Digitalisierung, Automatisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz – das sind die Stichworte, die vielen Menschen Angst bereiten. Welche Rolle spielt der Mensch künftig in einer Welt, die von Computern noch stärker als heute dominiert wird? Wer wird überhaupt noch Arbeit haben? Und wird diese ausreichend gut bezahlt? Die Bundesregierung liefert hier kaum Antworten. Doch die Ängste der Menschen sind real, und sie sind zu Teilen berechtigt.
Für die FDP gehört die Digitalisierung zu den Kernpunkten ihrer Programmatik. Zumindest rhetorisch. Deutschland stehe hier gegenüber anderen Ländern hinten an. Was korrekt ist. Um den modernen Herausforderungen gewachsen zu sein, seien daher Investitionen in die Digitalisierung von größter Bedeutung. Konkretes lässt sich jedoch bei der FDP nicht viel finden. Stattdessen stoßen wir auf Kampfbegriffe und allgemeine Formulierungen, die ganz offensichtlich das Thema Digitalisierung eher missbrauchen, um an anderen Schrauben zu drehen. Im Pdf „Beschluss der 67. Bundesparteitages: Chancen der digitalen Gesellschaft“ ist beispielsweise nachzulesen:
Digitale Arbeitswelten führen zu vollkommen anderen und neuen Lebens- und Arbeitsbiografien. Eng damit verbunden ist eine moderne bausteinorientierte Altersvorsorge, in welcher man unterschiedliche Elemente aus dem gesamten Leben, egal ob angestellt oder selbstständig, gleichgestellt miteinander kombinieren kann. Dies müssen wir durch den richtigen sozialpolitischen Rahmen ermöglichen.
Hier geht es offenbar eher um die Stärkung der privaten Altersvorsorge als um digitale Standpunkte. Und auch sonst gibt sich die FDP vage, die Herleitungen und Forderungen lesen sich zäh und bringen dem Leser zwar die Bereiche Bildung, Mobilität, Flexibilität oder das „smarte Zuhause“ näher. Doch die Lebenswirklichkeit vieler Menschen stellt zunächst einmal eine ganz andere Frage, nämlich die nach der eigenen Rolle in einer digitalisierten Welt. Die Antwort der FDP auf die Frage lautet:
Die Arbeit wird nicht weniger werden, aber die Qualifikationsanforderungen werden sich verändern.
Zumindest mit dem zweiten Teil des Satzes liegen die Liberalen richtig. Der einstige Schwerpunkt körperlicher Arbeit wird künftig immer mehr geistiger Arbeit weichen müssen oder dürfen. Die Jobs der Zukunft werden nicht nur nah dran an den neuen Technologien sein. Mitten drin trifft es wohl besser. In fünf bis zehn Jahren wird es Berufe geben, die wir heute noch gar nicht kennen, und die Veränderungen sind ja längst Bestandteil des täglichen Lebens. Andere Berufe werden regelrecht aussterben bzw. von Robotern übernommen werden. Diese Tatsache zu leugnen, wäre naiv und nicht zielführend.
Bedenklicher ist der erster Teil des FDP-Satzes. Denn dass die Arbeit nicht weniger wird, ist zumindest eine These, der widersprochen werden darf. Jedenfalls wenn man die Arbeit berücksichtigt, die Menschen erledigen müssen. Hier wird es in zahlreichen Branchen und Berufen zu extremen Veränderungen kommen, und um die muss sich die Politik kümmern.
Die FDP steht in diesem Punkt übrigens stellvertretend für die meisten anderen Parteien, sie diente hier lediglich als Beispiel.
Der Wandel ist jetzt!
Die Digitalisierung mag für die Politik eine griffige Forderung sein, um sich als wettbewerbsfähig und modern darzustellen. Faktisch erleben wir aber jeden Tag, wie weit viele Prozesse bereits fortgeschritten sind. Arbeiteten in Fabrikhallen vor 40 Jahren noch rund 100 Menschen, sind es heute nur noch 20. Schon bald dürften fünf hochqualifizierte Mitarbeiter diesen Job erledigen, und in 15 Jahren wird wahrscheinlich einer ausreichen, um alles zu organisieren, wofür vor 40 Jahren noch 100 Menschen nötig waren. VW verfolgt Pläne, nach denen in Deutschland rund 23.000 Stellen wegfallen sollen. Im Gegenzug sollen 9.000 neue Jobs in den Bereichen Digitalisierung und autonomes Fahren entwickelt werden. Für die Mitarbeiter hat VW einen Tipp parat:
Der Umbau in den kommenden Monaten und Jahren betrifft jeden Einzelnen. Wer einen zukunftsfesten Arbeitsplatz haben will, muss bereit sein, neue berufliche Herausforderungen anzunehmen. Nutzen Sie deshalb Qualifizierungsangebote, nutzen Sie Ihre Chancen!
