Wir waren auf dem Weg ins Kino und ein bisschen früh dran. Da ein Freund von uns demnächst Geburtstag hat und Pawel die Idee hatte, ihm smarten Krimskrams zu schenken, den er über seine Alica steuern kann, wir zudem zufällig gerade an einem Fachhandel für Elektronik vorbei liefen, der sich im selben Einkaufszentrum befand, wie unser Kino, traten wir spontan ein. Für moskauer Verhältnisse war er eher klein und übersichtlich.
Alica ist das russische Pendant zur Amazons Alexa. Ein smarter Lautsprecher, der auf Kommando Musik macht, das Wetter ansagt, Licht ein- und ausschaltet, die Fensterverdunklung hochzieht und zu allem moglichen Anderen fähig ist. Alica spricht allerdings nur Russisch. Das Gerät ist nicht für den Export bestimmt.
Wir haben auch so ein Gerät und mehrere Lampen, die sich damit per Sprachkommando steuern lassen. Lampe ist dabei ein etwas irreführender Ausdruck, denn diese Leuchtmittel zaubern auf Zuruf auch eine Inszenierung aus Licht ins Zimmer. Wenn gewünscht, untermalt Alica das mit passenden Klängen. Pawel findet das super. Obwohl ich eigentlich sehr technikaffin bin, habe ich Schwierigkeiten, mich daran zu gewöhnen, mit unserer Küchenlampe zu sprechen.
Smarte Geräte
Verbunden ist das kleine technische Wunderwerk mit der russischen Suchmaschine yandex. Es gibt noch zwei Alternativen, die eine heißt Marusia und gehört zum sozialen Netzwerk VKontakte. Dann gibt es noch Sber Box Time. Der smarte Lautsprecher wird von der größten russischen Bank Sberbank angeboten, die inzwischen auch auf Multifunktionskonzern macht. Der von uns zu beschenkende Freund hatte auch eine Alica in der Wohnung. Wir schlenderten daher nun durch die Regale mit smarten Leuchtmitteln.
Ich werfe wie immer in letzter Zeit noch einen Blick in Richtung Tablets, denn meins ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Allerdings beschließe ich, es für heute sein zu lassen und die Gewohnheit zu durchbrechen, zum Schluss immer in der Tablett-Abteilung zu landen. Ich warte auf den Verkaufsstart des neuen Tablets von Xiaomi. Mein Telefon ist noch relativ neu. Ich habe das letzten August nach meinem Umzug nach Russland gekauft. Ebenfalls ein Xiaomi. Xiaomi ist super, wenn ich das hier mal einfügen darf.
“In Deutschland glaubt man, all diesen Technik-Firlefanz gibt es hier gar nicht”, kam mir in den Kopf, während mein Blick sich von den Tablett-Abteilung löste, durch den Raum glitt und bei den Waschmaschinen halt machte. “Stimmt, Waschmaschinen gibt es in der Vorstellungswelt vieler Deutscher auch nicht”, dachte ich bei mir.
Nicht ganz so smarte Politik
Höchste Stellen erzählen den Deutschen, die Russen würden aus Waschmaschinen und Kühlschränken die Mikrochips ausbauen, um sie für die Waffenproduktion zu verwenden. Nicht zuletzt die EU-Kommissionspräsidentin hat dies immer wieder öffentlich und mit deutlich bemerkbarer Häme in Richtung Russland behauptet. Viele Deutsche glauben diesen Blödsinn.
Jetzt stand ich hier in einem Elektronikmarkt und blickte auf ein paar Dutzend Waschmaschinen, die hier nach deutscher Auffassung gar nicht stehen dürften. Ich machte ein Foto.
Das Foto stellte ich online. Auf Twitter fand das Bild große Resonanz. Es ist relativ interessant, was dort passierte, denn ein Teil derjenigen, die den Tweet mit dem Bild kommentierten, fanden sich in ihrem Glauben bestätigt, dass der Mainstream über Russland ziemlich groben Unfug erzählt. Das stimmt. Ein anderer Teil versuchte das Bild in Übereinstimmung mit dem Blödsinn zu bringen, der ihnen vom Mainstream erzählt wird.
