Ich bin inzwischen nach Russland umgezogen. Ich schreibe für die Neulandrebellen künftig aus Moskau. Das ist in diesen Zeiten eine besonders interessante Aufgabe und sicherlich auch eine Bereicherung für unsere Seite. Deutschland steht Russland wieder einmal feindselig gegenüber. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte. Zum Glück ging die Konfrontation bisher immer gut aus, denn Deutschland hat sie immer verloren. So auch dieses Mal.
Nachdem sich Deutschland an zahlreichen völkerrechtswidrigen Konflikten beteiligt hat, ist man in Deutschland über den Einmarsch Russlands in die Ukraine empört. Die eigenen völkerrechtswidrigen Handlungen vergessend, gestützt auf ausschließlich moralische Hybris faselt deutsche Politik im Chor mit den transatlantischen Bündnispartnern vor allem etwas von “regelbasierter Ordnung” ohne präzisieren zu können, was das genau sein soll. Schaut man genauer auf den Begriff und seinen Gebrauch, meint er einfach das Recht des Stärkeren. Deutschland findet diese regelbasierte Ordnung daher auch gut, denn es zählt sich selbst zu den Stärkeren.
Russland und die regelbasierte Ordnung
Russland habe gegen die regelbasierte Ordnung und das Völkerrecht verstoßen und müsse daher bestraft werden, ist der Tenor der deutschen Moralisten von links bis mitte-rechts. Nun kann man sich über den ersten Punkt streiten. Man sollte sich die russische Argumentation, man habe im Donbass einen Genozid verhindert, sei also aus Schutzverantwurtung einmarschiert, zumindest einmal anhören. Es ist nämlich was dran.
Zudem argumentiert Russland, der Einmarsch sei ein Akt der Selbstverteidigung und daher nicht völkerrechtswidirg. Die NATO hatte sämtliche von Russland bisher gezogenen roten Linien überschritten und war trotz aller Bitten Russlands um Sicherheitsgarantien nicht bereit, darüber auch nur ernsthaft zu reden. Auch an dieser Argumentation ist was dran.
Was nun die Notwendigkeit der Bestrafung angeht, kann nach gut fünf Monaten Sanktionsregime festgestellt werden, dass Deutschland über die Macht zur Bestrafung Russlands nicht verfügt. Auch die EU sowie das transatlantische Bündnis sind in einem Zustand der Schwäche und Abhängigkeit, dass ihnen für die Welt deutlich sichtbar die Kraft zur Bestrafung Russlands fehlt. Damit fehlt ihnen aber auch die Macht, die geopolitische Umgestaltung der Welt hin zu einer multipolaren Ordnung zu verhindern, in der das westliche Machtzentrum keine hegemoniale Gestaltungskraft mehr besitzt.
Zur Diplomatie zu blöd
Man wird also wieder miteinander reden müssen. Sollte der Westen und auch Deutschland das weiterhin verweigern, ist zu erwarten, dass die neuen Machtzentren für ein weiteres Abgleiten des Westens in zunehmende Bedeutungslosigkeit sorgen werden. Schon jetzt sind in anderen Regionen der Welt Forderungen zu hören, dem Westen endlich und endgültig das Rückgrat zu brechen. Es wäre also an der Zeit für Diplomatie.
Dazu braucht man allerdings auch Diplomaten. Gerade in diesem Bereich herrscht in Deutschland allerdings gravierender Fachkräftemangel, wie man an der Besetzung des Postens des Außenministers mit der völlig inkompetenten, mit der Aufgabe schlicht überforderten Annalena Baerbock sehen kann. Die Außenministerin versucht ihre grünen Tagträumereien auf die internationale politische Agenda zu setzen. Sie scheitert damit grundlegend und bekommt es vor lauter Selbsteingenommenheit noch nicht einmal mit. Es ist ein peinliches Schauspiel; zum Fremdschämen.
Sanktionen in Russland kaum spürbar
Ich war bereits im Juni für einen Monat in Russland und bin jetzt nach Moskau umgezogen. Deutschland wurde für mich zunehmend gefährlich. Ich kann versichern, von den Sanktionen ist hier kaum etwas zu spüren. Diskussionen über Rationierung von Strom und Gas wie es sie in Deutschland, gibt, die gibt es hier nicht. Es gibt hier keine Forderungen, Energie zu sparen, den Gasverbrauch um 15 Prozent zu senken, kalt und nur kurz zu duschen und in der kalten Jahrezeit die Raumtemperatur zu senken. Auch die öffentliche Beleuchtung wird nicht heruntergefahren. Es drohen hier keine Blackouts. Weiterhin gibt es keine Notfallpläne welche Verbraucher in welcher Reihenfolge vom Zugang zum Gas abgekoppelt werden sollen.
Wer in Berlin durch die Einkaufszentren geht, sieht dort umfassenden Leerstand. Das ist noch eine Auswirkung der Corona-Krise. Das ist hier in Moskau in diesem erschreckenden Ausmaß nicht der Fall. Auch eine breite Verelendung der Innenstädte bedingt durch von politischen Fehlentscheidungen herbei geführte Wohnungsnot, die in Obdachlosigkeit sichtbar wird, gibt es hier nicht. Im Gegenteil, die Mieten sinken. Wer in Moskau eine Wohnung sucht, wird in kurzer Zeit fündig und kann sie sich nach eigenen Kriterien aussuchen. In deutschen Großstädten ist das seit Jahrzehnten undenkbar.
