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Was AfD und Tafeln gemeinsam haben

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Es funktioniert! Die Essener Tafel ist schuld an der desaströsen Lage. So wie die AfD schuld ist am Rechtsruck in Deutschland. Und die Bundesregierung macht sich einen schlanken Fuß. Es ist halt einfacher, auf Symptome einzudreschen statt sich die Verursacher zur Brust zu nehmen.

Zunächst einmal zu den Tafeln. In gewisser Weise haben alle ein bisschen recht. Ausländer von der Armenspeisung auszunehmen, hat – wie Christoph Butterwegge schon sagte – eine „rassistische Note“. Die gleichmäßige Verteilung des Essens muss dennoch sichergestellt werden. So gibt es ja Tage nur für Rentner, nur für Hartz-IV-Empfänger, tja, und jetzt eben auch: nur für Deutsche. Alleine diese logistische Herausforderung ist allerdings schon ein Punkt, an dem man aufhorchen muss. Die Bedarfe sind so groß, dass sie unter normalen Bedingungen (was ist schon „normal“?) nicht mehr gedeckt werden können? Der Hunger breitet sich also aus? Und wir klagen darüber, dass er nicht politisch korrekt verwaltet wird? Da wird an der falschen Stelle angesetzt. Denn es ist diese Tatsache, die so fatal ist, dass nämlich unter den Bedürftigen eine Konkurrenz entsteht, die zu Konflikten, Aggressionen und körperlichen Auseinandersetzungen führt. Das ist, als sperre man Menschen ohne Geld und Hoffnung in ein Getto, lässt Wohnungen, Straßen und Institutionen verkommen und zeigt dann mit dem Finger auf sie, wenn sie durchdrehen.

Politiker wie Barley, Lauterbach und Chebli (und andere ebenso) spüren nicht einmal Ansätze von Scham, wenn sie sich zu der Essener Tafel äußern. Chebli „läuft es eiskalt den Rücken runter“, wenn sie bedenkt, dass nur arme Deutsche essen sollen. Lauterbach findet es „schade“, dass Ausländerhass sogar „bei den Ärmsten angekommen“ sei. Und für Barley richte sich Bedürftigkeit nicht nach dem Pass, sondern eben nach der Bedürftigkeit. Genau, nach der Bedürftigkeit, die in jahrelanger Arbeit geschaffen und ausgebaut wurde. Ganz sicher nicht von den Tafeln, sondern von Politikern wie Barley, Lauterbach und Chebli. Doch darüber sprechen sie nicht, auch nicht darüber, was für eine erbärmliche Entwicklung sie da forciert haben. Bedürftigkeit wird als Selbstverständlichkeit betrachtet, als etwas, mit dem die Betroffenen gefälligst angemessen umzugehen haben.

Und die Chefin? Gibt sich staatsmännisch, kritisiert und lobt die Tafeln gleichermaßen und findet, dass sie insgesamt eine tolle Ergänzung zum Sozialstaat seien. Ja, hört man richtig? Eine Ergänzung zum Sozialstaat? So sagte die Kanzlerin des Grauens. Und ihr Papagei Seibert erklärte dann noch dreist, dass die Politik zwar Hilfestellungen geben könnte, die eigentliche Verantwortlichkeit liege aber bei den Entscheidern vor Ort.
Entschuldigung, das ist Schwachsinn. Es zeigt aber gleichzeitig eindrucksvoll auf, dass die Politik sich selbst als etwas Außenstehendes empfindet (oder besser: es so kommuniziert), das mit dem Problem des Hungers und der Armut nichts zu tun hat. Im Gegenteil, sie plustert sich zu einem Moralapostel auf, der den Armen sagt, dass sie brav sein sollen. Nach dem Motto: „Streitet Euch nicht, es ist eh nicht genug für alle da!“ positioniert sich die Bundesregierung wie ein neutraler Schiedsrichter. Dabei ist sie Täter und Verursacher.

Aber in der Disziplin des sich Raushaltens hat die Bundesregierung ja schon beim Umgang mit der AfD gezeigt, dass sie es zur Meisterreife gebracht hat. Was auch immer AfDler sagen, wie viele Wählerstimmen sie auch immer abstauben, stets verkündet die Politik, sie wolle mit so unmenschlichen und fremdenfeindlichen Haltungen nichts zu tun haben. Bäh, böse AfD!
Erinnert sich noch jemand an de Maizière, der sich einfach mal eben ausdachte, dass Geflüchtete sich von willigen Ärzten Atteste gegen ihre Abschiebung ausstellen ließen? Der „Spiegel“ schrieb dazu sanft: „Die Zahlen waren nicht gedeckt.“ Der Wahrheit näher kommt: de Maizière hat menschenverachtend und fremdenfeindlich gelogen und so zu einem Klima beigetragen, das schon länger seinen Lauf nimmt.

Um es abschließend zu betonen: Wer Hunger hat, muss versorgt werden. Unabhängig davon, wer er ist oder wo er herkommt.
Dabei allerdings aus den Augen zu verlieren, dass der quälende Alltag mit all seinen Problemen zu Situationen führen kann und in Zukunft sicher vermehrt führen wird, die in falschen Entscheidungen münden, wird der Problematik nicht gerecht. Je mehr die Bedürftigkeit wächst, desto konfliktreicher wird die Lage. Daran tragen nicht die Bedürftigen die Schuld, sondern die, die Bedürftigkeit verursacht haben. Und daran tragen auch nicht die Helfer die Schuld, die überfordert sind, sondern diejenigen, die die Hilfe verweigern für eine Lage, die sie selbst herbeigeführt haben.  [InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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