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Wen interessiert schon Glyphosat? Die Inszenierung geht weiter!

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Glyphosat? Was war das noch gleich? Irgendwas aus der Landwirtschaft, oder? Ach, nein, der Stoff kommt aus Berlin und hat das Zeug zur nächsten Runde Sondierungsquatsch. Denn die SPD ist sauer, weil die Union womöglich irgendwie das Vertrauen gebrochen hat. Ganz schlimm, das.

Aber halten wir kurz mal fest, dass innerhalb weniger Monate mehr als 1,3 Million Menschen mittels einer Petition sich ausdrücklich gegen Glyphosat ausgesprochen haben (was die Wirkungslosigkeit von Petitionen erneut eindrucksvoll belegt). Europäer. Menschen, die Angst haben vor diesem Zeug, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit krebserregend ist. Und halten wir darüber hinaus fest, dass das den Entscheidern herzlich egal ist. Ok, Glyphosat wurde statt für 10 „nur“ für fünf Jahre weiter erlaubt. Aber es wurde erlaubt. Und jetzt kommt mal wieder Deutschland ins Spiel. Mit seiner kommissarischen Regierung. Die es in sich hat und den Glyphosat-Zoff nutzt, um ihre eigenen Befindlichkeiten zu erörtern.

Ich könnte jetzt über die Wirkung von Glyphosat schreiben, darüber, dass trotz der neuerlichen Zulassung einzelne Staaten sich im eigenen Land gegen den Einsatz aussprechen können, sogar darüber, dass ausgerechnet Deutschland dies sogar temporär tut. Oder darüber, dass die deutsche Bundesregierung sich bislang immer enthalten und nun plötzlich für die Zulassung gestimmt hat. Könnte ich, mach ich aber nicht. Weil es in dieser Sache schon wieder nur um Innenpolitik geht.

Es heißt ja allgemein, es gäbe nach der Jamaika-Dröhnung keine Staatskrise, nur ein paar Egomanen, die es nicht auf die Reihe kriegen, eine Regierung zu bilden. Und bisher hab‘ ich das auch irgendwie geglaubt. Aber ehrlich, inzwischen zweifle ich daran dann doch. Die kommissarische Bundesregierung segnet mal eben eine EU-Armee ab, kann sie ja machen, ist ja im Amt. Und jetzt wird Glyphosat nicht etwa mit einer Enthaltung (was schon schlimm genug wäre), sondern mit einem klaren Ja durchgepeitscht. Durch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Was Umweltministerin Barbara Hendricks überhaupt nicht lustig findet. Und die Nahles natürlich auch nicht. Und Lauterbach nicht. Und all die anderen, die sich offiziell noch Sozialdemokraten nennen dürfen, ebenfalls nicht.

Worauf also läuft es hinaus? Auf jetzt noch schwerere Sondierungsgespräche, diesmal zwischen SPD und Union. Das ist insofern pfiffig, als dass morgen, spätestens übermorgen gar nicht mehr über Glyphosat gesprochen wird. Sondern nur noch darüber, welche Rolle die Union und welche die SPD gespielt hat. Über Vertrauensbrüche, über die „Wäre-doch-sowieso-so-gekommen“-Totschläger-Argumente, über Missverständnisse, Vorwürfe und einer echt, voll schwierigen Situation. Nicht wegen Glyphosat. Nein, wegen der Kabbeleien der Regierungs-Inszenierer von SPD und Union.

Es geht nicht um Inhalte, es geht um Macht. Niemand in Berlin, niemand der etablierten Parteien (und, fürs Protokoll: niemand der AfD) interessiert sich für die Belange der Menschen, für ihre Gesundheit, für ihr finanzielles Auskommen, für Arbeit, die menschenwürdig ist, für Renten, die reichen, für Menschen, die sich zu Recht vor Armut fürchten, für Obdachlose, die verzweifelt sind, für Geflüchtete, die nichts mehr haben als ihr Leben, niemand tut das. Sie, die da in Berlin, sie interessieren sich für sich, sich, sich. Noch einmal: für sich!  [InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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