Freundschaft, liebe Ossis!

Vor 33 Jahren holte sich die Bundesrepublik 16 Millionen Neonazis ins Bundesgebiet. So simpel sehen es viele im Lande. Die Wahrheit geht anders: Ohne diese 16 Millionen Ostdeutsche, wäre dieses Land längst eine Selbstzufriedenheitsdiktatur. Vor einigen Jahren schrieb Thomas Brussig seinen vielleicht besten Roman: »Das gibts in keinem Russenfilm«. Thomas Brussig heißt auch die Hauptfigur des Werkes – 1991 erscheint dessen erster Roman in der DDR. Gleichzeitig wird er zu einer Eminenz des Widerstandes gegen den Staat. Das jedoch mehr ungewollt als alles andere. Richtig gelesen: 1991 in der DDR. Denn die Prämisse des Romans ist folgende: Die Wiedervereinigung fand einfach nicht statt; kein Günter Schabowski, der stammelt und sich für einen Augenblick überrumpeln ließ. Alles blieb beim Alten, die DDR existierte weiter, immer weiter: Holzt irgendwann ihre Wälder ab, baut aus Holz Windräder, wird zu einer Art Grünstrom-Nation – in der es wegen der Rotation der Windräder durchgehend surrt, weswegen auch die Unfallquote in die Höhe schnellt: Anrauschende Rennpappen werden nicht mehr gehört. Die Geschichte strotzt nur so vor Koketterien mit dem, was im Roman nicht, in der Wirklichkeit aber schon passiert ist. Eine Ebene behandelt aber Brussig nicht, kann er auch gar nicht, denn seine Story spielt in Ostdeutschland. Hätten die Westdeutschen was verpasst, wenn beide deutschen Völker nicht zusammengefunden hätten? Der Mainstream würde wohl hinter vorgehaltener Hand sagen: Wir hätten uns den Rechtsruck gespart. Stimmt das? Der Ostdeutsche als potenzieller Rechtsradikaler?

Die DDR als Demokratieschule

Jedes Jahr kurz vor dem Einheitstag bemühen die Medien dieses Landes solche, die sie als Experten taxieren. In dem Fall Psychodoktoren und soziologische Fachangestellte: Die sollen mal was zum Ossi sagen. Allerlei vernimmt man dann. Sie seien abgehängt, hätten in der DDR einfach nicht beigebracht bekommen, wie man demokratische Werte pflegt. Und ja, der real existierende Sozialismus habe im Grunde den Faschismus begünstigt. Eine infame Einschätzung. Ganz so, als habe der Westen nie und nimmer rechtsradikale Exzesse erlebt. Die Wehrsportgruppe Hoffmann oder die Anschläge in Mölln: Soll da auch die Stasi dahinterstecken, so wie beim Mord an Benno Ohnesorg? Die Ostdeutschen sind so eine Art Russen im eigenen Lande. Man schiebt ihnen das Elend des Landes, die traurigen Ecken, die schlimmen Exzesse, das strukturelle Versagen gerne mal in die Schuhe. Gewinnt Donald Trump die US-Präsidentenwahlen, weiß man schnell, wer verantwortlich war: Die Russen. Hier läuft es ähnlich, nur reden unsere Russen sächsisch. Dass Ostdeutsche auch irgendwie Migranten sind, konnte man noch 2018 in der taz lesen – Interview mit einer Migrationsforscherin. Migranten verließen ihr Land, sagte sie. Die Ostdeutschen wurden von ihrem Land verlassen. Die Folgen seien ähnlich traumatisch. Da heute besonders Menschen aus dem Osten des Landes gegen diese Eskalation des Krieges sind, würde die taz dergleichen dieser Tage vermutlich nicht mehr publizieren. Mir liegt es fern, die Ostdeutschen jetzt rein zu viktimisieren, als traumatisierte Opfer hinzustellen. Das wird ihnen nicht gerecht. Und stellt eine andere Form der Bevormundung dar. Aber es ist schon was dran an dem Umstand, dass Ostdeutsche zuweilen fremd wirken. Ganz einfach, weil sie es sind. Und sie sind es nicht, weil sie alle irgendwie die Tendenz aufweisen, rechten Parolen nachzueifern. Das Gegenteil könnte zutreffen. Mag auch die DDR in den Schulen nicht Politikwissenschaft dem Sinne nach gelehrt haben, ihre Bürger zu mündigen politischen und demokratischen Wesen zu erziehen (hier spricht vielleicht der Wessi, der es nicht besser weiß?), so hat sie doch indirekt »demokratische Bürger« heranreifen lassen.

Unangepasst, widerspenstig, kurz: Lebendig!

Wir sehen das ja heute in ähnlicher Manier: Der Staat – nun der gesamtdeutsche – ist übergriffig wie nie. Er bevormundet seine Bürger an vielen Stellen, gibt sich arrogant-paternalistisch hier, verordnend und despotisch dort. Führt das etwa dazu, dass die Menschen sich verstärkt einlullen lassen? Man könnte das annehmen, aber ganz offenbar wächst da Widerstand, immer mehr glauben dem Mainstream wenig bis nichts, weichen auf Alternativmedien aus, kehren der Politik und den Wahlen den Rücken (oder geben der Partei eines Politikers, der einer Kampagne ausgesetzt wird, in Umfragen erst recht ihre Stimme; Stichwort: Aiwanger und Freie Wähler), machen sich also eigene Gedanken und suchen nach anderen Möglichkeiten, als denen, die einem vorgesetzt werden. Kurz und gut, sie entdecken demokratische Qualitäten. Gleichzeitig erzählen die oben genannten Experten, dass die Ostdeutschen die Jahre der Diktatur als so prägend empfunden hätten, dass sie nicht aus dem diktatorischen Muster ausscheren könnten. Ist das so? Kann das Wort »Diktatur« überhaupt verwendet werden, ohne die Opfer von Systemen, die im diktatorischen Eifer millionenfach dem Tode überstellt wurden, zu spotten? Dabei war es durchaus nicht so, dass die Menschen in der DDR zu dummen Maschinen erzogen wurden, die des eigenen Denkens nicht fähig wären. Wie gesagt, das System hat sie durchaus zu meinungsstarken Individuen geformt. Vielleicht ungewollt, aber in einem Staat wie jenem musste man die Vorgänge kritisch begutachten. Ohne diese Kernkompetenz wäre eine friedliche Revolution wie jene von 1989 gar nicht möglich gewesen. Dort lernte man zwischen den Zeilen zu lesen, Kontexte zu begreifen. Das Regime machte solche Qualifikationen notwendig. Dass Ostdeutsche auf dem Gebiet heute kritischer sind, hat mit dieser Geschichte zu tun – der naive Westler hat in der Zeit beigebracht bekommen, dass es die Politik schon richtet, schließlich sei das ihre Aufgabe: Arbeitsteilung halt. Du gehst malochen und die große Politik kümmert sich um die Rahmenbedingungen, misch dich da mal nicht zu sehr ein. Heute begreift der Osten Neuigkeiten und politische Vorgaben ganz anders als der Westen: Eben weil er so sozialisiert wurde, dass er Misstrauen gegenüber denen an den Tag legt, die etwas zu sagen haben. Manchmal mag das Misstrauen sicher überzogen sein, aber grundsätzlich ist Skepsis ja ein demokratischer Wert. Denn er führt zu Überprüfung, dazu die Dinge nochmal von einer anderen Warte aus zu betrachten.

