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Koordinierte Medienkampagnen – wie Meinung in Deutschland gebildet wird

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Die Komosomolskaya Prawda hat mich gebeten, eine Umfrage zu kommentieren, nach der die Mehrheit der Deutschen die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine ablehnen. Der Text auf Russisch ist hier.

Hier das deutsche Original:

In einer aktuellen, repräsentativen Umfrage lehnt eine große Mehrheit der Deutschen die Lieferung von Marschflugkörpern in die Ukraine ab. Anlass für die Umfrage ist die Diskussion darüber, ob Deutschland dem britischen Beispiel folgen und ebenfalls Raketen mit großer Reichweite an die Ukraine liefern sollte. Die Umfrage wurde für den privaten Sender RTL vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt.

In einer Umfrage vom Februar lehnt die Mehrheit der Deutschen die Lieferung von Kampfjets in die Ukraine ab. Das Ergebnis änderte sich in einer weiteren Umfrage im April kaum.

In einer Umfrage, die Anfang Januar durchgeführt wurde, waren die Deutschen gegen die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine. Zwei Wochen später ermittelt eine Umfrage, die Lieferung von Kampfpanzern sei unter Deutschen umstritten und eine dritte vom Ende Januar ermittelt die Zustimmung der Deutschen zur Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine. Die mehrheitliche Zustimmung kam pünktlich. Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 25. Januar der Ukraine die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 zugesagt.

In der Zeit von Anfang bis Ende Januar wurde von den deutschen Medien ganz viel unternommen, dass sich die Meinung der Deutschen dreht.

So titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 21. Januar: “Warum Kampfpanzer nötig sind”. Im Anreißer heißt es dann recht größenwahnsinnig: “Frieden in der Ukraine ist nur möglich, wenn Wladimir Putin erkennt, dass er in diesem Krieg alles verlieren kann. Auch seine Herrschaft. Deshalb braucht die Ukraine Waffen, vor denen Russlands Präsident Angst hat.”

Hergestellte öffentliche Meinung

Der deutsche Journalismus zog die deutsche “Wunderwaffe” aus der rhetorischen Mottenkiste, in der sie die letzten 80 Jahre lag. Einen Tag später fragte die Tagesschau, Deutschlands reichweitenstärkste Nachrichtensendung “Warum die Ukraine ‘Leopard’-Kampfpanzer will”, drei Tage zuvor erläuterte sie den Deutschen “Was den ‘Leopard’ so wertvoll macht”. Der Deutschlandfunk fragt ebenfalls “Was macht den Leopard 2 so bedeutsam für die Ukraine?” und selbst die Neue Züricher Zeitung erklärt “Kampfpanzer: Warum sie für die Ukraine existenziell sind”.

Schon an den Überschriften lässt sich erkennen, dass es sich um eine koordinierte Medienkampagne handelt, mit der die Meinung der Deutschen gedreht werden sollte. Hinzu kamen Talkshows und Interviews mit Experten, die alle einseitig die Notwendigkeit von Panzerlieferungen befürworteten. Nur mit deutschen Panzern sei ein Sieg der Ukraine über Russland möglich, erklärte man den Deutschen. Eingerahmt war die Panzer-Debatte in Beschwichtigungen, dass Deutschland mit der Lieferung von schweren Kampfpanzern nicht Kriegspartei werde. Selbst der Bundeskanzler versicherte dies den Deutschen.

Hinsichtlich der Ablehnung der Deutschen von Lieferungen von Kampfjets und Marschflugkörpern ergibt sich ein klarer Arbeitsauftrag an die deutschen Medien: Diese Meinung muss geändert werden, wenn die westlichen Länder von Deutschland die Lieferung von Marschflugkörpern und Kampfjets fordern.

Gegenstimmen werden mundtot gemacht

In der Panzer-Debatte gab es im veröffentlichten Diskurs in Deutschland fast keine Gegenstimmen. Die sonst in Deutschland so hoch gelobte Vielfalt fiel einfach aus. Die Medienkonsumenten, die gegen Panzerlieferungen waren, mussten den Eindruck bekommen, dass sie mit ihrer Meinung allein sind. Lediglich eine Kommentatorin des Mitteldeutschen Rundfunks, der zur öffentlich-rechtlichen ARD gehört, kommentierte in einem Radiobeitrag, dass sie gegen Panzerlieferungen sei. Es war der erste Kommentar, den Rommy Arndt für die ARD sprach und vermutlich auch ihr letzter. Vor allem auf Twitter erhob sich von Seiten der Politik und der Medien ein Shitstorm gegen sie, der sich gewaschen hatte. Zuspruch bekam Arndt lediglich von alternativen Medien.

Udo Lielischkies, ehemaliger ARD-Russland-Korrespondent kommentierte seine Kollegin mit den Worten: “Die Gedanken sind frei, ja. Meinungsvielfalt im ÖR ist gut, ja. Aber hochdosierte Kreml-Propaganda und Desinformation à la RT in einem ARD-Sender mit dem Siegel ‘Kommentar’ tut dann doch weh.”

Die tageszeitung schrieb: “MDR-Kommentatorin Rommy Arndt: Neue Heldin der Putin-Versteher”. Einzelne Stimmen aus der deutschen Politik forderten gar die Entlassung Arndts. Man sieht an dem Vorgang, es ist nicht weit her mit der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Deutschland ist zudem eines der wenigen Länder der Welt, in dem Journalisten mit einer anderen Auffassung als der des Mainstreams von anderen Journalisten öffentlich an den Pranger gestellt werden. Eine Praxis, die man nicht in Ländern erwartet, die sich selbst für das Leuchtfeuer der Demokratie, der Meinungs- und Pressefreiheit halten.

Deutschland fern von echter Meinungsfreiheit

Wie auch über die Frage der Lieferung von Kampfpanzern wird Deutschland auch hinsichtlich der Lieferung von Jets und Marschflugkörpern nicht souverän entscheiden können. Die öffentliche Meinung wird dann durch die veröffentlichte Meinung zu den Anweisungen aus Washington und Brüssel passend gemacht. Ein umfangreiches System aus Zensur und medialer Kontrolle ermöglicht das in Deutschland. Und ja, mit echter Demokratie, offener Diskussion und Meinungsvielfalt hat das nichts zu tun.

Dass die Ukraine mit den von Großbritannien gelieferten Storm Shadow Marschflugkörpern Zivilisten in Lugansk beschießt und damit Kriegsverbrechen begeht, erfährt der deutsche Medienkonsument aus genau diesem Grund der Manipulation und Kontrolle nicht. Was die Ukraine mit den all den westlichen Waffen anstellt, kommt in den deutschen Medien nicht vor.

Von Rommy Arndt hat man nach ihrem Kommentar übrigens nie wieder etwas gehört, ihren Twitter-Account hat sie gelöscht.

Gert-Ewen Ungar
Gert-Ewen Ungar
Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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