Bei ihrem Besuch in der ostdeutschen Stadt Dessau wurde die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) ausgebuht. Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Auch der Bundeskanzler wurde bereits bei mehreren Gelegenheiten mit Buhrufen bedacht. Olaf Scholz (SPD) reagiert anders als Göring-Eckardt – er schreit zurück. Sein Ranking auf der Sympathie-Skala erhöht das natürlich nicht. Im Gegenteil.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) musste sich neulich anhören, sie habe wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine Blut an ihren Händen. An dem Vorwurf ist deutlich mehr dran als an dem, was Baerbock in vorgehaltene Mikrofone spricht.
Die deutsche Regierung ist bei den Menschen, die sie regiert, extrem unbeliebt. Allerdings erwarten sich die Bundesbürger von der Opposition keine grundlegende Besserung. In einer repräsentativen Umfrage, die der Fernsehsender RTL in Auftrag gegeben hat, drückt sich das große Misstrauen der Deutschen gegenüber der deutschen Parteienlandschaft aus. 57 Prozent der Befragten trauen keiner der im Bundestag vertretenen Parteien die Lösung der aktuellen Probleme zu.
Deutsche Politik löst die Probleme nicht
Erklären lässt sich das leicht. Die Lösungen, welche die Bundesregierung den Deutschen aufzwingt, sind teuer, senken den Lebensstandard oder führen einfach schlicht nicht zu einer Lösung des zugrundeliegenden Problems. Es wirkt alles sehr verschroben, was die Bundesregierung tut. Es sind Lösungen aus dem Elfenbeinturm, die an der Lebenssituation der Mehrheit vorbeigehen, abgehoben und elitär
Wenn Deutschland der Ukraine Waffen liefert, dann herrscht bald wieder Frieden in Europa, behauptet die Bundesregierung und außer ein paar ganz hart gesottenen Parteigängern der Grünen weiß jeder, dass das gelogen ist.
Wenn man in Deutschland statt mit Gas oder Öl mit Strom heizt, hält Deutschland damit den Klimawandel auf. Jeder weiß, dass dies ganz hart am Wahnsinn vorbeischrammt, aber was kann man als Bürger schon machen?
Durch die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen sinkt der Wohlstand in Deutschland. Das Problem ist, es ist nicht die erste Bundesregierung, unter der das so ist. Seit über 20 Jahren hat ein immer größer werdender Teil der Deutschen den begründeten Eindruck, dass die unterschiedlichen Bundesregierungen Politik für alles möglliche machen, für sich selbst, für die USA, für die EU, für die LGBT-Ideologie aber eben nicht für die Deutschen. Deswegen traut die Mehrheit eben auch gar keiner Partei mehr.
Für eine Gesellschaft wie die Deutsche, die sich selbst für die Speerspitze der Demokratie hält, ist das ein vernichtendes Urteil. Viele Deutsche fühlen sich ohnmächtig angesichts der Abgehobenheit des deutschen Politikstils und in direkten Bürgerbegegnungen schlägt dann dieses Gefühl der Ohnmacht in offene Wut um.
Kein Kurswechsel in Sicht
Die Reaktion auf die immer größer werdende Skepsis der Deutschen, ob die Bundesregierungen in ihren unterschiedlichen Zusammensetzungen überhaupt noch die Interessen der Deutschen vertritt, ist aber nicht eine Änderung des eingeschlagenen Weges. Man macht weiterhin Politik fürs Klima, für den transatlantischen Partnern, für LGBT- und Lobby-Verbände, für einen Sieg der Ukraine über Russland, aber eben nicht für die Deutschen und Deutschland. Die wollen einfach eine sichere Existenz, einen sicheren Arbeitsplatz, bezahlbare Wohnungen, heiraten, Kinder kriegen, keinen Krieg, ein funktionierendes, gerechtes Bildungssystem, Hilfe und Unterstützung, wenn es in Lebenskrisen mal nicht rund läuft. Normal eben, aber normal gibt es in Deutschland gerade nicht.
Die Partei, die dafür noch am ehesten steht, ist die Alternative für Deutschland (AfD). Sie bekommt daher immer größeren Zuspruch. Die Partei ist relativ jung und war bisher noch an keiner Regierung beteiligt. Aktuelle Umfragen sehen sie bei 20 Prozent Wählerzustimmung. Sie wäre damit zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Sie wendet sich als einzige im Bundestag vertretene Partei gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und will das Verhältnis zu Russland verbessern. Sie ist gegen das Heizungsgesetz und möchte dem Klimaschutz nicht alles unterordnen. Die AfD ist eine konservative Partei, vor allem aber eine echte Konkurrenz.
Die Reaktion auf diese Konkurrenz ist aber nicht, dass sich die etablierten Parteien ihr stellen und sie als Herausforderung im demokratischen Wettstreit betrachten. Die Reaktion ist, dass ein breites Parteienbündnis danach strebt, die AfD verbieten zu lassen. Die sei rechts, ein Hort für Faschisten und obendrein von Russland gesteuert.
Parteinverbot als Alternative zur gelebten Demokratie
Menschen, die ihre Interessen durch die AfD politisch repräsentiert sehen, sollen dieser Repräsentation beraubt werden. Die deutschen Parteien machen Politik für eine immer kleiner und immer abgehobener werdende Elite und sie entfernen sich immer weiter von grundlegenden demokratischen Prinzipien. Die größte Gefahr für die Demokratie geht in Deutschland gerade von den etablierten Parteien aus, die sich demokratisch nennen.
Das Paradox ist, dass diejenigen, die ein Verbot der AfD fordern, damit argumentieren, so die Demokratie schützen zu wollen. Das ist ein sich wiederholendes Muster in Deutschland. Durch das Verbot von RT und anderen russischen Medien will man die Presse- und Meinungsfreiheit schützen. In Deutschland geht das Verständnis für grundlegende Zusammenhänge verloren. Das Land durchlebt eine schwere Krise der Demokratie und die dafür Verantwortlichen sitzen im Bundestag und merken ihre Verantwortung für die bedenkliche Entwicklung nicht. Sie halten die Buhrufer und Kritiker für rechtes Pack und Antidemokraten, denen die politische Repräsentation verwehrt werden muss, denn Demokratie ist nur etwas, für eine kleine, urbane Elite. Wo käme man da hin, wenn jeder mitbedacht werden müsste, jeder mitreden und mitbestimmen könnte?
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Russisch in der Komsomolskaja Prawda