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Corona-Politik als Spaltpilz: Klagen statt wehklagen?

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Es wäre maßlos untertrieben, würde man behaupten, es gehe ein Riss durch die Gesellschaft. Es sind mittlerweile unzählige Risse, die teils kaum sichtbar und teils als Krater daherkommen. Unklar ist speziell auf der Seite der Kritiker, wie genau eigentlich Widerstand noch aussehen kann. Demonstrationen? Oder doch besser Klagen?

Was früher einmal links war, ist heute eine diffuse Mischung aus Menschen, die sich in vielen Punkten ohne Corona niemals einigen könnten. Inzwischen aber schweißt der nicht enden wollende „Maßnahmen-Katalog“ der Bundes- und Landesregierungen sehr verschiedene Charaktere zusammen, denn sie eint die Wut, der Ärger, der Frust und die Angst vor dem, was noch auf uns zukommen mag.
Daraus lässt sich nichts bauen, das den Begriff einer linken Widerstandsbewegung erlauben würde. Denn dazu gehören weit mehr Themen als Corona. Trotzdem ist es falsch und gefährlich, die politischen Denkweisen Links und Rechts als überholt und irrelevant zu bezeichnen, wie Rainer Mausfeld prägnant zusammengefasst und immer wieder thematisiert hat:

Links steht vielmehr für die normativen moralischen und politischen Leitvorstellungen, die über den Menschen und über die Möglichkeiten seiner gesellschaftlichen Organisation in einem langen und mühsamen historischen Prozess gewonnen wurden und die in der Aufklärung besonders prägnant formuliert wurden. Den Kern dieser Leitvorstellungen bildet ein universeller Humanismus, also die Anerkennung einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen.

Aber auch wenn es sinnvoll ist, nach wie vor zwischen linkem und rechtem Denken zu unterscheiden, führt es in der Corona-Krise nur bedingt weiter.

Die Ratlosigkeit des Widerstands

Die Front, auf die der Widerstand derzeit prallt, ist dick, hoch und flächendeckend. Der Begriff des „Corona-Leugners“ ist in den Sprachgebrauch von Politik, Medien und Menschen eingeflossen, als hätte es nie ein anderes Wort gegeben für Menschen, die mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind. Gut möglich, dass künftig, wer Kritik äußert, als Demokratie-Leugner oder Menschenrechts-Leugner diffamiert wird. Schließlich hat sich diese Methode der Diffamierung im letzten ¾ Jahr etabliert. Leugnen erinnert an die Holocaust-Leugnung, an die Klima-Leugnung, und beides ist negativ besetzt. Ein Leugner muss also ein übler Geselle sein.

Trotzdem haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder Menschen zusammengefunden, die in Form von Demonstrationen (im Diffamierungs-Deutsch auch „Hygiene-Demos“ genannt) ihren Unmut zum Ausdruck gebracht haben. Und natürlich gibt es reihenweise alternative Medien, die nicht müde werden, aufzuklären und zum Widerstand aufzurufen.

Doch da geht es schon los. Denn auch viele regierungskritische Menschen stehen in Zeiten von Corona Demos eher skeptisch gegenüber. Und während die einen Gott (oder wem auch immer) dafür danken, dass es neben den Mainstreammedien auch noch alternative Varianten gibt, schimpfen die anderen auf emotionale Artikel oder reißerische Videos. Aber das kennt man als hartgesottener Linker ja. Gegenseitig aufeinander einzuprügeln ist irgendwie einfach befriedigender als sich auf die Beine zu helfen und den Weg eine Weile lang gemeinsam zu gehen. Und sei es nur, um diesen politischen Wahnsinn zusammen zu beenden.

Wie auch immer – viel mehr als Demos und Publikationen stehen derzeit nicht zur Verfügung, und selbst das wird immer mehr ausgedünnt. Kanäle auf YouTube werden gesperrt oder gelöscht, weil sie gegen die „Hausregeln“ verstoßen oder angeblich Falschinformationen verbreiten. Demos werden verboten, weil sie ja der Gesundheit schaden (zumindest, wenn für oder gegen die falschen Themen demonstriert wird).