Ossi? Find ich gut!

Immer wenn die Ostdeutschen mehrheitlich oder in großer Gruppe anderer Meinung sind als der Verordnungsapparat des Mainstreams, wurden sie in den letzten Jahren in die rechte Ecke gestellt. Das Label sagt aber nichts über die wirklichen Motive und Beweggründe aus. Es ist eine Kampfansage, klassisches Framing und insofern dem Krieg um die Deutungshoheit geschuldet. Nur weil Menschen in Ostdeutschland der Meinung waren, es gäbe zu viel Islamisierung in Deutschland, sind sie noch lange keine Helter-Skelter-Anhänger, gehören nicht dem Ku-Klux-Klan an oder sind irgendwelche Hardcore-Nazis. Ja, vielleicht wählen sie noch nicht mal die AfD. Ein kritischer Blick auf die Integrationspolitik: Macht das einen zum Gefährder von rechts? Falls jemand diese Frage mit Ja beantworten möchte, sollte man mit ihm direkt danach über das Wesen der Demokratie sprechen müssen. Die Ostdeutschen haben in den letzten Jahren durch ihre differente Haltung den Meinungskorridor vergrößert. Ihre Lebenserfahrung, die die sie direkt machten und die, die sie ihren Kindern mit auf den Weg gegeben haben, ist von einer tiefen Skepsis alle Welt beglücken wollender Politikdarsteller gegenüber geprägt. Wenn die etwas in die Wege leiten, bedeutet das im Osten des Landes: Achtung, hier könnte was faul sein! Und oft liegen sie damit nicht falsch. Im Westen hat man hingegen verlernt, auch mal vom Mainstream abzuweichen. Klar, das ist auch anstrengender, man riskiert Widerreden, wird vielleicht auch mal angefeindet, kriegt Ärger auf der Arbeit. Die Ossis? Die find ich gut! Sie sind – nicht alle, man darf nicht zu generalistisch sein – ein schöner Gegenentwurf zum glatten, zum angepassten westlichen Agendamenschen – auch die sind nicht alle so, aber zu viele sind es im Westen sicher. Daher muss man festhalten, dass die Welt, die Thomas Brussig in seinem Roman da skizziert, für den Westen weitaus ärmer wäre, als diese Realität, in der die DDR in das Gebiet der Bundesrepublik aufgenommen wurde. Man müsste einen Roman schreiben, der in Brussigs Kosmos spielt, aber den Westen ohne Wiedervereinigung nachzeichnet. Tendenziell würde ich die Geschichte so schreiben, dass der Westen noch eine Weile ohne Probleme dastehen würde – aber die Bürger Westdeutschlands würden zunehmend unkritischer werden, kaum noch politisches Gespür haben, mehr und mehr abstumpfen und sich der verordnenden Agenda unterordnen. Sie würden wären dann also irgendwann so, wie sie sich den Deutschen der DDR immer vorgestellt haben. Sie wären ein bisschen so wie jetzt, wie in dieser Wirklichkeit. Nur ohne kritische Ossis. Und damit ohne den Versuch eines Korrektivs aus Teilen des Souveräns heraus.

Sie liebten und sie hassten ihn

Am 27. Oktober ehren die Sozis ihren Gerhard Schröder für 60 Jahre Parteizugehörigkeit. Neulich wollten sie ihn noch aus der Partei kugeln. Wegen seiner Nähe zu Russland. Die Agenda 2010 war nie ein Problem für die Genossen. Nachdem Gerhard Schröder aus dem Kanzleramt zu Gazprom wechselte, gaben sich viele Bürger im Land kritisch – besonders jene, die die Agenda 2010 und Hartz IV verteufelten. Dass er der Genosse der Bosse und Manager sei: Damit wäre es ja endgültig bewiesen, erklärten sie damals. Am 22. November 2005 schied er aus dem Amt aus, nur 17 Tage später – am 9. Dezember – wird bekannt, dass er zu Gazprom wechselt und Aufsichtsratschef für das damals erst gegründete Konsortium zum Bau der neuen Ostseepipeline werden würde. Die Sozialdemokraten hielten sich damals bedeckt – sucht man aktiv nach kritischen SPD-Stimmen um das Jahr 2005/06, so findet man: Nichts. Womöglich witterten die Genossen damals sogar eine Kampagne, die dazu angeleiert wurde, das Andenken an jenen Bundeskanzler Schröder zu beschmutzen. Die Sozialdemokraten waren feinfühlig in jenen Jahren, übersensibel, sie wurden ja hart kritisiert für ihre Abkehr von alten Pfaden – und sie litten unter Verfolgungswahn. Dass sie aus guten Gründen Kritik einfuhren, weil sie ihre Stammklientel, die Arbeiter und Angestellten, verraten haben: Darauf kamen sie gemeinhin nicht. Die SPD konnte damals schon Opfer-Abo.

»Unser Gerhard« trotz Hartz IV

Ihre Reformen waren aus ihrer Sicht richtig und alternativlos – das TINA-Prinzip hatte sie voll im Griff. Die Leute, die auf die Straße gingen, die Montagsdemonstrationen gegen den Sozialabbau besuchten, verunglimpften sie. Für die SPD waren diese Leute eine Mischung aus Querulantentum – heute würde man sie Querdenker nennen – und Begriffsstutzigkeit. Letzteres erklärte man so: Die Agenda 2010 würde nur deswegen nicht akzeptiert, weil sie nicht richtig vermittelt wurde. Die Leute seien dagegen, weil sie noch nicht verstanden haben, welche Segnungen darin schlummerten. Auf die Agenda ließen die Sozialdemokraten nichts kommen – auch nach Schröder nicht. Für einige Sozialdemokraten habe er zwar die Partei auf Abwege gebracht, aber so richtig gebrochen haben sie mit »unserem Gerhard« nicht. Noch nicht mal die Drehtür, also direkt aus einem politischen Amt auf einen Aufsichtsratsposten gestolpert zu sein, nahmen sie ihm krumm. Erst in den letzten Monaten hat man entdeckt, dass dieser Schritt Empörung bedarf. Wie immer bei der Sozialdemokratie: Mit jahrelanger Verspätung – und als andere sozialdemokratische Konstante ebenso: Aus den falschen Gründen. Nicht, dass er sein politisches Amt nutzte, um sich für die Wirtschaft zu empfehlen, machen sie ihm zum Vorwurf – das kam ihnen ja jahrelang nicht in den Sinn. Nein, weil er eine Nähe zu Russland zuließ, die jetzt als schmuddelig galt. Nun kann man jenem Gerhard Schröder viel vorwerfen. Und man muss es objektiv betrachtet auch tun, denn er hat seine Partei als »Alternative für Deutschland« aus dem Spiel genommen, ein politisches Vakuum entstehen lassen (was die Sozis aus der Zeit nach seiner Kanzlerschaft nochmal forcierten, indem sie in eine Dauerkoalition mit der Union gingen) – aber die wirtschaftliche Partnerschaft mit Russland war und ist ganz und gar nicht als Vorwurf geeignet. Ganz im Gegenteil, das war ein Schritt nicht nur in die richtige Richtung, sondern eben auch im Sinne des sozialdemokratischen Erbes.

