen Wochen hat die Garmisch-Partenkirchner Pfarrerin Ulrike Wilhelm auf der Zugspitze einen »Aussegnungsgottesdienst« für den schmelzenden Zugspitzgletscher abgehalten, inklusive eines extra für diesen Anlass komponierten Requiems. Eine theologische Unmöglichkeit! Aussegnen kann man nur einen gerade verstorbenen Menschen. Und auch ein Requiem ist mit seiner liturgisch-musikalischen Form auf das Gedenken an einen verstorbenen Menschen bezogen. Hier wird eine verschwindende geologische Formation, ein schmelzendes Stück Eis, vermenschlicht. Vor einigen Jahren bekam ein Pfarrer noch ein Disziplinarverfahren, weil er eine Hauskatze beerdigt und dabei die liturgische Form der Erdbestattung eines Menschen verwendet hatte. Heute wird ein zurückgehender Gletscher ausgesegnet. De Lapuente: Ist Gott woke, Herr Hager? Ist er, um im schiefen Bild des Kanzlers zu bleiben, aus dem Himmel gefallen? Hager: Ich antworte mit einem Text, den der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch – ein treuer Protestant – 1989 auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin vorgetragen hat. Er ist heute aktueller denn je:
»Als die Nachricht um die Erde lief, Gott sei aus der Kirche ausgetreten, wollten viele das nicht glauben. ‚Lüge, Propaganda und Legende‘, sagten sie, bis die Oberen und Mächtigen der Kirche sich erklärten …: ‚Wir, die Kirche, haben Gott den Herrn, in aller Freundschaft nahegelegt, doch das Weite zu aufzusuchen, aus der Kirche auszutreten und gleich alles mitzunehmen, was die Kirche immer schon gestört. Nämlich seine wolkenlose Musikalität, seine Leichtigkeit und vor allem Liebe, Hoffnung, Geduld. Seine alte Krankheit, alle Menschen gleich zu lieben, seine Nachsicht, seine fassungslose Milde, seine gottverdammte Art und Weise alles zu verzeihen und zu helfen … Darum haben wir, die Kirche, ihn und seine große Güte unter Hausarrest gestellt, äußerst weit entlegen, daß er keinen Unsinn macht, und fast kaum zu finden ist.’ Viele Menschen, als sie davon hörten, sagten: ‚Ist doch gar nicht möglich! Kirche ohne Gott? Gott ist doch die Kirche! Ist doch gar nicht möglich! Gott ist doch die Liebe, und die Kirche ist die Macht, und es heißt: ‚Die Macht der Liebe!‘ – Oder geht es nur noch um die Macht?!’ … Andere sprachen: ‚Auch nicht schlecht; Kirche ohne Gott! Warum nicht?!’ „Kirche ohne Gott!“ – das ist der Slogan. Doch den größten Teil der Menschen sah man hin und her durch alle Kontinente ziehen, und die Menschen sagten: Gott sei dank! Endlich ist er frei. Kommt, wir suchen ihn!«(1)
Genau das passiert heute: Die Menschen suchen in wachsender Zahl Gott außerhalb der Kirche – ganz zurecht, weil er aus dem kirchlichen Himmel vertrieben worden ist.

