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Die Lage ist ernst, es sei denn, man hat einen Hut auf

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Das Titelbild zu diesem Artikel ist keines, das ich lange suchen musste. Und neben diesem Screenshot gibt es zahlreiche weitere Bilder und Filmaufnahmen, die allesamt belegen: Die meisten Politiker*innen nehmen es weder mit der Masken- noch der Abstandspflicht so genau.
Im Gegenteil.

Fragen wir uns doch einmal, wie das kommt. Politiker umarmen sich, gehen im Bundestag ohne Maske dicht nebeneinander her und zeigen auch sonst offenbar nur wenig Einsicht in die von ihnen eigens beschlossenen Maßnahmen gegen Covid-19. Merkel selbst verkündete erst kürzlich, sie halte immer genügend Abstand und bräuchte daher keine Maske (die Szene im Titelbild lässt dabei die Frage aufkommen, ob sich am Abstandsgebot kürzlich etwas geändert hat, das sonst niemand mitbekommen hat, oder ob Merkel ein so distanzierter Mensch ist, dass sie tief in ihrem Innern sowieso immer auf Abstand ist).

So wahnsinnig viele Erklärungen für die Ignoranz zahlreicher Politiker gibt es nicht. Schauen wir mal drauf.

These 1: Leute mit Hut

Wer schon einmal mit einem Vorgesetzten zu tun hatte, der nicht nur Führungskraft, sondern auch noch Narzisst ist, weiß in etwa, was jetzt kommt. Die Beratungsresistenz ist förmlich auf seine Stirn genagelt, und wenn jemand eine abweichende Meinung vertritt, hat der ein Problem. Nicht aber der Narzisst, der sich seiner Sache immer ganz, ganz sicher ist.

Es gab einmal einen solchen Menschen, der sich – aufgrund von Druck von außen – auf eine Probestunde mit einer Psychologin eingelassen hat. Das Gespräch plätscherte vor sich hin, bis die Therapeutin versuchte, auf den Punkt zu kommen. Sie sagte:

Wollen wir dann jetzt mal beginnen, über Ihr Problem zu sprechen?

Falsche Frage, eindeutig!

Wieso mein Problem? Ich habe kein Problem. Lassen Sie uns lieber über die Idioten sprechen, mit denen ich jeden Tag zu tun habe.

Die Therapie endete, bevor sie angefangen hatte, und der Narzisst ging mit dem Gedanken nach Hause, wie so eine unfähige Frau der Meinung sein könnte, anderen Menschen helfen zu können. Diese Erkenntnis, gepaart mit dem Wissen, als einziger vernünftiger Mensch in einer durchgeknallten Welt zu leben, rettete unserem Fast-Patienten den Tag. Nur seinem sozialen Umfeld ging es keinen Deut besser, aber was zählt das schon?

Unsere Politiker haben „den Hut auf“, sie sind unsere Vorgesetzten, unsere Führungskräfte, die dafür sorgen, dass wir in dieser schweren Zeit alles richtig machen. Sie sind streng, aber gerecht, so dürften sie es zumindest selbst sehen. Und sie tragen eben nicht nur den Hut, sondern auch die Verantwortung für uns. Bei einem so wilden, undisziplinierten Haufen, mit dem es unsere Bundesregierung zu tun hat, eine Aufgabe, um die man sie nicht beneidet.

Dummerweise könnte es sein, dass Merkel & Co. ihre niemals endende Weisheit und Übersicht mit der Gabe verknüpfen, nicht krank werden zu können, unangreifbar zu sein und schon dank ihres Amtes gewappnet zu sein gegen böse Viren. Das würde zumindest erklären, warum sie so leichtfertig all das nicht tun, was sie von ihren Bürger*innen erwarten.

Das hieße dann: Wir werden regiert von Größenwahnsinnigen Politikern mit narzisstischen Störungen, deren Wahrnehmung immer knapp an der Realität vorbeischrammt. Womöglich ist das Virus vielleicht wirklich irgendwann besiegt, und dann kommt die ultimative Welle, die nur ausbricht, weil Merkel und von der Leyen nicht voneinander lassen können, sich anstecken und den Scheiß weitertragen, so dass das ganze Drama von vorn beginnt.

These 2: Ich sehe was, was du nicht siehst

Nicht nur Verschwörungstheoretiker, Paranoide und Leute mit Verfolgungswahn vermuten, dass die Regierungen dieser Welt mehr wissen als das gemeine Volk. Man kann auch Politologen, Soziologen und neuerdings womöglich sogar Virologen fragen, alle werden die ähnlich lautende Antwort geben: Politiker wissen mehr als wir. Das liegt schon in der Natur ihres Jobs. Sie können uns aber nicht alles sagen, entweder, weil sonst die nationale Sicherheit (oder auch ihre persönliche) gefährdet wäre. Oder weil es uns verunsichern würde, wenn auch nur Teile der Antworten, die wir bekommen.

Halten wir also fest: Politiker sind uns voraus, weil sie Dinge wissen, die wir nicht wissen (sollen). Was wäre nun also, wenn dieses Wissen in unserem speziellen Corona-Fall das wahre Ausmaß, oder eben: das wahre Nicht-Ausmaß der Pandemie wäre? Wenn es tatsächlich so wäre, dass Bill Gates und Warren Buffet und BlackRock und Friedrich Merz und vielleicht noch Jens Spahn längst wüssten, dass wir uns gar keine Sorgen machen müssen, weil diese ganze Pandemie ohnehin nur ein Schwindel ist, um unpopuläre Maßnahmen durchzuboxen und das Grundgesetz endgültig zu einem kleinen Märchenbuch verkommen zu lassen – was wäre dann?

Das hieße dann: Wir werden nach Strich und Faden belogen, dass sich die Balken biegen, unzählige Existenzen wären zum Spielball der Macht geworden, Krankheiten, Tod, Armut, all das wäre die Folge einer riesigen Verschwörung, die ausschließlich zum Ziel hat, uns klein zu halten, uns in Ohnmacht und Bewegungslosigkeit verfallen zu lassen.

These 3: These 1 und 2 stimmen beide nicht

Ich vermute, dass ich mit beiden Thesen daneben liege. Ich vermute aber auch, dass beide Thesen nicht unmöglich erscheinen, wenn man die Perspektive eines Menschen in Betracht zieht, der weder einen Hut aufhat noch ein durchgeknallter Narzisst ist.

Nun ja, am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es mit der Disziplin unserer Politiker nicht so weit her ist. Sie haben zwar immer den Rohrstock in der Nähe, um uns im Zweifel auf den Hintern schlagen zu können (hat noch nie jemandem geschadet). Mit diesem wackeln sie aber völlig hemmungslos durch die Gegend, Küsschen hier, Schmusen dort, und erklären uns, wie gefährlich es ist, wenn wir an der Kasse im Supermarkt kurz die Maske abnehmen wollen, damit die Kassiererin nicht dauernd „Wie bitte?“ durch die Plexiglasscheibe rufen muss.

Ich setz mir jetzt einen Hut auf.
Und wenn ich groß bin, werde ich ein amtlicher Narzisst.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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