Die Politik tut, was sie kann
Wir müssen gar nicht Kritik an Baerbock, Habeck oder Scholz üben. Sie machen, was sie machen können. Denn die vermeintliche Krise der Politik ist in erster Linie einer Krise der Medien.
Schuldig im Sinne der Anklage: Auch ich personalisiere natürlich den Niedergang dieses Landes. Beliebt bei mir: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz. Es gäbe mehrere Lieblinge des Elends. Und meine Auswahl, ich gebe auch das zu, ist nicht sonderlich originell. Wer Kritik an den Zuständen übt: Die drei Namen fallen unter Garantie. Außer man ist Grüner und völlig dem Fanatismus verfallen.
Wenn ich aber darüber nachdenke, drängt sich mir eine Erkenntnis auf: Die drei und andere Regierungsmitgangster machen doch lediglich das, was man sie machen lässt. Sie mögen freilich verantwortlich sein für das, was sie tun – auch wenn das juristisch überhaupt keine Rolle spielt –, aber die eigentliche Schuld tragen andere. Denn was wäre der Schurke ohne seinen Komplizen? Und oft ist der Komplize der, der den Schurken erst zu dem werden lässt, was er ist. Der politische Niedergang jedenfalls: Er ist ein medialer.
Die Politik tut, was sie kann. So lange sie es kann. So oft sie kann. Und so drastisch sie kann. Sie ist entfesselt und der Grund ist lapidar: Weil. Sie. Es. Kann. Und warum kann sie es? Weil es der Journalismus nicht mehr kann. Nicht mehr können will. Weil er es vorzieht, nicht zu hart zu recherchieren, zu direkt zu konfrontieren, weil er dazu übergangen ist, Teil des politischen Apparates zu werden – und weil er nicht mehr Teil der Gewaltenteilung sein möchte. Aus dem Versuch eines Korrektivs, das die Zustände durchleuchtet, aus der Publikative, ist eine Affirmative geworden. Eine Instanz, die Missstände bejaht, indem sie sie nicht mehr aufs Tapet bringt.
BRICS wird Aufnahme neuer Mitglieder für einige Zeit aussetzen
An dieser Stelle werden wir hier regelmäßig Nachrichten aus Russland veröffentlichen. Die Quelle wird meist die Nachrichtenagentur TASS sein. Wir werden hier keine Meinungsartikel veröffentlichen, sondern lediglich Meldungen der TASS in unseren Worten wiedergeben.
Hintergrund dieser Idee ist der Versuch, die russische Perspektive in Deutschland präsenter zu machen. Wir kommentieren die Meldungen bewusst nicht, sondern geben nur ihren Inhalt wieder. Wir hoffen, auf diese Weise die deutsche Berichterstattung mit unseren begrenzten Möglichkeiten etwas zu verbreitern.
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MOSKAU, 25. Juni. / Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, die BRICS-Staaten hätten beschlossen, bei der Aufnahme neuer Mitglieder eine „Pause“ einzulegen. Russland hat am 1. Januar 2024 die einjährige Präsidentschaft der BRICS übernommen. Die russische Präsidentschaft sieht mehr als 250 verschiedene Veranstaltungen vor, wobei ein BRICS-Gipfel in Kasan im Oktober 2024 im Mittelpunkt steht. Am 10. und 11. Juni fand in Nischni Nowgorod ein Treffen der BRICS-Außenminister statt. Es war das erste Ministertreffen nach der BRICS-Erweiterung im Jahr 2023. Inzwischen haben sich Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate BRICS angeschlossen. Sie wurden durch Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika als vollwertige BRICS-Mitglieder anerkannt Etwa 30 weitere Länder sind an einer Zusammenarbeit mit dem Verband in der einen oder anderen Form interessiert. Dennoch kündigte der russische Außenminister eine temporäre Unterbrechung neuer Aufnahmen an und begründete dies auch:„Mit überwältigender Mehrheit haben die zehn Staaten beschlossen, eine ‚Pause‘ mit neuen Mitgliedern einzulegen, um die neuen Mitglieder ‚aufzunehmen‘, die den Verband verdoppelt haben“,sagte er bei einem Treffen mit der Sprecherin des belarussischen Oberhauses, Natalia Kochanowa. Lawrow fuhr fort:
„Gleichzeitig arbeiten wir an Kategorien von Partnerländern als Vorstufe zu einer vollwertigen Mitgliedschaft. Wir werden unsere belarussischen Freunde wie auch eine Reihe anderer gleichgesinnter Nationen unterstützen“,sagte Lawrow, der sich zu einem offiziellen Besuch in Minsk aufhält. BRICS wird sich also weiterentwickeln und das Tempo an die Gegebenheiten anpassen.
