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Friedensprotest und Generationenkonflikt

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Vor der US-Air-Base Ramstein in Deutschland gab es am Wochenende Proteste gegen die militärische Bedrohung, die von den USA für den Frieden in der Welt ausgeht. In den deutschen Medien finden sich darüber kaum Berichte. Dabei zählte unter anderem der ehemalige Finanzminister und Gründer der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine, zu den Rednern. Ebenfalls am Wochenende gab es eine Protestaktion in Aschaffenburg, die sich gegen die suizidale Politik der Bundesregierung richtete. Auch sie blieb medial weitgehend unbeachtet.

Die US-Basis Ramstein steht für viele Deutsche sinnbildlich für die begrenzte deutsche Souveränität. An den Toren von Ramstein endet die deutsche Staatlichkeit. Die Basis ist eine der wichtigsten und die größte Einrichtung der US-Air-Force außerhalb der USA. Die Basis dient nicht nur als Luftwaffenstützpunkt, sondern auch als Relaisstation für den Drohnenkrieg der USA in Nahost. Die extralegalen Tötungen von Menschen durch US-Drohnen ist ein Bruch des Völkerrechts und mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht in Einklang zu bringen. Bereits in diesem Zusammenhang gab es Proteste gegen die Basis. Geändert hat sich an der Praxis nichts.

Ramstein und die Grünen

Die Grünen standen bis zu ihrer Regierungsbeteiligung kritisch zu Ramstein. Inzwischen hat sich die Haltung der Grünen zum US-Drohnenprogramm um baerbocksche 360 Grad gedreht. Die Grünen haben sich mit Ramstein ausgesöhnt. Mit dieser Änderung der Sichtweise sind die Grünen nicht allein. Sowohl bei der Friedensdemonstration in Ramstein als auch in Aschaffenburg gab es Gegendemonstrationen von Gruppen, die sich dem politisch linken Spektrum zurechnen. Programmatisch stehen sie hinter der NATO, unterstützen die Waffenlieferungen in die Ukraine sowie die Aggression des Westens gegen Russland. Sie wollen der Ukraine zu einem Sieg über Russland verhelfen.

Diese Gegenprotestler beschreiben sich selbst als antikapitalistisch und antifaschistisch. Die Friedensaktivisten und Kritiker der Regierungspolitik sind für die Mitglieder dieser Gruppe Nazis und Faschisten, von Russland gesteuert – eine Gefahr für die liberale Demokratie. Man sieht daran, dass es in Deutschland gelang, Vernunft und Logik komplett auf den Kopf zu stellen. Diese sich in den Gegenprotesten ausdrückende Orientierungslosigkeit im Hinblick auf das Verstehen von politischen Zusammenhängen hat ihren Grund unter anderem in der absolut einseitigen Berichterstattung deutscher Medien und einer Verengung der in Deutschland zugelassenen Diskurs-Breite.

Die neue rechte deutsche Linke

Deutsche Medien berichten seit einigen Jahren ausschließlich darüber, dass Russland mit jedem Tag repressiver werde. Wer sich aus deutschen Medien informiert, hat den Eindruck, Russland sei eine Diktatur, in der die Bürger komplett der Willkür des Staates ausgesetzt sind und über keinerlei Rechte verfügen.

Russland gilt dieser Gruppe von vor allem sehr jungen Deutschen daher als faschistischer Staat, der die demokratische Ukraine aus Hass auf deren Freiheit und liberale Gesellschaftsordnung überfiel. In den sozialen Netzwerken erkennt man die Mitglieder dieser Gruppe daran, dass sie statt Russland RuZZland schreiben. Die Schreibweise soll an die SS-Symbolik der Nazis erinnern. Es mangelt dieser Gruppe an grundlegendem Wissen über historische Zusammenhänge sowie das politische und gesellschaftliche System Russlands. Dass diese Bildungslücke nicht geschlossen wird, dafür sorgen die deutschen Medien. Damit kommt in den unterschiedlichen Anliegen der Protestierenden und den sich dagegen richtenden Gegenprotesten vom vergangenen Wochenende auch ein Generationenkonflikt zum Ausdruck.

Jüngere Deutsche, jetzt in den Zwanzigern, kennen Russland nur als vermeintliche Bedrohung. Spätestens ab 2007, ab Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, hat sich die Berichterstattung in Deutschland über Russland grundsätzlich gewandelt.

Ältere kennen Russland als das Land, das die deutsche Einheit ermöglicht hat, können sich noch an die zahllosen Einladungen Russlands zumBau eines gemeinsamen Hauses Europa erinnern. Eine dieser Einladung wurde im September 2001 von Präsident Putin im Deutschen Bundestag in einer teilweise auf Deutsch gehaltene Rede ausgesprochen. Dieser Auftritt hat bei vielen älteren Deutschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, von dem die Jüngeren allerdings nichts wissen. Man muss mindestens um die 40 sein, um es bewusst miterlebt zu haben.

Erziehung zum Feindbild Russland

Viele Ostdeutsche haben aufgrund ihrer direkten Erfahrung mit Bürgern Russlands in der Zeit der DDR ohnehin ein positives Russlandbild, das die Jüngeren mangels Gelegenheit nie entwickeln konnten. Und diese Gelegenheiten werden immer weniger. Selbst in den Bereichen Sport, Kultur und Wissenschaft bricht Deutschland den Kontakt zu Russland ab. Austausch wird verhindert, Gelegenheiten, Vorurteile und Ressentiments durch direkten Kontakt zu überwinden, werden immer seltener. In den großen deutschen Medien ist der Eiserne Vorhang längst wieder zugezogen worden.

Positive Nachrichten über Russland kommen in den deutschen Medien nicht vor. Es kommt auch die Position älterer Deutscher, die sich ein friedliches Verhältnis mit Russland wünschen, kaum vor. Weder über den Protest in Ramstein, noch über den in Aschaffenburg finden sich nennenswerte Meldungen in den deutschen Nachrichten. Das friedliche Anliegen einer ganzen Generation wird in Deutschland einfach totgeschwiegen, oder, wenn es sich nicht mehr verschweigen lässt, als rechts und faschistisch diffamiert – so wie Russland eben auch.

Aus diesem Grund sollte man mit einer Verurteilung der Generation junger Deutscher, die in Russland eine faschistische Diktatur sehen, vorsichtig sein. Sie sind sicherlich eher Opfer als Täter. Mit den deutschen Medien sollte man dagegen hart ins Gericht gehen. Sie desinformieren mit voller Absicht und dem Ziel, den Konflikt zwischen Deutschland und Russland zu befeuern.

Dieser Beitrag erschien zunächst auf Russisch in der Komsomoskaya Prawda 

Gert-Ewen Ungar
Gert-Ewen Ungar
Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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