Wandel durch Handel

Wandel durch Annäherung: Diese Parole von Brandt und Bahr ist ja nicht nur so zu verstehen, dass man sich geschniegelt an einen Tisch hockt und Nettigkeiten austauscht. Da braucht es mehr: Wirtschaftliche Verbundenheit etwa. Das Abkommen über Gaslieferungen mit Russland, die Ostseepipeline im Konkreten: So näherte man sich an, so wandelte man die Umstände. Diesen Schritt zu gehen, kann man ihm nicht vorwerfen. It’s the economy, stupid! Potenzial zur Kritik wäre der Drehtüreffekt gewesen. Aber man schwieg – insbesondere wie bereits erwähnt unter Sozialdemokraten. Kein schlechtes Wort auf den Ex-Chef bitte. In den Jahren danach brach die Partei auch nicht mit dem Erbe jenes angeblich Dritten Weges, den er zusammen mit seinem blassroten Kollegen aus London eingehen wollte: Das Schröder-Blair-Papier blieb weiterhin die Leitlinie, die Sozialdemokratie verteidigte Hartz IV bis aufs Blut. Richtig sei das gewesen – wichtig sowieso. Fördern. Fordern. Wer das kritisierte, war ein gefallener Engel aus der Hölle. Einige Dissidenten wurden durch Zuteilung ministerieller Posten kaltgestellt. Grüße an Frau Nahles an dieser Stelle, die später sogar »Chefin« der Arbeitslosen wurde. Dass unter Schröder eine Kehrtwende stattfand: Als nominelle Kraft, die den Schwachen in der Gesellschaft dienen wollte, zu einer Truppe, die Schwache marginalisierte und kriminalisierte, dabei deren mögliche Perspektiven raubte: Die Partei hätte aufstehen müssen – und ein Parteiausschlussverfahren für den Gert wäre nur konsequent gewesen. Das alles gab es aber nicht. Schröder wurde danach als elder statesman verkauft, als einer, der es in der Welt zu was brachte – und obgleich die Partei an der Basis brodelte, trotzdem es Kritik an der Neoliberalisierung gab, lud man ihn auch mal zu Veranstaltungen ein, bei denen er als Großer der Sozialdemokratie vorgestellt wurde.

Außen-Gerd und Innen-Gerd

Und kaum, dass es als unschicklich galt, zu viel Nähe zu Russland oder zu Russen zu haben, knicken die Sozialdemokraten ein und brechen mit Gerhard Schröder – über Jahre war man vielleicht nicht ganz glücklich mit ihm, schließlich war er kein Willy Brandt. Aber er war einer von ihnen, jemand, den sie Respekt entgegenbrachten, der in seiner Jugend mit dem Spitznamen Acker Fußball rumpelte, der also ein Anpacker war, ein Kämpfer – auch wenn er ihren Wählern schwere Zeiten einhandelte, ein Gerhard Schröder, es gab nur ein Gerhard Schröööder! Innenpolitisch hat er die Sozialdemokratie zerrissen, sein Kurs hat seine Partei von einer Volks- zu einer etwas größeren Kleinpartei gemacht. Sein Erbe, von dem sich die Sozialdemokraten nicht lösen wollten, hat bewirkt, dass mancher SPD-Kanzlerkandidat lächerliche Wahlergebnisse einfuhr. Aber all das nahm man hin, saß man aus, rechtfertigte man noch mit kecker Chuzpe. Ganz anders außenpolitisch: Nicht, dass Gerhard Schröder ein geopolitisches Naturtalent gewesen wäre. Der Anwalt aus Niedersachsen war kein Kosmopolit, er sah nur so aus in seinem Brioni-Anzug. Und so ein Zigarrenstumpen im Mundwinkel macht schnell weltläufiger, als man eigentlich ist. Aber so richtig viele Fehler hat er auf dem internationalen Parkett nicht begangen. Abenteuer im Irak schloss er aus, das kostete ihm Sympathien in Washington – auch wenn man hinzufügen muss: Natürlich war Deutschland via Ramstein am Irakkrieg beteiligt. Das warfen ihm auch etliche Kritiker vor. Aber vielleicht erwarteten sie zu viel von einem deutschen Kanzler – mehr als er zu leisten imstande war. Zögerlich hielt er die Bundeswehr im Irak heraus und ließ sich auch nicht umstimmen. Wer nicht für Bush war, war gegen ihn. Für einen Augenblick ließ das US-Regime ihn das spüren. Sein Zusammenrücken mit Russland war die andere Ebene seiner außenpolitischen Leistung. Ob Irak oder Russland, beides sind (übersichtliche) internationale »Erfolge« des Gerhard Schröder. Außerhalb Deutschlands hat er einfach mehr geleistet als innerhalb dieses Landes. Dass er deshalb heute von seinen Mitgenossen geächtet wird, ist kaum nachzuvollziehen. Hätte er nur und ausschließlich Arbeitnehmer und Arbeitslose unter Druck gesetzt und ihnen den Sozialstaat beschnitten, sie wären fein mit ihm – er wäre heute ein Held der Arbeit innerhalb der SPD. Und seine 60 Jahre in der Partei wären eine einzige Erfolgsgeschichte.

Jens Bergers „Wem gehört Deutschland“ – 10 Jahre später

Vor 10 Jahren erschien Jens Bergers Buch „Wem gehört Deutschland?“, in dem er sich mit der Frage auseinandersetzte, wie das Geld, das Vermögen und der Besitz in Deutschland verteilt sind. Damals war das Thema fast schon exotisch. Heute, 10 Jahre später, bewegt die gleiche Frage zahlreiche Fachleute, aber auch die Leute, denen Deutschland nicht gehört. Im Interview mit Jens Berger dreht sich alles um die Frage, was sich im Vergleich zu damals verändert hat, was gleich geblieben ist und: Wohin wird die Reise gehen? Tom J. Wellbrock im Gespräch mit Jens Berger. Inhalt: 01:00 Wem gehört Deutschland? Heute und vor 10 Jahren 02:00 Was ist Vermögen? 07:30 Die Vermögensverteilung 10:00 Macht durch Vermögen 13:00 Der Traum von der eigenen Immobilie 19:00 Das Volksvermögen 23:30 Die Herren der Welt 32:00 Getriggert: Zins und Zinseszins und Querdenker 38:00 Nazi-Vermögen damals und heute 44:00 Wem gehört Corona-Deutschland? 54:00 Blick in die Zukunft

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen
 

Direkt-Link Episode herunterladen Audio-Player:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Wem gehört Deutschland? Spenden: Per Überweisung oder Dauerauftrag: Kontoinhaber: Jörg Wellbrock Kontobezeichnung: neulandrebellen IBAN: DE10 2305 2750 0081 6124 26 BIC: NOLADE21RZB Via PayPal: NEU! NEU! NEU! tjwellbrock@googlemail.com Steady: steadyhq.com/de/neulandrebellen/about

Fußball nach Stimmungslage

10
Von Rüdiger Rauls Am 14. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Die Turniere der vergangenen Jahre zeigen, dass Fußball inzwischen nicht mehr nur Spiel ist, sondern mehr denn je Politik. Über die Jahrzehnte betrachtet ist er auch Ausdruck nationaler Befindlichkeit.

