Sind wir noch zu retten? Oder: Sind wir in der Lage, uns selbst zu retten? In Anbetracht der Katastrophen, die auf uns zukommen oder unser Leben bereits überschatten, fällt es schwer, Optimismus zu entwickeln. Womöglich bleibt uns nur noch eine Chance, und die könnte sowohl Rettung als auch die endgültige Vernichtung bedeuten.
Unabhängig davon, was man von den Aktivitäten einer Greta Thunberg hält (dies wird kein Text über Greta), und unabhängig davon, wie man zu „Fridays for Future“ steht – die Debatten der letzten Wochen machen eines unmissverständlich klar: Die aufrichtige Einsicht darüber, dass etwas Grundlegendes verändert werden muss, wollen wir die Rahmenbedingungen für die menschliche Existenz retten, ist nur unzureichend vorhanden. Und auch nur bei jenen, die – wie wir alle – zwar betroffen sind, aber nicht die Macht haben, etwas folgenreich und kurzfristig zu ändern.
Ganz offenbar sind die mächtigen Entscheidungsträger weder an Nachhaltigkeit noch an ihren eigenen Nachkommen interessiert, sonst würden sie anders agieren und anders argumentieren. Sicher spielen Fragen wie Umsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit beim Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle. Doch offenkundig ist diese so wichtig, dass das über all dem stehende Ziel – das Überleben des Menschen – nur untergeordnet behandelt wird. Dafür gibt es zwei Erklärungen:
1. Das Verständnis für die Notwendigkeit von gravierenden Veränderungen ist nicht vorhanden. Donald Trump steht ja nicht allein da mit seinen wirren Thesen wie etwa der, dass ein kurzzeitiger Kälteeinbruch ein Beweis für das Fehlen der Erderwärmung ist. Überall dort, wo sich die Schalthebel der Macht befinden, ertönen immer wieder Verharmlosungen, wenn es um das Klima geht. Unser Verkehrsminister Andreas Scheuer ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Er argumentiert in die entgegengesetzte Richtung der Vernunft und nennt von seiner Meinung abweichenden Einschätzungen „gegen jeden Menschenverstand“. Mit dem Klimawandel steht der Mann auf Kriegspfad, mit VW & Co. dagegen versteht er sich bestens.
2. Das Verständnis für die Notwendigkeit von gravierenden Veränderungen ist vorhanden. Wird aber ignoriert. Aus Verdrängung, aus Raffgier, aus purer Verantwortungslosigkeit und schlichtem Egoismus. Scheuer und Trump sind die zu Fleisch gewordenen Beweise, aber eben auch in „bester“ Gesellschaft.
Ob die erste oder zweite Möglichkeit der Wahrheit entspricht, ist dabei ziemlich egal. Weil die Folgen die gleichen sind. Unwetter werden vermehrt aufziehen, der Meeresspiegel steigt, das Eis am Nordpol schmilzt. Im Zuge dessen werden Flüchtlingsbewegungen entstehen, was zu weiteren Problemen führt. All das findet bereits heute statt, wird sich aber auf verheerende Weise weiterentwickeln.
Die Hoffnung der Trumps dieser Welt, dass Kälteeinbrüche oder eisige Winter die Problematik relativieren, verdient übrigens keine weitere Erwähnung, denn der Klimawandel bringt alles durcheinander, und zu diesem Chaos gehört eben auch Kälte dazu.
Wie wollen wir sterben?
Vielleicht wird uns nicht der Klimawandel dahinraffen. Vielleicht kommt vorher ein Atomkrieg dazwischen. Vielleicht müssen wir damit leben, dass künftig neue Krankheiten zur ernsten Gefahr für die Menschheit werden. Vielleicht kommt es aber auch „nur“ zu weltweiten Bürgerkriegen, die im Zuge von Armut, ungleicher Verteilung und lokalen Kriegen zunehmen.
Es fällt wahrlich schwer, sich für eine Variante zu „entscheiden“, aber so wie sich die Menschheit seit vielen Jahrzehnten entwickelt, ist nichts Gutes zu erahnen. Auch dafür sind die Demonstrationen rund um Greta Thunberg ein Beleg. Ernsthafte Debatten mit dem Anspruch, jetzt und kurzfristig etwas zu verändern, finden faktisch nicht statt, jedenfalls nicht dort, wo die großen, globalen Entscheidungen getroffen werden. Das wäre allerdings auch schon beinahe merkwürdig, denn die Probleme rund um das Klima sind nicht neu, die Verantwortlichen, die etwas machen könnten, sitzen schon viele Jahre auf ihren Stühlen, sie sind meist so alt wie die Versprechungen, die sie regelmäßig herunterleiern.