Populismus? Na logo!
Das bürgerliche Lager glaubt schon wieder an einen Betriebsunfall. Jetzt hat es wie aus dem Nichts mit Populisten zu tun. Wie aus dem Nichts? Immer dasselbe: Die haben doch nichts gewusst!
Und plötzlich waren die Populisten da. Rechtspopulisten. Linkspopulisten. Leute, die ohne Fakten auf Emotion trimmen. Bis kürzlich war noch alles im Rahmen. Da waren Fakten Fakten. Populisten gab in jenen Tagen auch. Aber sie standen seitlich, meldeten sich hin und wieder zu Wort, konnten aber politisch kaum punkten. Bis zu einem Moment, den das Bürgertum noch nicht konkret definiert hat. Ab da kamen diese Populisten über die Gesellschaft. Man konnte sich nicht wehren, sie belagerten alle Kanäle, eingeladen hat sie aber niemand. Jetzt heiße es die Populisten wieder zu vertreiben. Die Bürgerlichen können sie sich nur als kurzen Betriebsunfall denken.
Exemplarisch für diese Denkart ist ein Buchempfehlung im Feuilleton der FAZ. Der Philosoph Daniel-Pascal Zorn hat mit »Logik für Demokraten« eine Anleitung gegen den Populismus geschrieben. Der Titel sei hierbei Programm. Man kann was gegen Populisten machen? Na logo! Mit Logik. Ich stelle an dieser Stelle die Frage hintan, ob das Buch was taugt oder nicht. Dazu sollte ich es zunächst lesen. Die Damen und Herren von Klett-Cotta dürfen sich an dieser Stelle einen Ruck verpassen. Meine Adresse für eine etwaige Büchersendung entnehmen Sie dem Impressum. Um was es mir eher geht, das sind die Denkansätze, die der Rezensor der Buchempfehlung offenlegt.
Kurzer Einwurf: Bezeichnenderweise flankierte man den Text mit einem Foto Lafontaines. Des Populisten schlechthin – wenn man bei der FAZ arbeitet. Ob nun von links oder von rechts der Populismus bedient wird, da macht man bei jenem Laden wenig Unterschiede. Die Extremismustheorie um Backes und Jessen ist weit gekommen. Erst durchdrang sie den Verfassungsschutz und trichterte dem ein, dass »politischer Extremismus« unabhängig von seinen Inhalten und mittels formaler Gemeinsamkeiten bestimmt werden könne. Und nun rekrutiert man diese Gleichmacherei gleich noch bei populistischen Strömungen. Als ob die Forderung nach einen Reichensteuer dasselbe wäre, wie Rückführungskonzepte für ausländische Bürger, die sich hier schon vor Jahren ein Leben aufgebaut haben.
Eines kommt bei der Rezension und womöglich im Buch zu kurz. Vielleicht kommt es auch gar nicht vor. Wir sollten uns über die Grundsätze unterhalten. Der Populismus ist eben gar nicht größer geworden in den letzten Monaten. Er hat sich nur gewandelt. Es ist eben verdammt nochmal nicht so, dass Populisten jetzt am Ruder wären – das waren sie schon seit Jahren. Sie haben nur andere Themen populistisch ausgeschlachtet. Der Sozialabbau der letzten Jahrzehnte: Er baute auf populistische Kampagnen gegen die angebliche Faulheit und Verschlagenheit von Leistungsberechtigten. Florida-Rolf, der Kanzler, der sagte, es gäbe kein Recht auf Faulheit oder Wolfgang Clement, der was über Legionen nicht greifbarer Arbeitsloser nuschelte: Was bitte war das? War das etwa der Logos, der jetzt wieder Einzug halten soll in die Debatte?
Was ist mit der Austeritätspolitik, die die Interessen deutscher Firmen in Griechenland sicherstellte? Hat man die mit logischen Argumenten begründet? Ist es das: Sparzwang als Ausdruck höchster Logik? Es waren diese frechen Linkspopulisten, die mit logischen Begründungen klarstellten, dass man so keine Volkswirtschaft rette. Und diese Logikpopulisten von links, die könne man jetzt nur mit der Reaktivierung der Logik eindämmen? Mit einer Superlogik, einer Überlogik? Das ist vermutlich der Moment, in dem Aristoteles Gottlob Frege zuzwinkert und auf die degenerierte Nachwelt anstößt: Musste so kommen, ruft er ihm zu, war nur zu logisch!