Das Bild sei alt, wurde behauptet. Es sei gar nicht in Russland aufgenommen, meinten andere. Wieder andere gestanden zu, dass die Situation in Moskau vielleicht etwas besser sein könnte als im Rest des Landes. So wie es früher in der DDR in Ostberlin auch mehr zu kaufen gab. In Diktaturen sei das oft so. Man postete Bilder, die belegen sollten, dass Russland aus dem letzten Loch pfeift. Schlechte Straßen, verfallenen Häuser, besoffene Russen.
Wenig smarte Medienuser
Was sich in all dem auch ausdrückte, war der unbedingte Wille, Russland überlegen zu sein, besser zu sein, nicht so arm und abgerissen zu sein, wie sich manche in Deutschland Russland vorstellen.
Ein paar Argumente lassen sich schnell entkräften. Wer auf dem Land lebt und kein großes Einkaufszentrum in erreichbarer Nähe vorfindet, der macht es, wie man es in Deutschland auch macht. Der bestellt im Internet. Es gibt keinen Amazon-Versandhandel in Russland. Hier verdienen sich Ozon und Wildberries am Onlinehandel dumm und dämlich. Die liefern auch ins kleinste Dorf.
Erstaunlich war auch, dass die Situation in Deutschland und der EU so völlig unter den Tisch fiel. Was es hier in unserem russischen Laden beispielsweise nicht zu kaufen gab, waren Faxe. Allerdings nicht aus Mangel an den dafür notwendigen Chips. Faxe gelten in Russland als veraltete Technik. In Deutschland erfreuen sie sich nach wie vor großer Beliebtheit. Auch was andere Indikatoren wie Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Investitionstätigkeit in der EU und im Euro-Raum angeht, sieht es eigentlich nicht gut aus. Zumindest deutlich schlechter als in Russland. In Russland gibt es Wohnungen, in Deutschland nciht. Aber das ist dann was ganz anderes, weil das Niveau in der EU insgesamt höher ist, glauben manche. Auch das Argument von Russland als ökomischen Zwerg wird gern gebracht. Nur zwingt dieser ökonomische David gerade den wirtschaflichen Goliath namens EU in die Knie.
Russland als Raumfahrtnation
Viele der vorgetragenen Argumente, waren so aufgeladen mit einer rassistischen Sicht auf Russland und die Russen, dass man sich das Argumentieren sparen kann. Was ein relevanter Teil der Deutschen überhaupt nicht hören will, ist, dass die Sanktionen vollständig nach hinten los gehen und sie obendrein von ihren Medien verarscht werden. Man bekommt dann irgendwelche Artikel und Faktenchecks vor die Nase gehalten, die belegen sollen, dass wir hier eigentlich nichts mehr zu futtern haben. Komischerweise wird derartigen Berichten aus zweiter und dritter Hand mehr geglaubt als meiner Erfahrung vor Ort.
Fakt ist einfach, die Deutschen werden im Hinblick auf Russland nach Strich und Faden hinters Licht geführt und bei vielen fällt die Desinformation auf extrem fruchtbaren und gut vorbereiteten Boden. Der Russe bekommt nichts auf die Reihe und ist minderwertig, ist als Information tief in so manche deutsche DNA eingeschrieben. So lange die deutschen Zeitungsleser den Gedanken, dass sie falsch informiert werden, noch nicht mal als möglich zulassen können, können sie jedoch nichts dagegen unternehmen, dass sie von ihren Medien kräftig verarscht werden. Sie sind dem wehrlos ausgeliefert, fühlen sich dabei aber gut und vor allem überlegen.
Der Film, den wir uns angeschaut haben war übrigens super. Er spielt unter anderem auf der Internationalen Raumstation ISS. Die russische Raumfahrtagentur Roskosmos hatte eine Schaupielerin und den Regisseur mit einer Sojus ins All befördert, um dort den ersten Film im All zu drehen. Da man in Deutschland allerdings schon nicht glaubt, dass man hier Waschmaschinen kaufen kann, erzähle ich lieber gar nicht erst davon, dass sich Russland als Raumfahrtnation versteht und Schauspieler einfach so aus künstlerischen Gründen in die Schwerelosigkeit schickt. Diese Wahrheit könnte manchen Deutschen noch mehr verunsichern als die Verfügbarkeit von Waschmaschinen.