16.1 C
Hamburg

Die Pandemie der Narzissten

Published:

Unser Gastautor Sascha Wuttke erzählt uns vom Weltärztenarzissten Frank Ulrich Montgomery und legt dar, dass auch Mobbing typischerweise von Narzissten betrieben wird. 

Es braucht keine Zahlen, Daten oder Fakten, um festzustellen, dass wir uns nicht mehr in einer Gesundheitskrise befinden. Fast simultan zu hohen Inzidenzen sorgen nicht nur Infektionswellen für panikartige Warnrufe, sondern auch offen verkündete Abscheu gegenüber jenen, die sich nicht dem Narrativ unterordnen. Es ist eine Krise des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die nach einer schleichenden Entstehung und Entwicklung nun offen ausgetragen wird. Während man sich auf der Straße zumeist noch schweigend aus dem Weg gehen kann, sind im Mantel der Anonymität und der öffentlichen Bühne nun alle rhetorischen Dämme gebrochen. Klickgenerierende Aufreger-Artikel beherrschen aktuell die virtuelle Schlammschlacht, und während mit Spaziergängen die ersten Unmutsbekundungen der Impfpflichtgegner ein Gesicht bekommen, verdunkeln sich offenkundig die Mienen derer, die die Impfung immer noch als alternativlosen Ausweg aus der Krise herbeifantasieren.

Verdunkelte Mienen wären noch gut zu ertragen gewesen, doch ließe sich das Momentum damit kaum richtig beschreiben. Die ersten Wortführenden verlieren reihum die Contenance und feuern nun mit ungeahnter Schärfe in Richtung Impfunwilliger, rote Linien scheinen bei der Wortwahl tatsächlich keine mehr vorhanden zu sein. Jede Pro-Stimme fühlt sich dadurch zusätzlich berufen, es ihnen gleichzutun, und so gerät das gesamte, bis hierhin mühsam noch in Sittsamkeit gebändigte, Gefüge vom menschlichen Miteinander in bedenklichem Maße an den Rand des Kollapses. Unterschiede, ob online oder real, verschwimmen zusehend, und das einzige, das das Fass noch nicht zum Überlaufen gebracht hat, ist die Zurückhaltung des Alltags, was im Supermarkt oder am Arbeitsplatz noch so etwas wie entspannte Atmosphäre versprüht. Doch all das ist überlagert von Maßnahmen und Druckaufbau, was sich heimlich in den Kitt der Gesellschaft frisst, und so ist neben einer fast irrationalen Angst gegenüber einem Virus auch noch ein schwelendes Misstrauen in die Bevölkerung gedrungen.

Gute und schlechte Narzissten

Einen sehr interessanten Ansatz hat etwa Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery selbst geliefert, nachdem er mehrmals und unnachgiebig mit seiner Rhetorik »hoch eskaliert« hatte. Auch hier muss man kein Gelehrter sein, um zu erkennen, dass die Zurückhaltung nun seit einigen Monaten heruntergefahren worden ist. Als bekennender Narzisst scheint nun auch die Psychologie als Wertungsfaktor in der Beurteilung der Beschlusspolitik eine Rolle einzunehmen – dazu müsste zuerst eine Einordnung stattfinden, was Narzissten zu dem machen, was sie sind.

Narzissmus muss nicht grundsätzlich schlecht sein, bringt er doch durch die anpackende Eigenschaft Unternehmen, Gruppen und Zwecke in Bewegung. Es hilft, ihn als produktiv und destruktiv zu unterscheiden, im Guten wie im Schlechten. Ein kurzer Blick in folgende Eigenschaften macht dies deutlich:

Produktiver Narzissmus

  • innovativ, avantgardistisch, visionär denkend
  • überzeugungsstark, andere gut motivieren können
  • charmant agierend
  • ehrgeizig, energievoll
  • adäquate Abgrenzung
  • gesunder Selbstwert und Selbstsicherheit

Destruktiver Narzissmus

  • utopische, rücksichtlose Ideen als das einzig Wahre proklamieren
  • andere für eigene Zwecke missbrauchen, manipulieren
  • launisch, gereizt, verletzend agieren
  • suchtartiges Arbeitsverhalten
  • intolerant, nur noch die eigene Meinung gelten lassen
  • Größenwahn mit amoralischem Handeln

