Dieser kleine Text, so kurz vor dem beschwerlichen Gang zur Wahlurne, aus der heraus wir dann die Asche der SPD in alle neoliberalen Richtungen verstreuen können, ist gewissermaßen ein Experiment. Denn mein Blog-Partner Roberto hat ebenfalls einen Text geschrieben, ebenfalls eine Wahlempfehlung, praktisch zeitgleich (wobei sein Text erst morgen, also Samstag kommt). So wie auch mein kleiner Artikel eine Wahlempfehlung wird. Denn ich finde Wahlempfehlungen cool.
Identisch bei uns ist das Ergebnis. Wir raten unbedingt dazu an, die Linkspartei zu wählen (zur PARTEI komme ich später noch). Unterschiedlich ist – eigentlich wie beinahe immer bei uns – unsere Motivation dahinter. Aber so soll es sein, und deswegen können manche Leser mich nicht ausstehen, andere Roberto. Egal, darum geht es ja nun grad‘ wirklich nicht, immerhin ist übermorgen die Bundestagswahl. Und die könnte knapper und spannender ja gar nicht sein. Also, zumindest was die Plätze zwei, drei und vier angeht, denn Schulz wird Kanzler, so viel ist sicher. Hat er doch schließlich gesagt! Dann muss es wohl stimmen.
Also gut, jetzt aber! Meine Wahlempfehlung:
Ich schließe mich Robertos Worten (die Ihr noch nicht kennt) an: Wählt die Linkspartei! Aber ich gestehe: Ich tue das ziemlich müde und gelangweilt. Nicht wegen der Linken. Sondern wegen der Wahl insgesamt. Sie hatte den Moment einer gewissen Dynamik, als Martin Schulz die Bühne betrat. Mit einem sozialdemokratischen Heiligenschein versprach er für ein paar Wochen, dass alles gut werde, weil alles gut werde. Und weil er jetzt die Sache in die Hand nehme. Das tat er dann auch. Und versaute es auf ganzer Linie. Wenn das „neue“ Wahlprogramm der SPD die soziale Gerechtigkeit darstellt, ohne sozial Gerechtes zu fordern, dann werden die Wähler skeptisch. Wenn sich ein Kandidat auf die „harcht arbeitenden Menschen“ fokussiert und die Hartz-IV-Empfänger und Aufstocker sich fragen müssen, ob sie denn damit nun auch gemeint sind oder eher nicht, dann stimmt etwas nicht mit der Strategie. Wenn Gerhard Schröder als Zugpferd eingeladen wird, um die SPD lautstark auf Kurs zu bringen und ihr mächtig Mut zu machen, dann wirkt das eher wie eine kollektive Onanie, die zwar mit einem Höhenpunkt endet, aber den Wähler ziemlich unbefriedigt zurücklässt. So ist das halt mit dem sozialdemokratischen Sex: er findet alleine statt, ohne die, die eigentlich auch ein geiles Gefühl haben sollten.
Was haben wir noch? Merkel. Obwohl: Viel kriegt man ja nicht mit von ihr. Aber das geht ja schon seit Jahren so, und den Menschen gefällt das irgendwie. Außerdem muss man doch ernsthaft fragen, warum die Rautentrulla überhaupt Wahlkampf machen soll? Ohne Konkurrenz, ohne einen Gegner, der ihr gefährlich werden kann? Ich würd‘ wohl auch einen schlanken Fuß machen, weiterhin Europa in das neoliberale Fass tauchen und so tun, als meine ich es gut. Diese ganze Neoliberalismus-Scheiße ist ja eh viel zu kompliziert, da ist es doch besser, die Fresse zu halten und drauf zu hoffen, dass Merkel es schon richten wird. Was auch immer „Es“ ist, im Zweifel ein Clown, der Kinder frisst.
