Der Plan war eigentlich einfach: Ein Streitgespräch zwischen einem Bundestagskandidaten der Linken und einem Vertreter der FDP. Thema: Wirtschaftspolitik.
So weit, so gut. Alles war vorbereitet, der Linken-Kandidat stand pünktlich zum Gesprächsbeginn auf der Matte. Nur der Mann von der FDP, der war irgendwie nicht auffindbar.
Aber der Reihe nach …
Wer spricht mit uns?
Eins vorweg: Ich werde keine Namen nennen, das wäre einfach nicht fair. Aber der Vorgang, den ich schildern werde, ist so absurd, dass ich ihn einfach aufschreiben muss. Warum? Weil die FDP nicht nur in den Bundestag strebt, sondern darüber hinaus als Partei der Erneuerung auftritt, und – das ist jetzt ziemlich wichtig – als eine Partei, die sich der Digitalisierung verschrieben hat. Was nachvollziehbar ist, wenn man modern sein will. Da gibt es ja so Sachen wie Industrie 4.0, das Internet der Sachen, smartes Arbeiten, all diesen Kladderadatsch halt. Ich selbst bin da kein Experte, aber auf der Agenda der FDP ist die Digitalisierung ziemlich weit oben auf der Agenda. Theoretisch.
Alles klar, kann‘s losgehen?
Die erste Antwort auf unsere Anfrage bei der FDP erhielten wir am 24. März 2017. Am 4. April fragte ich nochmals nach („Kalte Füße bekommen?“), worauf mir der FDP-Pressesprecher eines westdeutschen Bundeslandes bestätigte, ich möge mich darauf verlassen:
„Wir sind heiß drauf!“
Ok, wunderbar, schön schön, ich hatte nach wie vor ein gutes Gefühl, das würde sicher ein interessantes Streitgespräch zwischen Linker und FDP.
Am 4. April etwas später dann die frohe Botschaft: ein Termin konnte angeboten werden! Der 13. April sollte es sein. Ich machte mich sofort daran, das mit dem Kandidaten der Linken zu klären. Der legte los, organisierte seinen Terminkalender neu und sagte zu.
Der FDP-Pressesprecher mailte mir dann noch, dass er mir demnächst die Skype-Adresse vom Abgeordneten (der übrigens in Brüssel sitzt und dort seinen Job verrichtet) schickt.
Prima, dann steht ja dem Gespräch nichts mehr im Weg. Dachte ich. Und war dabei allzu optimistisch. Oder auch naiv. Man mag sich selbst ein Urteil bilden.
Haufenweise Arbeit und diese verdammte Skype-Adresse!
Ich will nicht meckern, aber auf dieses Interview haben sich drei Leute vorbereitet. Erstens mein Partner Roberto De Lapuente, der an der Fragen gefeilt hat. Zweitens der Kandidat der Linken, der sich auf den Schlagaustausch mit der FDP vorbereitet und sich die wirtschaftlichen Forderungen der FDP genau angeschaut hat. Und drittens ich selbst, der die Fragen von Roberto ergänzt und um tagespolitische Themen erweitert hat. Das ist ok, dafür brennen wir, das lieben wir, und wir werden ja auch unregelmäßig oder regelmäßig dabei unterstützt (nebenbei: wir freuen uns natürlich auch über jeden weiteren Unterstützer, über jede weitere Unterstützerin).
Der Tag des Interviews rückte also näher. Die Skype-Adresse unseres Gesprächspartners war allerdings nach wie vor in weiter Ferne. Aber kein Problem, ist ja noch Zeit, dachte ich so bei mir. Optimistisch. Oder wohl doch eher naiv, mal wieder.
Denn am 10. April wurde mir die Skype-Adresse meines Gesprächspartners dann zwar mitgeteilt. Sie bestand jedoch aus den Initialen „T M“. Keine weiteren Angaben, außer einer Handynummer. Über die müsste ich den FDP-Mann dann schon finden, so die selbstbewusste Aussage des Pressesprechers. Was sich allerdings als tückisch erwies, denn die Initialen spuckten mir eine Unzahl von möglichen Skype-Teilnehmern aus. Und die Suche über die Handynummer ergab das glatte Gegenteil: null Ergebnisse.
Alles in allem eher unbefriedigend. Um nicht zu sagen: So kann ich nicht arbeiten!
Wir adden Sie, Herr Wellbrock, wir adden Sie, bis Sie umfallen!
Mein Hinweis, dass ich meinen Interviewpartner der FDP weder über die Initialen noch über die Handynummer finden konnte, führte zum Versprechen, er werde mich adden, kontakten, damit die Sache läuft. Ganz die digitale FDP eben, prima. Das war am 12. April, und ich war immer noch zuversichtlich, auch wenn ich mich inzwischen fragte, was denn so schwer sein könnte. Ich brauchte entweder eine eindeutige Skype-ID oder eine Anfrage des Gesprächspartners. Doch niemand addete mich, und so langsam wurde es eng. Aber was soll‘s, wir alle wissen, dass im politischen Alltag manchmal alles etwas kurzfristiger läuft. Also, abwarten und Tee trinken (auch wenn ich inzwischen eher Bierdurst verspürte).
