Dieser kleine Text greift vor. Auf unseren nächsten Podcast und das Thema, mit dem wir uns in diesem beschäftigen werden: Politikverdrossenheit. Genauer: unsere Politikverdrossenheit. Denn schon im Vorfeld haben wir festgestellt, dass der Verdruss, der Frust und die Lustlosigkeit uns erwischt haben. Gehört sich eigentlich nicht für Blogbetreiber und Podcaster, die sich politische Themen auf die Fahne geschrieben haben. Aber es ist, wie es ist.
Was hat uns denn die politische Landschaft schon zu bieten?
Wenig. Sehr wenig. Und da es ganz konkret für viele Menschen im Land auch finanziell immer weniger wird, was sie sich leisten können, muss man schon genau hinsehen, um etwas zu entdecken, das als positiv bezeichnet werden könnte. Und damit sind wir beim Grundproblem, zumindest aber bei einem Teilaspekt dessen.
Denn positiv wird uns alles gemalt. Von der Politik, den Medien, von gut bezahlten Wissenschaftlern oder „Experten“ (was immer die auch auszeichnen mag). Die Wirtschaft ist positiv, die Arbeitslosenzahlen sind positiv, die Beschäftigungszahlen sind positiv, den Menschen geht es gut, das ist positiv, sie kaufen gerne ein, das ist positiv, sie lieben Eigenheime (auch wenn es nicht ihre eigenen sind), das ist positiv, sie stimmen ab über die beliebtesten Politiker, das ist positiv, sie leben womöglich in der Region mit den glücklichsten Menschen, das ist positiv, sie verfolgen die Vorbereitung zur Wahl des oder der neuen CDU-Vorsitzenden, das ist positiv, sie …
… obwohl, Moment mal! Das ist Bullshit!
Denn mit genau dieser Wahl sind wir bereits an einem Punkt, der das ganze Dilemma aufzeigt: Wir verfolgen gezwungenermaßen täglich Medienberichte, die sich mit der Frage befassen, ob Jens Spahn, Friedrich Merz oder Annegret Kramp-Karrenbauer das Rennen macht (letztere wird bereits liebevoll mit dem Kürzel „AKK“ beschrieben, was ein wenig wie ein Sturmfeuergewehr klingt). Wir werden darüber informiert, wer von den dreien die CDU in welche Richtung „erneuern“ könnte. Und reiben uns verwundert die Augen.
Erneuerung? Wohin? Die SPD macht schon seit Jahren vor, dass der Begriff „Erneuerung“ hohl ist, mit nichts Konkretem gefüllt wird, und in den Führungsetagen der SPD selbst wird ja immer wieder lamentiert, dass ihre Politik prima sei, die Strategie stimme aber eben nicht. Oder – was immer mitschwingt – die Wähler verstünden leider nicht, wie großartig die Arbeit der SPD ist.
Böser Wähler, dummer Wähler!
Und jetzt die „Erneuerung“ der CDU. Mit einer neuen oder einem neuen Vorsitzenden. Längst schon unkt das Volk hinter vorgehaltener Hand, dass „neu“ wohl sowieso nur „schlimmer“ bedeutet. Und damit liegt es wahrscheinlich auch richtig. Unabhängig davon, ob der Schreihals Spahn, der Reaktionär Merz oder die Rautenkopie AKK letztlich vorne liegen – es wird zu keiner wirklichen Erneuerung führen. Weil niemand der beteiligten Protagonisten darauf aus ist.
Je häufiger wir seit der Bundestagswahl und diversen Landtagswahlen hören, dass es ein „Weiter so“ nicht geben könne, desto deutlicher zeichnet sich ab, dass es nun mal genau darauf hinausläuft.
Der Grund sind – das hat kürzlich mein geschätzter Blogpartner am Telefon vermutet – fehlende Erzählungen. Fehlende Visionen, große Ideen, Ziele, die über die kommende Woche hinausgehen. Wir werden darauf im Podcast #mehrwutstropfen demnächst genauer und umfassender eingehen.
Ist es denn eine große Idee, den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen zu wollen, wenn das Publikum bereits weiß, dass diese Forderung faktisch gar nicht durchzusetzen ist?
Ist es eine Vision, in der Pflege ein paar Tausend Arbeitsplätze zu schaffen, wenn klar ist, dass diese das Grundproblem nicht ansatzweise lösen können?
Ist es eine vorausblickende Erzählung, das desaströse Rentenniveau auf einem „stabilen“ Satz zu belassen, der längst nicht mehr für eine gute Rente ausreicht?
Es ist alles Stückwerk, ein Teppich mit tausend Löchern, von dem das eine oder andere mit transparentem Stoff und brüchigem Garn geflickt wird. Da ist kein Plan, wie das Gesamtkonstrukt verbessert werden könnte, da sind nur kurzsichtige Einfälle, wie man die eine oder andere Baustelle ein bisschen weniger hässlich erscheinen lässt.
Natürlich gibt es das „Weiter so“! Es ist gewissermaßen alternativlos, weil die politische Führung nichts am Grundsätzlichen ändern will. Hier und da mit populistischen Provokationen ein paar Tage in den sozialen Medien auf der Startseite zu stehen, ist kein Beweis für Handlungsfähigkeit oder einen langfristigen Blick, im Gegenteil. Es ist nicht mehr als eine eitle Geste, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und von Dingen wie Visionen, Ideen und Erzählungen abzulenken.
Seit der Neoliberalismus das Ruder übernommen hat, können (und müssen) wir zusehen, wie die Gesellschaft immer weiter auseinanderfällt. Wir beobachten, wie sich Ungleichheit zunehmend verstärkt, die Infrastruktur den Bach runtergeht, durch die privatisierende Fratze des Neoliberalismus Rente, Gesundheit, Pflege, Bildung, das gesamte soziale Gefüge zusammenfällt. Wir erleben die Aggression dieser politischen Richtung, sehen, wie Feindbilder konstruiert und Rüstungsausgaben laufend erhöht werden. Und wir erleben Parteien, die nicht gewillt und/oder in der Lage sind, dieser gefährlichen Entwicklung ein Ende zu bereiten.
Wir sehen all das, die Politikverdrossenheit kommt genau daher. Das Volk, die Wähler, die zu „dumm“ sind, die ach so grandiose „Sachpolitik“ der SPD und der anderen Parteien zu verstehen, begreift sehr wohl, dass diese sogenannte Sachpolitik nichts an der Tendenz ändert, die uns dem Zerfall der Demokratie immer näher bringt, und dass in manchen Bereichen dieses Ende längst erreicht ist.
Immerhin, es fällt dem Regime immer schwerer, der Bevölkerung die perverse und menschenverachtende Politik als Wohltat zu verkaufen. Sie dringen immer weniger durch, weil sie nichts zu sagen, nichts zu erzählen, keine Ziele und Visionen haben.
Ich betrachte das als Hoffnungsschimmer. Auch wenn ich mir selbst nicht mehr recht glauben mag. [InfoBox]