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Die merkwürdige Grenze der Propaganda (Teil 2)

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Während es im ersten Teil um Propaganda im Allgemeinen ging und um die Frage, warum die Propaganda vom „bösen Russen“ nicht mehr so recht funktionieren mag, beschäftige ich mich in diesem zweiten Teil mit der AfD.

Die betreibt ihre Propaganda zwar sehr erfolgreich, ist aber auch propagandistischen Angriffen der Gegenseite ausgesetzt. Und wie beim teilweise gescheiterten Versuch, den „bösen Russen“ in die Köpfe der Menschen einzupflanzen, gelingt den etablierten Parteien ihre Propaganda auch in die Richtung der AfD nur bedingt.
Das liegt unter anderem an deren Unfähigkeit und fehlendem Charisma. In erster Linie aber hängt es damit zusammen, dass die Unterschiede inhaltlicher Natur zwischen den „alten“ Parteien und der AfD zu großen Teil kaum auszumachen sind.

Propaganda und die AfD

Die AfD betreibt natürlich in ihrem Rahmen Propaganda übelster Sorte. Man muss nur den Weidels oder von Storchs auf Twitter folgen, um festzustellen, dass massiv gegen alles gewettert wird, was nicht blond und blauäugig ist. Die Bedrohungsszenarien sind teils so grotesk, dass man sich fragt, wer in alles in der Welt auf diesen Unsinn hereinfällt. Aber das tun eine ganze Menge Leute, und die AfD bedient ihre Zielgruppe mit punktgenauen Propaganda-Landungen.

Das ist nicht zu unterschätzen! Aus einer Anti-Euro-Partei, die kaum ernst genommen wurde, ist eine geworden, die vornehmlich durch Rassismus und das Schüren von Ängsten gegenüber allem Fremden zu beachtlichen (oder besser: beängstigenden) Wahlergebnissen kommt. Und damit sind wir bei der Ratlosigkeit der etablierten Parteien.

Die tun im Grunde alles, was nötig ist, um ihre Propaganda wirken zu lassen. Mit vereinten Kräften tönen Union, SPD, Grüne und FDP (durchaus auch die LINKE), dass alles gut werde, wenn man nur gegen rechts sei und vereint für die Demokratie und Meinungsfreiheit eintrete. Da die Medien diese Kampagnen (die Propaganda) tatkräftig unterstützen, sollte man meinen, dass das Prinzip funktionieren müsse.
Tut es aber nicht, oder nur sehr begrenzt.

Nun könnte man argumentieren, dass die AfD nur in irgendwelchen Filterblasen relevant, letztlich aber doch eher isoliert ist und sich bestens darauf versteht, sich in eine Opferrolle zu begeben. Und das stimmt zum Teil ja auch. Wer sich auf Facebook sowieso schon in rassistischen Kreisen bewegt, kommt – schon wegen der Algorithmen – kaum an der vermeintlichen „Alternative“ vorbei. Doch reduzieren auf diese Filterblasen lässt sich die Rolle der AfD nun wahrlich nicht mehr.

Man braucht sich nur die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg anzuschauen, um zu wissen: Das geht weit über irgendwelche Filterblasen hinaus.
Doch warum funktioniert die Propaganda nicht mehr, die so lange und so oft ganz hervorragend funktioniert hat?

Ich habe dafür keine Erklärung, die alle Fragen diesbezüglich beantwortet. Aber ein paar kleine Ansätze.

1. Die AfD wird ständig angegriffen, aber selten wirklich entlarvt.

Gegen rechts zu sein, ist – seien wir ehrlich – sehr komfortabel. Aber nicht sehr effektiv. Die Fremdenfeindlichkeit hat die AfD zwar auf die Spitze getrieben, aber jene Parteien, die sie jetzt genau dafür angreifen, haben mitgemacht, und sie tun das noch immer. Wer hin und wieder Talkshows schaut, weiß, dass diese über einen recht langen Zeitraum ebenfalls immer wieder die Themen Flüchtlinge, Ausländerkriminalität oder das „Ergaunern“ von Sozialleistungen auf dem Tisch liegen hatten (die BILD brauchen wir als Feindbildaufbauer wohl kaum extra zu erwähnen, die hat es immer schon zur Meisterreife gebracht, wenn es um menschenverachtende Berichterstattung ging). Bei so viel Vorarbeit war es für die AfD ein Leichtes, sich „ins gemachte Bett zu legen“ und all das, was sowieso schon in die Köpfe der Menschen gepflanzt wurde (durch: Propaganda) auf die Spitze zu treiben. Zustimmung gewisser Teile der Bevölkerung war und ist ihr sicher.

