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Warum ich kein Linker mehr bin

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Ein Kommentar

Mir reicht’s! Ich habe genug von der Heuchelei und der Scheinheiligkeit all derer, die für sich in Anspruch nehmen, links zu sein. Das, was sie als links bezeichnen, ist nichts anderes als geistige Onanie mit einem schmutzigen Höhepunkt.

Es gab Zeiten, da lag ich in Embryonalhaltung auf dem Bett; verzweifelt, pleite, scheinbar ohne Perspektive. Damals war die LINKE, waren die Menschen, die als links galten, meine Anker, meine Hoffnung darauf, dass es besser werden würde. Ich konnte mit ihnen sprechen, mein Leid klagen, meine Wut loswerden. Im Laufe der Zeit bin ich noch mehr losgeworden: die Menschen, die mir damals geholfen haben.

Heute brauche ich sie nicht mehr, und das ist gut, denn wenn ich sie bräuchte, wäre ich verloren. Die einen sind einfach verschwunden, die anderen haben sich gut eingerichtet in ihrem ehemals kritischen und menschenfreundlichen Leben. Von denen, für die sie von sich behaupten da sein zu wollen, haben sie sich entfernt. Das ist das Leben, aus Idealismus kann eben auch persönlicher Luxus werden, und nicht immer passt beides zusammen.

Aber es sind so ekelhaft viele nachgerückt, die – ahnungslos, wovon sie eigentlich reden – in die Fußstapfen ihrer Vorgänger getreten sind, um sie mit Dreck und wokem Gelaber auszufüllen.

Sie predigen zum Beispiel offene Grenzen für alle statt dafür einzustehen, dass niemand seine Heimat verlassen muss, weil unsere Gesellschaften Kriege führen, Regime Changes durchziehen, durch Wirtschaftssanktionen für Tod und Armut sorgen und ganze Kulturen mit dem Duktus des besseren Menschen in den Kollaps treiben.

Nehmen wir doch mal Andersdenkende. Sie sind eigentlich eine geschützte Art der Linken, Andersdenkende sind mutig, sie verdienen Unterstützung, denn die Linken wissen ja, dass es dunkle Zeiten gab, da hatten Menschen mit abweichender Meinung einen schweren Stand, der auch mit dem Tod enden konnte. Also legt man sich ins Zeug und postuliert, wie wichtig Toleranz und Respekt für Andersdenkende sind. Gern auch für die, die ohnehin nicht mehr leben und keinen Unsinn machen können.

Das Andere muss aber zum eigenen Anderssein passen, sonst ist das Band ganz schnell wieder durchschnitten. Ein Mann, der behauptet, gut zu Andersdenkenden zu sein, schrieb mir:

Letztlich darf ich mit jedem reden, aber ich muss halt nicht.

Und wer ist „jedem“?

Meine rote Linie sind schon Leute, die Leute wie Kubitschek und Sellner ein Forum bieten.
Ich bin Demokrat. Durch und durch.

In diesem konkreten Fall ging es um (angebliche) Interviews, die ein Blog unter anderem mit diesen beiden Kandidaten geführt hatte. Mein woker linker Freund wollte unter diesen Umständen kein Interview geben. Demokrat durch und durch, wie er eben ist, reicht es also schon, wenn jemand, mit dem er nichts zu tun haben will, auf der gleichen Seite wie er ein Interview gibt, da ist dann aber mal Schluss mit lustig und dem ganzen Geschwafel über die ach so tollen Andersdenkenden, die man schützen und füttern müsse.

Ein anderer Fall:

Laut Wikipedia ist der Blog-Betreiber AfD-Mitglied. Sollte diese Info stimmen, sehe ich den skeptisch.

Auch da ging es um ein geplantes Interview. Auch da ist das Verständnis für Andersdenkende am Ende, sobald das falsche Parteibuch in der Hosentasche steckt. Das Motto der heutigen Linken lautet scheinbar:

Andersdenkende ja! Aber nur, wenn sie so anders denken wie ich.

Was für eine Heuchelei! Und was für eine destruktive Arroganz! Ich sehe das so: Wenn ich mit Andersdenkenden spreche, dann kann ich dabei keine Selektion vornehmen. Wenn ich verstehen will, wie jemand denkt, muss ich mit ihm sprechen. Die Alternative wäre, nur über ihn zu lesen, bei einem Stück französischem Käse und italienischem Wein einen Wikipedia-Eintrag zu lesen, gedankenverloren mit dem Kopf zu schütteln und in die Küche zu rufen: „Du, ich hab mir mal den XXX angeguckt. Lass uns mit dem mal lieber nicht reden, der scheint anders zu denken als wir.“

Gibt es Leute, mit denen ich nicht reden würde, wenn sich ein Gesprächsangebot ergibt? Nein, die gibt es nicht, schreibt euch das in euer Notizbuch, ihr woken Sittenwächter! Man stelle sich einen Psychiater vor, der zwar gern seinen Job macht, aber mit Mördern, Vergewaltigern und Psychopathen nicht reden will. Er sollte unverzüglich gefeuert werden!

Gabriele Krone-Schmalz hat es versucht. Sie hat versucht zu erklären, dass Verstehen nicht Verständnis bedeutet. Sie ist mit diesem Ansatz gescheitert. So wie die gescheitert sind, die sagen, dass die Sanktionen gegen Russland uns mehr schaden als den Sanktionierten. Als Antwort kommt dann:

Aber das würde ja bedeuten, dass Putin einfach so weitermachen kann, wenn wir die Sanktionen beenden.

Ihr merkt es nicht, oder? Ihr kapiert nicht, dass eine misslungene Aktion nicht dadurch besser wird, dass man sie immerzu mit dem gleichen Argument rechtfertigt und wiederholt. So sind die woken Linken auch. Mit einem Nazi reden? Aber das würde ja bedeuten, dass er weiterhin ein Nazi bleiben kann. Kann er. Oder auch nicht.

Ich habe Gespräche mit Nazis geführt. Eines verlief so, dass sich herausstellte, dass dieser Nazi irgendwie etwas anderes ist. Ich lernte viele seiner Gedanken kennen, verstand, was ihn bewegte, was ihn ängstigte. Am Ende kam ich zum Schluss, dass er in Wahrheit kein Nazi ist, er verhedderte sich auch so oft in Dinge, die er als Nazi eigentlich gar nicht sagen dürfte, dass ich zu ihm sagte: „Tut mir leid, aber ein Nazi bist du für mich nicht.“ Er guckte mich kurz an und sagte dann: „Vielleicht bin ich das ja auch nicht, ich weiß es auch nicht so genau.“

Ein anderes Gespräch lief anders, die Premiere fand keine Fortsetzung. Wir kamen zu keiner Übereinkunft, da war nichts zu machen. Hätte ich also beide Gespräche bleiben lassen sollen? Ich brauche darauf keine Antwort, herzlichen Dank!

All das ist nicht links. Es ist nicht links, sich die Perlen der eigenen Wohlfühlthemen herauszupicken und alles in die Tonne zu kloppen, was kompliziert werden könnte. Das hat mit linkem Verständnis nichts zu tun.

Daher stimme ich all jenen jetzt zu, die mir schon seit Längerem vorwerfen, kein richtiger Linker zu sein, weil ich die falschen Positionen vertreten oder den falschen Leuten zuhören und mit ihnen reden würde: Ich mach das weiter so. Weil es mich weiterbringt. Und weiter weg von euch!

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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