Es sollte klar sein, dass nicht jeder die Voraussetzungen mitbringt, die „Chancen“ zu nutzen, denn die Anforderungen verändern sich schneller als es für jeden älteren oder anders qualifizierten Arbeitnehmer möglich wäre, hier Schritt zu halten. Streicheleinheiten wie „Chancen“ oder „Die Arbeit wird nicht weniger werden“ dürften bei potenziell Betroffenen nur wenig beruhigende Wirkung haben.
Abgesehen davon: Selbst wer sich flexibel und lernwillig gibt, ist damit nicht aus dem Schneider, wie ein Blick auf die High-Tech-Branche zeigt. Der Apple-Zulieferer „Foxconn“ beschäftigt zwar insgesamt über eine Million Menschen, doch es gibt schon heute Produktionsstraßen in Fabriken, die komplett ohne menschliche Arbeit auskommen. Was zu tun ist, erledigen Roboter.
Investmentbanker werden in der Zukunft ebenso Relikte aus der Vorzeit sein wie Versicherungsverkäufer, Immobilienmakler (allen dreien werden wahrlich nicht viele Menschen eine Träne nachweinen) oder Schadensbearbeiter. So will das japanische Versicherungsunternehmen Fukoku Mutual Life Insurance fast 30 Prozent seiner Mitarbeiter in der Abteilung Schadensbemessung durch ein auf IBMs Watson basierendes System ersetzen. IBM sagt dazu, das Watson-System sei
eine kognitive Technologie, die denken kann wie ein Mensch.
Laut einer Studie sind 90 Prozent aller Jobs im britischen öffentlichen Dienst komplett bedeutungslos. Würde sie durch Roboter ersetzen werden, könne das die Regierung 8 Milliarden Euro einsparen lassen – pro Jahr!
„Mytaxi“, Carsharing, „Uber“, selbstfahrende Autos, Bahnen und LKWs, der Check in im Flughafen ohne Personal, sogar Flugzeuge, die autonom starten und landen können, all das ist ebenso Realität wie die Tatsache, dass Berufe wie Schriftsetzer, Harzer, Hufschmied oder Köhler von der Bildfläche verschwinden werden. Und aus dem Kfz-Mechaniker ist längst der Mechatroniker geworden.
Doch auch wir sind Jobvernichter. Wir bestellen online und schaden dem Einzelhandel, wie nutzen das bequeme Online-Banking und tragen so zur Schließung von Bankfilialen bei, und gegen den Einkauf im Supermarkt ohne Warteschlangen und mit automatischen Brotbackautomaten haben wir in der Regel nichts, genauso wie wir unsere Bestellungen künftig von Drohnen liefern lassen. Hauptsache, es kommt pünktlich an. Die Angst betrifft also zwar die Arbeitswelt, nicht aber das private Leben, in dem wir uns bestens mit neuen Technologien arrangieren.
Gehen wir dem Ende entgegen?
Alles verändert sich, schon heute, schon immer. Jobs verschwinden, andere entstehen, und wer in Zukunft nicht einen technischen Backround mitbringt, wird es schwer haben. Selbst Lagerarbeiter werden in Zukunft ohne Computerkenntnisse kaum Chancen haben, eine Beschäftigung zu finden. Das ist aber kaum ein Problem, denn die jetzigen und nachfolgenden Generationen wachsen ganz selbstverständlich mit den neuen Technologien auf.
Das Ende ist all das also nicht. Es kommt, wie so oft in der Geschichte, zu Verschiebungen, die dem technischen Fortschritt geschuldet sind. Das ist kein großer Unterschied zur Erfindung der Dampfmaschine. Aber es ist auch etwas anders: Die Automatisierung, der Einsatz Künstlicher Intelligenz und die Robotik stehen dem Menschen als Konkurrenz übermächtig groß gegenüber, während sie gleichzeitig Partner sind. Der selbstlernende Computer gehört sicher zu den technischen Errungenschaften, die am meisten fasziniert und die größte Angst erzeugt. Wenn Computer nicht einmal mehr auf ihren menschlichen Bediener angewiesen sind, sondern Entscheidung selbstständig treffen können, wo ist dann noch Platz für den Menschen?