Die Stimmung wird düsterer, man merkt es, spürt es, die ganze Situation wirkt zunehmend zermürbend, auch, weil viele das Gefühl haben, gegen die Falschmeldungen, die uns als Wahrheit verkauft werden, einfach nicht mehr anzukommen oder den Unterschied nicht mehr erkennen (was verheerende Emotionen erzeugen kann und erzeugt). Und selbst hartgesottene Optimisten oder Pragmatiker legen eine Dünnhäutigkeit an den Tag, die sie oftmals selbst am meisten überrascht.

So wirkt Corona und die daraus folgende Politik auf jeden von uns auf andere Art. Zynismus, Traurigkeit, Angst, Wut, Lethargie, Aggression, Hilflosigkeit, fehlende Motivation, geneigte Leser können sich herauspicken, was am ehesten auf sie zutrifft.

Die Frage bleibt: Was tun?

Der juristische Weg?

Der Rechtsanwalt Dr. Reiner Fuellmich bereitet eine Sammelklage vor, und in den Mainstreammedien findet diese Tatsache wenig überraschend nur wenig Beachtung. Davon konnte man natürlich auch nicht ausgehen. Interessanter ist die Frage, wie die auf Fuellmichs Klagen reagieren, die kritisch gegenüber der aktuellen Politik eingestellt sind.

Hier gibt es (mindestens) zwei Gruppen:

• Gruppe 1 findet die Idee super, hat sowieso ein Problem mit Christian Drosten und hält sowohl den PCR-Test als auch die generelle Haltung von Bundesregierung und Robert-Koch-Institut (RKI) für skandalös.
• Gruppe 2 findet die Klageidee lächerlich und albern und neigt sogar dazu, die Beklagten – also Drosten und Wieler in erster Linie – zu verteidigen, weil die Klage inhaltlich auf wackeligen Beinen stehe.

Meiner Meinung nach ist die Kritik gegenüber Fuellmich nicht zielführend. Und das meine ich gar nicht inhaltlich auf die Klage bezogen. Tatsächlich kann ich nämlich die genaue Argumentation Fuellmichs und die Erfolgsaussichten seiner Klage nicht beurteilen. Und offen gestanden vermute ich, dass das die Wenigsten können. Denn tatsächlich sind wir alle ja nur „Freizeit-Juristen“, noch dazu „Freizeit-Virologen“, beides reicht also nicht aus, um die Situation im Ganzen beurteilen zu können.

Umso verwunderlicher ist die Kritik an Fuellmich. Was spricht aus kritischer Sicht gegenüber der derzeitigen Politik dagegen, eine Klage anzustreben, wenn man Jurist ist (schon viele Jahre und wohl auch erfolgreich, soweit ich das beurteilen kann) und diesen Weg des Widerstands wählt?

Wir haben schließlich nicht viele Möglichkeiten, daher wäre es im Grunde sinnvoll, Fuellmich zumindest verbal zu unterstützen, statt ihn zu kritisieren. Jeder mag ja für sich eine Meinung dazu haben, ob seine Klage erfolgreich sein wird oder nicht. Andere bezweifeln, dass das Verfahren überhaupt eröffnet bzw. bis zum Schluss durchgezogen wird. Alles ok, kein Problem. Aber auf der anderen Seite muss man doch jeden, der – wie man selbst – gegen diese Corona-Politik ist, bestärken und unterstützen. Die Gegenrede mag souverän und wissend wirken, bewirkt als solche aber letztlich nichts. Und jemand zu unterstützen, der seinen individuellen Weg der Wehrhaftigkeit gewählt hat, bricht niemandem einen Zacken aus der Krone.

Noch mehr Klagen …

Ebenfalls den juristischen Weg beschreiten Paul Schreyer und sein „multipolar-magazin“.

