Endlich! Endlich hat die SPD es mal wieder geschafft – nach gefühlten 800 Jahren – ein Thema auf den Tisch zu bekommen, mit dem sie mal wieder bei ein paar Wählern punkten kann. Die Rede ist von der Grundrente, die allerdings entsprechend der modernen SPD-Sprachregelung „Respekt-Rente“ genannt wird. Respekt ist schließlich immer gut, und wenn auch noch „fleißige“ und „hart arbeitende Menschen“ davon profitieren, umso besser.
Man kann diese Sache aber auch anders sehen.
Es ging schnell. Als ich Kritik an der Respekt-Rente äußerte, war flugs jemand zur Stelle und warf mir vor, alles schlechtzureden. Immerhin sei das doch ein Schritt in die richtige Richtung, das dürfe man nicht gleich wieder miesmachen. Nur kann ich keinen Schritt in die richtige Richtung erkennen, ich sehe vielmehr eine SPD (die CDU ist noch schlimmer, aber als Trost ist das eher schwach), die mit Schröder einen Weg eingeschlagen hat, der vom versprochenen Wohlstand in Armut und Niedriglöhnen mündet. Die Respekt-Rente, die faktisch nichts anderes ist als das Herumdoktern am größten Niedriglohnsektor in Europa, ist kein Schritt in eine wie auch immer geartete richtige Richtung, sondern der Versuch, die Wirtschaftspolitik, die zu Lasten der Menschen geht, jetzt durch ein zusätzliches Aufstocker-Modell schönzureden. Und das soll Respekt sein?
Was wäre denn Respekt? Respekt wäre, wenn die SPD – zusammen mit Union und Grünen – nicht dafür gesorgt hätte, dass ein Großteil der Menschen von den unterirdischen Löhnen ohne Aufstockung oder Doppel- oder Dreifachbelastung nicht mehr leben können. Doch die Parteien, die von sich behaupten, für genau diese Menschen Politik zu machen, haben sie im Stich gelassen, und sie tun das weiterhin, die Entwicklung ist ja nicht etwa in der Umkehrung, sondern geht genauso weiter. Ich kann bei aller Mühe keinen Respekt darin sehen, ein paar Millionen Rentnern eine Aufstockung zu gewährleisten, die mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik unnötig wäre.
Aber um nicht missverstanden zu werden: Jedem Rentner, der durch die Respekt-Rente tatsächlich mehr Geld im Portemonnaie hat, sei das gegönnt. Niemand hat es verdient, mit 500 Euro im Monat auskommen zu müssen, also ist jede Maßnahme, um daran etwas zu verändern, positiv zu bewerten. Es ist aber nun einmal nicht der große Wurf, und schon gar nicht die Rückkehr der SPD zu echten sozialdemokratischen Werten. Es ist der Versuch, der desaströsen Wirtschaftspolitik der letzten Jahre ein klein wenig von ihrem Schrecken zu nehmen. Weder wird der Mindestlohn auf das Minimum von 12 Euro erhöht, noch wird am Rentenniveau etwas gemacht, weder werden Vermögenssteuern erhoben noch Erbschaften in Millionenhöhe für die Allgemeinheit angefasst. Stattdessen werden Unternehmenssteuern – alles für den heiligen, globalen Wettbewerb – gesenkt, während die arbeitende Bevölkerung nach wie vor im Regen steht und nasser und nasser und nasser wird.
Nun könnte man sagen: Hey, was der Heil vorschlägt, ist doch besser als nix, und mit der Union muss er ja auch noch klarkommen. Große Koalition bedeutet eben, auch Kompromisse einzugehen. Darauf könnte man aber auch antworten: Hey, seit die SPD in der Großen Koalition ist, sind nicht nur die Umfragen und die Wahlergebnisse ins Bodenlose gerutscht. Seitdem sind selbst die letzten rudimentären sozialdemokratischen Inhalte geplatzt wie billige Seifenblasen. Für wen soll das gut sein? Ich meine, für wen, außer für die Führungsriege, die in Berlin sitzt und sich Lieder von ihrer Vorsitzenden vorsingen lässt?
Und zum Schluss: Von mir aus soll die SPD darauf bestehen, die Respekt-Rente durchzuboxen. Ich räume ja ein, dass sie besser als nichts ist. Aber wir wissen doch alle, worauf es hinausläuft: Auf irgendeinen schrägen Kompromiss, den sich am Ende sowieso wieder die Union auf die Fahne schreibt und die am Auskommen der Rentner nur marginal etwas zum Besseren verändert, wenn überhaupt.
Es ist die Arbeitsmarktpolitik, die der SPD (zu Recht) das Genick bricht. Und damit verbunden auch die Sozialpolitik. Wenn ein Paul Ziemiak (CDU) stolz tönt, der Staat habe noch nie so viel für Sozialleistungen ausgegeben wie heute, dann mag das wie eine Wohltat für die Menschen klingen. Aber die Gegenfrage müsste lauten: Wieso ist es überhaupt nötig, so viel Geld für Sozialleistungen auszugeben? Eben weil überall herumgedoktert wird, aufgestockt wird, Maßnahmen entwickelt werden, die Geld kosten, ein einträgliches Auskommen aber nicht sicherstellen.
Ich gehe einen inneren Kompromiss ein und schlage vor: Die SPD soll auf Teufel komm raus ihre Respekt-Rente durchboxen, und wenn daraus nichts wird, soll sie die Koalition platzen lassen und sehen, was da kommen möge. Im besten Fall entwickelt sie sich wirklich wieder zu einer sozialdemokratischen Kraft, die den Anspruch hat, die fatalen Fehlentwicklungen seit Schröder ernsthaft zu korrigieren.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass ich den letzten Absatz ohne Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen verfasst habe. Was mich dabei geritten hat? Ich weiß es auch nicht.
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