»Kirche hat unverwechselbare, geistige Substanz verloren«

De Lapuente: Hüschs Text erinnert mich an Dostojewskis »Großinquisitor«: Was, wenn Jesus hier und heute und nicht im Sevilla des 16. Jahrhunderts zurückkehrte? Vorhin sagten Sie, Scholz spreche inquisitorisch. Womöglich würde der Zurückgekommene also vor Scholz stehen, vielleicht auch vor Strack-Zimmermann, vor Hofreiter und Baerbock – und müsste sich sagen lassen, dass er das Werk des Teufels tue, er der gefallene Engel. Unter Umständen gäbe es Applaus für diese Schelte, weil Jesus auch nicht woke auftreten würde – und man endlich brechen möchte mit dem Alten. Muss die Kirche sich nicht in diesem Klima der ewigen Verdammungsbereitschaft des Traditionellen anpassen, wenn sie bestehen bleiben möchte? Also Kriegsbegeisterung zeigen, um zu überleben? Woke werden, um da zu bleiben? Hager: Die Amtskirche in Gestalt ihrer medienwirksam sich inszenierenden Kirchenfürsten hat bei weiten Teilen der Gläubigen das Vertrauen endgültig verspielt. Diese Kirche ist zu einer leeren Hülle degeneriert. Sie hat ihre unverwechselbare, geistige Substanz verloren, die Jesus aus Nazareth vor 2.000 Jahren in die Welt gebracht hat. Die im April 2019 ausgebrannte Kathedrale von Notre-Dame ist für mich ein sichtbar gewordenes Symbol dafür. Das Feuer hat einen ehemals lebendigen Körper verzehrt, dessen Seele schon seit längerem im Scheiden begriffen war. De Lapuente: Klingt, als brauchen wir keine Kirche mehr … Hager: Käme Jesus heute wieder auf die Erde, würde er den eitlen Repräsentanten des kirchlichen Establishments die Leviten lesen. Er würde die unterwürfigen Lakaien zur Rede stellen – vielleicht mit diesen Worten: »Mit Eurem Schweigen zu notwendigen und längst überfälligen Friedensbemühungen in der Ukraine habt ihr meine Botschaft unwiderruflich verraten. Ich habe die Sanftmütigen und Friedfertigen seliggepriesen. Ihr habt Eure Seele verkauft. Ihr leugnet den unbedingten Vorrang des Friedens. In Eurem Verhalten segnet Ihr implizit die Entscheidungen der Mächtigen für immer mehr Waffenlieferungen ab. Euer feiges Schweigen befördert einen täglichen tausendfachen Tod. Und noch etwas will ich Euch sagen: Meine Botschaft braucht Eure staatshörige Kirche nicht. Meine Botschaft war überhaupt nie für religiöse Großorganisationen gedacht. Das amtliche Christentum hat eine jahrhundertelange tiefe Blutspur hinterlassen – in Kreuzzügen, Hexenjagden und Waffensegnungen. So hat es sich selbst diskreditiert. Meine wirklichen Nachfolger sind die Millionen von friedfertigen Menschen an der Basis, die mehr Herz haben als Ihr auf Euren finanziell gut gepolsterten Sesseln.« 1 aus: Hanns Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, Düsseldorf 1992, S.28f.   Hanns-Martin Hager, Jahrgang 1959, ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ist seit 2021 im Ruhestand. Zuletzt war er Gemeindepfarrer in Grainau in der Kirchengemeinde Garmisch-Partenkirchen. Von 1990 bis 2018 war er als Seelsorger in verschiedenen klinischen Einrichtungen tätig. Er ist Heilpraktiker für Psychotherapie. Von 1999 bis 2017 hielt er Vorträge zu medizinethischen Themen an der Evangelischen Akademie Tutzing

Bye, bye Biden?

TASS hat die Meldung verfasst, dass Joe Biden auf seine Widerwahl verzichtet. In den deutschen Medien ist bislang (10:38 Uhr Moskauer Zeit) nichts zu lesen gewesen. Irrt die TASS oder wollen deutsche Medien die Tatsache nicht wahrhaben?

Hier ist Platz zum Kommentieren und Diskutieren.

PPP oder Die Salonfähigkeit der Unterwelt

Durch bewusst überhöhte Kalkulationen sollen Mitarbeiter bei Toll Collect mehrere Millionen Euro abgeführt haben. So lautete jedenfalls der Verdacht, der letzte Woche zur Durchsuchung der Unternehmenszentrale führte. Wirtschaftskriminalität liegt in Deutschland ja voll im Trend. Auf der Liste des Schattenfinanzindex hat man sich nicht umsonst an prominenter Stelle eingetragen. Dazu muss man die Steuerhinterziehung, das Abführen öffentlicher Gelder auf schwarze Konten und allerlei andere Mauscheleien schon zu einem Wachstumsmarkt machen. Sonst gelingt es einem Land nicht, zu einem Thema für solche Indizes aufzusteigen. Weiterlesen beim Neuen Deutschland

An jedem verdammten Sonntag

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Obgleich das hessische Ladenöffnunggesetz vorsieht, dass Geschäfte wochentags bis zu 24 Stunden geöffnet haben dürfen, fordern die hessischen Liberalen Nachbesserung. Ihnen ist es ein Dorn im Auge, dass die bis zu vier verkaufsoffenen Sonntage, die in eben jenem Gesetz zugesprochen werden, anlassbezogen sein müssen. Bei Festlichkeiten oder Messen könne man so einen verkaufsoffenen siebten Tag der Woche beantragen. Sonst nicht. Die FDP sähe es jetzt gerne, wenn man auch ohne Anlass öffnen dürfe. Und nicht nur die Händler unterstützen diese Forderung. Weiterlesen beim Neuen Deutschland

Facebook: Freiheitsgarant und Verfassungsorgan?