Daran mangelt es ganz grundsätzlich, wenn man im bürgerlichen Lager nach Einschätzungen der aktuellen Situation fischt. Zunächst werfen sie Populisten aus allen Lagern zusammen und erzählen einem etwas davon, dass sie umstellt sind von postfaktischen Extremisten. Und daraus filtern sie dann, dass diese Gestalten wie ein Betriebsunfall plötzlich geschehen sind. Vorher war die Welt noch in Ordnung. Wie konnte es denn nur so weit kommen? Mit postfaktischen Populisten haben wir es allerdings schon weitaus länger zu tun, wie oben im populistisch und polemischen Ton angerissen wurde.
Die Sache war nur die: Es waren die Populisten des bürgerlichen Lagers. Die eigenen Leute quasi. Haftet einem der Stallgeruch an, dann merkt man nicht gleich, wenn etwas stinkt. Der Populismus gegen faule Arbeitslose war ja nun für das Bürgertum gar nicht populistisch, sondern eher eine höhere Wahrheit. Für die Linkspopulisten, vor denen man sich dann sogar noch mehr fürchtet unter Bürgerlichen, ist die Situation gar nicht neu. Sie leben seit Jahren mit und unter Populisten, die als Meinungsmacher fungieren.
Die vermeintlichen Linkspopulisten hatten auch Lösungsansätze parat: Denkt doch mal logisch nach, rieten sie den Menschen, die den Reformerpopulisten in die Netze gingen. Auch hier postulierte man Logik als Mittel gegen Populismus. Hat es geholfen? Schön wäre es ja. Aber die Logik hat gegen den neoliberalen Populismus leider auch nichts bewirkt.
Im Schulz-Endeffekt: Festgefahren!
Schulz-Effekt: Vor einigen Monaten war das der Moment, an dem die Sozis glaubten, sie zögen sich am eigenen Schopf aus der Misere. Heute meint er etwas anderes: Die Verfestigung der Sozialdemokratie in politischer Bedeutungslosigkeit.
Alter Schulz-Effekt (Stand: I. Quartal 2017)
Am Anfang dieses Jahres gab es ein neues Wort im Duden des politischen Feuilletons: Den Schulz-Effekt. Damit waren die verbesserten Zahlen bei den Demoskopen gemeint, das prozentuale Gleichziehen mit der Union und die Hoffnung der Sozialdemokraten, als Partei doch wieder eine Rolle in diesem Lande zu spielen. Nicht als Steigbügelhalter, sondern als diejenigen, die in den Sattel steigen. Der Schulz-Effekt meinte eine Dynamik, die in Gang kam und von der man vermutete, sie hänge entweder mit dem rhetorischen Talent des Namensgebers zusammen oder aber mit dessen Glaubhaftigkeit – wahrscheinlich aber mit beidem.
Er sprach ja auch viel von Gerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit genauer gesagt. Davon Menschen nicht mehr aufzugeben, sie wieder ins Boot zurückzuholen. Besonders die hart arbeitenden Menschen sollten nicht die Zeche zahlen müssen. Recht viel mehr kam da nicht, konkreter wurden seine Absichten selten formuliert. Seine Taten jedoch, oder besser gesagt seine Pläne, unterstrichen dann nur eines: Da passen Reden und Vorhaben nicht so richtig zusammen. Kaum hatte er beispielsweise die neoliberalen Zwänge auf einem internationalen Treffen von sozialdemokratischen Parteien thematisiert und so die Sozis zu Getriebenen stilisiert, segnete man ohne Not die ersten Schritte zur Privatisierung der Autobahn ab.
Neuer Schulz-Effekt (Stand: III. Quartal 2017)
Vom Schulz-Effekt spricht heute keiner mehr. Dabei gibt es einen neuerlichen Schulz-Effekt, der mit dem Begriff von vor sechs Monaten gar nichts mehr Qualitatives gemein hat. Der heutige Schulz-Effekt ist ein Zustand der Agonie, der Verfestigung einer Partei in ihrer eigenen Unzulänglichkeit – und das in einem Klima des gekünstelten Aufbruchs. Schulz war nicht der messianische Retter, die eschatologische Oase nach langen Wüstenjahren, sondern er hat sich im Laufe dieses Jahres als unvorstellbares Missverständnis erwiesen. Der mit 100 Prozent ausgestattete Aufbruch war ein hundertprozentiger Einbruch, der sich gut als etwas Gegenteiliges verkappt hat. Der Schulz-Effekt war ein fataler Höhenrausch ohne Karabiner. Er ist so heimtückisch, weil er mit der Aussicht auf eine Erfolgsgeschichte in noch tiefere Agonie stieß.