Ach ja, und dann sind da ja noch die FDP, die Grünen und die AfD. Und gerade werde ich wieder spontan müde, diese Müdigkeit, sie ermattet und erlahmt mich. Unser neoliberales Dreigestirn präsentiert sich in bunten Farben, provokanten Auftritten (und Abgängen!) und plappert inhaltsleeres Zeug vor sich hin, so dass selbst ihre Fans spontan die Fernbedienung in die Hand nehmen und zappen, bis irgendwo Fußball läuft oder irgendein alter Streifen von Alfred Hitchcock. Ja, ist klar, die wollen in den Bundestag, und abgesehen von der AfD, auf die offiziell niemand Bock hat, stieren alle auf potenzielle Koalitionspartner. Die AfD freut sich auf die Opposition im Bundestag und hat keinen Schimmer, wie sie ohne nahezu tägliche Talkshows ihren Unsinn umsetzen will. Aber wer weiß, vielleicht findet sich ja doch noch irgendein Partner, der feststellt: In Sachen Scheiße bauen sind wir ja gar nicht so weit auseinander.
Ich habe mich in letzter Zeit mit Rainer Mausfeld beschäftigt. Und das war – bezogen auf die Bundestagswahl – vielleicht gar keine so gute Idee. Denn der Mann bringt das Drama derart prägnant auf den Punkt, dass man sich fragt, wozu überhaupt wählen? Der Wahlakt als solcher ist ja tatsächlich nicht mehr als diese rührende Illusion, man könne irgendwie Einfluss nehmen. Und man muss sich nur anschauen, wie die FDP seit Monaten medial gepusht wird, um ernüchtert (und erneut ermüdet) festzustellen, dass die Einflussnahme von allen möglichen Ecken ausgeht, aber ganz sicher nicht vom Wähler. Woher auch?
Wir befinden uns in einem „Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Modus“, nur dass diese Nummer halt alle vier Jahre stattfindet. Die etablierten Parteien sagen uns, was alles doof ist, kloppen uns gleichzeitig uns Hirn, wie geil sie ihren Job gemacht haben und hoffen (mit Recht!) darauf, dass wir nicht merken, dass das, was doof ist, genau das ist, was sie gemacht haben und das, was geil ist, in Wirklichkeit gar nicht geil ist.
Echt, das muss man erst mal bringen.
Und, ehrlich, das muss man als Wähler erst mal glauben!
Aber, ja, es funktioniert, die Wähler glauben es, zumindest genug von ihnen, um Merkel wieder in den deutschen Olymp zu heben (dieser Vergleich mit dem höchsten griechischen Gebirge ist übrigens kein Zufall).
Also gut, ich gebe es zu, dieser Wahlkampf ist ein Escort-Service. Die etablierten Parteien begleiten sich gegenseitig, machen ein bisschen Schimpf-Action und schaukeln sich nach dem 24. September gegenseitig die Eier(stöcke). Dann geht es los mit wirren und vorhersehbaren Farbenspielen und der Rest läuft auf das hinaus, was wir die letzten Jahre über eh schon hatten. So gesehen kann ich in diesem Jahr jeden verstehen, der sich als Nichtwähler outet oder nicht outet, aber auf gutes Wetter hofft und an den Badesee fährt, und sei es nur, um sich den Arsch abzufrieren.
Liebe Leser, bitte nehmt mir meinen vielleicht ansatzweise anklingenden Pessimismus nicht allzu übel, ich will ja gerne, das Ihr wählt. Und ich empfehle Euch voller Inbrunst jetzt, Euer Kreuz bei der Linkspartei zu machen. Ich selbst werde es tun. Allerdings nicht, ohne zumindest meine Erststimme der Partei „Die PARTEI“ zu geben. Denn ein bisschen Spaß muss sein, das sang doch schon ein schwarzer Mann mit weißem Herzen. Und der wird es doch wohl wissen, schließlich ist er immer ein lustiger Geselle gewesen. So wie Martin Schulz. Nur dass Schulz einfach kein Mann für gelungene Pointen ist. [InfoBox]