Nachdem man Storch und Weidel in den Netzwerken gelöscht und gesperrt und überdies sogar angezeigt hat, ging die Debatte um Meinungsfreiheit und Zensur wieder los. Dabei ist das Themenverfehlung. Man mag sich überdies zwar ins Fäustchen lachen, weil da sogar eine Anzeige im Raum steht, ob das aber nicht zu früh gelacht ist, warten wir wie immer ab. »Artikel 5, Absatz 1, GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild bei Facebook frei zu äußern und zu verbreiten?« Einer unserer Leser regte sich völlig nachvollziehbar bei Facebook auf, weil einer seiner Kommentare dort verschwunden war. Er hatte zuvor unter einen unserer Teaser zum aktuellen Tagestext gepostet und nach seiner Rückkehr an den PC war er weg. Vermutlich war das dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschuldet. Weshalb es so kam, konnten wir ihm nicht beantworten. Sein Kommentar barg eigentlich keinerlei Sprengstoff. Schade um die Tipperei. Er selbst sah da einen Angriff auf die Meinungsfreiheit am Werk, ja auch Zensur. Aber diese Einschätzung kann man nur schwerlich teilen, denn die Meinungsfreiheit ist eine staatliche Obliegenheit, sie ist keine, die in den Geschäftsbedingungen von Facebook garantiert wird. Sicherlich kann man diese Löschpraxis, über die jetzt zunehmend User klagen, schlecht und auch fadenscheinig finden. Wahrscheinlich muss sich dieses krude Gesetz erst einspielen, um halbwegs vernünftig umgesetzt werden zu können. Das hoffen wir an dieser Stelle einfach mal optimistisch. Man wirft uns eh immer vor, dass wir zu pessimistisch seien, insofern bietet es sich ja an, uns hier mal ein bisschen auf Optimismus zu trimmen. Das ist pragmatisch, weil wir eh keine Wahl haben. Denn Facebook ist das private Angebot eines Unternehmens, das die User kostenlos in Anspruch nehmen können. Teuer erkauft ist diese Kostenfreiheit dann dennoch, immerhin machen wir uns alle berechenbarer und durchsichtiger durch sie. Facebook ist aber nicht die Größe, die Meinungsfreiheit zu garantieren hat. Und die ist auch nicht in Gefahr, wenn eine öffentliche Plattform Statements selektiert. Ist Facebook jetzt sogar schon Freiheitsgarant? Selbst wenn eine Plattform nach politischer Ausrichtung aussiebt, ist die freie Äußerung der Meinung nicht gefährdet. Das kann der Hausherr nämlich halten wie es ihm gefällt. Es muss ja keinen anderen gefallen, wenn man da so ein schlechtes Geschäftsmodell installiert – einen etwaigen Anspruch der Öffentlichkeit darauf, den Server der Plattform mit was auch immer füllen zu dürfen, der besteht jedoch nicht. Facebook ist lediglich ein Unternehmen. Und Unternehmen haben die Meinungsfreiheit in einem demokratischen Staat nicht sicherzustellen. Sie haben nur zu garantieren, dass ihr Angebot nicht mit strafrelevanten Inhalten überflutet wird. Wenn Angestellte eines Konzerns Inhalte löschen, dann ist das schlimmstenfalls fies, aber nicht das Ende der Meinungsfreiheit in Deutschland. Sind wir schon so weit, dass wir uns Facebook als einzige Bastion der Meinungsfreiheit vorstellen müssen? Ein