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Die Zerstörung der AfD – mit freundlicher Unterstützung des Bundestages

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Claudia Roth (Die Grünen) hat kürzlich nachts um halb zwei einen „Hammelsprung“, beantragt von der AfD, verhindert. Damit hat sie gezeigt, wie weit ihr Demokratieverständnis geht. Der Applaus im Bundestag gab ihr Recht. Doch faktisch war das, was Roth tat, nah dran an einer Bankrotterklärung.

Fürs Protokoll: Ich bin kein AfD-Mitglied, kein AfD-Wähler und kein Sympathisant dieser Partei, die in ihren Reihen Figuren Raum bietet, die man nur als abstoßend bis widerwärtig bezeichnen kann. In der politisch korrekten Welt, in der wir leben, muss ich das in dieser Deutlichkeit betonen. Allerdings fällt mir das auch sehr leicht in Anbetracht dessen, wofür die AfD in erster und zweiter Linie steht (von der dritten, vierten und fünften Linie ganz zu schweigen): Rassismus und Neoliberalismus.

Ich muss allerdings – ob es mir passt oder nicht – anerkennen, dass die AfD im Bundestag sitzt. Das müssten die anderen Parteien im Bundestag normalerweise auch. Und die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth folgerichtig ebenfalls. Tat sie aber nicht.

In der Nacht zum 28. Juni 2019, die Uhr stand auf 1.30 Uhr (was für eine absurde Zeit!), sollte eine Abstimmung über die Anpassung des Datenschutzrechts erfolgen (diese Anpassung sollte man sich zu Gemüte führen, und insbesondere die Reden der AfD-Abgeordneten und des Abgeordneten der Grünen sind hörenswert).

Ein Herr Braun von der AfD (ich weiß, ich weiß, witziger Name) wies nun kurz vor der Abstimmung auf die Geschäftsordnung hin, die besagt, dass für die Beschlussfähigkeit des Bundestages mindestens die Hälfte aller Abgeordneten im Saal sein müssen. Herr Braun verlangte den „Hammelsprung“, also das Abtreten aller Anwesenden aus dem Saal, um ihn dann durch verschiedene Türen wieder zu betreten. So wird gezählt und sichergestellt, wie viele Abgeordnete denn nun da sind.

Jener Hammelsprung wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn offenkundig waren so ca. 100 Leute anwesend. Das ist natürlich zu wenig, um die Beschlussfähigkeit sicherzustellen. Aber es kam gar nicht erst zu dieser Maßnahme.

Stattdessen beriet sich Claudia Roth mit ihren Kollegen und stellte fest, dass alles im grünen Bereich ist, die Beschlussfähigkeit sei gegeben.
Na, da war was los im hohen Hause. AfD-ler krakelten herum, ereiferten sich und störten den weiteren Verlauf ebenso wie jene, die Roths Entscheidung begrüßten und der AfD die bildlich gesprochene Zunge rausstreckten. Von der Infantilität der Abgeordneten einmal abgesehen, die doch ziemlich peinlich wirkte, hat Roth jedoch ganz klar gegen die Geschäftsordnung verstoßen.

Einerseits.

Andererseits steht in der Geschäftsordnung aber auch, dass Roth, gemeinsam mit dem Sitzungsvorstand, bestehend in diesem Fall aus Benjamin Strasser (FDP) und Josef Oster (CDU), dem Hammelsprung widersprechen kann.
Nun kann man sagen, dass die AfD sich nicht wundern muss, wenn sie sich von den anderen Fraktionen oder Claudia Roth ans Bein pinkeln lassen muss. Zum einen torpediert die Partei ja häufig Entscheidungen und Debatten (was aber genau genommen durchaus ihr Job ist), zum anderen war sie wohl selbst nicht beschlussfähig. Das ist schon witzig und offenbart die gestörte Wahrnehmung der AfD.

Dennoch ist dieser Vorgang unter – wie Philipp Amthor sagen würde, der aber sicher zu diesem Zeitpunkt schon selig in seinem Bettchen lag – demokratietheoretischen Aspekten bemerkenswert und alles andere als ein Ruhmesblatt für Roth & Co.

Durch die Medien ging danach eigentlich nur der Streit um den Hammelsprung, das eigentliche Gesetz wurde kaum erwähnt. Sollte die AfD tatsächlich auf das Gesetz aufmerksam gemacht haben wollen, hat sie damit ellenbogentief ins Klo gefasst, denn Thema war ausschließlich ihre Empörung über Roths Reaktion, die Beatrix von Storch gleich als „offenen Rechtsbruch“ bezeichnete.

Damit dürfte sie danebenliegen, denn wenn die Geschäftsordnung vorsieht, dass Roth und ihre beiden Ritter das auch so entscheiden können, wie sie wollen, ist das mit dem Rechtsbruch mal wieder eine Übertreibung in der klassischen AfD-Manier.

Mit Ruhm bekleckert haben sich allerdings alle Beteiligten nicht. Und wenn Roth und ihre Mitstreiter hoffen, auf diese alberne Weise die AfD „zerstören“ zu können, liegen sie so falsch, falscher kann man gar nicht liegen.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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