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Die merkwürdige Grenze der Propaganda (Teil 1)

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Um Kriege zu führen, braucht es Propaganda. Um Waschmittel zu verkaufen, auch. Und in allen Ländern der Welt ist sie die erste Wahl, wenn es darum geht, die Massen zu manipulieren. Hierzulande stößt die Propaganda des Staates allerdings aktuell an eine Grenze.
Da wundert sich der Propagandist.

Bemüht man die Wikipedia, lässt sich unter dem Begriff „Propaganda“ folgende Erklärung finden:

Propaganda (von lateinisch propagare‚ weiter ausbreiten, ausbreiten, verbreiten) bezeichnet in seiner modernen Bedeutung die zielgerichteten Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern.

Das funktioniert schon sehr lange, auch wenn die Ausübung der Propaganda im Laufe der Zeit subtiler geworden ist. Propagandisten, das sind natürlich immer die anderen, vornehmlich die Russen, die Chinesen, die Nordkoreaner. Im Westen wird der Begriff dagegen gemieden, hier gibt es offiziell keine Propaganda (es sei denn, sie wird der AfD oder alternativen Medien unterstellt). Vielmehr wird von Deutschland und seinen „Partnern“ etwas anderes favorisiert, und erneut bemühen wir die Wikipedia. Denn die Propaganda

steht im Gegensatz zu pluralistischen und kritischen Sichtweisen, welche durch unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen sowie einen rationalen Diskurs geformt werden.

Soweit zur Theorie. Wir müssen also davon ausgehen, dass die politischen Entscheidungen hierzulande auf der Basis von Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen gefällt werden, aber nicht, ohne zuvor ausgiebig den rationalen Diskurs gepflegt zu haben. Das klingt spitze. Nur glauben immer weniger Menschen daran.

Rationaler Diskurs versus albernes Politiktheater

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Titulierung „albernes Politiktheater“ soll keinesfalls verharmlosen, was wir täglich erleben müssen. Korruption, Lügen, Bestechung, Beraterverträge, Lobbyismus, Privatisierung, Steuerhinterziehung im großen Stil, die zunehmende Überwachung und Militarisierung des Landes, all das sind ernste Dinge, die man nicht als „Theater“ bezeichnen sollte, ebenso, wie man die Manipulationen von Autobauern nicht als „Schummeleien“ abtun sollte.

Dennoch gibt es die öffentliche Wahrnehmung, und die hat immer mehr das Gefühl, dass es sich in Berlin eben doch um albernes Politiktheater handelt. Der „Mann auf der Straße“ mag das so nennen, aber er verniedlicht dabei sicherlich nicht. Ihm ist der Ernst der Lage bewusst, und wenn er den täglichen Politikbetrieb als Theater bezeichnet, dann hat er dabei meist einen ziemlich bitteren Geschmack auf der Zunge.

Wie auch immer – würden wir uns auf die Socken machen und in einer Einkaufsstraße die Menschen fragen (ich denke, das mach ich demnächst mal), ob sie das Gefühl haben, dass sie von Politikern regiert werden, die auf der Grundlage eines rationalen Diskurses ihre Entscheidungen treffen, dürften wir uns als häufige Reaktion auf einen verwunderten Gesichtsausdruck oder schallendes Gelächter einstellen.

Man muss kein Prophet sein, um zum Schluss zu kommen, dass die Politik ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem hat, und zwar eines, an dem sie mit aller Macht (und sehr erfolgreich) gearbeitet hat. Die Kandidatur eines Olaf Scholz zum SPD-Parteivorsitzenden, nachdem er ein paar Wochen zuvor kategorisch ausgeschlossen hatte, dass es soweit käme, oder die ganzen Postenvergaben um Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer – sie taugen dazu, das Glaubwürdigkeitsproblem zu untermauern, sind aber letztlich nur Spitzen eines Eisberges, unter dessen Oberfläche faktisch keine demokratischen Entscheidungen mehr getroffen werden, sondern abgesprochen, verabredet, bestochen und erpresst wird. Das kann in bestimmten Fällen bewiesen werden, in anderen reicht ein flaues Gefühl im Magen des politischen Beobachters, um den Eindruck zu unterstreichen, dass irgendwie nichts mehr mit rechten Dingen zugeht. Oder mit allzu rechten Dingen.