Er wird seinen Platz haben, der Mensch. Und die Arbeit wird auch nicht weniger werden, da hat die FDP im Kern zwar recht. Aber es wird künftig weniger Arbeit für den Menschen bleiben. Es wäre mehr als überraschend, wenn die technologische Entwicklung weiter in solch großen Schritten fortschreitet und dabei mehr Jobs schaffen als sie vernichten würde. Die Frage ist also: was tun?
Das Grundeinkommen als Rettung?
In einem anderen Artikel äußerte ich mich zum Bedingungslosen Grundeinkommen sehr kritisch. Daran hat sich nichts geändert, denn die aktuellen Modelle des Grundeinkommens überzeugen mich nicht nur nicht, sie kommen nicht selten neoliberal daher, wollen Arbeitgeber aus der Verantwortung nehmen und den Sozialstaat aushöhlen.
Mit den derzeit noch vorhandenen Rahmenbedingungen wäre es sinnvoller und hilfreicher, wenn gut bezahlte Jobs mit fairen Sozialleistungen einhergingen. Die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens entsteht ja aus der Erkenntnis des Mangels. Würde dieser im Rahmen des bestehenden Systems behoben werden, wäre ein Grundeinkommen nicht mehr nötig, zumindest nicht wirtschaftlich auf den Einzelnen bezogen. Eine andere Frage ist die der Selbstverwirklichung, doch das führt an dieser Stelle vom Thema weg. Oder eben auch nicht.
Denn wie sieht es in der Zukunft aus? Was, wenn wirklich immer mehr Menschen einfach nicht mehr arbeiten können bzw. müssen, weil unzählige Jobs von Robotern oder Computern übernommen werden? Und wenn im Zuge dessen die Produktivität weiter zulegt (was sie wird, davon ist auszugehen)?
Heute wird in Deutschland der Export „Auf-Teufel-komm-raus“ betrieben. Da der Binnenmarkt wegen zu niedriger Löhne unter der finanziellen Last ächzt, muss das Ausland einen Großteil deutscher Produkte kaufen. Dass dieses Ungleichgewicht – denn Deutschland importiert im Verhältnis zu den Exporten zu wenig und schadet damit anderen Ländern – auf Dauer nicht funktioniert, ist schon jetzt klar.
In einer zunehmen digitalisierten Welt wird dieses System erst recht an seine Grenzen stoßen. Die hierzulande produzierten Produkte müssen aber verkauft werden, sonst bricht das Wirtschaftssystem zusammen. Mittelfristig muss der Binnenmark gestärkt werden, und wenn dafür immer weniger Menschen arbeiten müssen, entsteht ein neues Ungleichgewicht. Denn wenn auch nur die Menschen bezahlt werden, die arbeiten, schrumpft der Markt für den Produktverkauf. Weil es schlicht mehr Menschen als Arbeit gibt. Hohe Produktivität versus geringer finanzieller Mittel beim Großteil der Menschen bedeutet schmerzhafte Einschnitte beim Wohlstand der Menschen. Und bei der Wirtschaft, die auf vielen ihrer Produkten sitzenbleibt. So wird die hohe Produktivität zum Killer, denn was nützen die besten und schnellsten Produktionsverfahren, wenn der Markt dafür fehlt?
Gäbe es also ein Modell des – allerdings nicht bedingungslosen – Grundeinkommens, das die zukünftigen veränderten Rahmenbedingungen berücksichtigt und gleichzeitig ein funktionierendes Sozialsystem beinhaltet, könnte der Digitalisierung und den damit verbundenen Herausforderungen begegnet werden. Der entscheidende Unterschied zum heute vielerorts favorisierten Bedingungslosen Grundeinkommen bestünde jedoch in seiner Konstruktion an sich. Ein zukünftiges Grundeinkommen könnte den Menschen ausgezahlt werden, die der Automatisierung tatsächlich zum Opfer fallen, die keinen Platz mehr haben in Arbeitsprozessen, die nahezu vollständig eigenständig ablaufen. Als Opfer müssten sie allerdings gar nicht betrachtet werden. Sie wären zwar für den Arbeitsmarkt nicht mehr nötig, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, aber durchaus. Das Problem mit heutigen vergleichbaren Situationen ist die Tatsache, dass sowohl die Betroffenen als auch das gesellschaftliche und politische Umfeld sie abwertet, als unnütz, un-, unterqualifiziert oder gar faul tituliert. In einer rosigen Zukunft würde diese Wertung wegfallen. Wer nicht die Möglichkeit hat, aktiv an den Produktions- oder Dienstleistungsprozessen teilzunehmen, trägt dennoch seinen Teil bei. Durch die Stärkung des Binnenmarkes, durch gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme, durch seinen wertschätzenden und wertgeschätzten Platz in der Gesellschaft. Wenn die Produktivität mit Hilfe von Robotern, Computern und der Nutzung Künstlicher Intelligenz weiter ansteigt, stellt wich womöglich die Frage nach dem Anteil menschlicher Arbeit gar nicht mehr oder kaum.
