Ich kann es nicht mehr hören: Der Kabarettist Böhmermann! Das ist er nicht, verdammt nochmal! Er ist noch nicht mal Komiker, noch nicht mal Comedian. Ja, noch nicht mal komisch.
Kabarettist? Böhmermann! Hören Sie doch auf! Dieter Hildebrandt war einer. Georg Schramm. Frank-Markus Barwasser auch. Hanns Dieter Hüsch – kennt den noch einer? Lisa Eckhardt ist Kabarettistin. Lisa Fitz ohnehin. Ja, vielleicht hat sogar Dieter Nuhr manchmal kabarettistische Anwandlungen. Aber nur selten.
Nuhr sagte ja mal, dass Kabarett nicht nur auf Politiker eindreschen sollte. Es sollte auch das Gute sehen. Da hat er aber nicht verstanden, was ein Narr tun sollte. Die anderen wissen oder wussten es freilich. Mit den Herrschenden oder denen, die für die Herrschenden politische Aufgaben übernehmen, legt man sich auf der Bühne an. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig geohrfeigt. Geht es dabei immer fair zu? Nein, muss es nicht. Die Regierenden müssen das aushalten, das gehört zu ihrem Job. Das Kabarett ist keine Veranstaltung politischer Korrektheit. Sollte es nicht sein. Wenn sie es ist, nennt man es nicht mehr Kabarett. Dann heißt es: Gesinnungslehrstunde.
Die Pointe! Die Pointe!
Da kommen wir zu jenem Jan Böhmermann. Lieber Harald Schmidt, an Ihrem Busen haben sie den Typen gesäugt. Man kann noch Clips bei YouTube sehen, wie er in Ihrem Studio sitzt, das aufstrebende Talent. Sahen Sie das so – oder war es Ihre Redaktion, die Ihnen einflüsterte, dass man da jemanden habe, den man fördern sollte? Damals schon, wenn man einen Blick in diese Videos wagt, ist er nicht sonderlich witzig. Wenn auch noch nicht so ätzend, wie man ihn heute kennt. Pointe? Kannte er damals schon nicht, scheint es. Heute hat er sie völlig ausgeblendet.
Aktivisten brauchen auch keine Pointe. Sie zielen ja nicht auf Lacher ab, sondern auf Empörung und Skandalisierung. Im Maximalfall wollen sie belehren und bekehren. Sie arbeiten mit klaren Feindbildern. Das tun Kabarettisten auch fürwahr; die Macht ist ihr Feindbild. Bei Böhmermann geht das anders. Die Macht ist sein Freund, gegen amtierende Politiker agiert er nie. Wie auch, als ZDF-Bürschchen ist man ja befangen. Im Verwaltungsrat sitzt die Politik, Vorsitzende ist eine Parteigenossin der Ampel, Malu Dreyer. Man kennt sich, man schont sich. Logisch, dass Böhmermann deshalb klingt, als sitze Nanny Faeser unter seinem Tisch, um ihm etwas einzuflüstern.
Galanter Witz, elegante Pointen und unerwartetes Zusammenbringen von Fakten: Bei Böhmermann nicht zu finden. Sein Witz ist programmierbar, seine Pointen nicht anwesend. Das, was er als Pointenersatz anbietet, ist voraussehbar. Man muss wirklich kein Wahrsager sein um zu wissen, was gleich als Lacher, als billiger Gagabstauber gereicht wird. Böhmermann sitzt häufig mit fanatisierten Blick vor der Kamera. Wie ein Karl-Eduard von Schnitzler in einem schlechten Spaßformat. Er erklärt, er sei gegen den Hass in der Gesellschaft. Seine Strategie dabei: Hass mit Hass bekämpfen. Er ist ein Eskalationsagent, der sich gegen viele Gesellschaftsgruppen wendet – jede von ihr bezahlt sein Salär, denn alle sind sie Beitragszahler.
Boshafter Aktivist ohne Esprit
Dieser Böhmermann hat nichts, was ein Kabarettist benötigt, kennt dieses Handwerk, diese Kleinkunst gar nicht. Was er praktiziert ist Gesinnungsunterhaltung, ist Geisteshaltungs-TV, Ideologie-Schmierenkomödie und Weltanschauungsflachs. Dabei nutzt er weder Ironie noch Zynismus, seine Herangehensweise ist die Boshaftigkeit, Gehässigkeit und die Tücke eines Menschen, der weiß, dass seine Kalauer mit dem herrschaftlichen Zeitgeist und der Zeitenwende korrelieren. Er spielt sich als boshafter Aktivist ohne Esprit auf, dessen vermeintlich »kabarettistisches« Werkzeug der Vorschlaghammer ist. Jedes Sujet wird damit traktiert. Auch jene, die eigentlich eine Schlichtfeile, ein Stück Schleifpapier oder ein anderes Feinwerkzeug benötigten. Selbst diese fragilen Themen behämmert er mit heiligem Zorn.
So agieren Politkommissare oder staatliche examinierte Denkbetreuer. Die Kleinkunst, die im Kabarett steckt, die Gabe die Ereignisse des Zeitgeschehens aufzugreifen, sie in Relation zueinander zu setzen, sie spielerisch ins Lächerliche zu ziehen, um das große Ganze dahinter deutlicher herauszuarbeiten: Das geht diesem Menschen vollkommen ab. Nuancierungen sind sein Steckenpferd nicht. Er ist ein zutiefst manichäischer Charakter, jemand der weiß und schwarz betrachtet, für Grautöne keinen Sinn entwickelt hat.
Jan Böhmermann als einen Kabarettisten einzuordnen, das ist ungefähr so, als würde man Annalena Baerbock für ein Zoon politikon halten – oder die Bundesnancy für eine Staatsmännin. Falscher könnte man nicht liegen. Alles was er anfasst, wird zu einer politischen Zurschaustellung. Natürlich haben auch Kabarettisten ein politisches Gewissen. Wie sonst sollten sie ihrem Beruf sonst nachkommen? Aber die Kunst ist, dass man die Parteinahme – wenn überhaupt – lediglich in Schattierungen mit auf die Bühne bringt. Eventuell schimmert hier und da eine Sympathie durch, aber sie wird niemals die Kontrolle über das kabarettistische Wirken übernehmen. Denn geschieht das, hört der Kabarettist auf ein Kabarettist zu sein. Er mausert sich zum Aktivisten. Ja, er wird zum Böhmermann.