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Affentheater im Landtag Sachsen oder: Ohne Regeln geht es auch  

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Nico Rudolph ist Landtagsabgeordneter für das BSW in Sachsen. Und er ist Biker. Als solcher war es ihm eine Freude, einen ganz besonderen Antrag im Landtag einzubringen. Doch der weitere Ablauf dieses Verfahrens geriet zur hochnotpeinlichen Nummer. Rudolph selbst kann nur den Kopf schütteln.

Schon der Titel des Antrages der BSW-Fraktion in Sachsen hat es in sich:

Rrrräng-gedäng-gedäng! Bewerbung Fankultur am Sachsenring als immaterielles Kulturerbe unterstützen“

In dem Antrag heißt es unter anderem:Der Sachsenring ist der einzige deutsche Stopp der Motorrad-Grand-Prix -Weltmeisterschaft (MotoGP) und zieht jedes Jahr rund 250.000 Zuschauer aus nah und fern an. Er ist die größte deutsche Einzelveranstaltung im Motorsport. Neben dem Hauptrennen der MotoGP finden auch die Rennen der DTM sowie der MotoE, einer nachhaltigen Rennserie für elektrische Motorräder, auf dem Sachsenring statt. Er ist ein wichtiger Symbolort für eine inklusive und friedliche Fankultur.“

Es geht also um nicht weniger als die Anerkennung des immateriellen Kulturerbes durch die UNESCO. Doch SPD, Grüne und LINKE wiesen den positiven Bezug des BSW zum Sachsenring harsch zurück, AfD und CDU signalisierten Offenheit. Bei der CDU hielt diese allerdings nur bis zur tatsächlichen Abstimmung an, dann versagte sie ihre Zustimmung letztlich.

Das könnte man als den üblichen Wahnsinn abtun, der sich wie ein Schleier über das Land gelegt hat. Es geht halt nicht um die Sache, sondern um peinliches Parteigekeife. Nun ist das aber nur die Spitze des „sächsischen Landtags“.

Kleider machen Leute …

Nico Rudolph ist, wie gesagt, selbst Biker. Da lag es nahe, beim Vortrag des Antrages angemessen gekleidet zu sein. Nur: Angemessen für wen? Für Rudolph war es eine Ehrensache, sich vor seinem Auftritt im Landtag in seine Bikerklamotten zu zwängen. Das mag nicht so aufwändig sein wie das Steigen in einen Raumfahrtanzug, geht aber über das bequeme Überstreifen einer Jogginghose doch weit hinaus, ist also nicht ohne.

Belohnt wurde der Aufwand Rudolphs nicht, im Gegenteil. Der Mann musste sich umziehen! Und das ist bemerkenswert, denn in der Geschäftsordnung des Landtages steht nichts geschrieben über eine vorgeschriebene Kleiderordnung. Genaugenommen hätte Rudolph also auch die eben erwähnte Jogginghose anziehen können, um sein Anliegen vorzutragen. Da es aber nicht um den „Jogging-Ring“, sondern den Sachsenring ging, hätte eine Jogginghose thematisch schlicht nicht gepasst.

Dem Leiter der Sitzung und Vizepräsidenten der Koalition war das alles eh wurscht, er störte sich so sehr an Rudolphs Outfit, dass er sich entschied, aus dieser Nummer eine kleine Staatsaffäre zu machen. Der BSW-Abgeordnete fügte sich widerwillig und bat um eine Pause, damit er sich umziehen könne. Aber auch die sollte er nicht bekommen.

Nun steht eine große und ziemlich pikante Frage im Raum: Hätte Nico Rudolph sich direkt im Landtag vor allen anderen Abgeordneten umziehen sollen? Er selbst wollte das nicht herausfinden und wiederholte seinen Ruf nach einer kurzen Pause. Es folgte eine Abstimmung, die der Sitzungsleiter als Ablehnung der Umzugspause wertete. Und nun wird es wirklich absurd, denn man konnte mit bloßem Auge sehen, dass Rudolphs Wunsch nach einer kurzen Pause auf Zustimmung bei den anderen Fraktionen stieß. Die Wahrnehmung des Leiters wies also gewisse Auffälligkeiten auf, die man als Außenstehender durchaus als besorgniserregend bezeichnen könnte.

Affentheater

Letztlich bekam Nico Rudolph seine Pause, es hätte nun also weitergehen können, immerhin lag ein Antrag zur Abstimmung auf dem Tisch. Doch es kam anders. Und das nicht etwa, weil der Sitzungsleiter das vorherige Abstimmungsergebnis in einem Anflug eigenwilliger Interpretation der Wirklichkeit einfach falsch gedeutet hatte. Nein, ein Abgeordneter der Grünen wollte gleich noch eine spontane Präsidiumssitzung haben, die er auch bekam. Was folgte, war eine weitere halbe Stunde Gerede über eine Kleiderordnungsregel, die es gar nicht gibt.

Irgendwann stand Nico Rudolph dann doch noch vor dem Rednerpult und konnte sein Anliegen vorbringen. Allerdings nicht, ohne die zuvor völlig überflüssig einberufene Präsidiumssitzung nachträglich zu kritisieren. War nun aber auch wieder falsch, Rudolph fing sich für seine Kritik einen Ordnungsruf ein. Der inzwischen ausgetauschte neue Sitzungsleiter, der sogleich von seiner gottähnlichen Autorität Gebrauch machte, ist übrigens ebenso wie sein Vorgänger Mitglied der Regierungskoalition. Und die sieht es offenbar gar nicht gern, wenn ein einfacher Volksvertreter sich aufführt wie jemand, der einfach das Volk vertritt.

Und wenn wir schon bei Ordnungsrufen sind: Einer von diesen blieb aus, obwohl er das Mindeste gewesen wäre, was nach dem Zuruf eines LINKEN-Politikers angemessen gewesen wäre. Bei einem Antrag zuvor hatte ein Mitglied der Links-Fraktion einen AfD-Politiker „Pavian“ genannt. Das ist eine Beleidigung, mehr noch, es ist die Entmenschlichung eines Landtagsabgeordneten, die aber offensichtlich kein Problem darstellte.

Andererseits: Bei solche einem hochnotpeinlichen Affentheater muss wohl schon aus Gründen der Logik auch ein Affe vorhanden sein, und sei es „nur ein Pavian von der AfD“.

 

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Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrockhttps://neulandrebellen.de/
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.
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