Konzern, dem wir uns alle freiwillig verschreiben, in dessen Angebotspalette wir nicht gezwungen werden, sondern in die wir freiwillig stolpern, soll das letzte Bollwerk sein? Geschäftsbedingungen ersetzen Verfassungsartikel? Wenn wir das echt denken, dann hat Facebook es wohl geschafft, dann hat die Konzernokratie einen weiteren Schritt in Richtung Machtergreifung getätigt. Natürlich kann man sich über eine solche Praxis ärgern. Aber wem es nicht gefällt, der kann Facebook ja künftig meiden. Aus dem Staat, in dem man lebt, kann man sich nicht so einfach ausloggen. Deswegen hat er Meinungsfreiheit in seinen Sphären zu garantieren. Weil man ihm nicht einfach per Abmeldebutton dem Rücken kehren kann, gelten da andere Standards. Leute mit Vorurteile, die Opfer spielen und dabei rege Unterstützung bekommen Natürlich irren sich in diesem Punkt viele Nutzer. Nicht nur die unbedarften Zeitgenossen. Besonders Leute wie Frau Storch und Frau Weidel nähren den Irrglauben, dass ihre Meinungsfreiheit deswegen in Gefahr ist, weil sie nicht mehr netzwerkerisch posten dürfen. Dabei können sie doch ihre Meinung ausposaunen. Diese Herrschaften sind doch führende Köpfe einer Partei, die ja auch mehrere Websites besitzt. Sind sie denn dort auch gesperrt? Erlaubt man ihnen vielleicht nicht, eine eigene Website anzumelden? War es nicht Frau Weidel, die aus einer Talkshow flüchtete und sich so der Verbreitung ihrer eigenen speziellen Meinung entzog? Oder hat man sie etwa mit dem Besen verscheucht? Wenn man nur eine dieser Fragen mit Nein beantworten kann, dann steht es doch gar nicht schlecht um die Meinungsfreiheit in diesem Lande, oder? Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Wo genau, sagt dieses Grundrecht nicht. Ob die Anzeige gegen Frau Storch dann allerdings haltbar ist, das ist eine andere Frage, die uns wahrscheinlich nach Bearbeitung der Staatsanwaltschaft nochmal zum Thema der Meinungsfreiheit zurücklotst. Uns mag nicht gefallen, was Leute wie sie verbreiten. Aber man muss es aushalten können oder konstruktiv dagegenhalten. Was sie in der Silvesternacht in die Tasten klopfte, das fand ich dämlich bis ziemlich geschmacklos. Da zeigte sich, dass diese Frau nur in Rassismen denken kann. Aber das ist nun mal nicht verboten, solange man nicht zur Gewalt aufruft. Das genau wirft man ihr zwar jetzt vor, aber in ihrem Statement stand nichts davon, dass man sich bewaffnen sollte oder dergleichen. Sie legte nur ihr kümmerliches Weltbild dar und hielt Interpretationsspielraum offen. Das ist grundsätzlich erlaubt. Das ist Teil der Meinungsfreiheit, die wie jede gesetzlich garantierte Freiheit auch Schattenseiten hat. Wenn der Staatsanwalt kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von jemanden mit Vorurteilen findet, dann geht Frau Storch mal wieder gestärkt aus dieser Farce hervor und blüht auf als das Opfer, als das sie und ihre Parteikameraden sich gerne sehen. Wer dumme Meinung anzeigt, die nur dumm, aber nicht strafrelevant ist, der unterstützt diese Bagage – ob er will oder nicht.

