Nachdem die USA unter Trump Syrien angegriffen haben, stellte sich Anne Will eine Gesprächsrunde zusammen, die es in sich hatte. Und die offenbar selbst als Angriff gedacht war: auf Michael Lüders, der sich kurz zuvor bei Markus Lanz kritisch zur westlichen Haltung im Syrienkrieg äußern konnte. Den Raum wollte Anne Will Lüders nicht bieten. Und schoss von Beginn an scharf.
Es begann mit der Vorstellung. Lüders, so Will süffisant, werde nicht als neutraler Experte vorgestellt, sondern als Geschäftsmann, der sein Wissen an Firmen verkaufe, die im Nahen und Mittleren Osten Geschäfte machen wollen. Wills Frage lautete nun, ob Lüders wirtschaftliche Interessen für seine politische Haltung – dass es sich in Syrien um einen Stellvertreterkrieg handele – eine Rolle spielten. Damit war die Richtung klar: Lüders wolle Geschäfte machen und äußere sich kritisch, weil er damit Geld verdient. Diese Strategie ist so dumm, dass es schon wehtut.
Aber nicht genug mit diesem tendenziösen, offenkundig manipulativem Einstieg. John Kornblum (der irgendwie immer dabei ist, wenn in irgendeinem TV-Sender jemand „Amerika“ flüstert) legte nach und unterstellte Lüders nach dessen ersten Erläuterungen, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Womit das Bild rund war, ein geschäftstüchtiger Verschwörungstheoretiker, der sich zu Syrien äußert – das kann ja nichts werden.
Lüders ließ sich zwar nicht (spürbar) aus der Ruhe bringen, hatte aber naturgemäß nach den offenen Anfeindungen von Will und Kornblum einen schweren Stand. So wie auch Jan van Aken, der am Ende der Sendung die wesentlichen Punkte zusammenfassen konnte:
1. Nach wie vor ist nicht bewiesen, wer für die letzten Giftgasanschläge verantwortlich ist.
2. Trotz dieser fehlenden Beweise waren sich von der Leyen, Kornblum, der Wirrwarr-Plauderer Michael Wolffsohn und nicht zuletzt Anne Will höchstpersönlich einig, dass Trumps Angriff auf Syrien schon in Ordnung gehe, als kleiner Warnschuss, gewissermaßen.
Halten wir fest: Die USA und der Westen finden es richtig, trotz fehlender Beweise militärisch vorzugehen und damit das Völkerrecht zu brechen. Der Bruch des Völkerrechts wird als geeignete Maßnahme angesehen, um das Völkerrecht zu sichern.
Geht es eigentlich noch offener? Ist Kriegstreiberei auf einem noch absurderen Niveau möglich? Es fällt schwer, das zu glauben.
Die Krönung war jedoch einmal mehr unsere – man mag es kaum laut aussprechen – „Verteidigungsministerin“ Ursula von der Leyen. Als sie den Versuch unternahm, Lüders mit dem Argument zu schlagen, die Menschen in Syrien müssten selbst entscheiden dürfen, was sie wollen, wusste ich nicht recht, ob ich weinen oder lachen soll. Denn dass die Menschen in Syrien schon seit Jahren für die westliche Politik komplett unwichtig sind (es sei denn, sie kommen als Flüchtlinge nach Deutschland und bedrohen unsere „Werte“), das ist wohl sogar bis in die hintersten Ecken bayerischer Stammtische vorgedrungen.
Und dann der Lyensche Krönungsschlag! Europa werde auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, für die „Stabilisierung und Versöhnungsarbeit“.
Ach, hätte sie doch „Verhöhnungsarbeit“ gesagt, sie wäre der Wahrheit so viel näher gekommen.
Noch ein kleiner Hinweis in Richtung Anne Will, die Michael Lüders vorwarf, ein Geschäftsmann zu sein: Mit Geschäften kennt sich Frau Will auch sehr gut aus, bei ihr läuft’s wie geschmiert, könnte man sagen. Und das nicht erst seit die „taz“ ihre Nähe zur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) beleuchtet hat.
Nach der Sendung gestern habe ich überlegt, wann ich in einem Artikel von gezielter westlicher Propaganda gesprochen habe. Ich kann mich an keinen erinnern, weil ich mich mit diesem Vorwurf schwer tue. Und weil die Grenzen zwischen Propaganda, Subjektivität und wirtschaftlichen Interessen oft fließend sind. Am 9. April 2017 – um 21.45 Uhr in der ARD bei Anne Will – wurde jedoch Propaganda in Reinkultur betrieben. Das kann ich drehen und wenden, wie ich will, mir fällt partout kein anderes Wort dafür ein.
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