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Kann künstliche Intelligenz komponieren wie Mozart?

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Und zwar so, dass wir Menschen nicht bemerken, dass die Komposition von einer Maschine geschrieben wurde? Keinesfalls, höre ich die Kritiker rufen. Kreativität ist immer noch eine menschliche Eigenschaft, an die Maschinen nicht heranreichen können.
Aber ist das wirklich so?

Claudia Janet Birkholz, Interpretin für Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts und Dozentin für Klavier und zeitgenössische Musik, ist beeindruckt von den Fähigkeiten künstlicher Intelligenz (KI). Sie glaubt jedoch bis auf weiteres nicht daran, dass KI kreative Prozesse wie das Komponieren oder das Spielen eines Instruments schaffen kann.
Das freut die KI-Skeptiker und wirft eine neue Frage auf: Wie lange dauert eigentlich „bis auf weiteres“?

Zugegeben, ich befasse mich seit einiger Zeit mit KI (und wie ich mich kenne, wird das auch noch eine Weile so weitergehen). Wem das nicht gefällt, der braucht sich aber weder künstlich noch nicht-künstlich aufzuregen. Denn die Lösung ist in diesem Falle – wie so oft – sehr einfach: meine Texte zum Thema geflissentlich ignorieren. Ist wie an der Käsetheke: Wer Wurst will, geht woanders hin und diskutiert nicht stundenlang herum, was diese Käsetheke da zu suchen hat, obwohl man doch Wurst will. Aber das nur am Rande.
Alle anderen: Hefte raus, und weiterlesen!

Mozart, wie Ihr ihn noch nie gehört habt!

Moment mal, Ihr habt Mozart sowieso noch nie gehört? Das ist ein Skandal, und ein Beweis für eine Welt der Kunstbanausen!
Aber sei‘s drum, Ihr, die Ihr behauptet, noch nie Mozart gehört zu haben (was übrigens wahrscheinlich gar nicht stimmt, aber ich will nicht belehrender als sonst schon wirken), Ihr wisst doch zumindest, dass es mal einen Kerl gab, der Musik gemacht hat, die ganz gut ankam, richtig? Notfalls kramt mal die Songs von Falco durch, der hat auch mal was gemacht, was mit Mozart zu tun hatte.

Wie auch immer. Mozart war keine Eintagsfliege. Er schrieb zwar Hits, war aber nicht einen Sommer später schon wieder vergessen wie andere Interpreten, die nach ihrem großen Erfolg in Drogen versinken oder Burger verkaufen.

Mozart jedenfalls, der hat eine Menge komponiert (Bach auch, Prince auch). Und nicht jeder kennt sein gesamtes Werk, wobei noch erschwerend hinzukommt, dass es womöglich Kompositionen gibt, die noch nicht einmal entdeckt wurden (was allerdings zugegebenermaßen unwahrscheinlich ist).

Claudia Janet Birkholz hat sich mit der KI-Software „EMI – Experimental Musical Intelligence“ von David Cope beschäftigt. Und der sich wiederum mit Mozart. Kurzerhand komponierte Cope (oder besser: seine KI) ein Musikstück, das so stark an Mozart erinnerte, dass Birkholz ins Grübeln kam. Auch sie vertritt als Profi eher die Meinung, dass unentdeckte Kompositionen von Mozart unwahrscheinlich sind (sag ich doch!).

Und sie kam bezüglich der KI-Komposition dann auch letztlich dahinter:

Ich als langjährige Musikerin habe ausschließlich an sekundären Hinweisen wie Pralltrillern und zu weiten Griffen erkennen können, dass die Stücke kein Original waren.

Nun weiß natürlich jeder, dass ein Pralltriller ein einmaliger, kurzer Wechsel mit der nächsthöheren leitereigenen Note ist. Das müssen wir also nicht diskutieren. Aber was, wenn die KI auch in Sachen Pralltriller und zweiten Griffen so gut aufgestellt ist, dass selbst ein Vollblutmusiker den Unterschied zur menschlichen Komposition nicht mehr erkennt?
Das ist eine interessante Frage.

Ist die Kreativität wirklich die Begrenzung der KI?

Darum geht es letztlich. Nicht nur Skeptiker, auch Befürworter der KI meinen, dass bei Dingen wie sozialer Intelligenz oder eben Kreativität der KI Grenzen gesetzt werden. Das macht ja auch Sinn. Eine KI hat kein Bewusstsein im menschlichen Sinne (was immer Bewusstsein auch sein mag, aber lassen wir das an dieser Stelle). Sie kann zwar – das sollte erwähnt werden – heute sogar schon psychotherapeutische Gespräche führen, die den Teilnehmern bis zu einem gewissen Punkt helfen.

Empfehlenswert ist diese Form der Therapie aber eher nicht, und wäre ich eine Krankenkasse, würde ich zumindest keine Kostenübernahme empfehlen. Denn die KI, die den Therapeuten raushängen lässt, orientiert sich nur an Schlüsselbegriffen, die der Patient nennt, um dann geschickt nachzufragen und dem Patienten das Vertiefen einer bestimmten Thematik erlaubt. Das ist nicht falsch, aber nur von begrenztem therapeutischem Wert.