Jetzt läuft die SPD Gefahr, bei der Bundestagswahl in knapp vier Wochen, schlechter abzuschneiden als 2009. Damals erreichten die Partei gerade mal 23 Prozent der Stimmen – das war das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. Mittlerweile verstetigt der Schulz-Effekt die SPD bei Umfragen bei 22 Prozent. Aus dem prognostizierten »So-gut-wie-lange-nicht-mehr« ist ein »So-schlecht-wie-nie-zuvor« geworden.
Im Schulz-Endeffekt
Die SPD hat sich festgefahren. Natürlich war sie das vor Schulz bereits, auch ein Kanzlerkandidat Gabriel hätte keine Wahl für sich entscheiden können, wäre aber auch nie der Abklatsch eines Hoffnungsträgers gewesen, womit etwaige enttäuschte Hoffnungen vermieden wären. Schulz muss man zum Vorwurf machen, dass er seine ohnehin strauchelnde Partei nur intern wachküsste. Innerhalb der Sozialdemokratie ist die Schwärmerei ausgebrochen und hat die Resignation verdrängt. Wo der Sozi vor Monaten noch mit der Republik haderte, weil er sich nicht richtig gewürdigt sah, obgleich die Politik seiner Partei Deutschland angeblich so wettbewerbsfähig machte, obwohl sie den Mindestlohn brachte, da schwärmt er heute für den Geist des Aufbruchs, packt an, glaubt an den Wahlsieg und betrachtet Schulz als einen Lebensspender.
Kurz gesagt, im Schulz-Endeffekt hat der Mann seine Partei im Dämmerzustand verewigt, ihr ein Fundament in der Bedeutungslosigkeit der Bundespolitik gegossen, den Krisen-Sozis keinen Ausweg aus ihrer Misere aufgezeigt, sondern ein Arrangement mit derselben. Schulz ist als Aufbruch gescheitert und endete im Abfinden mit der Situation. Bei Gabriel wusste selbst die SPD-Basis, dass der eigene Verein in einer Krise steckt; Gabriel war die inkarnierte Krisenhaftigkeit der Sozialdemokratie. Sah man ihn, so wusste selbst der Besitzer des roten Parteibuches, dass man in schlimmen Zeiten steckte. Bei Schulz ist diese Gewissheit aufgeweicht. Zwar scheint die SPD weiter abzugleiten, einen neuen Negativrekord einzuleiten, aber irgendwie ist es, als klingen in den Ortsvereinen trotzdem die Glöckchen der Seligkeit und keiner merkt so richtig, wie die SPD mehr und mehr an Rückhalt verliert.
Über die Relativitätstheorie der Armut
Leben wir nicht in einem goldenen Zeitalter? Arm – wer ist das heute noch? Selbst die Armen sehen aus wie »Reiche light«, wie KiK-kostengünstig eingekleidete Besserverdiener. Wer wohnt bei uns schon in Wellblechverschlägen und fischt sich Lebensmittel aus dem Abfall? Das gibt es in Deutschland gar nicht. Armut ist daher für viele Beobachter gar kein Terminus mehr, den man gebrauchen könnte. Sie ist aus der Mode gekommen, weil der heutige Wohlstand der Armut gar keinen Spielraum mehr lässt. Wer hungert denn bitte ernstlich? An einer Appendizitis verendet doch bei uns keiner. Armut ist abgeschafft – Deutschland macht weiter so.
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Mindestlohn und DAX-Gehälter: In Häppchen serviert
Vor einigen Tagen versorgte man uns mit Nachrichten vom Aufschwung. 2018 war ein gutes Jahr, eines mit satten Zuwächsen beim Verdienst. Jedenfalls für DAX-Vorstände. 3,6 Prozent oder 7,5 Millionen Euro mehr als 2017 wurden ausgeschüttet – für eine kleine Riege von 23 Männern. Für 2018 und 2019 werden bereits weitere Steigerungen erwartet. Erst 2020 soll es wieder ein Minus geben. Bis dahin stellt die letztjährige Ausschüttung gewissermaßen den Mindestlohn für die illustre Riege potenter Firmenchefs dar.
Über den Mindestlohn gab es gleichzeitig übrigens auch eine Nachricht. Ob das eine aus dem Aufschwungsrepertoire ist, ganz so wie die freudige Botschaft der Bereicherung an sich ohnehin schon reicher Männer, ist da freilich Ansichtssache. Für die Betroffenen ist es aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfreulich, dass sie um ihren Mindeststandard gebracht werden. Der Zoll hat 2018 nämlich mehr Mindestlohnverstöße aufgedeckt als im Jahr zuvor. Ja, ganz richtig gelesen, im selben Zeitraum, in dem die Vorstandslöhne florierten, brachte man mehr Mindestlohnabhängige denn je um ihren verdienten, aber dann eben doch nicht verdienten (und eigentlich ohnehin zu niedrigen) Lohn.
