Scientology? Die Mormonen? Evangelikale Gruppen? Nein, die einflussreichste Sekte in Deutschland ist die amtierende Sozialdemokratie. Vor der SPD muss man sich mehr fürchten als vor diversen esoterischen Seelenfängern.
Kaum war die SPD nach der Europawahl in ihre nächste schwierige Krise geschlittert, weil sie um Vorsitzende und Wählerinnen und Wähler gebracht wurde, meldete sich der Sozialdemokrat Olaf Scholz zu Wort: Seine Partei könne die stärkste Kraft im Lande werden, diktierte er zitierfähig. Und das nicht etwa irgendwann, nein, schon bei der nächsten Bundestagswahl. Man dürfe sich nicht kleiner machen als man sei, so schwadronierte er weiter. Scholz glaubt offenbar inbrünstig an seine Partei.
Nun hat der Mann ja nicht ganz unrecht. Die SPD könnte tatsächlich die stärkste Partei werden. Sie könnte aber auch die schwächste Partei werden. Das ist so mit der Zukunft und der Vorstellungskraft der Menschen: Denn der Mensch hofft viel und weiß doch so wenig über das, was noch vor ihm liegt. Wenn ich nun sage, dass die Sonne morgen nicht aufgehen könnte, gibt es sicher ein Millionstel Promille einer Chance, dass ich recht haben könnte. Wir behaupten dergleichen nur nicht, weil wir es besser ahnen – so wusste es zumindest schon David Hume. Für den Philosophen lag es an der Erfahrung, dass wir derlei Möglichkeiten für abwegig halten, obwohl wir nicht beweisen können, dass auch morgen wieder die Sonne scheint.