Auferstehung

Im Verlauf eines Turniers oder bei Sieg und Niederlage werden mitunter unbewusste Wünsche oder Hoffnungen deutlich, die Fußball offenlegt oder erfüllt. Diese sind dem einzelnen nicht immer so klar und werden oftmals erst im Rückblick erkannt. Ein solches Ereignis war der Sieg der deutschen Nationalelf von 1954, der erste Weltmeistertitel, der bis heute immer noch sehr verklärt wird. Der Sieg beim WM-Turnier in der Schweiz war der Aufstieg des Phönix aus der Asche. „Wir sind wieder wer!“ Das war nun die vorherrschende Stimmung, nachdem die Niederlage im Krieg bis dahin sehr viele nicht hatten verwinden können. Dabei ging es wirtschaftlich wieder bergauf. Das Wirtschaftswunder war in großen Teilen der Bevölkerung bereits zu spüren, und doch hatte der deutschen Volksseele bis zum „Wunder von Bern“ etwas gefehlt. Der Sieg in einer Fußball-Weltmeisterschaft war für viele die Wiedergutmachung für die Schmach der Kriegsniederlage. Diese war so unverständlich und unglaublich gewesen nach all den Prophezeiungen und Versicherungen der Vorsehung, dass der Traum vom Endsieg noch Jahre nach dem Krieg in vielen Köpfen weiter spukte. Dabei war eines für die meisten Kriegsteilnehmer vollkommen klar: Es hatte nicht am deutschen Landser gelegen. Der war sauber und ehrlich gewesen, hatte heldenhaft gekämpft und hatte sich keine Vorwürfe zu machen weder für die Niederlage noch für alles, was im Krieg geschehen war. Aber alle Zweifel, Demütigungen und Schuldzuweisungen waren vergessen nach dem Sieg in Bern. Er war der Wundverband für die geschundene deutsche Seele. „Wir sind wieder wer! Wir lassen nicht länger auf uns herumtrampeln“ In dieser erlösten Stimmung standen Hunderttausende an der Bahnstrecke, bei Durchfahrt und Ankunft in den Bahnhöfen und jubelten dem „roten Blitz“ zu, jenem Zug mit den Siegern und Helden von Bern. Im Überschwang des Siegesgefühls erscholl aus Hunderttausenden Kehlen das Deutschlandlied, die erste Strophe, die Deutschlands Größe besang, hier als Auferstehung. Dabei ging es nicht um die geographische, es ging um die wieder errungene nationale Größe. Es war der verspätete Triumphzug heimkehrender Helden. Wenn sie auch nicht als Sieger aus der Sowjetunion heimkehrten, so doch nach einer vergleichbaren Schlacht, in der niemand mit dem Sieg der Kriegsverlierer gerechnet hatte.  Es war ein zweites „Deutschland erwache!“ Man hatte der Welt gezeigt, dass man siegen konnte. Deutschland-West schwamm auf einer Welle des Nationalstolzes und der Genugtuung. Der Sieg in Bern war für viele die Wiedergutmachung für die Niederlage im Krieg.

Gute Nachbarn

Unter einem ganz anderen Stern und einer davon vollkommen verschiedenen Stimmung fand die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland statt. Der Krieg war für die meisten lange vorbei. Eine junge Generation war herangewachsen, eine moderne, aufmüpfige. Die Studentenbewegung hatte das Land durchgeschüttelt. Alte Zöpfe waren ab, man trug das Haar offen, auch die Männer. Sexualität und Lust, Lebensfreude und Wohlstand waren die Themen der Zeit. Deutschland zelebrierte Weltoffenheit. Die Deutschen waren sympathisch geworden. Willy Brandt suchte die Aussöhnung mit den Nachbarn im Osten. In Warschau hatte er vor den Opfern von Krieg und Faschismus niedergekniet und um Vergebung gebeten. Die Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion sollte die Gefahr eines Atomkriegs mindern. „Wir wollen ein Volk von guten Nachbarn sein“, hatte Brandt das Ziel seiner Politik beschrieben, und so war auch die Fußball-WM 1974 in Deutschland. Sie passte zur Stimmung im Land, in Europa und in der Welt. Die Kriegsgegner von einst waren Freunde geworden, zumindest im Westen. Seit dreißig Jahren herrschte nun Frieden in Europa. Wenn auch in anderen Teilen der Welt, besonders in Vietnam noch immer erbittert gekämpft wurde, so war doch 1974 schon zu erkennen: Vietnam und damit ganz Südostasien würden den Sieg davon tragen über den amerikanischen Imperialismus.  Aber Vietnam war trotz seiner weltpolitischen Bedeutung für die meisten weit weg. In Europa herrschte Frieden und die Weltmeisterschaft in Deutschland war verbunden mit der Hoffnung auf Frieden in der Welt. In guter Nachbarschaft lebten die Völker ohne größere nationale Spannungen zusammen und feierten die Spiele, den Sport, den Wettkampf und die Freude am Spiel.

Satte Nachbarn

 Die Weltmeisterschaft 1990 in Italien brachte Deutschland den dritten Titel. Die gesellschaftliche Stimmung stand unter dem Eindruck der deutschen Wiedervereinigung. Die Mauer war gefallen, der kalte Krieg war übergegangen in einen lauwarmen Frieden. Deutschland war in Hochstimmung, weil endlich zusammenwachsen konnte, von dem man glaubte, dass es zusammen gehörte. Der Jubel der Wiedervereinigung schwang noch in der deutschen Volksseele. Sie war ein unerwartetes und auch unverdientes Geschenk für die damals regierende CDU. Denn bis zum Zeitpunkt des Mauerfalls war die Stimmung eigentlich nicht mehr so rosig. Das Wirtschaftswunder hatte Glanz und Zauber verloren. Es ging zwar immer noch bergauf, aber mühsamer. Wirtschaftskrisen und Börsenkräche hatten Spuren im Gemüt hinterlassen. Es lief nicht schlecht in Deutschland, aber das Land dümpelte dahin wie das Spiel der deutschen Mannschaft in der Zeit davor. Die Wiedervereinigung brachte neuen Schwung. Zudem hatte der deutsche Fußball durch die „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer einen neuen Hoffnungsträger gefunden nach den durchwachsenen Leistungen unter seinen Vorgängern. Der Weltmeister-Titel kam eher unerwartet. Die Aufbruchstimmung in der Gesellschaft und ein Wunsch  nach Neuanfang hatten Rückenwind gegeben.  Anders zwar als 1954 nach dem verlorenen Krieg war man wieder wer, aber nur weil Deutschland größer geworden war. Der WM-Titel und die DDR waren das Zuckerl obendrauf für eine Gesellschaft, die schon ziemlich satt war.

Spielball der Werte

Mit welcher gesellschaftlichen Stimmung der WM-Titel von 2014 einher ging, ist schwer zu sagen.  Vielleicht war es eine relative Sorglosigkeit, die sich noch einmal wohlig über das Land breitete. Die große Finanzkrise von 2008 war vorüber und glimpflicher verlaufen, als anfangs zu befürchten gewesen war. Unbekümmerte Unbeschwertheit war ihr nach den ersten Jahren vorsichtiger Erholung gefolgt. Es war doch alles nicht so schlimm gewesen, und es war noch einmal gutgegangen. Mit der Weltmeisterschaft in Russland 2018 hatte sich ein Stimmungswandel angedeutet, der sich ganz deutlich bei der WM in Qatar 2022 offenbarte. Die deutsche Gesellschaft begann, unter dem wachsenden Einfluss der Missionare des Wertedenkens missmutig zu werden. Der innere Frieden und die Freude am Spiel hatten bereits 2018 unter dem Gemäkel und der Propaganda gegenüber dem Gastgeber Russland gelitten. Mehr oder weniger versteckte Vorwürfe gegenüber der Mannschaft wurden laut vonseiten der Hohepriester der Doppelmoral für deren Teilnahme an dem Turnier in Putins Autokratie. In Katar wollte man es dann besser machen. Die Mannschaft trat auf als Botschafter einer Gesellschaft, in der Werte und Moral über allem standen, auch über dem Sport. Was schon zu Hause nicht gut ankam, wurde draußen in der Welt noch weniger geschätzt. Die deutsche Mannschaft trat unter dem Gespött derjenigen die Heimkehr an, die man in Sachen Diskriminierung hatte belehren und bekehren wollen. Der deutsche Fußball jedenfalls bot keine Lehrstunde wie noch 2014 in Brasilien und noch weniger hatte er die Welt zu einem besseren Ort machen können.

