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Weltweit Millionen Selbstmorde wegen der Wissenschaft

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Als Dr. Thomas Harbor durch den Beweis von subatomaren Wellenlängen belegen konnte, dass es „etwas“ nach dem Tod gibt, hatte das gravierende Folgen. Harbor sprach von einer anderen Existenzebene, und die Menschen glaubten ihm.

Sechs Monate später hatten sich bereits eine Million Menschen umgebracht. Sie waren offenbar der Meinung, dass das, was Harbor entdeckt hatte – was auch immer es genau war – besser sein musste als das Leben, das sie bislang geführt hatten. Man könnte zynisch sagen: die Wissenschaft hat über das Leben gesiegt.

Es geht hier um einen Film namens „The Discovery“, der im Jahr 2017 beim „Sundance Film Festival“ seine Premiere hatte. Dr. Thomas Harbor wurde – gewohnt gekonnt – von Robert Redford gespielt, und auch der Rest der Crew überzeugte (mich) auf ganzer Linie.

Mehr verrate ich über den Film nicht, es kann ja sein, dass die Leser ihn selbst sehen wollen. Da wäre es wohl suboptimal, wenn ich jetzt den ganzen Handlungsstrang und womöglich auch noch das Ende verraten würde.

Es geht mir – man ahnt es – um etwas anderes: um „die“ Wissenschaft.

„Was auch immer Sie haben, ich nehm’ es!“

Eine Million Selbstmorde nach sechs Monaten? Und das nur, weil ein Wissenschaftler herausgefunden hat, es gebe „etwas“ nach dem Tod? Ich weiß nicht, wie die Reaktionen 2017 aussahen, als der Film herauskam, aber denkbar sind wohlwollende Kritiken in Richtung der Schauspieler, der Musik oder der Regie. Vorstellbar ist darüber hinaus, dass die Idee des Films eher kritisch beäugt wurde. Zu weit hergeholt, mag es hier und da geheißen haben.

Aber heute? Ist die Story hanebüchen, zu weit hergeholt, oder gleich absurd? Eher nicht, fürchte ich. Was wir im letzten Jahr an Wissenschaftshörigkeit erlebt haben, ist von erschreckendem und religiösem Ausmaß. Und das aus mindestens zwei Gründen:

1. Die wissenschaftlichen Aussagen zum Coronavirus können auch heute unmöglich als gesichert betrachtet werden. Zu neu ist das Virus, zu dünn noch immer die Faktenlage.
2. Es sind die Aussagen nur weniger Wissenschaftler, die als das Maß aller Dinge betrachtet werden. Sie führen zu einer Art Herdenverhalten, das unreflektiert und obrigkeitshörig ist.

Damit stehen wir vor einem nicht auflösbaren Widerspruch. Auf der einen Seite ist klar, dass „die“ Wissenschaft noch wenig über das Virus weiß. Auf der anderen Seite predigt uns die Politik täglich die Sicherheit eben dieser Wissenschaft.

Der fehlende Part: die politische Komponente

Was in „The Discovery“ keine Rolle spielte – und damit verrate ich nicht zu viel -, war die Politik. Das ist in der Corona-Episode gänzlich anders. Unsere politischen Entscheider waren von Beginn der Krise an hoffnungslos überfordert. Sie waren unwissend (wie wir alle auch), inkompetent und hatten keine Vorstellung davon, wie sich das Virus auf das gesellschaftliche Leben auswirken würde.

Es gibt vieles, was an der Corona-Politik zu kritisieren ist. Aber am schwersten wiegt ganz sicher die konsequente Beratungsresistenz, mit der unsere Verantwortungsträger vor einem Jahr und auch heute noch an die Sache herangehen. Wenn einer Regierung mehr als ein Jahr lang nichts Besseres einfällt, als alles dichtzumachen und die gravierenden Folgen in den unterschiedlichsten Bereichen zu übersehen und/oder einfach auszublenden, dann gibt es kaum ein anderes Wort dafür als dies als politische Bankrotterklärung zu bezeichnen.

Eines der Probleme der Politik – und die Liste aller Probleme würde hier den Rahmen sprengen – ist deren Wissenschaftshörigkeit, zumindest oberflächlich wirkt es so. Da schart man um sich herum ein paar Wissenschaftler, die – Surprise, Surprise! – die eigene Meinung widerspiegeln, und schon fühlt man sich auf der sicheren Seite.

Nun gibt es natürlich noch zahlreiche andere Ideen, so etwas wie den schon lange geplanten Great Reset, die weltweite Digitalisierung und Überwachung der Menschen, und nicht zuletzt die Vorstellung, dass so etwas wie eine neue Ordnung zu einer Neugestaltung von Gesellschaften führt. Und ganz sicher ist an allem auch etwas dran, denn diese Ideen sind nicht so neu wie das Coronavirus, es liegt also nahe, dass die Krise genutzt wird, um gravierende Veränderungen einzuführen bzw. weiter voranzutreiben. Es lässt sich ja im Windschatten von Corona recht unauffällig realisieren.

Die Politik aber, so scheint es mir, ist von derlei Ideen weit entfernt. Das liegt wohl nicht mal daran, dass sie sich damit nicht beschäftigt oder es in Teilen nicht sogar gutheißen würde. Es hängt eher mit ihrer Unfähigkeit zusammen, die einfachsten Dinge zu regeln. Die Inkompetenz, die ich hier unterstelle, taugt übrigens nicht als Entschuldigung. Eher als eine Art „Erleuchtung“ mit der Gewissheit, dass unsere politisch Verantwortlichen noch unfähiger sind als gedacht.

