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Das lächerliche Geheule um die Fake News

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Ja, was sollen wir denn jetzt bloß machen? Wie soll das Leben weitergehen, wenn wir uns mit Fake News konfrontiert sehen? Wenn womöglich die Russen den US-Wahlkampf beeinflusst haben? Bricht dann nicht irgendwie alles auseinander?
Nein, tut es nicht, und das Gejammer ist albern.

Was neu klingt, ist doch längst ein alter Hut. Falschmeldungen, ob gewollt oder ungewollt verbreitet, gibt es schon ewig. Und unsere ach so gewissenhaften Qualitätsmedien sind permanenter Bestandteil davon. Wir erinnern uns an die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak, die es zwar nicht gab, die aber zu einem schrecklichen Krieg führten. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Nun wird ihnen also der Kampf angesagt, diesen Fake News. Doch das ist schwieriger als gedacht. Behaupte ich, heute sei der 1. März, ist das eindeutig nicht wahr. Man kann mich der Falschmeldung bezichtigen, der Fall ist erledigt. Behaupte ich dagegen, Merkel sei vom Kapital gelenkt oder Schulz ein Blender, sieht die Sache anders aus. Merkels Nähe zum Kapital kann man leugnen, oder auch bestätigen, die eigene Perspektive lässt die dazugehörende Meinung entstehen. Eine Meinung ist aber nicht zwingend eine Falschmeldung, schon gar nicht, wenn sie so vage formuliert ist. Gehört nun also die Merkel- oder Schulz-Aussage in die Fake News- Schublade? Dann wäre es mit der Meinungsfreiheit vorbei. Aber das ist gar nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass neuerdings die merkwürdige Ansicht gesellschaftsfähig geworden ist, es gebe eine allgemeingültige Wahrheit in der Politik. Das ist natürlich Unsinn, wie man schnell merkt, wenn man sich eine Polit-Talkshow ansieht. Dort prallen regelmäßig konträre Wahrheiten aufeinander, was die eine Seite als schweren Mangel darstellt, ist für die andere ein durchschlagender Erfolg. Wirft beispielsweise Sahra Wagenknecht der Bundesregierung vor, es gebe einen verheerend großen Niedriglohnsektor, kontert Hannelore Kraft (oder wer grad bei Plasberg & Co. Platz genommen hat), die Arbeitslosenzahlen seien niedrig wie lange nicht mehr, und dass das natürlich an der Agenda 2010 liege.
Fake News?
Und wenn ja, von wem?

Und dann gibt es ja noch diese Sache mit der Wahlbeeinflussung. Deutsche Medien und Politiker bangen schon jetzt ob der Vorstellung, Russland (ja, klar, Russland, wer denn sonst?!) könnte womöglich irgendwie durch was auch immer Einfluss auf die für uns so bedeutende Wahl nehmen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Putin entscheidet, wer ab September bei uns Kanzler(in) wird, verschwindend gering ist, muss die Frage erlaubt sein, ob diese Sorge an sich nicht ziemlich albern ist. Es ist noch gar nicht so lange her, da war die NSA das große Thema schlechthin. Und wir sprechen hier nicht über ein paar Nachrichten oder Social Bots, sondern über massenhafte Ausspähung, Überwachung und Auswertung unzähliger Daten. Was man mit diesen Daten alles anstellen kann, überfordert uns komplett, die Möglichkeiten aber, das ahnen wir zumindest, sind enorm. Übrigens auch die Möglichkeiten, Wahrheiten in die Welt zu setzen, die sich womöglich später als Fake News herausstellen können.
Und nun?

Selbst wenn wir einmal annehmen, dass es Fake News und versuchte Wahlbeeinflussung gibt (was natürlich stimmt), sollten wir uns doch vor der Vorstellung verabschieden, dies vollständig unterbinden zu können. Das konnten wir nie, das können wir auch heute nicht. Wir leben nun einmal in einer globalisierten Welt, wir leben nun einmal im Zeitalter der sozialen Medien. Die Medienlandschaft hat sich verändert, sie ist größer geworden, schneller, kurzlebiger, schmutziger, bunter, absurder, lustiger, tragischer und undurchsichtiger. Das Prinzip ist das gleiche wie vor zwanzig Jahren, lediglich die Dimensionen haben sich verändert. Es geht darum, damit klarzukommen.

Es ist einfach so: Der Mensch macht, was er machen kann. Deswegen wurde auch die Atombombe gebaut, deswegen wird jede Technologie bis ins kleinste Detail erforscht, wird jede technische Möglichkeit in die Tat umgesetzt, unabhängig davon, was für Folgen das haben könnte. Der Mensch neigt nicht dazu, im Vorfeld abzuwägen, ob eine Entwicklung Gutes oder Schlechtes bewirkt. Er macht einfach, wenn er machen kann. Das betrifft auch die Medienlandschaft. Und zu denen gehören unter anderem Falschmeldungen.


[InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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