Da ist sie wieder: die Diskussion über ein AfD-Verbot. Sie kommt zu einer Zeit der großen Wahlerfolge der Partei, die offiziell als „gesichert rechtsextrem“ bezeichnet werden darf.
Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtages war fraglos ein Desaster. Allerdings lag das nicht an der AfD, wenngleich der Alterspräsident eine Rede gehalten hat, die man nicht gerade als Poesie oder ein nüchternes Statement bezeichnen kann. Aber wo steht geschrieben, dass jeder so reden muss wie Frank-Walter Steinmeier oder Joachim Gauck? Und wäre es nicht ein weiteres Desaster gewesen, wenn Jürgen Treutler, jener Alterspräsident, mit seiner Rede sich nicht von den belanglosen und gleichsam hetzerischen bekannten Kandidaten unterschieden hätte?
Aber die Rede Treutlers war ja nicht das Problem, sie zu halten, war Stein des Anstoßes. Die restlichen Parteien des Landtages wollten von Beginn an Chaos verbreiten und den Alterspräsidenten provozieren. Das gelang ihnen, denn wenngleich der Redner äußerlich kontrolliert wirkte, merkte man ihm das innere Beben doch an.
Warum aber soll nach dem Theater im Landtag jetzt (einmal mehr) die AfD verboten werden?
Nichts Verbotenes getan
Professor Dr. Christian Rieck hat in einem sehenswerten Video das Problem der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtages nachvollziehbar erklärt. Da gab es jede Menge Tricks und Provokationen, da wurde das, was man pragmatisches Verhalten nennt, kollektiv mit Füßen getreten, da wurde gebissen und zurückgebissen. Doch wenn sich jemand entgegen der Gepflogenheiten und der Traditionen verhalten hat, waren das im Wesentlichen die Parteien, die sich im Saal gegen Treutler verbündet hatten. Denn Treutler tat nichts Verbotenes, sondern hielt sich nur strikt an die Geschäftsordnung. Die schon im Vorfeld zu verändern, um das Kommende zu verhindern, wäre möglich gewesen, aber ausgerechnet die CDU hatte sich beim entsprechenden Vorschlag der Grünen dagegen gewehrt, als es vor einiger Zeit die Option gegeben hätte. Nun hatte sie den Salat, und die anderen Parteien gleich mit.
Nichts hätte dagegen gesprochen, hätte Treutler seine Rede in Ruhe zu Ende gehalten, um dann die Beschlussfähigkeit auszurufen und die Wahl eines Landtagspräsidenten und eine neue Geschäftsordnung zu beschließen. Die Kandidatin der AfD hätte so oder so keine Chance gehabt, das Amt zu besetzen, weil die anderen Parteien sie schlicht nicht gewählt hätten.
Doch es mussten schwere Geschütze her, und so wurde das Verfassungsgericht angerufen, das Treutler zwang, von seinem Ablauf abzurücken, was dieser dann auch tat. Da der Autor dieses Textes kein Jurist ist, hält er sich mit Einordnungen des Gerichtsbeschlusses zurück, aber einmal mehr lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass ein Verfassungsgericht nicht ganz unbefangen agierte, insbesondere, weil durch die Richterbesetzung eine Nähe zur CDU und deren Positionen offenkundig ist.
Ein Verbot, ein Verbot!
So etwas wie in Thüringen soll sich nicht wiederholen, könnte man meinen, wenn man jetzt die erneut aufkeimende Idee eines Verbots der AfD beäugt. Der Zusammenhang zwischen dem Theater im Landtag und einem Verbot der AfD erschließt sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick, und auch mit dem dritten und vierten kommt man nicht weiter.
„T-online“ aber kann helfen und kündigt in einem Artikel mit der Überschrift „Das steht im Antrag für das AfD-Verbotsverfahren“ an, die Gründe für einen Verbotsantrag auszuführen. Der Artikel hat es in sich in dem Sinne, dass er im Grunde nichts in sich hat. Wer also auf der Suche nach konkreten Gründen für einen Verbotsantrag ist, stößt auf Formulierungen wie diese:
„Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partei verfassungswidrig ist. Um dem vom Grundgesetz vorgesehenen Schutz der Verfassung angemessen Rechnung zu tragen, strengt der Bundestag nun ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD an.“
Das ist dünn, sehr dünn sogar. Der Verfassungsschutz steht ohnehin auf wackligen Beinen, er schützt die Verfassung so gut wie Annalena Baerbock (die Grünen) den Weltfrieden, und es ist längst keine Theorie einzelner „Verstrahlter“mehr, dass die Aufgabe des Verfassungsschutzes der Schutz der herrschenden Politik ist (Parallelen zum Thüringer Verfassungsgericht mögen rein zufällig oder auch eklatant sein).