Quelle: Xing-Artikel

In der Causa Montgomery lässt sich so seine selbst geschilderte Eigenschaft auf die Ambivalenz als Mittel zur Meinungsverstärkung übertragen. Für die Impfbefürworter ist er der produktive Anpacker, um die Impfquote anzuheben; für die Gegner der destruktive Schreihals, der einfach nur Recht für sich selbst und seinesgleichen einfordert. Doch führt dies die Evidenz ad absurdum, da der Kampf um Entscheidungsgewalt kaum etwas mit Fakten gemein hat, und gerade die Pandemiesituation ist kaum dazu geeignet, Entscheidungen immer und vollumfänglich als richtig zu betrachten. Dass das Virus Menschen ansteckt, steht dabei außer Frage. Dass das Virus Krankheiten auslöst und auch Tode verursacht, ebenso. Allerdings »narrt« es uns durch seine Mutationsfreudigkeit daran, jede Gegenmaßnahme so anwenden zu können, um dadurch vollends kontrolliert werden zu können. Narzissmus ist in dieser Sache auch Kontrollwahn und das feiste Kalkül, diese Kontrolle auch erreichen zu können. So als ob sich die Natur nur durch puren Willen dirigieren ließe.

Mittel zum Zweck

Spätestens heute, nachdem die globale Bevölkerung durch mehrere dynamische und reziproke Ansteckungsherde durchdrungen ist, sollte endlich akzeptiert werden, dass das Virus immer neue Mutationen aufbringen und sich nicht zügeln lassen wird. Auch Influenza- und andere Grippeviren gestalten sich so, wobei bei ihnen der endemische Status bereits schon seit Jahren anerkannt wird – bei viel weiter verbreiteter Ansteckung und nicht zu vernachlässigenden Todeszahlen. Dass sich das Coronavirus vergleichbar verhält, wird dagegen aktuell stark verzerrt und in der öffentlichen Rhetorik übermäßig emotionalisiert. Und das bringt den Narzissmus wiederum auf den Plan, mit der Brechstange trotz solcher Evidenz das Kontrollziel durchzuboxen.

Die Zeichnung der deutschen Impfpolitik als alternativloses Vorgehen spielt dabei die entscheidende Rolle, vorgetragen von jenen, die entweder Angst, Druck oder Schärfe anwenden, um die Bevölkerung für ihre Absichten einhegen zu wollen. Narzissmus dient hierbei als weiteres, restriktives Mittel zur Durchsetzung solcher Zwecke; auch ein dankbares Auslagern der eigenen Ratlosigkeit gegenüber der überraschenden, zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden, Ablehnung. Ein weiteres Gewicht auf der Waage stellen mit den Medien jene dar, die mit ihrer tendenziellen Neigung zur Verbreitung solcher Aussagen wie der Montgomerys die Fronten zu klären versuchen. Auch sie machen einen Anspruch auf Neutralität im Diskurs obsolet, weil sie sich gar selbst als Haltungsjournalisten mit gleicher Zielsetzung labeln. Sie sind es gar, die Narzissten die Bühne bieten, sei es durch Zustimmung oder boshafter Zurschaustellung.

Nun haben sich noch weitere öffentliche Personen in diesen mehr als zwanzig Monaten so aufgestellt, den Diskurs auf ihre Seite ziehen zu wollen, oft mit Rückendeckung der Institutionen und der höher gestellten Rollenzuteilung. Ob nun ein Weltärztepräsident darüber zu entscheiden hat, was evident sein soll, lässt sich ähnlich zuordnen wie Aussagen eines Bundesjustizministers – es hat mit dem medizinischen Fachbereich wenig bis gar nichts zu tun, sondern deckt nur periphere Anliegen ab, im Gegensatz zu zentralen Aussagen eines Christian Drosten oder Hendrik Streeck. Es lässt sich kaum von der Hand weisen, dass das Ziel ohne ständige Neubewertung und -ausrichtung in Richtung hoher Impfquote herausgelaufen ist, und diese Quote wurde bisher nur nach oben korrigiert.

Um dies zu erreichen, wird es indes immer schwieriger, das sachlich und logisch zu begründen sowie vertrauensvoll zu bewerben. So strudelt sich die Absicht, eine mittlerweile auf 95 Prozent angehobene Impfquote durchzusetzen, nach einer sichtbaren Stagnation von Erstimpfungen rhetorisch von den leisen Tönen in die offen verärgerten, teils cholerischen Lautstärken hinauf. Dass schon zuvor mit kaum begründbaren Anliegen gearbeitet wurde, macht die Sache natürlich nicht einfacher – weder für die Bewerbenden noch die Beworbenen. So verfing sich das deutsche Gebaren in der Virusbekämpfung immer mehr in der Glaubwürdigkeitsfalle, das nur noch durchsetzbar ist, wenn man die Lauten an die Front schickt.

Es reicht ein Vergleich zwischen Deutschland und Dänemark, um aufzuzeigen, dass Vertrauen mehr erreicht und ein Zurückfahren von Maßnahmen ebenso besser akzeptiert wird wie eine kurzzeitige Vorsichtsmaßnahme, wegen Omikron auch wieder Maskenpflicht oder Schließungen in Erwägung zu ziehen. Doch handelt Dänemark in beide Richtungen weitaus dynamischer, weniger agendatreu und somit letztlich weit- und umsichtiger.