Neuer Geist?

Das kommende Turnier ist keine Weltmeisterschaft. Die deutsche Mannschaft muss sich nur mit europäischen Nachbarn vergleichen. Sie muss keine Mission erfüllen wie noch in Katar. In Europa sind die „Guten“ unter sich. Die Russen wurden ausgeladen. Im Moment kann noch nicht gesagt werden, ob und wie sich die miserable gesellschaftliche Stimmung in Deutschland auf Spiel und Geist der Mannschaft auswirkt. Unter dem neuen Trainer Julian Nagelsmann scheint ein Neuanfang gelungen, der bisher schon länger hält als die gewöhnlichen Anfangserfolge der neuen Besen. Das zeigen die Siege gegen zumindest gleich starke Gegner wie Frankreich und die Niederlande. Vor allem aber beeindruckte, wie gewonnen wurde. Nagelsmann ist der jüngste Trainer in der Geschichte des Deutschen Fußball Bundes. Vielleicht wirkt er deshalb unverkrampft gegenüber den politischen und gesellschaftlichen Vorgängen und Stimmungen. Wie so viele seiner Altersgenossen scheinen ihn solche Themen wenig zu berühren. Sein jugendliches Alter und das seines Co-Trainer Sandro Wagner ließen zuerst Zweifel aufkommen an ihrer Eignung. Aber Nagelsmann war schon in Hoffenheim, Leipzig und zuletzt beim FC Bayern München sehr erfolgreich gewesen. Als jedoch der prominentere Thomas Tuchel als Trainer frei wurde, musste Nagelsmann diesem Platz machen. Er nahm es gelassen und unaufgeregt. Tuchel war zwar nicht so erfolgreich wie Nagelsmann, aber bei den Bayern zählt nicht nur der Erfolg sondern auch das „Mia san Mia“, das öffentliche Ansehen. Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick und Joachim Löw waren andere Trainertypen. Aufgrund des Altersunterschieds waren sie eher Vaterfiguren. Dagegen sind Nagelsmann und Wagner eher der Typ des gleichaltrigen Mitspielers, haben sogar mit manchem der Spieler zusammen auf dem Platz gestanden. Eine ähnliche Situation liegt auch bei Xabi Alonso und Bayer Leverkusen vor. Vielleicht macht das ihren Erfolg aus und dass bei ihnen anscheinend andere Überlegungen als die rein sportlichen keine Rolle spielen. Wer gut spielt, steht auf dem Platz. Findet unter ihnen  ein Wandel im Verständnis von Spiel und Zusammenspiel statt? Sie treten auf wie eine Boy-Group ohne erkennbaren Chef und Leiter, mit flacher Hierarchie. Das ist vielleicht das Wesentliche ihrer Generation. Sie scheinen sich wenig zu scheren um das Urteil von anderen und deren Erwartungen. So etwas wie „work-live-balance“ liegt da in der Luft, Freude am Spiel scheint bedeutender zu sein als Image, große Namen, großes Geld oder sonstige Überlegungen. Vielleicht findet im Fußball eine Rückbesinnung auf das Wesentliche statt: Die Freude am Spiel statt der Missionierung durch Sport, auch wenn sich gerade im Verhältnis zu Russland und Weißrussland etwas anderes offenbart. Aber erst im Rückblick der Jahre wird sich zeigen, ob diese Annahmen sich als wahr herausstellen und ob sie die Stimmung in der Gesellschaft widerspiegelten. Auch in den gesellschaftlichen Diskussionen scheint diese Frage immer mehr in den Vordergrund zu rücken: Worauf kommt es an im Leben?   Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse

Deborah Feldmanns Kampf gegen staatlichen Antisemitismus

Kürzlich war die Autorin Debora Feldmann gemeinsam mit drei andere Juden zu Besuch bei Markus Lanz. Die Medien beschrieben die Sendung später als „Eklat“. Das war sie in der Tat, aber anders, als die Medienmeute es deutete. Hier kommen einige Stellen, die besonders schäbig waren. Herausragend in dieser Hinsicht: der Historiker Michael Wolffsohn.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Direkt-Link Episode herunterladen Audio-Player:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Der noch fruchtbare Schoß