Diese Denkweise wirkt freilich abenteuerlich, hat sie doch mit der immer noch geltenden Definition von Arbeit wenig zu tun. Arbeiten, das muss möglichst jeder machen. Wer es nicht tut, ist ein Faulenzer, Schmarotzer, der sich durchfüttern lässt. Ob die Arbeit ausfüllt, Spaß macht, die Kreativität anregt oder die Persönlichkeit zum Positiven formt, steht auf einem anderen Blatt. Gemeinhin wird Arbeit als störend empfunden, und wer seinen Job tatsächlich mag, wird entweder beneidet oder als Glückskind betrachtet.
Doch in der Automatisierung und der Robotik liegen gerade hier große Chancen, zumindest in der Theorie. Müssen Arbeiten, die unangenehm sind, schädlich oder monoton, nicht mehr vom Menschen erledigt werden, kann er sich anderen Dingen widmen. Neid muss dabei nicht aufkommen, denn es ist ja nicht so, dass der eine Mensch sich schönen Dingen zuwendet, während der andere im Müll schuften muss. All das wird von Robotern übernommen. Es könnte also alles in Ordnung sein. In der rosigen Welt von morgen.
Kein Weg führt zurück
So oder so: Es führt kein Weg zurück. Robotik, Automatisierung, Künstliche Intelligenz, wir kommen nicht an diesen Entwicklungen vorbei. Weil jede technische Neuerung in vergleichbarem Ausmaß wie die der heutigen nicht aufzuhalten ist. Was der Mensch machen kann, das tut er, auch wenn er sich nur selten tiefergehende Gedanken über die Auswirkungen macht.
Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass die technischen Fortschritte, die wir derzeit erleben, uns Komfort verschaffen, vieles erleichtern, uns von Aufgaben befreien, die gefährlich oder gesundheitsschädigend sind. Das kurze Erklärvideo des Fraunhofer Instituts zeigt das zwar ziemlich verklärt auf, doch im Kern sind die positiven Effekte von Automatisierung und Robotik, von smarten Arbeitsplätzen und Künstlicher Intelligenz nicht von der Hand zu weisen. Ebenso wenig allerdings wie die angeschnittenen Aspekte wie extreme Leistungsanforderungen, die Einnahme leistungssteigernder Substanzen oder Jobs für Cloud Worker, die im Video nicht weiter erläutert werden. Denn heute sind diese Jobs nichts anderes als pure Ausbeutung. Cloud Worker verdingen sich für wenig Geld, haben keinerlei Planungssicherheit oder gar soziale Absicherung. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie Industrie 4.0 nicht funktionieren kann. Denn ein Land voller Roboter und Computer auf der einen und mies bezahlten Cloud Workern auf der anderen Seite wird wirtschaftlich mit voller Wucht gegen die Wand fahren. Doch heute funktioniert dieses Prinzip (noch).
Blickt man über die Auswirkungen auf das Individuum hinaus und bezieht die Wirtschaft insgesamt mit ein, und unterstellt man, dass der Exportwahnsinn auf die Dauer nicht funktionieren wird, sind wir wieder beim Binnenmarkt. Der wird sich in Zukunft nur gestalten lassen, wenn die Menschen an ihm teilhaben. Denn die Menschen sind der Binnenmarkt, das wird heute meist vergessen, in Zukunft allerdings kommt man um diese schlichte Erkenntnis nicht herum.
Die Frage wird also sein, wie wir mit den Begleiterscheinungen der Automatisierung umgehen. Ob wir es schaffen, den Menschen ein Leben zu ermöglichen, das für jeden menschenwürdig ist. Heute ist das nicht der Fall, und so kann man im besten Fall darauf hoffen, dass das in der Welt von morgen oder übermorgen anders, besser sein wird.
Auch wenn Zweifel mehr als angebracht sind. Das liegt aber weniger an Computern oder Robotern, sondern an den Menschen, die das für sich Beste aus ihnen herausholen wollen. Denn ob eine Gesellschaft humanistisch aufgestellt ist, hängt nicht von den Maschinen ab, sondern immer noch von den Menschen. [InfoBox]