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Meine Lebenserwartung, deine Lebenserwartung
Rente mit 70: Das sei jetzt opportun, wegen der erhöhten Lebenserwartung – findet die Bundesbank. Aber die Lebenswartung gibt es gar nicht. Es kommt immer drauf an, wen man meint.
Es ist schon unglaublich, wieviel Lebenszeit wir mittlerweile haben. Während unsere Großeltern nicht mal 67 Jahre alt wurden, sind heute 81 Lenze durchaus drin. Wenn man den geriatrischen Hochglanzmagazinen Glauben schenken darf, ist 81 noch nicht mal unbedingt gebrechlich, denn die aktiven Alten, die man uns präsentiert, kokettieren damit, dass 81 das neue 65 sei. Die Alten sind so jung wie nie – die pflegebedürftigen Senioren bekommen wir in der Regel ja auch nicht zu Gesicht. Sie sind ja nicht aktiv und drängen nicht in den Fokus.
Nicht wenige Prognosen erwarten außerdem einen weiteren Altersanstieg. Bis ins Jahr 2060 soll die Lebenserwartung in Deutschland sage und schreibe bei 87 Jahren liegen. Vor einigen Jahren meldeten Berechnungen eines Wirtschaftswissenschaftlers, dass alle 2016 geborenen Menschen je nach Geschlecht zwischen 90 oder 93 Jahre alt würden. Als ob es immer weiter und weiter gehen und man die Biologie austricksen könnte. Prognosen über zukünftige gefühlte Lebensalter gibt es hingegen nicht. Da wir aber angeblich immer besser medizinisch betreut werden, kann man schon vermuten, dass 87 dann das neue 61 sein wird.
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Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug …
Ab 2020 wird die Deutsche Bahn Kartenzahlung in ihren Bordrestaurants ermöglichen. Jetzt geht es Schlag auf Schlag mit der Zukunft. Mittlerweile hört sich das Unternehmen an wie das ZK von einst: Von gestern, aber siegesgewiss.
So lange ist das noch nicht her, da hat sich die Deutsche Bahn ein bisschen großzügig vor die Öffentlichkeit gestellt und verkündet, dass in ihren Intercity-Express-Zügen künftighin auch kostenfreies Internet geboten sein wird. Anfang 2017 war das. Vorher hat man für eine nicht sonderlich stabile Verbindung richtig Geld hinlegen müssen. Teilweise musste man für zwei Stunden mobile Zeit acht Euro berappen. Was Reisende im Laufe vieler Jahre da in ihre Erreichbarkeit gesteckt haben, kann man sich ausrechnen.
Aber vor knapp drei Jahren war das alles vorbei, da kam die Bahn an. Nicht immer am Bahnhof zwar, aber wenigstens in der Zukunft, im technologischen Utopia. Damit warb sie dann auch großkotzig, als ob ein Internetzugang 2017 noch etwas war, was man sonst nirgends bekam.
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Vertrauen ist gut, Whistleblowing ist besser
Der Whistleblower ist kein verschlagener Typ, kein linkischer Verräter. Man muss ihn natürlich auch nicht als Helden betrachten. Er ist ganz schlicht eine Kontrollinstanz. Daher wäre es so wichtig, Whistleblowing gesetzlich zu schützen.
Nie wieder! Ich finde, diese Forderung, die wir beim Gedenken an den Nationalsozialismus im Munde führen, muss unbedingt auf heutige Missstände angewandt werden. Zum Beispiel beim internationalen Umgang mit Whistleblowern, also aktuell mit Julian Assange, um mal den prominentesten Namen zu nennen. Ach so, bevor jetzt wieder jemand was falsch versteht: Nein, die Haftbedingungen Assanges sind nicht gleichzusetzen mit den Verbrechen der Faschisten. Insofern ist das hier weder ein Vergleich noch eine Banalisierung.
Eigentlich will ich aber auf was ganz anderes hinaus, mal ganz unabhängig vom Fall Assange: Whistleblowing ist nämlich ohnehin kein klassisches Verbrechen. Für viele Hinweisgeber stellt sich dieser Prozess als Gewissensfrage. Oder ihr Gerechtigkeitssinn wähnt sich verletzt. Ganz sicher spielt hin und wieder auch bei manchem ein verletztes Ego mit hinein, Ärger mit dem Vorgesetzten zum Beispiel.
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