Propaganda braucht Vertrauen

Nun, das ist vielleicht ein bisschen dick aufgetragen. Vertrauen ist insofern hilfreich, als dass es leichter fällt, Propaganda zu betreiben, wenn die Propagandisten glaubwürdig erscheinen. Als die wenig interessierten Amerikaner in den Ersten Weltkrieg geschickt werden sollten, bemühte man verschiedene Feindbilder und stellte den Gegner als so grauenvolle Monster dar, dass sich dem kaum jemand entziehen konnte. Und so wurde aus einem eher auf Frieden (oder zumindest Ruhe im eigenen Wohnzimmer) gerichtetes Volk eine motivierte Truppe, die Frauen und Kinder gegen den Feind verteidigen musste. Edward Bernays sei „Dank“.

Das war Propaganda reinster Güte. Und an diesem Prinzip hat sich nichts geändert (abgesehen von der Waschmittelwerbung, die ja auch eine Form der Propaganda, also Beeinflussung ist, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat und inzwischen so weiß wäscht, dass man daran erblindet). Heute erleben wir Propaganda etwa mit dem Feindbild Russland, dem so ziemlich jede schmutzige Wäsche in den Korb gelegt wird, die sich finden lässt.

An diesem Punkt krankt die heutige Propaganda aber ein wenig.

Der „böse Russe“ wird vom Volk nicht mehr gekauft

Was auch immer passieren mag auf dieser Welt, es braucht nicht lange, bis irgendwelche Politiker oder Journalisten (meist sind beide beteiligt) den Schuldigen auserkoren haben: den Russen. Oder, noch besser: Putin. Denn ein personifiziertes Feindbild funktioniert immer noch am besten (so wie wir ja auch einem Prominenten eher glauben, wenn er für ein Handy oder einen Nassrasierer wirbt).

Selbst wenn es nur dürftige Indizien oder nicht einmal die gibt, wird die Propagandamaschine an- und abgeworfen, bis der Arzt kommt. Sollte sich später herausstellen, dass alles Humbug war, wird zur nächsten Maßnahme gegriffen: der Ignoranz. Politik und Medien kann es egal sein, ob sich später eine falsche Berichterstattung herausstellt. Wenn das Thema lange genug „beschwiegen“ wird, bleibt – so die Hoffnung – genug übrig von dem, was ursprünglich verbreitet wurde.

Das Problem: Irgendwie funktioniert das Ganze nicht mehr so richtig. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung sieht im Russen nicht das Problem, ein noch größerer ist strikt gegen Auseinandersetzungen mit Russland, und erst recht gegen solche, die militärischer Natur sind. Das ändert kaum etwas an der praktizierten Propaganda, die immer wieder darauf abzielt, den Russen als böse darzustellen.

Aber – wenn wir den Vergleich mit dem Ersten Weltkrieg bemühen – unter den heutigen Voraussetzungen wäre es den Herrschenden wohl kaum möglich, die Deutschen mit Feuereifer in einen Krieg gegen Russland ziehen zu lassen. Das wollten die Amerikaner zwar vor dem Ersten Weltkrieg mehrheitlich auch nicht. Aber dann kam die Propaganda und rammte die Feindbilder in die Köpfe der Menschen, bis sie bereit waren, in den Krieg zu ziehen.
Ich mag mich täuschen, aber in der jetzigen Lage sehe ich nicht, dass die westliche Politik Russland so glaubhaft als Feind darstellen könnte, dass es für deutsche Bodentruppen reichen würde.

Das Problem scheint tatsächlich das fehlende Vertrauen in die Politik, deren Glaubwürdigkeit so brüchig ist wie Schiefergestein. Und das hat gute Gründe …

***

Im zweiten Teil wird es um die Propaganda der AfD und ihrer Gegner gehen. Er erscheint am 24.9.2019.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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