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Der talentierte Mr. Lindner oder: Der SUV, den ich liebte

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Was haben wir gelacht! Als Christian Lindner (FDP) kürzlich folgende Weisheit kundtat: „Ein Diesel-SUV, das nur wenige Kilometer genutzt wird, ist umweltfreundlicher als der Kleinwagen mit hoher Laufleistung.“

Ja, prusteten wir unisono, das ist wohl so, da hat der Lindner recht, und, wie gesagt: Was haben wir gelacht! Aber wer so einen Zusammenhang herstellt, hat doch wohl das falsche Zeug geraucht. Dass ein Auto, das weniger gefahren wird als ein anderes, umweltfreundlicher ist, kann man als Binsenweisheit abtun, der man keine weitere Beachtung schenken sollte.

Aber Lindner ist gar nicht so dumm, wie er nach seinem SUV-Satz dargestellt wurde. Er macht Wahlkampf (weil irgendwie immer Wahlkampf ist), und gerade dieser Satz könnte ihm und seiner Partei mittelfristig ganz schön guttun. Schließlich gilt es, bei der nächsten Bundestagswahl eine gute Figur zu machen, und diese ganzen Landtags-, Bürgerschafts- und was sonst noch alles für Wahlen sind auch nicht ohne. Und die FDP … tja, die ist im Moment nicht unbedingt eine Partei der „Profis“, um es mal süffisant in Richtung Lindner und „Fridays for Future“ zu formulieren.

Und professionell wirkt auch Lindners Satz über die SUVs und die Kleinwagen nicht. Aber das ist er sehr wohl. Denn die FDP hat eine Zielgruppe, und wenn es nach den Liberalen geht, muss die dringend ausgebaut werden, jede Stimme zählt. Und genau deswegen ist Lindners Satz nicht etwa ein Griff ins Klo, sondern ein Treffer ins Schwarze.

Warum?
Weil er – von der Häme in den sozialen Medien abgesehen – genau die Richtigen trifft. Eben jene SUV-Fahrer, die nun stolz von sich behaupten können: „Na ja, der hat schon recht, der Lindner, ich fahr ja mit meinem Wagen auch wirklich nicht viel. Trotzdem hacken alle auf mir rum“
Die kurze Tour zum Einkaufen, mal eben die Kids in die Schule oder zum Sport bringen … hey, keine große Sache! Wir SUV-Fahrer sind wirklich sparsam unterwegs, verbrauchen kaum Diesel und fahren mit unserer Kiste sogar in den Bio-Supermarkt.

Ganz anders dagegen die Pendler, die morgens ein oder zwei Stunden im Stau stehen, der Motor läuft (Ausschaltautomatik haben diese billigen Schüsseln ja auch nicht), sie fahren lange Strecken und selbst, wenn sie später dann zu Aldi zu Fuß gehen, kaufen sie auch noch diesen billigen Scheiß, der die Umwelt schädigt. Und die Kinder dieser Pendler fangen doch auch schon mit 12 oder 13 an zu trinken und knallen sich das Hirn weg.
Also, wer ist hier der Gute, hä?

Trotzdem, auch die Pendler passen ins Beuteschema des Christian Lindner. Denn wenn diese Umweltsünder mit ihren langen Strecken im umweltschädlichen Kleinwagen erst einmal davon überzeugt werden können, dass sie so viel Fleisch ja auch wieder nicht essen, so oft ja nun auch wieder nicht nach Malle fliegen, so viele T-Shirts bei „KiK“ nun auch wieder nicht kaufen – wenn jenen Pendler nur oft und intensiv genug eingeredet wird, dass sie (für die FDP auf Wählerfang) auch nicht schlechter sind als die SUV-Fahrer mit ihrer geringen Kilometerleistung, dann fühlen sich irgendwann alle so richtig gut. Und der Grund dafür heißt: FDP.

Denn die sagt ihnen, dass alles im grünen Bereich ist (gelber Bereich klingt irgendwie komisch und riecht nicht so gut), dass sie ruhig so weitermachen sollen wie bisher. Ist schließlich auch eine Frage der Freiheit, ähnlich wie das Brettern über die Autobahn mit 180 Sachen. Wer das unterbinden will, unterbindet die Freiheit. Unterbindet, dass jeder frei entscheiden kann, dass er sein Glückes Schmied ist. Und wer sich dann dagegen entscheidet und eben meint, er sei womöglich aufgrund der Rahmenbedingungen vielleicht doch nicht seines Glückes Schmied, tja, der muss dann wohl ein schlechter Schmied sein, der das Glück eben nicht verdient hat.

Das muss der potenzielle FDP-Wähler also auch wissen: Lindner und seine FDP reden über Dinge, die dringend angegangen werden müssen. Schön. Und das gilt auch für das wirtschaftliche System, mit dem wir klarkommen müssen. Stets geht es um die Freiheit, und stets zielt die Partei in Richtung ihrer potenziellen Wähler ab. Aber wirklich gemeint sind sie nicht, gemeint sind die Profiteure des Neoliberalismus, gemeint sind die großen Unternehmen, gemeint sind private Wohnungsgesellschaften, Versicherungen, Banken, die Pharma-Lobby und die Agrar-Lobby.

Wer die FDP favorisiert und wählt, ist entweder jemand, der von der neoliberalen Politik profitiert. Oder jemand, der großen Wert darauf legt, sich die Freiheit leisten zu können, Gouda oder Edamer zu kaufen. Mehr aber auch nicht, lieber Glücks-Schmied.

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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