Ich benötige hier in Moskau ein Dokument aus Deutschland. Um es zu beantragen musste ich meine Unterschrift in der deutschen Botschaft beglaubigen lassen, einen Haufen Geld bezahlen, zudem nochmal einen Haufen Geld auf Konten deutscher Ämter überweisen, einen Haufen Geld für die Zustellungen per Post ausgegeben und was soll ich sagen? Es hat nicht geklappt. Was genau passiert ist, ist schwer zu recherchieren. Die Kommunikation mit deutschen Ämtern per Email ist herausfordernd, um es mal euphemistisch zu formulieren. Das Internet ist für das offizielle Deutschland noch immer Neuland, stellte ich dabei fest. Eine Email wird erst nach Wochen beantwortet.
Ich habe den ganzen nun Vorgang wiederholt, einen Termin auf der deutschen Botschaft in Moskau gemacht, mir dort meine Unterschrift beglaubigen lassen, nochmals einen Haufen Geld überwiesen und einen Brief auf den Weg gebracht. Nun kann es sicherlich immer mal passieren, dass ein Schriftstück verloren geht. Allerdings hatten erstaunlich viele Kollegen eine ähnliche Geschichte zu erzählen. Eine Kollegin hat inzwischen Flüchtlingsstatus, weil ihr neuer Pass nicht innerhalb der versprochenen Frist ausgestellt worden war. In der Gesamtheit liegt es nahe, davon auszugehen, dass es sich bei den Vorfällen eben nicht um zufällige Missgeschicke handelt. All die Vorfälle legen vielmehr den Verdacht nahe, dass in Deutschland wieder einmal ein System der Schikane etabliert wurde, um Journalisten und Kritiker abzustrafen.
Das betrifft natürlich nicht nur die Mitarbeiter von RT. Kontokündigungen sind in Deutschland das Mittel der Wahl, um Menschen und Medien, die nicht auf Linie liegen, die Arbeit zu erschweren oder sogar zu verunmöglichen. Boris Reitschuster wurde das Konto gekündigt, Ken Jebsen ebenso, das inzwischen zensierte Magazin Compact erhielt eine Kontokündigung, die Deutschrussin Alina Lipp, die aus dem Donbass berichtet, ebenfalls. Auch RT bekam zu unterschiedlichen Zeitpunkten von unterschiedlichen Banken Schreiben, die über die Einstellung der Geschäftsbeziehung informierten. Ohne politische Einflussnahme sind die Fälle in dieser Häufung nicht zu erklären. Gleichzeitig ist das Mittel ausreichend subtil, um kein großes Aufsehen zu erregen. Einflussnahme ist zudem schwer nachzuweisen. Man nehme keinen Einfluss auf die Geschäftsbeziehung von Banken, hieß es ganz offiziell auf Nachfrage. Na dann ist ja alles in Ordnung.
In Deutschland wird schikaniert, ist für die Betroffenen allerdings die sich daraus ergebende Erkenntnis. Dass Deutschland ein Rechtsstaat sei, in dem alles nach klaren, transparenten Regeln abläuft, ist für diejenigen, die Opfer deutscher Schikane geworden sind, natürlich bestenfalls noch ein Witz. Ein Witz wird die Rechtsstaatsbehauptung auch für diejenigen werden, die in Zukunft von Schikanen betroffen werden. Eine Änderung ist nämlich nicht zu erwarten.
Man kann in Deutschland bei falscher Meinung seinen Job verlieren, Auftritte werden verhindert, Bücher werden aus dem Sortiment genommen, Einreiseverbote werden verhängt. Begleitet wird der neue deutsche Autoritarismus von einem System aus Zensur und staatlicher Desinformation. Wäre es nicht so umfassend traurig, könnte man sich mit einem ironischen Lächeln zurücklehnen und feststellen: “In Deutschland ist alles wie immer.”