In einem umfangreichen Artikel erklärt Schreyer, was ihn antreibt:

Multipolar geht seit einigen Wochen juristisch gegen das RKI vor. Die Behörde hat inzwischen gegenüber dem Gericht Stellung bezogen, eine Entscheidung steht noch aus. Es geht darum, die Details, konkreten Hintergründe und Verantwortlichen der Risikoabschätzung transparent zu machen – denn die amtliche Einschätzung passt nicht zu den vorliegenden Daten. Sie passte nicht im Frühjahr, nicht im Sommer und auch nicht jetzt im Herbst und Winter.

Die Begründungen für Schreyers Entscheidung, eine juristische Klärung herbeizuführen, sind im Artikel umfassend dargelegt, Interessierte mögen den gesamten Text (den ich ohnehin empfehlenswert finde) lesen.

Schreyer macht noch einige weitere „Baustellen“ auf, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er damit Kritik auf sich zieht. Aber erneut stelle ich die Frage: Wozu soll(te) diese Kritik an Schreyer führen, wenn sie denn formuliert wird? Schreyer spricht etwa einige plötzliche Todesfälle an, die zumindest vom zeitlichen Zusammenhang her bemerkenswert erscheinen. Darüber kann man nachdenken, und man kann zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Das ändert aber nichts daran, das Schreyer und sein Magazin einen weiteren möglichen Weg des Widerstands eingeschlagen haben.

Weg vom Wehklagen!

Für mein Empfinden ist der juristische Weg einer der letzten, die noch beschritten werden können. Und es mag zynisch klingen, wenn ich frage: Wie lange noch?

Aber wenn wir realistisch sind, befinden wir uns auf einem Weg, der immer mehr zu politisch totalitärem Denken und Handeln führt. Auch darauf wird es mindestens zwei Reaktionen geben, nämlich von denjenigen, die das für maßlos übertrieben halten und denjenigen, die behaupten, wir befänden uns schon längst in einem totalitären oder diktatorischen System, jede andere Sicht würde die Situation verharmlosen.
Doch das ist nicht zielführend, denn dass die Lage ernst ist, wird wohl kaum ein kritischer Mensch – aus welchem inneren Antrieb heraus auch immer – wirklich bezweifeln.

Die Corona-Krise offenbart Züge der Politik, die mehr als besorgniserregend sind. Und wer sich als Kritiker dieser Entwicklungen begreift, tut gut daran, sich zu überlegen, ob er gangbare Wege des Widerstands wirklich abwerten möchte. Zumal es fraglich ist, ob das verbale und öffentliche Einprügeln auf Menschen, die ihren eigenen Weg der Gegenwehr gehen, tatsächlich im eigenen Sinne ist. Wenn die Klagen erfolglos sein sollten, kann man sich ein neues Bild der Situation machen. Und eben das wird sich garantiert ergeben, wenn die unterschiedlichen Aspekte der juristischen Niederlage betrachtet, analysiert und bewertet werden. Wir haben das ja regelmäßig bei den Entscheidungen von Verwaltungsgerichten erlebt.

Sind die Klagen dagegen erfolgreich, verändert sich die Situation in einem grundlegenden Ausmaß. Und selbst, wenn man davon ausgehen muss, dass die Erfolgsaussichten als eher gering einzustufen sind, wäre es fahrlässig, diese Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Oder gar zu verteufeln.

Diejenigen, die mit den Folgen der Corona-Politik nicht einverstanden sind, müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie bis auf Weiteres eine Minderheit darstellen. Und sie müssen wissen, dass das durch politischen und medialen Druck auch auf Sicht so bleiben wird.

Umso wichtiger scheint es, Möglichkeiten der Gegenwehr wohlwollend zu betrachten, statt sie mit rhetorischem und intellektuellem Geschick auseinander zu nehmen. Es wird zu nichts führen, außer dass das Potenzial für Widerstand reduziert wird.

Und das können wir überhaupt nicht brauchen.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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