Die Präsidenten der Anderen

Majestäten sind in Deutschland Geschichte? Nee – nur ausländische Majestäten darf man angeblich seit Neujahr als Arschlöcher bezeichnen. Der Bundespräsident bleibt aber majestätisch. Ein deutscher Präsident ist eben immer ein bisschen höherwertiger als ein ausländischer. Nichtsdestotrotz bleibt das Beleidigen des letzteren durchaus strafrelevant. Sie möchten Herrn Erdoğan mal so richtig beleidigen? Gratulation, die Regierung hat Ihnen diese Möglichkeit an die Hand gegeben. Mit Beginn dieses Jahres ist es möglich, Präsidenten anderer Länder schärfer anzugehen. Wenn Sie ein solches Staatsoberhaupt nun beleidigen wollen, dann dürfen Sie das – natürlich nicht. Denn zivilrechtlich vorgehen könnte er ja immer noch. Nicht, weil man ihn als Präsidenten beleidigte zwar, aber dann doch, weil man ihn persönlich mit Ehrabschneidung bedachte. Also Vorsicht, es kann noch immer teuer werden, auch wenn Majestäten ab sofort keinen Anspruch mehr auf Unantastbarkeit haben. Nun gut, dieser letzte Ausspruch stimmt gar nicht. Die deutsche Majestät ist weiterhin per Strafgesetzbuch geschützt. Nein, wir reden jetzt nicht von Ferfried Prinz von Hohenzollern. Den darf man nur als Person und Mensch nicht beleidigen. Er ist in dieser Angelegenheit ein Normalsterblicher wie wir alle. Auf dem Papier, wie es sich dann in Realität erweist, das ist ja immer so eine Sache. Die aktuelle deutsche Majestät war letztes Jahr um diese Zeit ja selbst noch ein Normalsterblicher. Ein anderer hielt den Posten besetzt, wollte ihn allerdings nicht länger verstopfen. Und just wählten ihn fast 75 Prozent der Bundesversammelten zum Nachfolger im kleinen Schloss im Herzen Berlins. Nur der einen Monat später mit 100 Prozent gewählte SPD-Retter Martin Schulz schnitt noch besser ab. Das waren damals echt demokratische Festwochen in Berlin. Da wollten selbst Gegenstimmen als Stimmen aufgehen. Dem deutschen Bundespräsidenten ist jedenfalls ein eigener Paragraph gewidmet. Der 90. in der Aufzählung des Strafgesetzbuches. In dem heißt es, dass man ihn nicht verunglimpfen dürfe. Drei Monate bis fünf Jahre könne das nämlich teuer werden. Strafverfolgung gibt es jedoch lediglich dann, wenn der Bundespräsident die Behörden ermächtigt. Er hat tatsächlich noch sein eigenes persönliches Ermächtigungsgesetz. Und er sagt an, wann er findet, dass man ihm und seinem Amt zu viel zugemutet hat. Per se gibt es also die Majestätsbeleidigung für den obersten Deutschen schon noch. Nur den obersten Türken darf man nun als Ziegenficker einstufen. Das Amt wohlgemerkt, nicht den Menschen, der das Amt entleert oder ausfüllt – je nachdem, wie man das jeweils bewerten will. Das ist so eine typisch deutsche Entwicklung, wie man sie in den letzten Jahren auf allerlei Gebieten kennt. Eine von Selbstgerechtigkeit angetriebene. So ein ausländischer Majestix muss halt aushalten können, dass vom deutschen Boden aus an seinem Lack gekratzt wird. Solange der deutsche Lackverkratzer nur nicht den Lack vom rostigen Korpus unseres obersten Dienstherrn pellt, ist alles in Ordnung. Die Deutschen sollten nach außen austeilen, nach Innen aber nicht zu lax mit ihren Obrigkeiten rumspringen dürfen. Da behält man sich solche alten Relikte wie jenen Paragraphen im StGB lieber mal vor. Glücklicherweise wurde der von den Bundespräsidenten, die dieses Land bislang so hatte, immer ziemlich stiefväterlich behandelt. Wenn da mal ein Egozentriker ans Ruder kommen sollte, dann wird er vielleicht Thema. Und ob man dann so uneitel ist, Ihro Majestät zu einem Normalsterblichen zu degradieren, den man nur als Menschen, aber nicht als Amtsperson nicht beleidigen darf, bleibt abzuwarten. Es tut doch dem jeweiligen Kleingeist am Nordrand des Tiergartens gut, wenn er weiß, dass er eine Wunderwaffe in petto hat, dass er sich wehren kann, wenn er es nicht mehr erträgt. Und dann finden dieselben, die es jetzt gut finden, dass man die Präsidenten der Anderen abstrafen darf, man könne es freilich beim deutschen Amtskollegen nicht so einfach halten, denn ein bisschen Ordnung und Anstand muss man dem Volk schon abverlangen können. Ob wohl Herr Böhmermann nochmal ein Gedicht zu Steinmeier schreibt? Vielleicht schafft er damit auch gleich mal § 90 StGB ab. § 103 StGB hat er wunderbar ausgelöscht. Mir fielen da auch derbe Sprüche ein – und die wären nicht weniger berechtigt als bei Erdoğan.