Was ich sagen will: Die existenziellen Bedrohungen stehen im Raum, doch sie werden weitgehend ignoriert oder schlicht nicht ernst genommen. Im Falle eines Atomkrieges kommt die – nachvollziehbare – Grundhaltung hinzu, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. All das führt zu Bewegungslosigkeit, zur Verdrängung, zur Ignoranz. Am Klimawandel lässt sich die infantile Reaktion gut erkennen: Konservative oder liberale Politiker argumentieren, dass es gar keinen Sinn mache, etwas aktiv zu unternehmen, so lange es andere Länder gebe, die eben nichts tun. Sie fühlen sich dadurch von der Verantwortung befreit, aktiv zu werden. Und sie verkennen – oder wollen verkennen – dass ein globales Problem wie der Klimawandel keine Frage darüber ist, wer wem das Schäufelchen stiehlt, sondern ob es künftig noch Schäufelchen gibt, über die man sich streiten kann.
Künstliche Intelligenz als „verfluchter Segen“
Als „verfluchten Segen“ muss man die künstliche Intelligenz (KI) in erster Linie beschreiben, weil sie menschengemacht ist. Vieles von dem, was der Mensch durch seine Intelligenz entwickelt hat, war unausgegoren oder zumindest nicht von allen Perspektiven aus betrachtet. Die Atombombe ist wohl das anschaulichste Beispiel. Sie ist entstanden aus der Wissenschaft, die vornehmlich von Neugierde angetrieben war. Die Folgen einer Atomexplosion sind allerdings gänzlich negativ, mit Neugierde oder Forscherdrang haben sie nichts zu tun, nur mit Tod und Qual.
Künstliche Intelligenz ist hinsichtlich der wissenschaftlichen Entwicklungen wohl derzeit unsere größte „Baustelle“. Sie ist schon jetzt in aller Munde, weil die Gefahren, die von ihr ausgehen, die Menschen beschäftigen. Im Vordergrund stehen in der Regel zwei Aspekte:
1. KI wird als Jobvernichter gefürchtet.
2. KI könnte die Macht über die Menschen übernehmen.
Künstliche Intelligenz kann zum Jobvernichter werden, und es ist sogar wahrscheinlich, dass sie das tut. Nicht nur stupide Fertigkeiten, die wir sowieso nicht gerne machen wollen, könnten durch KI und Automatisierung bzw. Robotisierung künftig (und schon heute) übernommen werden. Auch ärztliche Diagnosen, statistische Aufgaben, der Job eines Verkäufers und sogar eines Komponisten könnten in Gefahr sein.
Das Problem, das wir mit der KI als Jobvernichter haben, ist aber im Wesentlichen der Umgang mit ihr. Was wiederum an einem festgefahrenen Wirtschaftsdenken liegt. Die ökonomischen Modelle kommen mit der KI nicht gut zurecht, weil sie sie in Frage stellt. Niemand in Entscheidungspositionen scheint auf die Idee zu kommen, dass die KI als Jobvernichter eine ausgezeichnete Möglichkeit bietet, neue Formen und Strukturen der Wirtschaft zu entwickeln. Niemand scheint sich mit der Freiheit, die sich daraus ergeben kann, beschäftigen zu wollen. Würde man von der KI als „Jobentwickler“ oder „Jobbefreier“ sprechen, hätte das schon mal eine andere Tonlage.
Aber Bedrohungen schaffen Angst, und wir leben in einem Klima der Angst, das so möglichst aufrechterhalten werden soll. Das ist nicht nur destruktiv, es ist auch verantwortungslos, aber das kennen wir ja schon vom Klimawandel. Die KI wird nicht aufzuhalten sein, und das Beste, was man tun kann, ist die Entwicklung als Chancen zu sehen und zu verstehen. Als Chance für neue Lebens- und Wirtschaftsformen, wie auch immer die dann aussehen mögen (da ich kein Ökonom bin, verkneife ich mir hier konkrete Modelle, das mögen die tun, die sich damit auskennen. Wenn sie es aber nicht einmal versuchen, lässt das tief blicken hinsichtlich der Ausprägung ihrer Fantasie und Gestaltungsmöglichkeiten).
Die KI, um die es sich bis hierher dreht, ist übrigens nicht sonderlich intelligent, auch wenn sie so genannt wird. Die künstliche Intelligenz, die als Jobvernichter auftreten könnte, ist nicht viel mehr als ein Fachidiot, wenn auch ein ziemlich kluger Fachidiot. Ob KI im Schach gewinnt, Go-Weltmeister vom Tisch fegt, den Verkehr regelt, Pflegeaufgaben übernimmt, Immobilien bewertet oder medizinische Diagnosen erstellt – viel mehr als das, was ihr Fachgebiet ist, kann sie nicht.
