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Mut oder Maut? Die SPD als Giftzwerg im Regen

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Da bröckelt sie dahin, die Fassade der SPD. Gerade noch schien Martin Schulz eine kollektive Wahrnehmungsstörung bei Genossen und Deutschen ausgelöst zu haben, da kommt diese ominöse Abstimmung über die Pkw-Maut. Und die SPD nickt sie brav ab, immerhin mit „Bauchschmerzen“, das ist doch schon was!
Ja. aber was?

Es ist in erster Line der Beweis dafür, dass die SPD in Sachen Bürgerwillen und Bürgerwohl mit 100 Sachen an der Bevölkerung vorbeirast. Die findet die Pkw-Maut nämlich mehrheitlich alles andere als toll, die EU-Kommission ist auch nicht begeistert und die SPD selbst … tja, die hätte im Grunde auch lieber anders abgestimmt. Ging aber nicht. Wegen des Koalitionsvertrages, hört man. Die SPD ist schließlich verlässlich. Und es ging nicht wegen des Mindestlohnes. Deal ist schließlich Deal. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen.

Die ganze Peinlichkeit wird deutlich, wenn man sich ein Interview mit Kirsten Lühmann, SPD-Obfrau im Verkehrsausschuss, ansieht. Dort sagt sie, dass die Maut zwar nicht im Interesse der Bürger sei, aber auch nicht schade. Ok. Die Frau scheint das ernst zu meinen. Reicht aber noch nicht, denn auf den Einwand, dass zum Beispiel in Rheinland-Pfalz durch die Maut Einnahmen durch Touristen wegfallen könnte, entgegnet Lühmann, dieser Einwand sei berechtigt und sie hätte sich gewünscht, dass es anders gelaufen wäre. Na, jetzt hat sie es Kritikern aber gegeben!

Das Abstimmungsverhalten der SPD wird klarer, wenn man sich einmal die „Infrastrukturgesellschaft“ anschaut, die für die Maut verantwortlich sein wird. Da steckt Musik drin, denn es geht um 13.000 Kilometer Autobahnstrecke, ein lukratives Geschäft – wohlgemerkt: nicht für die Bürger -, das natürlich auch ordentlich Rendite erwirtschaften soll – die wiederum aus den Taschen der Bürger kommen wird. Nicht weniger brisant ist ein Gutachten, das die SPD selbst noch mit Sigmar Gabriel auf den Weg gebracht hatte. Darin heißt es ziemlich eindeutig: „Hinsichtlich der Ausgabenplanung (für Bau, Erhaltung, Betriebsdienst etc.) wird der Bundestag ,entmachtet’.“
Hallo?
Hoppla!
Da stecken wir ja wieder mittendrin in den ganzen Ausmaßen des Neoliberalismus. Privatisierung, Rendite, Handlungsunfähigkeit und -unwille auf Seiten der Regierung (zu der, daran sei dezent erinnert, die SPD nach wie vor gehört) und jede Menge Bürger, die dumm aus der Wäsche gucken und sich verzweifelt an Martins Bart festkrallen.

Dann wollen wir mal festhalten: Die SPD stimmt ihrer eigenen Entmachtung zu, nimmt Belastungen der Bürger in Kauf und verkauft sie als neutrale Nebensächlichkeiten, die sich nicht weiter auswirken. Sie argumentiert, dass die die Maut blöd finde und dagegen sei, aber wegen des Mindestlohnes und der Koalitionstreue eben nun mal leider, leider mit Ja stimmen musste. Eine Koalition wohlgemerkt, die faktisch keinen Bestand mehr hat, weil sich ihre Mitglieder längst im Wahlkampf befinden und sich publikumswirksam angiften, wo immer es geht. Der Giftzwerg SPD wirkt bei diesem Theater einmal wie ein Gartenzwerg im Regen. Die Argumente für die Maut sind ausnahmslos lächerlich und zeigen, wie harmlos, wirkungslos und willenlos die Genossen und Genossinnen sind.

Was ich bisher – und das überrascht doch sehr – noch nicht gelesen habe, ist, dass Willy Brandts Entspannungspolitik mit der Sowjetunion ohne die Pkw-Maut nicht möglich gewesen wäre. Aber vielleicht kommt das ja noch.

[InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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