Wellbock, wir haben ein Problem!
Am 13. April war ich bereits im Orbit. Aber offenbar hatte „Houston“ ein Problem. Mein Interviewpartner hatte „ein technisches Problem mit Skype“, an der Lösung werde aber fieberhaft gearbeitet. Als mich diese Mail erreichte und ich gerade Tubennahrung zu mir nahm, war es 15.09 Uhr. Das Interview hätte um 15.00 Uhr beginnen sollen. Ich konnte nur hoffen, dass das Problem zeitnah gelöst werden würde und ich zeitgleich den Kandidaten der Linken vertrösten konnte, der bereit war und fragte, wann es denn nun losgehe. Eine insgesamt ziemlich gute Frage. Auf die ich allerdings keine adäquate Antwort hatte.
Und so zogen wir unsere Umlaufbahnen. Um 15.23 Uhr teilte mir der FDP-Pressesprecher mit, dass unser Interviewpartner mich vor fünf Minuten erneut (!) geaddet habe. Was sich bei erneutem Nachsehen als falsch herausstellte. Der Kandidat der Linken deutete an, dass er jetzt eigentlich so langsam lieber einkaufen gehen wolle, statt hier zu warten. Kurz vor Ostern ein durchaus nachvollziehbarer Wunsch. Ich vertröstete ihn erneut, er willigt abermals ein, noch etwas zu warten.
Um ziemlich genau um 15.45 Uhr erhielt ich endlich die Skype-ID des FDP-Mannes, sofort stellte ich eine Kontaktanfrage, wenige Sekunden später klingelte es endlich auf Skype. Da war aber der Kandidat der Linken schon weg, auf dem Weg in den ganz normalen Ostereinkaufswahnsinn. Das teilt ich Herrn „T M“ mit, doch der war quietschfidel:
„Ja, mir tut es leid, aber wir haben mit Hochdruck an diesem Quatsch gearbeitet, aber irgendwie … äh … hähä, ging‘s dann nicht. Egal!“
Ganz so egal war mir die Sache nicht, immerhin hatten wir inzwischen neben wochenlanger Vorarbeit eine komplette Stunde vergeudet. Dem Pressesprecher teilte ich dann auch mit, dass ich den Eindruck habe, dass seitens der FDP offenbar keine Vorbereitung stattgefunden hätte, anders könne ich mir diesen peinlichen Verlauf nicht erklären (hey, wir sprechen wir über ein Skype-Interview, kein Date mit Edward Snowden!). Darüber war der Pressesprecher überhaupt nicht erfreut. Und ob sie sich vorbereitet hätten! Das mailt er mir, und wie ich mich denn jetzt „in einseitigen Schuldzuweisungen ergehen“ könne. Dann schoss er:
„Hier saß jetzt ein Team aus mehreren Büros, nur um das jetzt für Sie hinzubekommen.“
Als ich diese Zeile las, ereilte mich wie aus dem Nichts die Frage, warum für ein Skype-Gespräch ein Team aus mehreren Büros nötig ist. Bisher hatte ich Skype-Gespräche eher mit geringem Aufwand realisieren können. Spontan fielen mir alte Ostfriesenwitze ein, etwa der, wie viele Ostfriesen man braucht, um eine Glühbirne zu ersetzen. Es waren eine ganze Menge, so viel weiß ich noch.
Ich schrieb dem Pressesprecher unmissverständlich zurück, dass er (und sein Team) den Termin eindeutig verpatzt habe und daher die Schuldfrage sehr eindeutig geklärt sei. Und dass er (und sein Team), das auch nicht „für mich“ gemacht habe, sondern weil die FDP doch sicherlich ihre Positionen vertreten wolle.
Es folgte eine weitere Mail, in der mir Respektlosigkeit vorgeworfen und die Frage gestellt wurde: „Was ist denn das für ein Stil?“
Ja, das fragte ich mich auch, und zwar schon seit mehr als einer Stunde. Plus ein paar Wochen.
Der Vollständigkeit halber erwähnte ich noch, dass zum Respekt auch Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gehören. Die letzte Mail des Pressesprechers erreichte mich dann um 17.05 Uhr. Sie lautete:
„Es tut uns sehr leid, dass das mit dem Termin nicht geklappt hat.“
Das war‘s dann erst mal mit der dFDPmKI
Seit dieser Nummer heißt die FDP für mich nur noch „dFDPmKI“, was für „digitalgeile Freie Demokratische Partei mit Künstlicher Intelligenz“ steht. Die Abkürzung mag etwas sperrig klingen, aber sie trifft ja den Kern, also sei‘s drum.
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