Wer hätte das gedacht: deutsche Panzer stehen in Moskau. Sie stehen hier allerdings nicht als Zeichen der Macht deutscher Besatzer, sondern als Trophäen der russischen Armee. Sie wurden im Donbass erobert. Die Nachricht über die Ausstellung kam morgens im Fernsehen, das Wetter war schön und ich hatte zufällig Zeit. Dass ich Zeit habe, passiert selten, denn das Tempo in Moskau ist anders als in Deutschland. Weil ich Zeit hatte, dachte ich, ich fahre zum Park des Sieges und schau mir an, was die Soldaten der russischen Armee im Donbass eingesammelt haben. Außer dem Leopard und dem Marder steht da noch ganz viel andere Militärtechnik aus allen möglichen Ländern des westlichen Bündnisses.
Auf die Idee, mir die Ausstellung anzusehen, kam ich nicht allein. Schon am Aufgang in der Metro wurde klar, die Trophäensammlung ist ein Publikumsmagnet. Dabei ist der eigentliche Anlass noch gar nicht gekommen. Die westlichen Waffen werden im Rahmen der Feierlichkeiten zum 9. Mai, dem Tag des Sieges über den deutschen Faschismus ausgestellt. Bis zum 9. Mai ist es jedoch noch ein paar Tage hin.
Um das emotionale Ergebnis des Besuchs vorwegzunehmen: es ist beklemmend, deutsche Panzer in Moskau ausgestellt zu sehen, die im Kampf gegen Russland erbeutet wurden. Von “nie wieder” zu “schon wieder” dauerte es nur ein paar Jahrzehnte. Das deutsche Nie-Wieder ist eine recht überschaubare Zeitspanne.
Fotos mit Leopard
Die Besucher der Ausstellung fotografierten sich vor ausgebrannten westlichen Panzern, Kinder bewiesen ihren Eltern ihr Wissen und benannten was sie sahen: Bradley aus Großbritannien, CV 90 aus Schweden, AMX 10 aus Frankreich. Das, was die russischen Schuljungs unmittelbar erkennen, musste ich gerade nachschlagen, weil ich mich mit Militärtechnik nicht auskenne. Den Leoparden habe ich gerade noch erkannt. Vor ihm stand jedoch noch ein Panzer mit deutscher Flagge. Ich habe mich bei den anwesenden Soldaten der russischen Armee erkundigt, was für ein Panzer vor dem Leopard geparkt ist. Das sei ein Marder, bekam ich zur Auskunft.
Ein Mann bat mich, ein Foto mit seinem Handy zu machen. Er wollte mit dem Leopard im Hintergrund fotografiert werden. Ich machte einen Witz über deutsche Wunderwaffen in Theorie und Praxis. Er war sichtlich irritiert, ein Deutscher in Moskau, der sich die Ausstellung von erbeutetem deutschen Kriegsgerät ansah. Es entspann sich einen kurze Unterhaltung, im Anschluss verabschiedeten wir uns freundschaftlich.
Ich fuhr nach Hause. Die Ausstellung hatte starke Gefühle ausgelöst. Ich war den Tränen nahe, konnte aber nicht benennen, warum. Trostlos, kommt meinem Gefühl als Begriff wohl am nächsten. Es war unglaublich trostlos. Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs versucht Deutschland erneut einen Sieg über Russland zu erringen.
Deutschland ist trostlos
Nicht allein, das ist richtig, aber Deutschland ist eben wieder mit dabei. Die Kriegstreiber und Kriegstreiberinnen dürfen ihre Propaganda und Desinformation verbreiten, es herrscht Zensur, damit sie dabei niemand stört. Russland wird verweigert, in Sicherheit vor dem westlichen Militärbündnis zu existieren. Deutsche Politik gibt sich dafür her, Russland in einen Krieg zu zwingen, trägt aktiv zur Zerstörung der Sicherheitsarchitektur in Europa bei, will “Russland ruinieren” und fühlt sich bei all der Niedertracht auch noch moralisch überlegen.
Deutschland ist trostlos. Das Land macht mich hoffnungslos. Wenn zwei Weltkriege an der deutschen Geisteshaltung, dass Länder miteinander in Konkurrenz liegen und die politische Führung Deutschlands daher nach Dominanz und Herrschaft streben muss, nichts ändern konnte, was braucht es dann noch? Was kann die politischen Eliten in Deutschland dazu bringen, einzusehen, dass es nicht ums Obsiegen, sondern um das friedliche Miteinander der Völker geht. Es geht um kollektive Sicherheit, nicht um Sicherheit für einzelne Staaten.
Deutschland verhindert Frieden in Europa, deutsche Politik will einen langen Krieg in der Ukraine. In Moskau stehen erbeutete deutsche Panzer, was mit der Crew passiert ist, kann man sich denken. Deutschland wiederholt alle historisch gemachten Fehler. Deutschland ist ein trostloses Land.
Das Gefühl der Beklemmung und Trostlosigkeit hielt noch lange an. Es war eine gute Idee, sich die Ausstellung angesehen zu haben. Sie hat die Sicht geklärt. Für die russischen Besucher war sie eine Versicherung, dass Russland das Richtige tut und seine Souveränität gegen den Westen verteidigt, in dem der Faschismus wieder auferstanden ist. Für mich als Deutschen hat sie gezeigt, dass Deutschland erneut auf der falschen Seite steht und im Wiederholungszwang alle Fehler wieder macht, die das Land schon immer gemacht hat, weil die politischen Führer der Deutschen nach wie vor von einem Geist beseelt sind, der zum Frieden unfähig ist.