Auch die durch die Sanktionen sprunghaft angestiegene Inflation sinkt inzwischen wieder, während sie im Euroraum hoch bleibt. Die Inflation ist im gesamten Westen ein Indikator für das Scheitern des transatlantischen Sanktionsregimes.
In Deutschland dagegen schon
Ein Mangel, wie er in Deutschland in den Regalen der Supermärkte sichtbar war, existierte hier nicht. Firmen, welche den russischen Markt verlassen haben, kehren zurück oder die hinterlassenen Lücken werden durch andere Marktteilnehmer besetzt.
Waren, die nicht mehr direkt importiert werden können, werden jetzt aus dem befreundeten Ausland eingeführt. Parallelimport nennt man das in Russland. Das hat die Einfuhr verteuert und damit sicherlich auch einen Beitrag zum Anstieg der Inflation geleistet. Inzwischen läuft das recht stabil, die Preise steigen daher nicht weiter.
Zudem bemüht sich Russland um Autarkie von Importen, indem Produkte im Land hergestellt werden. Das geht sicherlich nicht von heute auf morgen, aber so unmöglich wie die Subsitution von russischen Gas in der EU ist das Projekt nicht. Mit der MS 21 des Flugzeugbauers Irkut beispielsweise soll ab 2025 ein russisches Passagierflugzeug zur Verfügung stehen, das ausschließlich mit Teilen gebaut werden, die in Russland hergestellt werden und daher nicht sanktioniert werden können. Auf Airbus und Boeing wird man zunehmend weniger zurückgreifen. Auch dieser Markt geht verloren.
Die Zeit ist auf Russlands Seite
Die EU und Deutschland sind insgesamt in einer deutlich schlechteren Position. Die ganzen Versuche russisches Öl und Gas kurz- und mittelfristig zu ersetzen gehen gründlich schief, wie schon die Lügerei Habecks nach seinem Hofknicks in Katar deutlich machte. Aus Katar wird entgegen seinen Bekundungen kein Gas kommen.
Die Aussagen deutscher Politiker wie die von Wirtschaftsminister Habeck, die Sanktionen seien langfristig angelegt und würden ihre die russische Wirtschaft schädigende Wirkung in ein paar Monaten entfalten, erscheint mir in seiner wirtschaftspolitischen Unlogik als kommunikativer Akt aus reiner Verzweiflung. Man möchte oder muss an einem Sanktionsregime festhalten, das die eigene Wirtschaft absehbar mehr und nachhaltiger schädigt als den Sanktionierten. Also lügt man sich die Welt schön.
Russland stärkt gerade zudem die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit allen Ländern außerhalb des westlichen Bündnisses. Der Westen hat sich vollumfänglich selbst isoliert.
Russischer Tourismus bleibt im Land
Natürlich gibt es auch hier in Russland Auswirkungen. Auslandsreisen beispielsweise sind für Russen schwierig geworden. Die Reaktion darauf ist wie auch schon in der Corona-Krise die Stärkung des Binnentourismus. Während die Deutschen nicht von Bundesland zu Bundesland fahren durften, wurde in Russland jeder Urlaub mit bis zu 30 Prozent staatlich subventioniert. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist Russland wesentlich besser durch die Corona-Krise gekommen als Deutschland. Während Deutschland das Vorkrisenniveau zu Beginn des Krieges im Februar noch längst nicht wieder erreicht hatte, war die russische Wirtschaft schon wieder auf Wachstumskurs. Der Zeitpunkt, Russland den Wirtschaftskrieg zu erklären war, daher extrem ungünstig gewählt.
Was das Reisen angeht, kann noch hinzugefügt werden, wenn man in einem Land lebt, das sich über elf Zeitzonen erstreckt, in dem zudem über einhundert Völker mit ihren unterschiedlichen Kulturen leben, gibt es auch für hier Geborene viel zu entdecken.
Oder man macht es wie mein Freund Pawel mit seinem Geschäftspartner. Man kauft sich von all dem Geld, das man jetzt nicht mehr in Spanien verplempern kann, eine Datsche und verbringt dort die freie Zeit. Auf dem gerade erworbenen, knapp einem Hektar großen Grundstück unweit von Moskau steht ein zweigeschossiges Haus. Ich sitze dort in der Küche und schreibe diesen Text. Das Anwesen soll in den nächsten Wochen und Monaten um ein Badehaus mit russischer Saune, um ein Gästehaus und eine Laube ergänzt werden.
Darin zeigt sich die Haltung einer großen Zahl von Russen: Die EU kann uns mal. Umgedreht können sich die BÜrger der EU sowie die Deutschen diese Gelassenheit gegenüber Russland nicht erlauben. Die Zeit ist auf Russlands Seiten. Deutschland und die EU haben sich durch eigene Dummheit matt gesetzt. Ihre Bürger werden es wie schon die letzten Male auch dieses Mal wieder ausbaden müssen.