Mit der Kreativität scheint es sich ähnlich zu verhalten. KI kann Mozart in- und auswendig lernen (und braucht dafür nur kurze Zeit), kann die Art und Weise der Kompositionen bis ins letzte Notenteil zerlegen und dann Musik schreiben, die von Mozart nicht mehr oder kaum noch zu unterscheiden ist.
Aber eigene Werke? Auf Mozarts Niveau? Ohne Vorlage?

Ich denke schon. Zumindest, wenn es zu einer Vernetzung kommt, also Deep Learning mit Deep Learning kommuniziert und agiert, um so aus dem reichen musikalischen Fundus etwas zu kreieren, das einer Komposition von Mozart in nichts nachsteht.

Mein so lapidar hingeworfenes „Ich denke schon“ könnte den einen oder anderen Kritiker auf den Plan rufen (womöglich sogar ein paar mehr davon), die die Meinung vertreten, dass das Hanebüchen ist. Weil Kreativität und soziale Intelligenz nun einmal nichts für KI sind. KI kennt Einsen und Nullen und kommt damit bestens zurecht, hat aber schon Probleme, wenn es beim autonomen Autofahren eine moralisch richtige Entscheidung treffen soll. So etwas in der Art höre ich in meinem geistigen Ohr dazu.

Allerdings sind die moralischen Entscheidungen, die KI beim autonomen Fahren trifft, ja tatsächlich menschengemacht. Menschen spielen alle möglichen Situationen durch, um dann zu entscheiden, wie die KI-Karre richtig zu entscheiden hat. Dass dabei Situationen konstruiert werden (die es später durchaus geben kann), die eigentlich nur zu falschen Entscheidungen führen können, liegt in der Natur der Sache. Man will nicht, dass beim Autofahren Menschen sterben, aber sie tun es doch, immer, grundsätzlich. Das ist nun wahrlich nicht das Problem der KI, sondern der Autobauer, der Straßenplaner, der Politik, der Ingenieure und – natürlich – das von Merkel. Oder Trump oder Putin, je nach Geschmacksrichtung.

Aber ich schweife einmal mehr ab.

Kann KI nun Mozart oder nicht?

Genau. Darum ging es ja. Also, ich vermute, dass KI in absehbarer Zeit Kompositionen realisieren kann, die kein Mensch – nicht einmal Profimusiker – von einem echten Mozartwerk unterscheiden kann. Der Vorgang des Komponierens ist zu einem Teil nichts anderes als Technik (wer sich schon mal ein wenig mit Bach beschäftigt hat, wird das bestätigen können). Und eine Technik kann generell jeder erlernen, also auch eine künstliche Intelligenz.

Doch wie ist es mit der Kreativität? Auch das kann eine KI lernen, wenn sie nur die Gelegenheit dazu bekommt und sich angemessen miteinander vernetzen kann. Voraussetzung ist natürlich die Fähigkeit, die KI so zu programmieren, dass sie weiß, was zu tun ist, was also Komponieren eigentlich ist. Wurde ihr das nahegelegt, steht dem individuellen Komponieren nichts mehr im Wege.

Für mein Empfinden ist aber eine andere Frage viel entscheidender.

Warum sollte KI das tun?

Tja, das ist dann wohl doch der große Unterschied zwischen Mensch und Maschine. Der Mensch neigt zur Kreativität, er will etwas schaffen, will Genuss erzeugen, vielleicht etwas Bleibendes hinterlassen (vermutlich will das sogar Helene Fischer, auch wenn ich persönlich nicht glaube, dass sie in 100 Jahren noch ein großes Thema ist). Der Mensch, der Musik komponiert, empfindet das als Leidenschaft, er liebt sein Instrument (oder seine Instrumente), er geht darin auf, Noten aufs Papier zu bringen, die in ihrer Anordnung etwas Einzigartiges schaffen, die seine Handschrift tragen und über seinen persönlichen Lebenszyklus hinaus bedeutsam bleiben.

Und die KI?
Dürfte – Stand jetzt – daran kein gesteigertes Interesse haben. Was interessiert es eine Maschine, die ihre Priorität auf Einsen und Nullen setzt und damit bestens klarkommt, ob sie etwas komponieren kann, das die Menschen berührt, bewegt, in Verzückung versetzt?

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund für die Annahme, dass eine wie auch immer geartete KI große Lust verspürt zu komponieren, weder für einen Sommer noch für die Unendlichkeit. Dafür bräuchte sie Emotionen, und die hat sie nun einmal nicht. Noch nicht.

Noch nicht? Ja, genau, noch nicht! Denn die derzeit noch theoretische Frage, wie es sich mit Superintelligenz verhält, die anfängt, komische Dinge zu durchdenken, die steht natürlich auch noch im Raum, wenn auch nicht sofort. Aber selbst, wenn eine solche Superintelligenz irgendwann auf Ideen kommt, auf die wir nicht kommen, oder die uns womöglich nicht behagen, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie den Drang verspürt, Musik zu komponieren.

Auch wenn wir uns womöglich irgendwann einmal wünschen, sie hätte genau das gemacht: Musik zu komponieren.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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