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Sind Sie für oder gegen den Krieg? Sie haben die Wahl!

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Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal muss man Entscheidungen auf nur wenige Aspekte, womöglich sogar nur auf einen herunterbrechen, um das Richtige zu tun. Im September ist die Bundestagswahl, und es fällt schwer, sich für die eine oder andere Partei zu entscheiden, womöglich seine Stimme dort zu machen, wo man sie vorher noch nicht gemacht hat, links oder rechts. Weil scheinbar alle viel reden und nichts sagen. Aber zuweilen hilft es, sich grundlegende Fragen zu stellen, zum Beispiel die nach dem Krieg. Nicht nur in Syrien, sondern überall auf der Welt. Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben bald die Möglichkeit, sich für oder gegen den Krieg zu stellen.
Ist Ihnen diese Fragestellung zu einfach?
Einverstanden. Aber vielleicht ist es ja tatsächlich so.

Bei Frank Plasberg vom 10.4.2017 hat sich ein Großteil der im Rahmen der Sendung Befragten mit überwältigender Mehrheit gegen militärische Einsätze im Syrienkonflikt ausgesprochen, 56 Prozent befanden den Angriff der USA auf Syrien für falsch (übrigens längst nicht die erste oder einzige Umfrage mit ähnlichen Ergebnissen). Noch deutlicher sah es bei einer deutschen Beteiligung aus, hier waren 75 Prozent der Umfrageteilnehmer dafür, dass Deutschland sich an militärischen Einsätzen nicht beteiligen sollte. Die Angst der Befragten ist berechtigt, sie wissen entweder auf Fakten basierend oder intuitiv, dass Militäreinsätze keine Lösungen bieten, sondern nur zur Eskalation beitragen. Krieg schafft Krieg schafft Krieg schafft Krieg.

Aber, liebe Leserinnen und Leser, Sie stehen mit Ihrer Meinung, mit Ihren Befürchtungen und Ihren Ängsten alleine da! Angela Merkel wie auch Sigmar Gabriel haben Verständnis für den Militärschlag der USA geäußert. Und auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich weit aus dem Fenster gelehnt – so weit, dass sie unter normalen Umständen kopfüber hinausfallen müsste. Denn sie hat das vollendet, was zahlreiche ihrer Kolleginnen und Kollegen ebenfalls äußersten: Die Frechheit, eine unbewiesene Behauptung als Fakt hinzustellen. Neudeutsch würde man sagen, sie hat aktiv und wider besseres Wissen „Fake News“ verbreitet. Und damit zu einem völkerrechtswidrigen Krieg aufgerufen. Weniger neudeutsch formuliert: sie hat gelogen. Und da kommen Sie ins Spiel, liebe Leserinnen und Leser.

Sie müssen sich im September entscheiden, wen oder welche Partei Sie wählen wollen (wenn Sie denn wählen gehen). Diese Entscheidung ist verdammt schwer, denn die antretenden Parteien machen es Ihnen alles andere als einfach. Martin Schulz geht mit seiner vorübergehenden Beliebtheit hausieren, ohne diese mit Inhalten zu unterfüttern. Merkel … na ja, Sie kennen sie ja. Sie steht für Bewegungslosigkeit, und das bedeutet für Sie, dass nichts besser werden wird, weil … na ja, Sie kennen Merkel ja, das passiert nix mehr, was in Ihrem Sinne sein könnte. Und dann sind da noch die Grünen, die AfD, die FDP, die Linke, und alle treten natürlich an, um möglichst viele Stimmen abzugreifen. Alles wie gehabt, ist halt Bundestagswahl.

Es ist sicher quälend für Sie, sich die Frage stellen zu müssen, wer denn nun die besten Rezepte für die Rente hat, für den Arbeitsmarkt, für die Kinderbetreuung, wer am ehrlichsten und effektivsten gegen Altersarmut vorgeht, wer für Gerechtigkeit eintritt und Steuergerechtigkeit realisieren will und kann. Das ist für uns alle ziemlich anstrengend. Aber ich komme zum Beginn meines kleines Briefes an Sie zurück: den Frieden. Oder aber den Krieg.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind – und das ist großartig! – zu einem Großteil gegen den Krieg, gegen Waffenexporte, gegen deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen. Das ist ein Wort, und es ist ein verdammtes gutes noch dazu!
Und Sie haben in den letzten Tagen einmal mehr erlebt, dass ein dummer und ohne Beweise durchgeführter Militärschlag durch unsere etablierten Politiker und Politikerinnen als „nachvollziehbar“ empfunden wurde. Als nachvollziehbar! Ein Militärschlag, der keinerlei sachliche Begründung hatte, auch wenn Politik und Medien seit Tagen behaupten, es gebe sie. Es gibt sie nicht. Denn so lange keine Beweise für die Schuld eines Verdächtigen vorliegen, kann er kein Täter sein, sondern eben nur ein Verdächtiger. Auf einen Verdächtigen schießt man aber normalerweise nicht. Man klärt ab, ob die Verdächtigung zutrifft, ob nachweisbar ist, dass sie gerechtfertigt ist. Man sucht also nach Beweisen, und erst wenn diese vorliegen, kommt man zu einem Urteil und handelt entsprechend. Diese schlichte Erkenntnis hat zunächst noch nicht einmal etwas mit dem Völkerrecht zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Und ich vermute, dass Sie das eher nachvollziehen können als eine Selbstjustiz auf Grundlage vager Vermutungen, die nicht weniger vage werden, indem man sie als Fakten präsentiert.

