Wie abgefahren! Letzte Nacht hab‘ ich von einem neuen Kanzlerkandidaten der SPD geträumt. Sein Name: Mathias Sodem. Oder so ähnlich. Ich weiß es nicht mehr genau. Aber der Kerl hat das ganze Land richtig aufgemischt. Es hatte fast etwas von Wahlkampf an sich.
Ich weiß nicht mehr, wie Mathias Sodem aussah. Aber ich erinnere mich an das, was er gesagt hat. Erst einmal zog er einen Schlussstrich unter die Agenda 2010. Kein BlaBla, wie wichtig sie damals war, keine Lobhudelei in Richtung Gerhard Schröder. Stattdessen sagte Sodem, dass die Wirtschaft sich auch ohne die Agenda erholt hätte. Dieser ganze Quark, von wegen, ohne die Agenda wäre heute alles ganz schlimm, wischte Sodem einfach weg. Und dann stellte er sich hin – ich glaube, es war das Willy-Brandt-Haus, weiß es aber nicht mehr genau – und verkündete, dass jetzt ein anderer Wind weht. Kurzum: die Agenda muss weg!
Vollbeschäftigung, meinte Sodem, sei ja wünschenswert, sicher. Aber nicht, um Statistiken damit zu fälschen. Er sprach von Arbeitsplätzen, die komplett wertlos seien, wenn nach der Lohnauszahlung aufgestockt werden müsse. Solche Arbeitsplätze, so Sodem, brauche kein Mensch. Er wolle dafür kämpfen, dass jeder Arbeitsplatz zu einem Auskommen führe. Wenn das nicht gelänge, sei jeder Job nicht das Papier seiner Stellenausschreibung wert.
Auch mit den Reichen räumte Sodem auf. Die Vermögenssteuer sei keine nebulöse Idee linker Spinner, die den Mittelstand ruinieren wolle. Sie sei vielmehr eine Frage der Gerechtigkeit und der Verteilung. Wenn so wenige Menschen so viel verdienen, dass sie sowieso nicht wissen, wohin mit dem Geld, meinte der Kanzlerkandidat, dann könnten sie es auch gleich der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, zumindest Teile davon. Eine Vermögenssteuer bringe keinen um, meinte Sodem, Altersarmut schon.
Auch in Sachen Russland und Krieg bezog Mathias Sodem klar Stellung. Russland bedrohe uns nicht, sagte er in die Mikrofone. Das Ziel sei daher, eine friedliche Koexistenz einerseits, und geschäftliche Verbindungen andererseits. Auf Augenhöhe, wertschätzend, und knallhart verhandelnd. Außerdem werde Deutschland sich künftig nicht mehr an illegalen oder zumindest fragwürdigen Militäreinsätzen beteiligen. Waffenlieferungen ins Ausland seien aus Prinzip tabu.
Der Traum ging noch eine ganze Weile weiter, und Sodem forderte munter drauf los. Das hatte zweierlei Folgen:
Großteile der Medien reagierten empört bis verwirrt. Leitartikler malten Bilder aus Schwarz und Grau an die Wand und in ihre Printexemplare. Im Internet kamen SPON & Co. gar nicht mehr aus den Eilmeldungen heraus, ständig wurden neue Baustellen aufgemacht. Und immer war man besorgt, wütend und enttäuscht von der Sozialdemokratie. Die ARD sendete sogar einen „Brennpunkt“ mit dem Titel: „Wird Deutschland im September sozialistisch?“
Angela Merkel erwachte aus ihrem Rautenschlaf und erhob mahnend den Zeigefinger, als sie in einer YouTube-Ansprache kundtat:
Mathias Sodem gefährdet nicht nur unseren Wohlstand, unser aller Wohlstand. Er ist eine Gefahr für den Frieden auf der Welt, und wer Putin auf Augenhöhe begegnen will, ist längst sein Untertan geworden.
Holla, da war was los letzte Nacht!
Die zweite Folge war unglaublich viel Leben in der Bevölkerung. Plötzlich wurde diskutiert, gestritten, sinniert, in den sozialen Medien kam es zu Debatten, die tausendfach kommentiert, geliked und geteilt wurden. Natürlich gab es haufenweise Kritiker, User, die der Meinung waren, dass Mathias Sodem das Ende Deutschlands heraufbeschwöre. Und die AfD immer mitten drin. Aber es waren lebhafte Diskussionen, natürlich – wie es sich in sozialen Medien gehört – auch unterirdische, die an Niveaulosigkeit kaum zu unterbieten waren. Dennoch: Da war eine Stimmung, eine Atmosphäre, ein Gefühl, dass sich etwas bewegt. Dass da jemand ist, der bereit ist, den Gegenwind der politischen Gegner und der Medien auszuhalten. Umfragewerte, die immer knapper wurden, schmutzige Kampagnen, die immer eindeutiger als solche entlarvt wurden, stetig dünner werdende Argumente der Konservativen, die an Wirkmacht verloren.
Letzte Nacht, in diesem Traum, da gab es einen Wahlkampf. Das gab es Parteien, die gegeneinander antraten, mit unterschiedliche Positionen. Da gab es einen charismatischen Kanzlerkandidaten der SPD, der dem Land zurief:
Es läuft vieles schief im Land! So viel, dass wir uns grundlegende Gedanken darüber machen müssen. So viel, dass wir eine neue Richtung einschlagen müssen. Eine Richtung, die sich endgültig erst als richtig erwiesen hat, wenn niemand mehr leiden muss.
Ok, ok, ja klar, es war nur ein Traum. Aber schön war er, das könnt Ihr mir glauben. Und ich denke, ich würde Mathias Sodem wählen. [InfoBox]