Die Coronazeit hat das gesellschaftliche Feld gut bestellt. Die Saat geht nun auf. Während Corona wurde in Deutschland ein diffuses Gefühl der Bedrohung in die deutsche Gesellschaft implementiert. Wer sich nicht an die absurden und willkürlichen Regeln hielt wurde ausgegrenzt und verunglimpft. Die Praxis der Diskriminierung wurde von Regierung und staatlichen Stellen nicht nur geduldet, sondern gefördert. Der Denunziant kam in Deutschland zu neuen Ehren. Die Gesundheit des deutschen Volkes wurde von jenen bedroht, die nicht mitmachten, die kritisierten und die Maßnahmen für übertrieben und nicht zielführend hielten. Sarah Bosetti verglich im ZDF Maßnahmenkritiker mit einem Blinddarm, der aus dem Fleisch der Gesellschaft herausgeschnitten werden muss, damit sie als Ganzes keinen Schaden nimmt. Die Sprache des Faschismus zog in die öffentlich-rechtlichen Medien ein. Es war kein Ausrutscher, denn Bosetti war damit nicht allein. Die Medien des Mainstreams sprachen durchgehend von Coronaleugnern und Impfgegnern. Die SPD Vorsitzende Saskia Esken nannte Kritiker „Covidioten“. Dabei leugneten die Maßnahmenkritier mehrheitlich Corona nicht, waren auch nicht grundsätzlich gegen Impfungen und in der Regel besser informiert als Esken und Co. Aber es wurde gezielt Stimmung geschürt und damit ein enormer Anpassungsdruck aufgebaut. Wer nicht mitmachte, wurde gebrandmarkt und stigmatisiert. Es war die reine Hetze. Das wiederholte und verstärkte sich noch nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Wer die Entstehung des Konflikts vollständig erzählt und ihn auf die Ausdehnung der NATO zurückführt, muss nicht nur mit gesellschaftlicher Ausgrenzung rechnen, sondern macht sich unter Umständen strafbar. Das Strafgesetz wurde verschärft. Eine der Sache angemessene Diskussion ist in Deutschland faktisch nicht mehr möglich. Begleitet wurde das von einem System der Zensur. Mit dem Argument, vor Desinformation schützen zu wollen, wurde der Informationsraum in Deutschland massiv reglementiert. Dabei legen die Bundesregierung und von ihr finanzierte NGOs fest, welche Quellen vertrauenswürdig sind und welche nicht. Medien, die das offizielle Narrativ vom anlasslosen Überfall Russlands und alle sich daran anschließenden Nebenerzählungen bedienen, sind vertrauenswürdig. Alle anderen nicht. Es herrscht mediale Gängelei. Auch offen kommunizierte Desinformationen der Bundesregierung, wie beispielsweise die Behauptung, Putin hätte Deutschland das Gas abgedreht, werden nicht mehr korrigiert oder infrage gestellt. Staatliche Propaganda hat eine nahezu totale Kontrolle über den Informationsraum übernommen. Dadurch entsteht der Eindruck, die deutsche Sicht auf die Verhältnisse wäre universell gültig. Wer sie nicht teilt, steht auf der falschen Seite. Bei jenen Staatenlenkern, die sich der deutschen Sicht verweigern, handelt es sich um Diktatoren und Autokraten. Es besteht eine moralische Verpflichtung sich in die inneren Angelegenheiten dieser Länder einzumischen, um die Bevölkerung von der Repression und der Unterdrückung zu befreien. Deutschland muss überall sein. Der Imperialismus hat auch von den deutschen Intellektuellen Besitz ergriffen. Die Gleichschaltung ist umfassend. Zudem muss sicher gestellt werden, dass der Ist-Zustand nicht bedroht wird. Das Verbot der AfD soll sicherstellen, dass der eingeschlagene Weg nicht infrage gestellt und der Kurs beibehalten wird. Veränderungen und Modifikationen am politischen Kurs müssen verhindert werden. Dazu muss die Demokratie ausgeschaltet werden. Die Demokratie soll durch ihre Abschaffung geschützt werden. Ein neuer deutscher Militarismus soll dafür sorgen, dass Deutschland auch überall durchsetzbar ist. Deutschland rüstet auf, lehnt Diplomatie als Mittel zur Konfliktlösung ab, setzt dafür auf Gewalt. Deutschland unterstützt rechte Regime, Kriegsverbrechen, Terrorismus und Genozid. Internationale Verträge werden gebrochen, die Wehrhaftigkeit der Gesellschaft nach innen und außen ist oberstes Ziel staatlichen Handelns. Die Feinde Deutschlands sind überall, ist die Botschaft deutscher Politik in diesen Tagen. Wir müssen uns schützen; wir müssen uns wehren – im Innern und gegenüber dem Außen. Mit einem Kanzler Friedrich Merz ist aufgrund seiner Verbindungen in die Finanzindustrie damit zu rechnen, dass dieser gut vorbereitete deutsche Boden dem Großkapital nutzbar gemacht wird. Dann geht die spezifisch deutsche Saat erneut auf. In Deutschland wurden die besten Voraussetzungen für Unheil enormen Ausmaßes geschaffen. Der Krieg steht vor der Tür. Merz will ihn und mit ihm viele andere in Deutschland. Deutschland wiederholt alle historisch gemachten Fehler. Wer auf die Entwicklung der letzten Jahre blickt, muss erkennen, Deutschland ist als Gesellschaft zu Frieden und Freiheit völlig unfähig. Wer es nicht glaubt, sollte genau hinschauen, was in den nächsten Monaten passiert.

JackPod-Streitgespräch: FDP versus die Linke über die Wirtschaft

9
Es hat eine Weile gedauert, denn die Terminkalender sind so kurz vor der Bundestagswahl mit nur übersichtlichen Lücken gefüllt. Letztlich haben wir es aber doch geschafft, einen Kandidaten der Linken und einen der FDP zu einem Gespräch über die jeweilige Wirtschaftspolitik an die Mikros zu bekommen. Angeschrieben hatten wir übrigens neben der Linken und der FDP auch die SPD, die CDU und die AfD. Möglicherweise war denen aber unser Blog doch zu links. Oder es gab andere Gründe, sich auf ein Gespräch über die geplante Wirtschaftspolitik mit uns nicht einzulassen. Wie dem auch sei – herausgekommen ist ein Podcast von einer Stunde Dauer. Das ist eine Menge Holz, ließ sich aber nicht vermeiden. Und die beiden Gespächspartner hätten wohl auch noch so weitermachen können. Und noch ein Hinweis: Wer erwartet, dass hier zwei Politiker mit scharfen Messern aufeinander losgehen, der wird enttäuscht. Das Gespräch ist – ohne das explizit geplant zu haben – recht ruhig und sachlich geworden. Sogar Übereinstimmungen kommen vor, wenn auch die Konsequenzen unterschiedlich bewertet werden. Das lässt sich natürlich nicht auf die bundespolitischen Positionen übertragen, zeigt aber zumindest, dass ein Diskurs hier und da möglich ist. In dasselbe Bett steigen aber auch diese beiden Kontrahenten sicherlich nicht. Weder vor noch nach dem September 2017. Und – das ist meine persönliche Meinung – das wäre auch verheerend! Der Podcast ist etwas weiter unten als Audioplayer zu finden, lässt sich downloaden und kann über Soundcloud gehört werden. Zunächst aber eine ganz kurze Vorstellung der beiden Gesprächspartner. Michael Theurer, FDP, ist Mitglied im Europäischen Parlament, seit 2013 Vorsitzender des FDP-Landesverbands Baden-Württemberg sowie Mitglied im FDP-Präsidium, wo er zuständig für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit ist. (Foto: Website Michael Theurer) Sascha Bahl, die Linke, ist Bundestagsdirektkandidat für den Kreis Bergstraße, Delegierter des Landesparteitages, Delegierten des Landesrates und beratendes Mitglied des Landesvorstandes Hessen gewählt worden. (Foto: Website: Sascha Bahl) Audioplayer: Podcast downloaden Soundcloud:

Die SPD und Gerechtigkeit: Mit dem Schulz-Zug an den Menschen vorbei gerast

9
Es sollte der ganz große Wurf werden. Die SPD hatte sich mit der Personalie Martin Schulz auch gleich noch ein Motto für den Bundestagswahlkampf zugelegt, mit dem einfach nichts mehr schiefgehen konnte. 100 Prozent Schulz, 100 Prozent Gerechtigkeit, 100 Prozent Erfolg.  So war der Plan. Die triste Realität zeigt jedoch, dass „Gerechtigkeit“ als Wahlkampfschlager keine 12, keine 10, nicht mal five Points erringen konnte. Die Medien unkten herablassend, dass das kein Wunder sei, schließlich gebe es mit der Gerechtigkeit überhaupt kein Problem. Das ist zwar weit entfernt von der Wirklichkeit, aber dass die SPD mit diesem Thema trotzdem nicht punkten konnte, liegt nahe. Denn was ist das eigentlich genau, Gerechtigkeit?

So schwammig wie möglich, so unkonkret wie nötig

Was denken Sie, wenn Sie an Gerechtigkeit denken? Was verbinden sie damit? Und falls Sie zu einem Ergebnis gekommen sind: Wie lässt sie sich herstellen? Bei Wikipedia heißt es gleich in der Einleitung zum Artikel „Gerechtigkeit“:
Nach Platons Verständnis ist Gerechtigkeit eine innere Einstellung. Sie ist für ihn die herausragende Tugen (Kardinaltugend), der entsprechend jeder das tut, was seine Aufgabe ist, und die drei Seelenteile des Menschen (das Begehrende, das Muthafte und das Vernünftige) im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Klingt jetzt nicht gerade massentauglich, schon gar nicht, um selbige zu begeistern. Aber Schulz und die SPD meinten auch weniger Platon Definition von Gerechtigkeit, sondern … ja, sondern was eigentlich? Schauen wir uns mal ein paar Abstufungen an.
Klingt jetzt nicht gerade massentauglich, schon gar nicht, um selbige zu begeistern. Aber Schulz und die SPD meinten auch weniger Platons Definition von Gerechtigkeit, sondern … ja, sondern was eigentlich? Schauen wir uns mal ein paar Abstufungen an.