Wissenschaftshörigkeit auf allen Kanälen

Wenn im Film „The Discovery“ eine Million Menschen Selbstmord begangen haben, wie muss man dann das nennen, was seit über einem Jahr mit dem gesunden Menschenverstand passiert? Mit einer kritischen Vorsicht? Mit Neugier? Und Skepsis?

Man könnte es einen intellektuellen Suizid nennen. Oder einen freiwilligen Sprung des Verstandes aus einem Fenster. Was im Wesentlichen daran liegt, dass weite Teile der Gesellschaft die Fähigkeit verloren haben, simple und diffuse Aussagen und Behauptungen zu hinterfragen. Offenbar ist der Grat zwischen dem Hinterfragen kurzlebiger Behauptungen und der kompromisslosen Anerkennung solcher sehr schmal.

Neben der Politik mit ihrer eingeschränkten und interessengeleiteten Auswahl an Wissenschaftlern spielen die Medien eine wesentliche Rolle. Weite Teile unserer Medien müssen sich ebenfalls den Vorwurf der Bankrotterklärung gefallen lassen. Es wäre ihre Pflicht gewesen, sämtliche Maßnahmen – zumindest nach einer gewissen Schonfrist – kritisch auf den Prüfstand zu stellen, sich selbst zu überprüfen, sich mit zahllosen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen kurzzuschließen, um so einen strengen Blick auf die Politik sicherstellen zu können. Nichts davon geschah, von wenigen Feigenblättern abgesehen. Damit tragen viele der etablierten Medien eine große Mitverantwortung für den Verlauf der Dinge seit Anfang 2020.

Wissenschaftler am Rande des Größenwahns

Natürlich sind auch die Wissenschaftler, die mit ihren Aussagen nach immer strengeren Maßnahmen Einfluss genommen haben, in der Verantwortung. Allein ein Christian Drosten hat vom anfänglich zurückhaltenden Wissenschaftler zum Verkünder aller gesellschaftlichen Entscheidungen eine Entwicklung durchlaufen, die fast schon verstörend ist. Andere, wie etwa Melanie Brinkmann oder Viola Priesemann, haben aus ihrer Erwartungshaltung gegenüber „der“ Politik gar keinen Hehl gemacht. In ihrer Wahrnehmung – und das ist wohl etwas, das man zumindest erklärend einräumen muss – gab es nichts anderes als das, was sie favorisierten. Sie wollten und wollen die Infektionszahlen nach unten drücken, die Folgen über ihre Fachrichtungen hinaus spielten keine Rolle. Das ist nicht einmal schlimm, niemand kann erwarten, dass eine Virologin und eine Physikerin den gesamten gesellschaftlichen Kitt modellieren können, der das Leben ausmacht.

Schlimm dagegen ist, dass niemand sie gebremst hat. Die Überforderung der meisten Politiker steht auf einem Blatt. Auf dem anderen steht die von Wissenschaftlern, die mit ihrer Funktion als Heilsbringer für Gesellschaft, Wirtschaft, Soziologie, Pädagogik, Philosophie, Kultur und Psychologie nicht ansatzweise leisten konnten, was von ihnen erwartet wurde – und woran sie in einem Anflug von Größenwahn letztlich selbst geglaubt haben. Eine Virologin, die denkt, sie könne wirtschaftliche Zusammenhänge und Auswirkungen erklären, oder eine Physikerin, die der Meinung ist, sie könne den weiteren gesellschaftlichen Verlauf einfach berechnen, das sind keine guten Ratgeberinnen. Dumm nur, dass es ihnen fast niemand gesagt hat.

Eine Million Tote versus eine Million Tote

Je nach Zählweise hat Corona Ende September 2020 für rund eine Million Coronatote gesorgt.

Ich will diese Zahl hier nicht weiter behandeln, auch das würde den Rahmen sprengen. Gehen wir davon aus, dass die Zahl stimmt. Und stellen wir sie der Million Toten durch Suizid im oben genannten Film gegenüber.

In beiden Fällen haben die Todesfälle weitere Auswirkungen. Auswirkungen psychologischer Natur, wirtschaftlicher Natur, Familien wurden auseinandergerissen, zerstört, wahrscheinlich folgten weitere Todesfälle aus Gründen, die ursächlich in den beklagten Todesfällen begründet sind. Wenn eine Million Menschen sterben, bleibt das nie folgenlos, und das beschäftigt uns sehr. So sehr, wie es uns nicht weiter beschäftigt, wenn eine Million Menschen an Hunger sterben. Oder an Krieg. An Folter. Wir lassen nur die Toten an uns „heran“, die uns in irgendeiner Weise selbst betreffen. Alle anderen blenden wir aus, aus Selbstschutz, aus Trägheit, aus fehlendem Interesse.

Und so machen wir es auch mit den Coronatoten, die nicht an, mit oder durch das Virus gestorben sind, sondern an den Folgen, die mit Lungenkrankheiten oder anderen Erkrankungen im Zusammenhang mit Corona nichts zu tun haben. Es überfordert uns, so wie Politiker, Wissenschaftler und Medien überfordert oder unwillig sind, über das Offensichtliche hinaus zu blicken.

Wünschen wir zumindest den Toten im Film „The Discovery“, dass das „etwas“, das Dr. Harbor entdeckt hat, besser ist als das Leben, das sie zuvor geführt haben.

Machen wir uns aber auch klar: Wir wissen es nicht. Weder in der Fiktion noch in der Realität.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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