Liebe und Hiebe

Zu einer sachlichen Bewertung der unsrigen Situation wäre eine verbale Abrüstung dringend vonnöten, doch ist an ein Umschwenken noch gar nicht zu denken. »Keine roten Linien«, »Tyrannei«, »mehr Diktatur wagen«, »hoch eskalieren« – das ist nur eine kleine Auswahl an Begriffen aus der Ecke des »Team Vorsicht«, das sich defensiv aufstellt, aber mit solchen Begriffen ihren Opferstatus kaum rechtfertigen kann. Sie sind es, die aggressive und offensive Rhetorik nutzen, um Kritiker in die Abwehrhaltung zu drängen; ihre Position oder institutionelle Zugehörigkeit tun ihr Übriges, in ihrer Hoheitsrolle Entscheidungen voranzubringen und den Worten Gewicht zu verleihen. Also ist jeder Abnehmer, ausnahmslos jeder regierte Bürger, automatisch in der Defensive und kann kaum individuell wirksam als Korrektivgewalt einschreiten. Der einzelne Bürger kann dies nur für sich selbst abnicken oder ablehnen und ist per se in der Position des Opfers. Die Krux gestaltet sich dadurch, dass scheinbar die Mehrheit diese Maßnahmen mitträgt und sich in die Schlange zum Impfzentrum stellt. Bezeichnend dazu, dass die Impfwilligen bis zu einer Quote von ca. 65 – 70 Prozent ihrer »Pflicht« nachkommen, und sich bisher bei der derzeitigen Kampagnenoffensive viele haben boostern lassen. Man kann dies als den harten Kern der überzeugten Impfwilligen betrachten. Die Quote der Erstimpfungen dagegen steigt nur sehr mühsam an und kann nicht als Akt von Begeisterung oder stolzer Pflichterfüllung interpretiert werden, sondern nur als devoter Bußgang vor Drohungen und Ausgrenzungspraktiken. Würde man nun solches Gebaren auf Schulen oder Unternehmen anwenden, würde es schnell als Mobbing identifiziert und gar offen verurteilt werden, nebenbei bemerkt.

Mobbing ist auch im Arbeitsalltag ein schnell eingesetztes Mittel von Narzissten, um Mitarbeiter auf Linie zu bringen. Dazu wäre hilfreich zu verstehen, wie ein destruktiver Narzisst »tickt«. Das anfängliche Love Bombing ist ein häufig aufkommender Verhaltensprozess. Sie manipulieren ihr Gegenüber, mit kalkulierten und überschwänglichen Zuneigungsbekundungen, um eine emotionale Abhängigkeit zu schaffen, und dazu eignen sich vor allem Perfektionisten als Abnehmer, die sich wiederum durch vermindertes Selbstwertgefühl leichter einfangen lassen. Eine perfekte Ausgangssituation von Macht-Hierarchie, die – wenn so beibehalten – Hoheitsverhältnisse verfestigt. Doch kritisiert die manipulierte Person den Narzissten, kann die Zuneigung schnell in tiefste Verachtung und gar Verletzung umschwenken. Liebe und Hiebe. Zuckerbrot und Peitsche.

Schaufeln wir nun jede narzisstische Rhetorik zusammen, finden wir uns in einer gefährlichen Phase des Miteinander wieder, in der die Narzissten dem übergeordneten Ziel nützlich sind, aber auch Gefahr laufen, durch ihre intolerante, amoralische Dreistigkeit ein kollektives Ziel ins Gegenteil zu verkehren drohen. Die Mehrheit hat sich jedenfalls nicht auf die Seite Montgomerys oder Macrons geschlagen; es hagelte auch viel Kritik für die derben Sprüche solch hoher Funktionäre, von denen man eigentlich Besonnenheit und Sachlichkeit erwartet. In dieser Konstellation des Disputes ließe sich ablesen, dass man nicht nur selbst oder in der kritischen Masse herbeiführen muss, sondern dass sich auch die hoheitlichen Entscheider und Fürsprecher ohne wehrhaftes Zutun in die Enge tönen. Und je mehr sich solche Narzissten von der Realität entfernen und sich gar mit einer solch psychischen Problemeigenschaft brüsten, bringen sie mit solch egomanischem Größenwahn das große Narrativ ins Wanken.

Der Artikel erschien auch auf Sascha Wuttkes Weblog Polemica.

Gastautor
Gastautorhttps://staging.neulandrebellen.de/
Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

Related articles

spot_img

Recent articles

spot_img