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Weidel und der Rest: Gute Rüstungsausgaben, schlechte Rüstungsausgaben

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Nach dem eher vor sich hin tröpfelnden Gespräch zwischen Alice Weidel und Elon Musk sind wir alle „schlauer“ geworden. Wir haben erfahren, dass Hitler ein Sozialist war und fünf Prozent Rüstungsausgaben für Deutschland – das hatte Weidel zuvor in einem Interview gesagt – eine gute Sache seien. Nur schade, dass beides Unsinn ist.

„Weißt du, was Adolf Hitler als Erstes getan hat?“ lautete Weidels rhetorische Frage an Elon Musk. Natürlich kam die Antwort von ihr prompt: „Er hat die Meinungsfreiheit ausgeschaltet. “ So weit, so gut. Sicher könnte man im Detail darüber streiten, ob vorher nicht noch ein paar andere Dinge kamen, aber falsch ist Weidels Aussage sicher nicht. Wie Weidel allerdings auf die Idee kam, Hitler sei ein Sozialist oder gar Kommunist gewesen, erschließt sich nicht sofort. Vielleicht liegt es daran, dass die damalige Herrschaft der Nazis als Nationalsozialismus bezeichnet wird?

Tatsächlich hatte Hitler gesagt:

„Ich verstehe unter Sozialismus: höchster Dienst an meinem Volke, Aufgeben des persönlichen Vorteils im Interesse der Gesamtheit. […] Der Nutzen der Gesamtheit ist das Wesentliche. Der Begriff Nationalismus bedeutet am Ende auch nichts anderes als Hingabe und Liebe zu meinem Volk.“

Auf der anderen Seite ließ er Sozialisten und Kommunisten einsperren und töten. Na so was! Was machen wir damit? Geht es nach Alice Weidel, muss man wohl Hitlers Selbstbeschreibung als korrekt und alle anderen Behauptungen als Fake News einstufen. Wenn schon Hitler selbst meinte, ein Sozialist zu sein, wird es wohl stimmen, oder?

Folgt man diesem Ansatz, sind die Grünen eine Friedenspartei, die SPD eine Arbeiterpartei und die CDU eine Partei christlichen Glaubens. Sagen sie ja schließlich. Außerdem sind die genannten Parteien links bzw. in der politischen Mitte angesiedelt. Sagen sie ja schließlich. Das funktioniert, denn da der allgemeine Tenor ja heute meist lautet, „links“ und „rechts“ seien überholt und dienten als Begriffe nur der Spaltung, kann sich jeder einordnen, wie er will. Man möchte halt nur für eine bessere Welt eintreten, da seien die genannten Kategorien nicht hilfreich.

Selbst „oben“ und „unten“ sind irgendwie verbrannt, zum einen, weil die „da oben“ dann entgegnen, das sei ein Code der Rechten, der böse ist. Und zum anderen, weil dieses verdammte Schubladendenken nicht weiterführe, wenn man Verbesserungen erkämpfen will. Passt schon, denn immerhin sind ja selbst die Zuordnungen „arm“ und „reich“ mittlerweile unpassend, weil es immer eine Frage ist, wie man das denn überhaupt ausrechnet.

Am Ende steht der moderne kritische Geist zwar für Kritik an den Mächtigen und will Verbesserungen für die Menschen, denen es immer schlechter geht. Festlegen möchte er sich aber nicht, weil er regelrechte Panik vor Spaltung hat. Das ist ein politischer Identitätsverlust, der selbst zur inneren Spaltung führt.

Und dann ist da ja noch das Thema Rüstungsausgaben, das Weidel und Musk umschifft haben, zu dem sich die AfD-Frau aber schon vorher geäußert hatte. Auf X hatte sie gesagt:

„Ja, das halte ich für möglich und für sehr wahrscheinlich im Übrigen. Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit der Ertüchtigung der Bundeswehr und auch mit der eigenen Landesverteidigung.“

Sie meinte Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP für Deutschland, umgerechnet mehr als 200 Milliarden Euro. Damit toppt sie selbst den „Friedensengel“ Robert Habeck (die Grünen), dem derzeit 3,5 Prozent Rüstungsausgaben vorschweben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Ampel-Regierung haufenweise Euros in die Ukraine, Waffenlieferungen für Israel und massive Aufrüstung der Bundeswehr durch Sondervermögen und laufende Ausgaben schreddert, um im Gegenzug Deutschlands Wirtschaft und Sozialstaat vor die Hunde gehen zu lassen, ist das bemerkenswert.

In den sozialen Medien allerdings wurde Weidel vielfach für ihre Vorstellungen deutscher Rüstungsausgaben gefeiert. Landesverteidigung sei ja nun mal wichtig, konnte man nachlesen. Das ist fraglos richtig, aber wie passt das mit der Kritik an der Bundesregierung zusammen, die schon für deutlich weniger Ausgaben geteert und gefedert wird?

Und: Gegen wen soll Deutschland sich in Weidels Augen verteidigen? Eigentlich kommt nur Russland in Frage, doch mit Putin strebt die AfD ja Kooperation und die Wiederaufnahme von russischen Energielieferungen an. Im Programm schreibt die AfD das auch ganz deutlich. Also, noch mal: Welcher potenzielle Angreifer rechtfertigt Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP? Vielleicht gar kein Gegner, sondern die Interessen der Rüstungsindustrie oder gar die der USA?

Übrigens sind vermutlich dieselben, die Weidel für ihre Vorstellungen der deutschen Rüstungsausgaben feiern, vielfach die, die um den 20. eines Monats herum mit ihrem Geld nicht mehr über die Runden kommen, weil schon jetzt das wohlige Gefühl des guten finanziellen Auskommens nahezu flächendeckend immer mehr zur surrealen Traumvorstellung wird. Der Grund sind (unter anderem) überbordende Rüstungsausgaben.

Nur gut, dass Alice Weidel nichts zum Israel-Gaza-Konflikt sagen konnte, sie fühlte sich da eher hilflos, wie sie offen zugab. Sonst hätte man als AfD-Unterstützer womöglich auch noch erklären müssen, dass es schon ok ist, wenn im Gaza-Streifen laut Tagesschau inzwischen rund 42.000 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Zivilisten.

Immerhin: Elon Musk deutete zaghaft an, dass es vielleicht ganz gut wäre, wenn das massenhafte Sterben im Gaza-Streifen aufhören würde. Von Weidel gab es keinen Widerspruch, das sollte man ja auch mal erwähnen.

 

 

 

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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