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Christian Lindner und der mangelnde Kontakt mit der Realität

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In einem Tweet gedenkt Finanzminister Christian Lindner dem Tod von Alexej Nawalny. Nawalny habe sich für ein freies und modernes Russland eingesetzt, meint Lindner. Sein Werk werde fortgesetzt, fügt er hinzu. Christian Lindner, Finanzminister in einem Land, in dem die Behörden noch per Fax kommunizieren, will Russland modernisieren. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.


Da hat der Minister den Kontakt zur Realität wirklich völlig verloren. Deutschland ist weder modern noch ist es frei – gerade im Vergleich mit Russland. Deutschland hinkt hinterher, die Digitalisierung ist auf einem Stand, für den sich manches Entwicklungsland schämen würde. Die Infrastruktur verrottet, es wird an der Substanz gespart. Der Sparkurs, das macht Lindner ebenfalls deutlich, wird gleich nochmal verschärft, denn die Steuereinnahmen werden laut Steuerschätzung in den nächsten Jahren zurückgehen.

Einschnitte statt Aufbauplan

Einschnitte im Sozialen hat er schon mal angekündigt. Wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, muss man kräftig sparen, die Löhne und die Renten senken, damit die Steuereinnahmen noch weiter sinken, scheint die Logik zu sein, nach der Lindner den Haushalt gestaltet.

Da sind wir dann auch am zentralen Problem in Deutschland angelangt. Lindner meint, Deutschland habe mit einer strukturellen Krise zu kämpfen. Das ist richtig. Er verortet sie allerdings falsch. Er glaubt, man könne diese Krise mit Bürokratieabbau und Einschnitten bei den Sozialausgaben bekämpfen. Derartiger Blödsinn verdeutlicht, wo die strukturelle Krise steckt: in den Ministerien und auf jenen Posten, auf denen weitreichende wirtschaftspolitische Entscheidungen getroffen werden. Es sind Politiker wie Lindner, die mit umfassenden Defizit an Fachwissen das strukturelle Problem Deutschlands verkörpern.

Denn genauso wie Lindner über den Modernisierungsgrad in Russland im Dunkeln tappt, tappt er auch hinsichtlich von makroökonomischen Zusammenhängen im Dunkeln. Lindner behauptet beispielsweise, das Geld, das der Staat einnimmt, müsse erst vom Steuerzahler erarbeitet werden. Das ist grober Unfug. Das Geld wird geschöpft. Das macht unter anderem die Zentralbank. Das so geschöpfte Geld kann der Staat dann investieren indem er beispielsweise die Digitalisierung voranbringt oder Mängel der Infrastruktur behebt und sie ausbaut. Von dem so investierten Geld fließt ein Teil in Form von Steuern an den Staat zurück. Geld wird nicht durch Arbeit erschaffen, sondern durch Investitionen. Ein Finanzminister sollte das wissen. Es liegt nämlich in seinem Verantwortungsbereich.

Mangelndes Fachwisssen in den Ministerien

Was ein Minister noch wissen sollte, ist, dass es zur Produktion von Waren Energie braucht. Dabei gilt, je höher der Industrialisierungsgrad, desto größer der Energieverbrauch. Der Preis für Energie schlägt sich im Preis der Waren nieder, die produziert werden. Der Preis für Energie ist daher ein zentraler Standortfaktor. Verantwortungsvolle Politiker versuchen daher, den Preis für Energie möglichst niedrig zu halten  und nicht, ihn zu erhöhen. Sie verzichten nicht aus ideologischen Gründen auf Energiequellen und verteuern so die im Land hergestellten Waren.

Von diesen ganz einfach zu verstehenden Zusammenhängen will aber weder Lindner noch Wirtschaftsminister Habeck etwas wissen. Das Sanktionsregime bleibt erhalten, der Atomausstieg ist eh heilig. Man setzt auf Technologien, die noch gar nicht zur Verfügung stehen. Deutschland ist das Land der ministeriellen Traumtänzer.

Weil das aber alles nicht funktionieren kann, wird in Deutschland stattdessen über Rentenkürzungen und Einschnitte beim Sozialen diskutiert. Das ist eine Schande, aber ein systemisches Problem deutscher Politik. Die politischen Entscheider in Deutschland meinen es ausgesprochen schlecht mit den Deutschen. Statt ihre eigenen Wissensdefizite anzugehen und nach sinnvollen Lösungen zu suchen, bürden sie der deutschen Bevölkerung Lasten auf und drosseln das Wachstum. Das ist das eigentliche strukturelle Problem, das Deutschland hat: Inkompetenz.

Die russische Wirtschaft ist im ersten Quartal nach einer vorläufigen Schätzung der russischen Statistikbehörde Rosstat um 5,4 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahresquartal gewachsen – trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Sanktionen. Lindner sollte mal ab und zu seine Berliner Blase verlassen und mit der Realität in Kontakt treten. Ein Blick nach Russland würde ihm zeigen, wie man eine Gesellschaft modernisiert. Mit dem Schüren von Hass und der Verbreitung von Desinformation geht es nicht. Man muss für Wohlstand sorgen. An dieser Aufgabe aber scheitert deutsche Politik.

Gert-Ewen Ungar
Gert-Ewen Ungar
Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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