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„Die Linke“: Unwissen ist Macht

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Ein Blick auf die deutsche politische Landschaft verdeutlicht, dass längst das passiert, was die etablierten Parteien den sogenannten „Populisten“ vorwerfen: einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu geben. „Die Linke“ hebt sich da nicht positiv ab. 

Wer sich ein wenig mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt, kommt nicht umhin, sich klarzumachen, dass dieser Konflikt nicht mit dem 24. Februar 2022, also dem russischen Einmarsch in die Ukraine, begann. Vielmehr hat er eine lange Vorgeschichte, die man in die Bewertung aufnehmen muss. Tut man das nicht, kann keine sinnvolle Analyse dabei herauskommen. Doch das Verdrängen der historischen Tatsachen und das pure Unwissen bedeutet eine gewisse Form der Macht. Ignoriert man die zahlreichen Fakten, die zum Krieg geführt haben, kann man sich argumentativ einen schlanken Fuß machen. Das führt zu einer gewissen sprachlichen und politischen Machtposition.

Rackete für den Krieg

Carola Rackete, Spitzenkandidatin für das Europaparlament der Partei „die Linke“, sagte zum Ukraine-Konflikt Folgendes:

Links zu sein bedeutet, an der Seite der Unterdrückten zu sein, sei es in Palästina, Kurdistan oder der Ukraine. Wenn wir uns darüber einig sind, wer Recht und wer Unrecht hat, können wir nur in diese Richtung handeln. Ich war immer kritisch gegenüber der NATO, aber in diesem Fall ist die Situation ganz klar: Es war Russland, das nach Georgien zum zweiten Mal in die Ukraine einmarschiert ist. Putin erkennt die Souveränität der Ukraine nicht an und will sie zerstören. Es gibt ein eindeutig unterdrücktes Volk und es ist unsere Pflicht, ihm bei der Verteidigung zu helfen. Es ist keine Frage von Ost oder West, von Russland oder der NATO. Es ist eine Frage des Imperialismus. Wir müssen den Schwächeren helfen, sich gegen die Missbräuche der Stärkeren zu verteidigen, und Russland ist eindeutig stärker als die Ukraine. Aus diesem Grund muss die EU weiterhin Waffen an Kiew liefern und zulassen, dass es auf russischem Territorium angreift.“

Nun mag es stimmen, dass links zu sein, nicht automatisch mit einer patriotischen Grundhaltung einhergeht. Wenn es um die „gute Sache“ geht, ist man als Linker nicht zimperlich. Revolutionen sind schließlich auch keine Wettbewerbe im Werfen von Wattebäuschen, der Kampf gegen den Imperialismus und den Kapitalismus war immer schon einer, der auch mit Gewalt geführt wurde.

Rackete ist also auf den ersten Blick auf der sicheren Seite, wenn sie sich für die von ihr genannten „Unterdrückten“ und gegen den russischen „Imperialismus“ ausspricht. Es geht ihr um „Recht“ und „Unrecht“, und spätestens mit dieser Haltung – die nicht mit Wissen verwechselt werden sollte – ist Rackete inhaltlich verloren. Denn das Zitat der Seenotretterin ist gespickt mit falschen Behauptungen, man könnte auch sagen: Lügen.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Wer im Recht und wer im Unrecht ist, ist für Carola Rackete klar: Russland hat unrecht, die Ukraine recht. So wie schon Georgien unter dem imperialistischen Russland leiden musste, ist das nun auch das Schicksal der Ukraine. Man kann Rackete Unwissen unterstellen, ein Unwissen, das sie in eine machtvolle Position hievt, wenn sie es als Wissen verkauft.

So kann sie die Fakten einfach ausblenden. Denn der von Rackete ganz nebenbei angesprochene Krieg in Georgien wurde nicht von Russland, sondern von Georgien begonnen. Nun ist Rackete nicht die Einzige, die diese Tatsache leugnet bzw. glatt ins Gegenteil verkehrt. Sie ist mit Kriegstreibern wie Strack-Zimmermann, Kiesewetter, Baerbock oder Hofreiter in bester Gesellschaft und zeigt damit auch gleich, was ihre linke Haltung heute noch wert ist: nichts.

Sie macht im Anschluss fleißig weiter, unterstellt Russland imperialistische Absichten, das in ihren Augen die Souveränität der Ukraine nicht anerkennt – immerhin ein zutiefst korruptes Land mit überdurchschnittlich vielen faschistischen Strömungen, das de facto nicht einmal einen amtierenden Präsidenten hat. Aber selbst, wenn man diese Dinge beiseite wischt, ist Racketes Behauptung, Russland erkenne die Ukraine nicht als souveränes Land an, nichts als Dampfplauderei.

Den Vogel abgeschossen

Das schlichte Gemüt Racketes wird an folgendem Satz am deutlichsten:

Wir müssen den Schwächeren helfen, sich gegen die Missbräuche der Stärkeren zu verteidigen, und Russland ist eindeutig stärker als die Ukraine“

Ist das Naivität? Infantilität? Dummheit? Sogar, wenn man Letzteres nicht unterstellt und sich auf das Attribut des Unwissens verständigt, bleibt doch unterm Strich nur Verwunderung über die geopolitische Unkenntnis, die Rackete vor sich herträgt. Die Ukraine wurde seit Jahrzehnten durch den Westen und die NATO systematisch militärisch aufgebaut, dabei die Missstände und die undemokratischen Rahmenbedingungen des Landes ignorierend.

Der Krieg mit Russland dauert nun schon seit Februar 2022, ohne dass Russland siegen konnte. Sieht so das Verhältnis eines starken mit einem schwachen Land aus? Und abgesehen davon: Was ist das für eine kindliche Logik? Geopolitik in diesen Dimensionen ist eine komplexe Angelegenheit, und Leute wie Rackete und die ihr zuzuordnenden schon oben genannten Hardliner in Sachen Krieg und Imperialismus betonen sonst gerne, dass die „Populisten“ einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen bevorzugen. Um sie letztlich dann selbst zu geben.

 

 

 

 

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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