Das beste Schachprogramm wird kläglich scheitern, wenn wir es bitten, uns einen frischen Cheeseburger zuzubereiten. Die noch so komplexe Medizin-KI wird keine Ahnung haben, wenn sie gebeten wird, die spannendsten Brettspiele für Familien mit Kindern herauszusuchen. Diese Formen der KI sind spezialisiert, so programmiert, dass sie auf einem Gebiet herausragend sind. Für andere Bereiche bleibt da kein Platz. Und selbst KI, die sich etwa die Spielregeln von „Go“ selbst beibringt und es aufgrund dieses „Lernprozesses“ zur Meisterreife bringt, wird in anderen Bereichen scheitern. Einfach, weil nichts anderes vorgesehen und programmiert wurde (was natürlich auch eine Frage des Aufwands ist).
Die Macht über die Menschen können solche Formen der KI nicht übernehmen. Es sei denn, wir würden uns künftig ausschließlich aufs Schachspielen reduzieren, was womöglich die Welt zu einem friedlicheren Ort machen würde, aber doch eher unrealistisch und auch nicht erstrebenswert ist.
Wo liegt die Gefahr der künstlichen Intelligenz?
Stephen Hawking vergleicht die Gefahr der KI mit einem Ameisenhügel (dazu weiter unten mehr). Er sieht aber ebenso die Chancen, was nicht zuletzt auch durch seine Überzeugung von der menschlichen Dummheit geprägt gewesen sein dürfte. Fakt ist, dass man bei der Betrachtung von KI Chancen und Risiken realistisch gegenüberstellen muss.
Welche Gefahren meinte Hawking wohl?
Er brachte als Erklärung einen Ameisenhügel vor. Die meisten Menschen haben nichts gegen Ameisenhügel, es sei denn, sie haben nicht mehr alle Latten am Zaun oder neigen zur Panik bei dem Gedanken an unzählige kleine Tiere, die über sie hinweg krabbeln. Normalerweise aber führen Mensch und Ameisenhaufen eine friedliche Koexistenz, so dass sich niemand Sorgen machen muss.
Die Situation verändert sich jedoch, wenn ein Ameisenhaufen ausgerechnet dort errichtet wurde, wo – sagen wir mal – ein Supermarkt entstehen soll. Die armen Ameisen konnten nicht ahnen, dass sie heiliges Supermarkt-Land betraten, als sie ihren Hügel errichteten. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass aus Rücksichtnahme auf ihre Unschuld an der verzwickten Situation der Supermarkt woanders gebaut wird, kann als gering eingeschätzt werden, wenn man Optimist ist, und als undenkbar, wenn man Realist ist. Der Ameisenhügel wird also weichen müssen, das kann man sagen.
Ein vergleichbares Problem könnte zwischen KI und dem Menschen entstehen. Allerdings wird dieser Konflikt nicht mit einer schachspielenden künstlichen Intelligenz ausgetragen werden, sondern mit einer anderen Form: der Maschinenintelligenz. Diese ist kein Fachidiot, sondern eine ziemlich kluge Konstruktion unterschiedlicher Fähigkeiten der KI, die sich miteinander vernetzen. Es liegt nahe, dass das die Entwicklungsmöglichkeiten von KI erheblich erhöht.
Wenn man bedenkt, dass sich die Geschwindigkeit und Komplexität von Computern heute ca. alle 18 Monate verdoppelt, kann man erahnen, zu welchen Glanzleistungen die KI fähig ist, wenn sie erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Obwohl, nein, ich denke nicht, dass man das erahnen kann.
Zurück zu uns als Ameisenhaufen. Wenn wir die KI so programmieren, dass sie uns nicht schaden darf und eine Art Notfallstecker einbauen, sollten wir eigentlich auf der sicheren Seite sein. Aber die KI könnte womöglich auf einer gewissen Entwicklungsstufe zum Schluss kommen, dass wir nicht mehr die Kompetenz haben, richtige Entscheidungen zu treffen. Und in diesem Moment wären wir wie der Ameisenhügel, der schlicht im Weg steht. Sollten wir diesen Punkt irgendwann erreicht haben (oder besser: Sollte die KI zu diesen Schlüssen kommen), sieht es ganz schön düster aus für uns. Wir sähen uns plötzlich wie ein Ameisenvolk mit einer Übermacht konfrontiert, der wir nichts entgegenzusetzen haben.