Die Entlarvung der AfD ist auf diesem Gebiet daher eher schwer. Auf der programmatischen Ebene wäre das deutlich leichter, kommt aber kaum vor. Sicher, es gibt die klugen Köpfe, die mit erhobener Stimme posaunen, man brauche doch nur das Wahlprogramm der AfD zu lesen, dann wisse man schon, was Sache ist. Aber unglücklicherweise lesen nur wenige Menschen Wahlprogramme (übrigens auch eher wenige Menschen, die die CDU oder die SPD wählen, und am Ende sind diese Programme eh nur Schall und Rauch).

Und da die AfD von ganzem Herzen aus neoliberal ausgerichtet ist, und weil das die meisten anderen Parteien eben auch sind, ist der inhaltliche Streit eher eine Ausnahme. Diese Tatsache spricht übrigens weder für die AfD noch für die übrigen Parteien, die alle voll auf neoliberalem Kurs sind.

2. Es fehlen Charismatiker.

Auch auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden (wird man das nicht fast immer, wenn man die AfD thematisiert?) – auf der Seite der vermeintlich „Guten“ fehlen die Charismatiker. Die AfD hat von denen eher ein paar zu bieten. An dieser Stelle sei nochmals betont (auch wenn es vermutlich vergebliche Liebesmüh‘ ist), dass die Bezeichnung „Charismatiker“ hier nicht positiv verstanden werden darf.

Aber ein Alexander Gauland mit seiner scheinbar desinteressierten und überheblichen Art zeigt einfach Wirkung. Eine Alice Weidel ebenfalls, und ein Björn Höcke polarisiert und provoziert, dass die sie Balken biegen. Sie und weitere AfDler haben aber eine klare Zielgruppe, und zum Schrecken aller anderen wird die immer größer.

So aber funktioniert Propaganda. Charismatiker zeigen eine Richtung auf, und im „besten“ Fall folgen ihnen zunächst einige wenige, dann aber immer mehr. Das erleben wir mit der AfD, die inzwischen in allen Landtagen vertreten ist und weiter Fahrt aufnimmt.

Und die „Konkurrenz“? Was haben Union, SPD, FDP und Grüne zu bieten, und was die LINKE? Da ist nicht viel, die Union lockt mit Kramp-Karrenbauer, Söder, Seehofer, Ziemiak oder sogar Merkel (ist die eigentlich noch hier?) kaum einen Hund hinter dem Ofen hervor. Der größte Charismatiker der letzten Jahre der SPD hat sie in den Abgrund getrieben, weil mit Schröder die neoliberale Agenda in den sozialdemokratischen Stein gemeißelt wurde, was den stetigen Abstieg in Sachen Wählergunst bedeutete.
Die FDP besteht scheinbar nur noch aus Christian Lindner, der sich abmüht, mit ein bisschen Rhetorik zu punkten, letztlich aber immer uninteressanter wird.

Die Grünen scheinen noch am ehesten mit Personal ausgestattet zu sein, das etwas bewegen könnte. Dumm nur, dass sie die AfD-Wähler kaum erreichen, weil die die Grünen (oft zu Recht) als abgehoben und an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei wahrnehmen. Vermutlich geraten Grünen-Wählerinnen mittleren Alters in Verzückung bei der Vorstellung, einen Habeck als Schwiegersohn zu haben. Viele AfD-Wählerinnen gleichen Alters würden ihn dagegen bestenfalls favorisieren, um zu staubsaugen oder den organischen Müll in die Biotonne zu werfen.

Und die LINKE? Zerfleischt sich effizient selbst, hat Wagenknecht ins Aus getrieben und denkt angestrengt darüber nach, wie sie die Menschen erreichen kann, die sie doch eigentlich erreichen können müsste.

Ist das eigentlich gut?

Weil Propaganda eine Reinform der Manipulation ist, und weil mit Propaganda Kriege geführt werden und Gesellschaften an den Rand der Verzweiflung (und darüber hinaus) getrieben werden, könnte man annehmen, dass es vielleicht gar nicht schlecht ist, wenn sie nicht mehr so gut funktioniert wie früher (wobei ich mit meiner Analyse auch völlig daneben liegen kann).

Die Freude wäre allerdings verfrüht. Denn die Vermutung, dass unsere etablierten Parteien womöglich nicht mal mehr in der Lage sind, erfolgreiche Propaganda gegen die AfD zu führen (und auch sonst schwächeln, siehe Russland), bedeutet nicht, dass wir kein Problem mehr mit der Propaganda haben.

Es wird sie immer geben, und es ist die Frage, wer dabei am erfolgreichsten ist und welche Parolen am besten ankommen. Im schlimmsten Fall – und das ist leider weit mehr als eine Fantasie – nimmt die Propaganda von morgen Formen an, die sehr gefährlich werden, die es faktisch schon sind.

Und Heiko Maas und seine Spießgesellen jeglicher Couleur werden – Stand jetzt – dagegen kaum etwas unternehmen können. Sie haben einfach inhaltlich nichts entgegenzusetzen (weil sie in weiten Teilen ticken wie die AfD), sind zu blass, zu nichtssagend, und … sie sind eben keine Charismatiker.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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