Ein Meinungsbeitrag von Hela Schwartz
Beim Bäcker in unserem Viertel tritt man einzeln ein, dafür muss keine Maske getragen werden. Dennoch setzen fast alle Männer und Frauen, selbst Kinder, eine Mund-Nasen-Bedeckung auf, wenn sie das kleine Ladengeschäft betreten. Woher kommt die Lust an der Beschränkung?
In online-Diskussionen wird die Maskenpflicht und die Einhaltung der Abstandsregeln befürwortet. Es scheint eine regelrechte Lust an einschränkenden Maßnahmen zu bestehen. Woher kommt das? Wir leb(t)en in einer globalisierten, unbeschränkten Welt, in der alles möglich zu sein schien. Das brachte die ein oder andere Unsicherheit mit sich. Ist die aktuelle Folgsamkeit eine Reaktion auf die fehlende Orientierung der neumodernen Ära? Folgen vielleicht diejenigen am meisten den Hygienebestimmungen, die zuvor orientierungslos waren? Hat die offene Erziehung, die Grenzenlosigkeit der eigenen Möglichkeiten vielleicht erst die Generation geschaffen, die jetzt so brav gehorcht? Sind sie am Ende dankbar, dass ihnen endlich jemand sagt, was sie zu tun haben? Und dafür, dass sie in einer so freien Gesellschaft leben, dass sie sich den Stoff für ihre Maske selbst aussuchen können?
Oh, wie gern sie sie tragen, wie hip sie damit sind. Wenn sie auf Instagram sich selbst präsentieren, mit Maske, tanzend in der S-Bahn. Während irgendwo in diesem Land einer umkippt, weil er keine Luft bekommt. Aber Atemnot ist nur in anderen Ländern ein Problem.
Die junge Generation, zu der ich mich nicht mehr zählen möchte, wäscht sich brav die Hände, wenn es verlangt wird, hält Abstand zu anderen Menschen, trägt Maske und folgt dem Hygieneregime nicht nur, weil es gefordert wird, sondern auch, weil sie denkt, dass sie etwas Gutes tut, sich für das Gemeinwohl einsetzt. Endlich kann man mal Menschenleben retten. Von Menschen, die einen eigentlich nicht interessieren. Denn ich habe nichts gelesen von Initiativen zur Rettung des Soziallebens alter Menschen im Heim, oder zu Besuchsinnovationen für demente Omis im Pflegestift. Stattdessen retten die Jungen Künstler und Kulturschaffende (gruselige Vorstellung, dass wenige eine Kultur schaffen), die allesamt systemrelevant sein sollen. Die jungen Menschen befürworten das Trennen und Wegsperren, das Isolieren und Denunzieren, sie unterstützen durch ihre Folgsamkeit und Kritiklosigkeit die Maßnahmen, deren Folgen sie großmütig beseitigen wollen. So, als würden sie dem Bomber mit Wimpeln zuwinken, um dann fröhlich die Trümmer beiseite räumen zu können. So, dass es alle sehen, natürlich. Es geht auch in diesen Zeiten nichts über die Darstellung der eigenen Großartigkeit.
So fordern sie also Geld für Kunst und Kultur von dem Staat, der von den isolierten und verängstigten Alten aufgebaut wurde, aus Kassen, die von denen gefüllt werden, die nicht mehr arbeiten dürfen, deren Einnahmen durch die Corona-Maßnahmen und steigende Steuern minimiert werden. Geld von einem Staat, dem sie gleichzeitig mit erhobenen Fäusten drohen, weil schwarze Leben zählen.
Man will Geld für die Kunst, weil sie systemrelevant ist. Aber nein: Kunst ist der Luxus, den sich eine Gesellschaft leisten kann, wenn die Grundbedürfnisse gesichert sind. Wer nichts zu essen hat, geht nicht ins Theater. Es sei denn, in diesem würden die Gründe des Hungers angeprangert und besprochen werden. Kunst hat die Möglichkeit, intelligent, unterhaltsam und aufrührerisch die Missstände der Zeit zu benennen und Wege heraus zu zeigen. Sie kann den Menschen in seiner möglichen Heldenhaftigkeit stärken. Doch das tut sie nicht, allenfalls in Nischen an deren Eingang irgendein Bashing-Begriff hängt, der die Unsicheren abhält, hineinzugehen.
Aber vielleicht gibt es sie auch, die jungen, die kritischen Geister, die gemeinsam mit anderen etwas bewegen wollen. Vielleicht kann ich sie einfach nicht sehen, weil hochgestreckte Hände, die mal bettelnd geöffnet und mal drohend geballt sind, mir die Sicht versperren. Man möge mir das verzeihen.