Aber ich fürchte, wir müssen dieses Risiko eingehen.
Der Mensch hatte nie die Möglichkeit, im Sinne seiner Umwelt zu entscheiden
Die aktuellen und schon viele Jahre andauernden Appelle an die Vernunft der Menschen ist im Grunde nur Augenwischerei. Es ist eine Binsenweisheit, dass der Mensch genau das tut, was er tun kann. Die sich daraus ergebenden Folgen spielen bestenfalls dann eine Rolle, wenn erstes Unheil angerichtet wurde. Im schlimmsten Fall nicht mal dann, wie wir an der aktuellen Debatte über Greta Thunberg erleben.
Es ist ein bisschen so, als stünde man unter einer maroden Brücke, die jeden Moment einstürzt. Doch statt die Gefahr zu erkennen und die Statik zu reparieren, geht man davon aus, dass die Brücke schon noch eine Weile hält. Oder dass man im Falle des Einsturzes schnell genug ist, um den Trümmern ausweichen zu können. Oder man diskutiert über diesen Hohlkopf, der bekannt gemacht hat, dass die Brücke einsturzgefährdet ist. Womöglich argumentiert man auch über andere Brücken, denen es noch sehr viel schlechter geht. So lange die nicht wieder in Schuss gebracht werden, macht man an der eigenen Brücke erst einmal gar nichts.
Könnte eine vernetzte Maschinenintelligenz derlei Gedankengänge verfolgen, würde sie uns vermutlich mit einem Wimpernschlag zu einem Ameisenhaufen erklären. Und das wär‘s dann.
KI als Chance
Maschinenintelligenz bringt aber auch Chancen mit sich, und da wir so weitermachen wie wir eben weitermachen, könnte diese unsere letzte Rettung sein (vom Besiedeln anderer Planeten mal abgesehen).
Künstliche Intelligenz in der skizzierten vernetzten Form ist ungeheuer lernfähig. Sie könnte Wissen in allen Bereichen anhäufen und weiterentwickeln. Sie könnte dazu beitragen, dass wirklich vernünftige Entscheidungen getroffen werden, die dem Wohlstand, der Gesundheit, der Umwelt und der Ökonomie dienen. Wahrscheinlich läuft es auf Entscheidungen hinaus, die wir uns heute gar nicht vorstellen können, weil uns die Fähigkeit fehlt, so komplex und zielorientiert zu denken wie KI.
Maschinenintelligenz könnte Ungleichheit beseitigen, Krankheiten heilen oder gar nicht erst ausbrechen lassen, sie könnte bei der Forschung Unvorstellbares erreichen und Verbesserungen in allen Lebensbereichen sicherstellen. Sie könnte (fast wie bei Star Trek) irgendwann Geld überflüssig werden lassen, Freiheit, Kreativität und Liebe … aber lassen wir das.
Wenn ich diese angedeuteten Utopien weiterdenke und ausformuliere, glaubt mir spätestens jetzt kein Mensch mehr, dass ich hier einen ernsthaften Artikel schreibe. Aber das versuche ich, also höre ich auf mit den Träumereien von einer besseren Welt durch Maschinenintelligenz.
Und die Moral von der Geschicht‘?
Wir sind dem Untergang geweiht. Da bin ich ziemlich sicher. Wann und wie wir uns auslöschen, ist eine Frage der Zeit und der „Fantasie“ derer, die unser Schiff auf die Klippen zusteuern, die uns in die Tiefe fallen lassen.
Theoretisch könnte ein Umdenken noch die selbst initiierte Rettung bedeuten, aber erstens zeichnet sich das aufgrund unserer Wirtschaftssysteme, die weltweit dominieren, nicht ab. Und zweitens ist unser Untergang inzwischen so nah, dass man anzweifeln darf, ob die notwendigen Maßnahmen noch rechtzeitig getroffen werden.
Es ächzt im Gebälk der weiter oben beschriebenen Brücke. Aber statt auf die bedrohlichen Geräusche zu hören, blenden wir sie aus und tun so, als sei die Brücke das Problem, nicht wir, die wir uns darunter befinden.
Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Wir haben die Brücke gebaut, wir sind für ihre Instandhaltung verantwortlich. Wenn wir dieser Verantwortung nicht nachkommen und die Brücke einstürzt, tangiert die Brücke das nicht mal am Rande.
Uns schon, denn wir liegen drunter.
Nachtrag: Da der Wunsch an mich herangetragen wurde, werde ich den Text in den nächsten Tagen auch vertonen, sodass er als Audio zur Verfügung steht.