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Das Leiden der Anderen: Ausbeutung mit erhobenem Zeigefinger

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In was für einer Welt leben wir eigentlich? In einer mit den immer wieder in die Welt hinausposaunten Werten wie Freiheit und Gerechtigkeit? Wohl kaum, und es gibt etliche Stellschrauben, denen man sich widmen könnte, um beides zu widerlegen. Eine davon: unsere Exportüberschüsse.

Muss man das eigentlich noch betonen? Ist es wirklich nötig darauf hinzuweisen, dass der Titel „Exportweltmeister“ Folgen hat? Dass es bei der Vergabe eines Weltmeistertitels auch zweite, dritte und vierte Plätze gibt? Und dass das eine das andere bedingt? Muss man wohl. Denn die Bundesregierung macht keinerlei Anstalten, von dieser ausbeuterischen Politik Abstand zu nehmen, obwohl nicht nur hierzulande, sondern auch international die Kritik an der aggressiven Exportpolitik in den letzten Jahren immer lauter geworden ist. Diese Politik ist gleich doppelt verwerflich, denn statt sich der Verantwortung zu stellen, wird die Schuldfrage gestellt. Und ungeheuerlich absurd beantwortet.

Oskar Lafontaine bringt es auf bei Facebook den Punkt: „Weil wir unseren europäischen Nachbarn schon seit vielen Jahren mehr verkaufen (exportieren) als sie uns verkaufen (importieren), müssen sich die anderen Länder verschulden. Und dann kommen Merkel und Schäuble und beschimpfen diese Länder, weil sie das machen, was die deutsche Exportwirtschaft will, das heißt: unsere Waren auf Kredit kaufen.

Geht es eigentlich noch zynischer? Deutschland beutet nicht nur andere Länder aus und sorgt mit seiner Exportpolitik dafür, dass sich der Binnenmarkt hierzulande verschlechtert, weil die Löhne seit Jahren stagnieren oder sinken, während gleichzeitig die Schulden anderer Länder unaufhaltsam steigen. Es macht für diesen Teufelskreis auch noch die verantwortlich, die die Schulden machen (müssen). Die Argumentation lautet: Macht es doch wie Deutschland, dann geht es Euch auch besser.

Aber das ist natürlich absurd. Wenn alle Exportweltmeister sind, funktioniert das Prinzip nicht nur nicht mehr, es verliert seine Logik an sich, allein diese Idee auszusprechen, ist lächerlich und herablassend. Gefordert ist stattdessen, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht herzustellen, über das Lafontaine ebenfalls schreibt. Das sieht nämlich vor, dass Exporte und Importe sich in etwa die Waage halten müssen. Doch davon sind wir Lichtjahre entfernt.

So lange das so bleibt, wird sich an der Überschuldungssituation nichts ändern. Und genau das ist Sinn der Übung. Schäuble & Co. geht es nicht um Gerechtigkeit, Freiheit oder ein wirtschaftlich gemeinsam organisiertes Europa. Es geht um Bereicherung und Ausbeutung. Muss man das wirklich noch betonen? Muss man wohl.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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