Gerechtigkeit unter dem Aspekt Bedürfnisprinzip oder Gleichheitsprinzip

Das Gleichheitsprinzip klingt eindeutig. Alle haben gleich viel. Will die SPD also Gerechtigkeit nach dem Gleichheitsprinzip? Sicher nicht, denn sie unterscheidet ja zwischen „hart arbeitenden Menschen“ und dem Rest, wobei schon diese Gliederung natürlich nicht gerade als effektiver Stimmenfänger taugt. Denn wann arbeitet man hart? Wann nicht? Und was ist mit denen, die durch dieses abstrakte Raster fallen? Man weiß es nicht, aber es ist klar, dass Schulz nicht das Gleichheitsprinzip meinen kann. Suchen wir also weiter. Ist es vielleicht das Bedürfnisprinzip, das die SPD unter Gerechtigkeit versteht? Gerechtigkeit also, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird und so ein Größtmaß an Zufriedenheit schafft? Sollte es so sein, versteht die SPD es gut, das zu verstecken. Denn neben der Lieblingszielgruppe der eben erwähnten hart arbeitenden Menschen muss man suchen, wenn man eine Politik entdecken will, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Ein Bedürfnis wäre beispielsweise eine Form der Freiheit, die auf Sanktionierungen von Arbeitslosen verzichtet. Ein Bedürfnis wäre eine Rente, von der man gut leben kann. Ein Bedürfnis wäre Arbeit, die auch nach dem 20. jeden Monats noch einen vollen Kühlschrank ermöglicht. Das sind Grundbedürfnisse, die die SPD programmatisch aber – wenn überhaupt – nur streift. Stattdessen bleibt sie vage, ergießt sich in Flickschusterei, die die Menschen – und ihre Bedürfnisse! – nicht erreicht.

Gerechtigkeit nach dem Leistungsprinzip

Hier kommen wir der Sache schon näher. Wir wissen ja alle, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben, ob wir wollen oder nicht. Auch deshalb ist es kein Zufall, wenn Schulz sich ganz besonders auf die hier abermals erwähnten hart arbeitenden Menschen fokussiert. Damit sagt er eine Menge, nämlich, dass Leistung im Vordergrund steht. Wie wissen zwar immer noch nicht, wann wer nun eigentlich ausreichend Leistung erbringt, die den Titel „hart arbeitend“ rechtfertigen würde. Aber eben das ist ja das Prinzip, nach dem Schulz und die SPD verfahren. Sie bleiben unkonkret, so dass sich theoretisch fast jeder angesprochen fühlen kann. Oder eben fast jeder sich nicht angesprochen fühlen kann, und das ist es, was die SPD seit dem rasanten Start des „Schulz-Zugs“ erlebt: Abkehr. Die Wähler hören wohl die Botschaften, aber als Adressaten empfinden sie sich immer seltener. Zwar folgt das Leistungsprinzip dem vermeintlichen Ansporn, dass, wer mehr leistet, auch mehr bekommt. Doch die Zielgruppe für dieses Verfahren schrumpft seit Jahren, weil sich Leistung eben immer seltener wirklich lohnt. Wer in die Armut hineingeboren wird, kann schon fast die Uhr danach stellen, dass sich daran nichts ändert, denn die attraktiven Arbeitsplätze werden meist untereinander aufgeteilt, sie werden vererbt wie die dahinter stehenden Vermögen. Als hart arbeitender Mensch ist Aufstieg nicht nur nicht garantiert, sondern eher unwahrscheinlich, wenn der persönliche Backround fehlt. Man bleibt halt gern unter sich, mehr Leistungsprinzip wird in den betroffenen Kreisen nur ungern akzeptiert. So gesehen ist harte Arbeit nichts, was automatisch belohnt wird. Und so gesehen ist der Begriff der Leistungsgerechtigkeit auch nicht korrekt. Denn nach dem Leistungsprinzip bekommt zwar mehr, wer mehr leistet. Doch wer mit drei Jobs noch immer nicht zurechtkommt, weil die Bezahlung unterirdisch ist, der stößt an seine Leistungsgrenzen, und mehr bekommt er dafür nicht, im Gegenteil. Also auch nicht das, wonach wir bei der SPD suchen.

Das autoritäre Machtprinzip

Wir sind mitten drinnen im autoritären Machtprinzip, das jedem zwangsweise zuordnet, was er bekommt. Das wissen Minijobber ebenso wie Arbeitslose, das wissen Rentner wie Alleinerziehende, das wissen Kinder in Armut genauso wie Leiharbeiter. Die Bevölkerungsgruppen, die selbst keine Entscheidungsbefugnis mehr haben, weil ihnen die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür fehlen bzw. genommen werden, wachsen stetig und kontinuierlich an. Immer weniger haben immer mehr, und immer mehr müssen mit immer weniger zurechtkommen. In einem solchen Korsett, das Kopf und Herz zuschnürt und für schlechten Schlaf sorgt, kommt kaum ein Gefühl für Gerechtigkeit auf, schon gar keins für Chancengleichheit im Rahmen einer Leistungsgesellschaft. Nach außen leben wir nicht nach dem autoritären Machtprinzip, doch die Praxis sieht anders aus. Deshalb ist das Thema Gerechtigkeit als Wahlkampfbegriff eine denkbar schlechte Wahl, Schulz hätte stattdessen auch „Freiheit“ oder „Frieden“ verwenden können, die Menschen hätten sich auch darin nicht wiederfinden können. Zum einen, weil die Begriffe konträr zur Lebenswirklichkeit vieler Menschen stehen. Da wird vom Frieden geredet, während gleichzeitig offen und aggressiv der Ost-West-Konflikt angeheizt wird. Welcher Bürger soll mit dieser Diskrepanz zurechtkommen? Das wird von Freiheit schwadroniert, während die Menschen feststellen, dass die NSA-Angriffe der Vergangenheit nur die Spitze eines Eisberges waren, der in der massenhaften Ausspähung der eigenen Bürger (vorläufig) gipfelt. Und dann kommt die Gerechtigkeit hinzu, die nebulös wirkt, ohne Reiz, ohne Charme, ohne Konkretes. Auch hier sehen die Menschen ihre Lebenswirklichkeit auf der einen und Schulz‘ geschliffenen Worte auf der anderen Seite.