Auf „t-online“ lesen wir darüber hinaus:
„Die Initiatoren schreiben weiter: ‚Die AfD wendet sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung‘, die ‚Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot’würden von der AfD ‚mittlerweile unverhohlen in Frage gestellt‘. Es gäbe ‚immer wieder Bagatellisierungen der monströsen nationalsozialistischen Verbrechen und darüber hinaus auch klare Bekenntnisse zu diesen‘.“
Das wäre zu belegen und insbesondere im Parteiprogramm der AfD nachzuweisen. Denn selbst wenn es stimmt, dass es Einzelstimmen innerhalb der AfD gibt, auf die diese Vorwürfe zutreffen (was man annehmen muss), reicht das doch für ein Parteiverbot sicher nicht aus.
Der eigentliche Punkt des Plans des Verbots der AfD kommt aber jetzt:
„Anders als bei der NPD erscheint es nicht völlig aussichtslos, dass die AfD ihre verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele tatsächlich erreicht – im Gegenteil!“
Damit zielt der Text auf die Bedeutungslosigkeit ab, die seinerzeit der NPD zugesprochen wurde. Aufgrund dieser gesellschaftlichen und politischen Irrelevanz der Partei scheiterte unter anderem ein Verbotsverfahren damals. Doch es gibt einen weiteren Punkt: V-Männer. Auch die verhagelten dem damaligen Antrag auf NPD-Verbot seinen Erfolg. Es gab einfach zu viele V-Männer in der Partei, und am Ende wusste wohl niemand mehr so richtig, wer denn nun ein Nazi und wer ein V-Mann war. Zuweilen traf auch beides zu.
Im Artikel von „t-online“ heißt es dazu:
„Damit ein Verbotsverfahren im Zweifel nicht an V-Leuten in der Partei scheitert, was bei der NPD schon mal zum Problem wurde, gibt es auch einen Auftrag an die Bundesregierung und die Landesregierungen. Sie werden im Antrag aufgefordert, ‚durch ihre Verfassungsschutzbehörden unverzüglich auf die Herstellung der vom Bundesverfassungsgericht für Parteiverbotsverfahren formulierten Anforderung strikter Staatsfreiheit hinzuwirken‘. Also mögliche V-Leute abzuschalten und verdeckte Ermittler abzuziehen.“
Und an diesem Punkt wird es dann wirklich absurd. Die Verfassungsschutzbehörden sind eine Ansammlung von machtgierigen Beamten, durchgeknallten V-Leuten und sonstigen Figuren, die sich faktisch nicht in den Griff kriegen lassen. Neben eigenen Interessen hängen Karrieren und zwielichtige Gestalten an diesen Behörden, die unter Kontrolle zu bekommen ein unrealistisches Unterfangen ist.
Und der eigentliche Punkt ist ohnehin die Stärke der AfD bei Wahlen. So schreiben die Autoren des Verbotsantrags auch ganz offen, dass die AfD viele Wählerstimmen bekomme und in Begriff sei,
„sich in einigen Bundesländern als stärkste Kraft dauerhaft zu etablieren.“
Das ist ohne Frage der Fall. Und den alten Parteien wird diesbezüglich Angst und Bange. Insofern ist Thüringen als Auslöser für die neuerlichen Verbotsfantasien nachvollziehbar. Allerdings – und das ist wirklich besorgniserregend – stehen die Chancen für ein durchgebrachtes Verbot im Gegensatz zum NPD-Verbot gar nicht so schlecht.
Das hat keine inhaltlichen Gründe, im Gegenteil, die AfD ist zu einer bürgerlichen Partei geworden, die in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist und Unterstützer und Sympathisanten aus allen erdenklichen Richtungen hat. Den typischen AfD-Wähler gibt es schon lange nicht mehr, die Regierungspolitik hat für einem Zulauf für die AfD aus allen Ecken und Enden der Republik geführt.
Das Problem der AfD dürfte eher das allgemeine gesellschaftliche und politische Klima des Landes sein. Es basiert auf Argumentationsarmut und totalitären Ansätzen, die als demokratische Notwendigkeit verkauft werden. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, kommt eine Institution hinzu, die spätestens seit Corona gezeigt hat, dass sie die herrschende Politik schützt, und das auf einem erschreckenden Niveau: das Bundesverfassungsgericht. Dem ist inzwischen wirklich alles zuzutrauen.