Immer wieder wurde in den letzten Tagen behauptet, dass Assad für den aktuellen Giftgasanschlag in Syrien verantwortlich sei. Wohlgemerkt: behauptet. Es gab und gibt keine eindeutigen Beweise, im Gegenteil, die Motivation Assads zu diesem Zeitpunkt für einen Angriff durch Giftgas ist mehr als abenteuerlich. Wer tatsächlich dahintersteckt, darüber will ich gar nicht spekulieren, denn das Spekulieren wird ja bereits massentauglich betrieben. Ich will Assad auch nicht idealisieren oder als guten Menschen hinstellen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass da ein Mann an die Wand gestellt wurde für eine Tat, die ihm nicht nachgewiesen werden konnte.

Unsere Bundesregierung hat diesen illegalen Militärschlag verteidigt, mit hanebüchenen Begründungen, die so lächerlich und durchschaubar sind, dass man sich wundert, dass es überhaupt funktionieren konnte. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Syrien das Zentrum eines Konfliktes ist, der sich – und das ist leider nicht übertrieben – zu einem weltweiten Krieg, zum Weltkrieg ausweiten kann.
Wer sich in Anbetracht dessen hinstellt und sagt, er fände die Bombardierung durch einen US-Präsidenten, der in einem Interview über Schokoladenkuchen plaudert und Syrien und Irak verwechselt, ganz ok, eben „nachvollziehbar“, der macht sich nicht nur der Verantwortungslosigkeit verdächtig, sondern nimmt billigend in Kauf, dass kriegerische Auseinandersetzungen weiter eskalieren.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind dazu verdammt, diesem Treiben zuzusehen, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Und es ist auch klar, dass Ihr Kreuz auf dem Wahlzettel im September keine Revolution auslösen wird, das war nicht so, ist nicht so, wird nicht so sein.

Aber Sie können sich für eine Partei entscheiden, die sich klar und eindeutig gegen den Krieg positioniert. 75 Prozent von Ihnen – und das ist eine beachtliche Zahl, selbst wenn sie nicht repräsentativ ist – können im September deutlich machen, dass mit Kriegsgelüsten keine Bundestagswahl zu gewinnen ist.
Nun können Sie einwenden, dass es noch viele andere Themen gibt, die zu Ihrer Stimmvergabe beitragen werden, da ist mehr als der Krieg in Syrien. Damit liegen Sie natürlich richtig, aber ich gebe zu bedenken: Alles, was Sie sich wünschen, alles, was Sie von der nächsten Bundesregierung erwarten, wird nur dann überhaupt einen Sinn ergeben, wenn wir in Frieden leben können. Und Syrien ist längst nicht so weit weg, wie wir alle glauben. Es gilt, offen für die Beendigung des Krieges in Syrien einzustehen, laut und deutlich zu sagen, dass das grausame und sinnlose Töten ein Ende haben muss. Und es gilt, diese Haltung auch im September zum Ausdruck zu bringen.

Schauen Sie sich die Parteiprogramme an, gern auch von kleineren Parteien. Suchen Sie nach einer konsequenten Haltung zum Krieg. Und verfolgen Sie bis dahin, was unsere gewählten Politiker sagen, wenn es um Krieg oder Frieden geht. Hören Sie bitte genau hin, lassen Sie sich nicht täuschen, und machen Sie dann am besten Ihr Kreuz bei der Partei, die sich klar und deutlich gegen Krieg und Militäreinsätze positioniert.
Mag sein, dass Sie nicht viel tun können, um die Politik zu beeinflussen. Aber das Kreuz an einer friedlichen Stelle zu machen, das ist drin. Und das ist doch auch schon was.

[InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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