Gerechtigkeit als Rohrkrepierer

Es ist keineswegs wo, dass die SPD mit dem Thema Gerechtigkeit auf ganzer Linie falsch lag. Im Gegenteil, es wäre sogar ausgezeichnet gewesen, um einen spannenden Wahlkampf aufkommen zu lassen. Und es ist auch nicht so, dass – auch wenn uns das zahlreiche Medien glauben machen wollen – die Menschen das Gefühl hätten, es gebe genug Gerechtigkeit im Land. Viele sind sensibel genug und spüren ganz genau, dass es ungerecht zugeht in Deutschland, und dass diese Ungerechtigkeit zunimmt, in erschreckendem Maße zunimmt. Und genau dieselben Menschen erkennen auch, wenn es jemand wie Schulz nicht ernst meint. Leider sind sie aber nicht sensibel genug, um zu erkennen, dass die Unterschiede inzwischen kaum noch vorhanden sind, leider auch nicht sensibel genug, um linken Alternativen eine echte Chance zu geben. Aber eben doch in der Lage, um Schulz zu durchschauen. Das ist der Grund für den drastischen Absturz von Schulz und der SPD. Die Sozialdemokraten haben ein Thema mit großem Potenzial zu einem Rohrkrepierer gemacht. Die Wähler werden es ihnen im September „danken“. Leider läuft es darauf hinaus, dass erneut Merkel das Heft in der Hand behalten wird. Die kann aber hinterher von sich behaupten, dass es ihr sowieso nie um Gerechtigkeit ging. Die Wähler können also durchatmen. Und sich mächtig ärgern. Denn sie haben zwar Schulz durchschaut, aber wenn sie Merkel wählen, hat die ganz eindeutig die effizienteren Methoden gehabt, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Gerecht ist das nicht. Aber was ist schon gerecht?  [InfoBox]

Rauchende Colts: Wer hat was warum beim G20-Gipfel gemacht? (Podcast)

9
Podcast mit Patrick Breitenbach Einer inneren Eingebung folgend habe ich heute Nachmittag Patrick Breitenbach angeschrieben, um ihm einen spontanen Podcast zum Thema „G20 in Hamburg“ vorzuschlagen. Breitenbach, bekannt als einer der beiden Köpfe von soziopod, sagte ebenso spontan zu. Und so sprachen wir eine dreiviertel Stunde lang über die Gewalt in Hamburg, über den G20-Gipfel, über die Frage, wer die Verantwortung für die Gewalt trägt, oder auch: wer nicht. Wir haben außerdem eine gewisse Erwartungshaltung einbezogen, die es zu geben scheint, wenn man bedenkt, dass der friedliche Protest kaum medial wahrgenommen wurde. Übrigens auch nicht in den sozialen Medien. Herausgekommen ist ein Talk aus dem Stegreif, da man mit einer halben Stunde Vorbereitungszeit alles Mögliche machen kann (zum Beispiel Kaffee holen oder die Hunde kurz in den Garten begleiten), aber eines ganz sicher nicht: sich vorbereiten. In diesem Sinne: Spontanes Vergnügen! Audioplayer: Download: Soundcloud: Weitere Infos:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen
http://www.abendblatt.de/hamburg/article211196803/Flora-Anwalt-Beuth-Ich-trage-politische-Mitverantwortung.html?utm_campaign=Echobox&utm_medium=Social&utm_source=Facebook#link_time=1499691381 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/g20-gipfel-politiker-fordern-europaeische-extremistendatei-a-1156922.html http://www.abendblatt.de/hamburg/g20/article211195269/Die-76-000-friedlichen-Demonstranten-die-gab-es-auch.html

Proletarier aller Länder – annonciert!

Wo verdammt nochmal ist eigentlich die Medienkampagne, die sich für eine juristische Verfolgung der Abgasbetrüger einsetzt? Man liest so wenig. Ordnung: Die hat man in den deutschen Pressehäusern gerne. Warum auch nicht? Ordnung ist ordentlich. Und übersichtlich. Sie ist bekanntlich das halbe Leben und sie rücksichtslos in Artikeln einzufordern zahlt die halbe Miete. Wenn also bei G7- bis G20-Gipfeln Marodeure beobachtet werden, dann schreibt man einen Text zur notwendigen Ordnung, ruft den Staatsanwalt um ein hartes Strafmaß an. Oder wenn jemand Hartz IV kassiert und beim Babysitting in der Nachbarswohnung ertappt wird: Dann finden sich immer welche, die flugs einen Artikel betreffs härtere Sanktionen der Jobcenter drechseln. Der Kleinlichkeit sind da keine Grenzen gesetzt. Wobei manches noch nicht mal kleinlich ist, sondern gut begründbar und demnach auch richtig. Autos abfackeln ist ja nun mal kein Yps-Comic-Klau. Da darf man schon mal dafür sein, dass die Mädchen und Buben mit Feuerzeug auch was zu spüren bekommen. Lügen ist hingegen lässlich. Wenn man jemandem sagt, er sehe super aus, obgleich man aber in Wirklichkeit findet, dass er wie ein Grottenolm aussieht, dann juckt es keinen. Die Lüge ist außerdem lässlich, wenn man die Ehefrau anschmiert und der Trend zur Zweitfrau geht. Da fragen heute nicht mal mehr Scheidungsrichter danach, das haben die Eheleute selbst miteinander zu regeln. Lügt man Kunden allerdings absichtlich an, ist es eigentlich keine Lüge mehr: Das nennt man Betrug. Und der ist nicht lässlich. Schon gar nicht, wenn man nachweisen kann, dass mit purer Absicht etwas vorgetäuscht wurde. So wie bei der Sache mit der Software, die für eine sauberere Umwelt auf dem Papier sorgte. Und zwar nur auf dem Papier. Die Vorstände und Aufsichtsräte waren – wie man heute weiß – stets im Bilde. Teilweise wussten sie seit mehr als zehn Jahren von der Sache. Eigentlich schreit die ganze Angelegenheit nach generalstabsmäßiger Ordnung. Müssten journalistische Erweckungsrufe nach dem Rechtsstaat erschallen. Es müsste von Legionen von Artikeln wimmeln, die der Staatsanwaltschaft alles Gute wünschen und ganz mächtig Ordnungsliebende würden vielleicht sogar das Gefängnis als Option ins Spiel bringen. Aber nichts dergleichen, alles ist still im Blätterwald, kein Rauschen vernehmbar. Die Stille ist ohrenbetäubend. Man liest zwar viel zur Sache, aber wenig vom Knast und gleich viel von juristischen Konsequenzen. Anzeigenkunden verärgert man halt nicht. Für sie gelten die Ordnungsstandards nur sehr bedingt, weil Ordnung eben nur die halbe Miete ist. Die andere Hälfte der Logis zahlen die Automultis, die sich netterweise eine große Zeitungsseite leisten, um sich zu entschuldigen oder aber ihren neuesten Clou zu verkaufen: Prämien für den Neukauf. Da wird aus jeder Krise, aus jeder Betrugsmasche sogar noch ein potenzieller Absatzmarkt. Ach Kapitalismus, du gehörst den Pfiffigen! Betrügen und danach das Victory-Zeichen machen, während man ungeniert vorgibt, eigentlich alles immer gewusst zu haben: Und die Justiz hält sich zurück und die Medien fordern – gar nichts. In Bananenrepubliken gibt es das, weil man einschüchtert. Bei uns gibt es das, weil man per Annonce für Liquidität im Zeitungswesen sorgt. Alles nur wegen dieser verfluchten Anzeigen! Man sollte den Antifas da draußen echt mal empfehlen sich eine nette Seite in der FAZ zu reservieren, annehmbar bezahlt und vor allem regelmäßig, dann wird man mal sehen, wie leise es immer dann wird, wenn Autos brennen. Selbst die Antifa kann die Welt verändern, sie muss nur Annoncen schalten. Der Kapitalismus ist aus Gummi. Den Arbeitsloseninitiativen sei übrigens dasselbe empfohlen. Da wird es dann schön ruhig bei den Meinungsmachern, wenn Vizekanzler Lindner die Regelsätze bald mal als Luxusapanage ausmacht. Wer in Deutschland ein bisschen Ordnungssinn hat, der arbeitet mit Anzeigen. So hält er seine Sache in Ordnung. Egal wie unordentlich sie auch ist. [InfoBox]